PRO ASYL: Das Asylbewerberleistungsgesetz gehört abgeschafft!

PRO ASYL begrüßt, dass Geflüchtete aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 anstelle von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz reguläre Sozialleistungen sowie einen Anspruch auf Kindergeld und BAföG erhalten sollen. Das ist gut – andere Geflüchtete aber profitieren weiterhin nicht davon.

Am 12. Mai 2022 wird im Bundestag über den Gesetzesentwurf für das „Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz“ der Bundesregierung abgestimmt. Tritt dieses Gesetz in Kraft, sollen ukrainische Flüchtlinge ab dem 1. Juni 2022 in das normale Sozialhilfesystem (SGB II und SGB XII) eingegliedert werden anstatt wie bisher die niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erhalten. Eine sinnvolle und notwendige Gleichstellung, die aber für alle Geflüchteten gelten sollte.

„Die Eingliederung der ukrainischen Geflüchteten in die normale Sozialhilfe ist richtig – denn nur so wird ein möglichst selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilnahme an der Gesellschaft ermöglicht. Doch vielen anderen Geflüchteten wird dies weiterhin verweigert – sie unterliegen verschiedensten Einschränkungen während des Asylverfahrens, darunter den reduzierten Leistungen  des Asylbewerberleistungsgesetzes“, kommentiert Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL. „Das Asylbewerberleistungsgesetz ist gekennzeichnet durch reduzierte Geldbeträge, diskriminierende Sachleistungen und unzureichende Minimalmedizin – es gehört endlich für alle abgeschafft“, fordert Judith.

Mit den geplanten Änderungen sollen ukrainische Geflüchtete ab Juni in die reguläre Krankenversicherung aufgenommen werden. Zudem sollen sie Anspruch auf Kindergeld haben und mit BAföG finanzielle Unterstützung für Studium oder Ausbildung bekommen können.

Verzögerungen sind zu erwarten

PRO ASYL kritisiert bei der Umsetzung jedoch administrative Hürden. Die Bundesregierung setzt nämlich für den Erhalt der Sozialleistungen voraus, dass die Betroffenen über einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG (der sogenannte vorübergehende Schutz) oder bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels über eine Bescheinigung über ihren rechtmäßigen Aufenthalt verfügen (eine sogenannte Fiktionsbescheinigung) und dass ihre Fotos und Fingerabdrücke aufgenommen wurden.

Bislang stellen die Ausländerbehörden aber häufig gar keine formgerechte Fiktionsbescheinigung aus. Wiebke Judith gibt zu bedenken: „Viele Behörden schaffen es aktuell nicht, die ukrainischen Geflüchteten zeitnah zu registrieren oder nehmen die Anträge von nicht-ukrainischen Menschen, die vorher in der Ukraine gelebt haben und vor dem Krieg geflohen sind, gar nicht erst zur Prüfung an. Dadurch sind Verzögerungen bei der Auszahlung der Sozialleistungen zu befürchten.“

Hintergrund

Flüchtlinge aus der Ukraine können seit dem 4. März 2022 auf Grundlage der EU-Massenzustromsrichtlinie den „vorübergehenden Schutz“ in Deutschland bekommen. Sie erhalten dadurch vergleichsweise unkompliziert ein Aufenthaltsrecht und nun auch Zugang zum normalen Sozialleistungssystem, ohne vorher ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Bisher hatten sie lediglich Anspruch auf die reduzierten Sonderleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – so wie viele andere Geflüchtete, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden, Geduldete und einige andere Gruppen, die weiterhin den diskriminierenden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes unterworfen bleiben.

Weitere Informationen und Einschätzungen zu dem Gesetzentwurf finden Sie auf der News-Seite von PRO ASYL.


Grenzen überwunden – auf Barrieren gestoßen: Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung

** Die Veranstaltung fällt leider aus***

Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung haben das Recht auf besonderen Schutz. Was heißt das genau und wie wird der Anspruch auf Schutz umgesetzt? Wer ist genau gemeint, wenn man von Geflüchteten mit einer Behinderung spricht? Und vor allem: Wie könnte eine gute Unterstützung dieser Zielgruppe aussehen? Diese und weitere Fragen werden in der Fortbildung thematisiert. Neben rechtlichen Fragestellungen spielt auch die Einstellung zum Thema Flucht und Behinderung in der Fortbildung eine wichtige Rolle. Auch Fallbeispiele und ein Film, in dem Betroffene sich zu Wort melden, sind Teil der Fortbildung.

Referentinnen: Kawther Ali (Leiterin des mehrsprachigem Treffpunkts für Frauen zum Thema Behinderung) und Maria Stehle (Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche)

Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit.

Die kostenlose Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.


Verbände beklagen mangelnde Umsetzung des Koalitionsvertrages

Gegenüber der grün-schwarzen Landesregierung haben baden-württembergische Vertreter*innen vom Flüchtlingsrat, dem Paritätischen Landesverband, Seebrücke und dem Landesverband der Kommunalen Migrantenvertretungen (LAKA) im Rahmen einer Landespressekonferenz am Jahrestag der Vorstellung des Koalitionsvertrages Bilanz gezogen.

Helene Khuen-Belasi (LAKA), Seán McGinley (Flüchtlingsrat), Ulrich Bamann (Seebrücke) und Feray Şahin (Paritätischer Landesverband) zogen eine Bilanz am Jahrestag des Koalitionsvertrages.

Die Verbände hatten vor einem Jahr allesamt im Koalitionsvertrag begrüßenswerte Vorhaben festgestellt, die heute allerdings immer noch fast alle auf ihre Umsetzung warteten.

So kritisierte Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, es sei in der Realität nichts von der Ankündigung zu erkennen, alle Spielräume auszunutzen um gut integrierte Geduldete zu einem Bleiberecht zu verhelfen und über entsprechende Optionen zu beraten, bevor eine Abschiebung droht. „Es wirkt also eher so, als würden die Behörden alle gesetzlichen Spielräume konsequent nutzen, um Abschiebungen zu ermöglichen, bevor ein Bleiberecht ‚droht‘“, so McGinley. In diesem Sinne bewertete er auch den Umstand, dass Baden-Württemberg – anders als einige andere Bundesländer – keine Vorgriffsregelungen auf die von der Bundesregierung angekündigten ausgeweiteten Bleiberechtsoptionen einführen will, so dass die Personen, die von diesen Regelungen profitieren werden, in Baden-Württemberg Gefahr laufen, vor Einführung der neuen Regelungen abgeschoben zu werden.

Kritisiert hat der Geschäftsführer des Flüchtlingsrats auch das mangelnde Problembewusstsein und das Desinteresse der Opposition angesichts der gerichtlich festgestellten Grundrechtsverletzungen in Erstaufnahmeeinrichtungen und bezüglich der Abschiebungshaft, wo mit dem „Runden Tisch“ der Bürgerbeauftragten und der Einführung einer Sozial- und Verfahrensberatung gleich zwei Ankündigungen des Koalitionsvertrages auf ihre Umsetzung warten.

Die Verbände wiesen darauf hin, dass die aktuelle Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine zeige, dass ein ganz anderer Umgang mit Geflüchteten möglich sei, wenn dies politisch erwünscht ist. In diesem Zusammenhang erinnerte Ulrich Bamann von der Seebrücke Baden-Württemberg an das im Koalitionsvertrag angekündigte Landesaufnahmeprogramm für Menschen an den Außengrenzen Europas: „Nachdem es im Februar ein Fachgespräch ‚Humanitäre Aufnahme‘ gab, in dem die Notwendigkeit, die Optionen und die Grundzüge einer Umsetzung diskutiert wurden, stagnierte der Umsetzungsprozess, obwohl sich die Situation von Geflüchteten an den Grenzen Europas weiter verschärft hat. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs muss heute schon von den ‚Vergessenen‘ auf dem Mittelmeer, auf den griechischen Inseln und auf der Balkanroute gesprochen werden. Ein Landesaufnahmeprogramm ist notwendiger denn je.“

Angesichts der bevorstehenden Eingliederung ukrainischer Geflüchteter in die regulären Sozialsysteme erinnerte Feray Şahin, Leiterin des Bereichs Familie, Kinder, Migration beim Paritätischen Landesverband Baden-Württemberg daran, dass die Landesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt hat, den Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Baden-Württemberg unabhängig ihres Aufenthaltsstatus zu gewährleisten. Passiert sei in dieser Hinsicht aber nichts. „Wir fordern die Landesregierung auf, Flüchtlinge in unserem Land in der Gesundheitsversorgung gleichzustellen und ab Juni 2022 nicht nur ukrainischen, sondern allen Flüchtlingen den Zugang zu medizinischen Leistungen über das System der Grundsicherung zu ermöglichen“, so Feray Şahin. Beim Stichwort „Ungleichbehandlung” betonte Şahin die Wichtigkeit des angekündigten Landesantidiskriminierungsgesetzes und zeigte sich besorgt darüber, dass die Landesregierung die Zuständigkeit hierfür dem Innenministerium zugewiesen hat. Dies sei ein Zugeständnis gegenüber denen, die behauptet haben, das LADG sei ein „Anti-Polizeigesetz“ und stelle die Polizei unter Generalverdacht. „Fakt ist: Wir haben eklatante Schutzlücken im geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Bereiche wie Bildung, öffentliche Verwaltung sowie die Ausländer-, Ordnungs- und Polizeibehörden fallen unter Länderhoheit und werden vom AGG nicht berührt. Diese Schutzlücke muss endlich geschlossen werden”, so Feray Şahin.

Für den Landesverband der Kommunalen Migrantenvertretungen ist die Einführung muttersprachlichen Unterrichts in staatlicher Verantwortung ein wichtiges Anliegen. Doch auch diese Ankündigung des Koalitionsvertrages sei noch nicht in die Tat umgesetzt worden.

„Es dauert fünf bis sieben Jahre, bis eine zweite Sprache auf anspruchsvollem Niveau beherrscht wird. Diesen umfassenden Prozess des Deutschlernens müssen wir durch qualifizierte Sprachförderung sichern, in die alle Lehrer eingebunden sind. Um Bildungsgerechtigkeit – ein Ziel der Koalitionsregierung – herzustellen, brauchen wir zusätzlich zur qualifizierten Sprachförderung die Einführung von Herkunftssprachen als reguläres Fach, mit versetzungsrelevanten Noten und Abschlussprüfungen, um Schülerinnen und Schülern mit Migrationserfahrung bessere Bildungsabschlüsse zu ermöglichen. Ohne solche Anstrengungen werden wir auf urteilsfähige Bürger und Fachkräfte verzichten müssen. Darüberhinaus zwingt die Entwicklung vermehrt beide Eltern zur Vollerwerbstätigkeit, um Mieten und Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Der flächendeckende Ausbau von Kitas, Ganztagsschulen/Gemeinschaftsschulen ist daher unverzichtbar, um Kindern und Jugendlichen ganzheitliche Bildung und soziale Entwicklung zu ermöglichen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu festigen.”, so LAKA-Vorstandsmitglied Helene Khuen-Belasi. Daher fordert der LAKA die Landesregierung auf, dem Ausbau der breiten Bildung als entscheidendem Standortvorteil Vorrang einzuräumen und Herkunftssprachen als schulische und Bildungsressource anzuerkennen, wie das in fast allen Bundesländern bereits erfolgt.

Die Vertreter*innen der Verbände rufen alle Bürger*innen Baden-Württembergs dazu auf, die Landesregierung an ihre Ankündigungen zu erinnern, sei es in Gesprächen mit ihren Landtagsabgeordneten, oder durch eine neue Postkartenaktion, die im Rahmen der Pressekonferenz vorgestellt wurde.


Fachtag: Integration und innovative Konzepte

Was ist gemeint, wenn von „Integration“ gesprochen wird? Wenn wir von einem Prozess der Integration sprechen, wer trägt welche Verantwortung und wer leistet welchen Beitrag in diesem Prozess? Welche Ressourcen sind notwendig, um die Ziele, die wir vor Augen haben, wenn wir von einem Prozess der Integration sprechen, zu erreichen? Welche Rolle spielen Hauptamtliche, und inwiefern werden die vorhandenen Angebote an Unterstützung, Beratung und Begleitung den Bedürfnissen der Geflüchteten gerecht? Diesen und anderen Fragen wollen wir bei der Tagung am 10.06. Raum geben. Wir haben Expert*innen mit unterschiedlichen Perspektiven eingeladen, um mit einer Mischung aus Theorie und Praxis mit Ihnen in den Austausch zu gehen.

Da wir einen machtkritischen und reflektierten Blick auf die Rolle von Hauptamtlichen in der Arbeit mit Geflüchteten fördern wollen, empfehlen wir, dass Sie sich zur Einstimmung auf die Tagung den TED-Talk „The danger of a single story“ von Chimamanda Adichie anschauen. Für das Video sind deutschsprachige Untertitel verfügbar.

Die Tagung richtet sich primär an Personen, die hauptamtlich im Bereich Flucht und Migration tätig sind und die Inhalte sind auf diese Personen ausgerichtet. Grundsätzlich steht die Teilnahme aber allen Interessierten offen. Die Anmeldung ist nun geschlossen.

Die Teilnahme ist kostenfrei, lediglich für das Mittagessen erheben wir einen kleinen Unkostenbeitrag.

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Integration mit Perspektive Individuell. Kultursensibel.“ statt. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und der Heidehof Stiftung kofinanziert.

Programm als PDF

Programm

10.00 Begrüßung (Bärbel Mauch, 2. Vorsitzende Flüchtlingsrat BW)

10.05 Hauptvortrag „Integration als Projekt für alle“

Der Begriff Integration ist in aller Munde. Im Kontext der Geflüchtetenarbeit ist vor allem von Integrationsbedarf, Integrationsverweigerung einerseits oder gelungener Integration andererseits die Rede. Meist geht es dabei um eine ‚Bringschuld‘ der Neuankömmlinge. Warum Integration jedoch nur gelingen kann, wenn auch die Aufnahmegesellschaft selbst aktiv ist, wird Frau Prof. Dr. Treibel in ihrem Vortrag aufzeigen. Sie wird die unterschiedlichen Bedeutungen des Integrationsbegriffs erörtern und darstellen, welch‘ große Bedeutung Kooperationen, aber auch und gerade Konflikte im Projekt Integration haben. Der Vortrag mit anschließender Diskussion soll dazu anregen, unsere eigenen Handlungs- und Sprachmuster machtkritisch hinterfragen zu können.

Referentin: Prof. Dr. Annette Treibel (Professorin für Soziologie und Leiterin des Masterstudiengangs Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit an der PH Karlsruhe) 

12.30 Mittagspause

Es gibt ein vegetarisches und ein veganes Gericht, jeweils mit kleinem Salat, gegen einen Unkostenbeitrag von 6 Euro.

13.15 Arbeitsgruppen

A) Unterstützung von geflüchteten Menschen in der Ausbildung.

Auch für Menschen mit Fluchthintergrund bietet eine Ausbildung in Deutschland gute Möglichkeiten zum Erwerb von Kompetenzen sowie einer formalen Qualifikation. Gerade für Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus kann eine Ausbildung daneben eine Bleibeperspektive eröffnen, z.B. über die Ausbildungsduldung. Gleichzeitig gibt es für geflüchtete Menschen, die eine Ausbildung machen, viele Hürden und Herausforderungen – angefangen bei sprachlichen und fachlichen Schwierigkeiten in der Ausbildung über Unstimmigkeiten im Betrieb bis hin zu aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten. Hier kann eine gute Abstimmung und Arbeitsteilung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, Betrieb, Schule und HWK/IHK von großem Vorteil sein. Welche Rolle verschiedene Hauptamtliche einnehmen können, wird in diesem Workshop diskutiert. Außerdem berichtet Yonas Salomon von seinen Erfahrungen als Geflüchteter, der eine Ausbildung erfolgreich absolviert hat und gibt Tipps für andere, die diesen Weg gehen wollen und für deren Unterstützer*innen.

Referenten: Ulrich Ziegler (AK Asyl Schwetzingen) und Yonas Salomon (Azubi)

B) Trauma als besondere Herausforderung für Integration und Teilhabe?

In der Arbeit mit Geflüchteten begegnen Viele auch traumatisierten Personen. Traumatische Erlebnisse aus der Heimat oder auf der Flucht können sich vielfältig auf die Gegenwart auswirken und sich im Verhalten der Betroffenen äußern. Was ist ein psychisches Trauma eigentlich, was ist wichtig zu wissen und zu beachten? Welche besonderen Bedarfe und Herausforderungen können sich daraus im Rahmen von Integration und Teilhabe ergeben?

Referentin: Hanna Hiltner (Traumazentrierte Fachberaterin und Traumapädagogin bei refugio stuttgart e.v., Regionalstelle Tübingen).

C) Gelungene Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

Was können Haupt- und Ehrenamtliche dafür tun, um gemeinsam im Sinne der geflüchteten Menschen, die sie betreuen, agieren zu können? Welche Beispiele gibt es für gute Arbeitsteilungen, gelungene Kommunikation und sinnvolle Strukturen, die eine vertrauensvolle Kooperation fördern? Wo sind in der aktuellen Praxis Defizite und Verbesserungspotenziale? Wie bewerten geflüchtete Menschen die Unterstützung, die sie von Haupt- und Ehrenamtlichen erhalten und welche Verbesserungsbedarfe gibt es?

Referenten: Dr. Kibreab Habtemichael Gebereselassie (Sozialarbeiter / Integrationsmanager bei der AGDW Stuttgart und Dozent für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Hochschule Darmstadt) und Awali Oumorou (Multiplikator im Projekt „Integration mit Perspektive: Individuell. Kultursensibel. Nachhaltig“)

15.00 Podiumsdiskussion

Zum Abschluss der Tagung möchten wir einige Gesprächsfäden aus dem vorherigen Programm zusammenführen und uns die Frage stellen, welche Vorstellungen von Integration und gesellschaftlicher Teilhabe wir haben, welchen Beitrag wir alle jeweils leisten können, um diese Ziele zu erreichen und welche Rahmenbedingungen und Ressourcen dafür bereitgestellt werden müssen.

Teilnehmer*innen: Prof. Annette Treibel, Dr. Kibreab Habtemichael Gebereselassie, Awali Oumorou.

Moderation: Dr. Lorenz Wiese (Projektmitarbeiter, „Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer (FFVT)“, Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) 

16.00 Ende


Leitfaden zur Beratung von Geflüchteten mit Behinderung

Die Bedarfe von Geflüchteten mit Behinderung werden noch immer nur sehr unzureichend berücksichtigt. Daher ist der aktualisierte „Leitfaden zur Beratung von Menschen mit einer Behinderung im Kontext von Migration und Flucht“ ein wertvoller Ratgeber für die praktische Beratung. Der Leitfaden wurde von Dr. Barbara Weiser (Caritas Osnabrück) und Maren Gag (passage gGmbH) erstellt und gibt wertvolle Hinweise, zu welchen Leistungen, die für Menschen mit einer Behinderung von Bedeutung sein können, Geflüchtete Zugang haben.


Frontex-Chef tritt zurück

Nach jahrelangen Vorwürfen zu illegalen Pushbacks von Flüchtenden im Mittelmeer ist Frontex-Chef Fabrice Leggeri zurückgetreten. Pushbacks sind (zumeist brutale) Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen Europas, die nach internationalen Recht illegal sind. Trotzdem häufen sich die Berichte, wonach Frontex in Pushbacks involviert war oder zumindest davon wusste und nicht eingegriffen hatte. Es ist skandalös, dass der Direktor einer EU-Agentur Menschenrechtsverletzungen jahrelang vertuschte, Beweise manipulierte und das Parlament belog.

Wir brauchen einen demokratischen, parlamentarisch kontrollierten Grenzschutz. Nötig ist eine unabhängige Überwachung von Frontex, um sicherzustellen, dass die EU-Agentur im Einklang mit dem Völkerrecht und der EU-Grundrechtecharta agiert.



Dänemark: Auslagerung des Asylverfahrens

Die sozialdemokratische Regierung scheut sich nicht, sich unangenehme Probleme vom Hals zu schaffen, indem sie Geflüchtete wie Güter behandelt und in andere Länder verfrachten will. Ende April 2022 unterzeichneten der dänische Justizminister und seine kosovarische Amtskollegin den Vertrag über eine 10-jährige Anmietung von Haftplätzen im Gefängnis Gjilan, beginnend ab 2023. In diesem „Kosovo-Knast“ sollen 300 Abschiebehäftlinge untergebracht werden. Als ob der Plan nicht schon genüge, sollen die Insassen für die Kosten selbst aufkommen bspw. durch unbezahlte Arbeit.

Aufgrund dessen wird Kopenhagen „modernes Kolonialdenken“ vorgeworfen. Jedoch auch wegen des Plans, das komplette Asylverfahren nach Ruanda auszulagern. Dies wurde bereits von Großbritannien umgesetzt, das ein entsprechendes Abkommen mit Ruanda abgeschlossen hat. Im Gegenzug soll Ruanda dafür Geld und Bildungsangebote erhalten.

Mit wirksamen Konsequenzen der EU ist derzeit nicht zu rechnen. Die EU-Flüchtlingskommissarin hatte schon bei den illegalen Pushbacks von Flüchtenden durch Polen und Litauen nach Belarus bewiesen, dass sie mit dem Bruch von europäischen und internationalem Recht keine übergroßen Probleme zu haben scheint.


 

 


Ehrenamtliche Unterstützung bei der Anhörungsvorbereitung von LSBTI* Geflüchteten

Lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen (LSBTI) Geflüchteten kann in Deutschland aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden. Allerdings stehen die Betroffenen im Rahmen des Asylverfahrens vor besonderen Herausforderungen und sind daher oft auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen. Für viele LSBTI* Geflüchtete ist die eigene Identität mit Scham besetzt und die Angst, offen über diese zu sprechen, groß. Mangelndes Vertrauen in staatliche Strukturen erschwert es den Betroffenen zusätzlich, in der Anhörung offen über ihre Fluchtgründe zu sprechen.

Im Fokus dieses Online-Seminars steht die Anhörungsvorbereitung von LSBTI* Asylsuchenden. In diesem Rahmen kann es unter anderem helfen, zu wissen

  • was dazu beitragen kann, ein vertrauensvolles Verhältnis herzustellen,
  • wie vor und bei der Anhörung aktiv unterstützt werden kann,
  • welche besonderen Verfahrensgarantien den Betroffenen im Asylverfahren zustehen können,
  • welchen Rahmen die Rechtsprechung für die Geltendmachung der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität feststeckt.

Aufgrund der schlechten Erfahrungen in ihren Herkunftsländern und aus Angst vor Gewalt und Anfeindungen in Deutschland entscheidet sich die große Mehrheit der LSBTI* Geflüchteten unsichtbar zu bleiben und auch den Behörden die wahren Fluchtgründe zu verschweigen. Daher stehen Ehrenamtliche bei der Unterstützung von LSBTI* Geflüchteten außerdem regelmäßig vor der Frage

  • ob ein verspätetes Outing etwas an einer negativen Entscheidung über den Asylantrag ändern kann,
  • wann es sich lohnen kann, gegen eine Entscheidung des BAMF gerichtlich vorzugehen.

All diese Fragen sowie weitere wichtige Aspekte der rechtlichen, politischen und sozialen Situation von LSBTI-Geflüchteten in Deutschland und in den Herkunftsländern sollen in dem Online-Seminar aufgegriffen und gemeinsam diskutiert werden.

Referentin: Meike Olszak, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrates BW

Das Online-Seminar richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit, die schon erste Grundkenntnisse des Asylverfahrens besitzen. Ziel ist es, die Handlungs- und Verweisungskompetenz der Teilnehmenden im Umgang mit LSBTI* Geflüchteten zu stärken.

Fragen können gerne vorab an olszak@fluechtlingsrat-bw.de geschickt werden.

Das Online-Seminar wird mit Zoom durchgeführt. Anmeldeschluss ist der 3. Juni. Die Zugangsdaten erhalten Sie einen Tag vor der Veranstaltung.

Die kostenlose Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.