PRO ASYL: Einigung im Rat der EU-Innenminister*innen

Die EU-Innenminister:innen haben sich heute in Brüssel laut Medienberichten sowohl auf einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus für aus Seenot gerettete Menschen, als auch auf grundlegende Positionen zur Screeningverordnung und der Eurodac-Verordnung, der Datenbank zur Identifikation von Schutzsuchenden, geeinigt. Beide Rechtsakte sind Teil des umstrittenen Migrations- und Asylpakets, den die Europäische Kommission im September 2020 vorgestellt hat. Wie der französische Innenminister Gérald Darmanin bei Twitter verkündet, wurde zudem eine Einigung über die Schengen-Reform gefunden. Diese sieht verschärfte Grenzmaßnahmen vor, wenn es zu einer „Instrumentalisierung“ von Migration kommt.

PRO ASYL begrüßt zwar jeden Schritt, der es Schutzsuchenden ermöglicht, aus den schlechten Lebensbedingungen in Ersteinreiseländern wie Griechenland in andere Mitgliedstaaten zu kommen. Doch gleichzeitig macht dieser mühsam errungene Solidaritätsmechanismus, der auf freiwilliger Basis entweder Aufnahme oder finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten vorsieht, die doppelten Standards bei der Aufnahme unterschiedlicher Schutzbedürftiger besonders deutlich.

„Während die EU bei der Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge gezeigt hat was möglich ist wenn der politische Wille da ist, macht die Einigung beim heutigen Rat der Innenminister:innen einmal mehr deutlich: von einer Gleichbehandlung aller Schutzsuchenden ist die EU weit entfernt. Anstatt allen die Möglichkeit einzuräumen, in dem Land ihrer Wahl Schutz zu suchen, muss für Geflüchtete, die nicht aus der Ukraine kommen, bereits eine mögliche Verteilung auf andere Mitgliedstaaten als die Ersteinreiseländer hart erkämpft werden. Eine Abschaffung des Dublin-Systems, um schutzsuchende Menschen zu ihren Communities reisen zu lassen und Mitgliedstaaten mit Außengrenzen zu entlasten? Fehlanzeige“, kommentiert Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL.

Dass sich die Innenminister:innen gleichzeitig auf eine grundlegende Position zur vorgeschlagenen Screening-Verordnung geeinigt haben, könnte die Situation von Schutzsuchenden an den Außengrenzen zukünftig weiter verschärfen. Denn über die im Vorschlag enthaltene Fiktion der Nicht-Einreise könnte Haft zur Standardmaßnahme für Schutzsuchenden werden. Rechtsstaatliche Asylverfahren sind unter solchen Bedingungen an den Außengrenzen nicht möglich, wie PRO ASYL mehrfach angemahnt hat, seit die Reformvorschläge der Kommission für das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf dem Tisch liegen.

Doch damit nicht genug. Die Innenminister:innen haben sich auch auf eine Reform des Schengener Grenzkodex geeinigt, durch die bei vermeintlicher Instrumentalisierung von fliehenden Menschen die Grenzsicherung verschärft werden soll und der Zugang zu Asyl an den Grenzen erschwert wird. „Der heutige Beschluss für eine Reform des Schengener Grenzkodex ist eine Steilvorlage für Mitgliedstaaten, die ihre illegalen Pushbacks europäisch legitimieren wollen. Anstatt diese menschenrechtswidrigen und oft brutalen Zurückweisungen auf den Tisch zu bringen, werden Mitgliedstaaten wie Polen, die weiterhin an der Grenze zu Belarus hart gegen Schutzsuchende vorgehen, in ihrer flüchtlingsfeindlichen Politik durch den heutigen Beschluss sogar unterstützt“, sagt Judith.

Auch wenn das Europäische Parlament bei den Verordnungen noch mitsprechen wird, so sind diese Vorstöße der EU-Innenminister*innen ein fatales Zeichen für den Schutz von Menschenrechten an Europas Außengrenzen. PRO ASYL fordert das Europäische Parlament dazu auf, sich solchen Verschärfungen zu widersetzen und die Entwürfe in dieser Form abzulehnen.


Sommertagung 2022

Informationen auf: Arabisch, Englisch, Ukrainisch und Dari

Herzliche Einladung zur ersten Präsenztagung in Stuttgart nach zweieinhalb Jahren coronabedingter Pause! Am Samstag, den 23. Juli 2022, findet unsere diesjährige Sommertagung statt. Wir haben ein äußerst spannendes und vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Der Hauptvortrag wird den Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine und aus anderen Ländern beleuchten und analysieren. In den Arbeitsgruppen können Sie wählen zwischen den Themen Ukraine, Afghanistan, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und Kinderschutz. Dazwischen wird es ausreichend Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch geben.

Die Tagung ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Die Anmeldung ist geschlossen.

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Eine Koförderung besteht durch die UNO-Flüchtlingshilfe und Deutsche Postcode Lotterie.

PROGRAMM

09:30 Uhr: Anmeldung und Ankommen

10:00 Uhr: Begrüßung (Lucia Braß, 1. Vorsitzende des Flüchtlingsrates)

10:15 Uhr: Hauptvortrag: Solidarität und Ungleichbehandlung: Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern

Wieder einmal sind tausende Menschen aufgrund eines gewaltsamen Konflikts gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die Betroffenheit über den Krieg in der Ukraine und die Solidarität mit Ukrainer*innen ist groß. Deutschland hat weitreichende Maßnahmen ergriffen, um Geflüchtete schnell und unbürokratisch aus der Ukraine aufzunehmen. Währenddessen finden gewaltsame Konflikte in anderen Regionen der Welt weit weniger Beachtung. Geflüchtete aus diesen Ländern und auch flüchtende BIPoC aus der Ukraine erfahren geringere gesellschaftliche und politische Unterstützung. Sie erleben stattdessen höhere bürokratische Hürden und rassistische Sentiments. Was für soziale und politische Folgen hat dieser unterschiedliche Umgang mit Geflüchteten? Wie können wir Brücken schlagen und eine Zweiklassengesellschaft vermeiden? Diesen und weiteren Fragen wird Dr. Elisabeth Maué mit einem Schwerpunkt auf Bildung und Arbeit nachgehen.

Referentin: Dr. Elisabeth Maué (Universität Konstanz)

11:15 Uhr: Kaffeepause

11:30 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase I

Wählen Sie eine Arbeitsgruppe aus den vier folgenden aus. Die Arbeitsgruppen Ukraine, Afghanistan und Gesundheitsschutz werden in der Arbeitsgruppen-Phase II wiederholt. Die Arbeitsgruppe zum Kinderschutz findet nur in der Arbeitsgruppen-Phase I statt.

Arbeitsgruppe 1: Flucht aus der Ukraine: Überblick über die rechtliche Situation

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine fliehen tausende Menschen nach Europa und Deutschland. Die EU reagierte unter anderem mit dem Inkraftsetzen der Richtlinie über einen „Massenzustrom“. Ukrainer*innen können dadurch ohne Asylverfahren eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. In der Arbeitsgruppe wird es einen allgemeinen Überblick über die aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragen geben, die sich aktuell für Geflüchtete aus der Ukraine stellen: Welche Rechte und Pflichten sind mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG verbunden? Wie sieht die Situation von Drittstaatsangehörige aus der Ukraine aus? In der AG können gemeinsam Fragen und Erfahrungen aus der Praxis diskutiert werden.

Referenten: Manfred Weidmann (Rechtsanwalt Tübingen, Mitglied des Sprecher*innenrats des Flüchtlingsrats BW) und Wolfgang Armbruster (Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Sigmaringen a.D.)

Arbeitsgruppe 2: Hilferufe aus Afghanistan

Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat im August letzten Jahres international für großes Aufsehen gesorgt. Doch nach wenigen Wochen wurde kaum mehr darüber berichtet und Afghanistan verschwand aus der öffentlichen Wahrnehmung, obwohl sich die Lage vor Ort weiter zuspitzt. Die Aufnahme von gefährdeten Afghan*innen gestaltet sich kompliziert und Aufnahmeprogramme stehen noch aus während Tausende um ihr Leben fürchten. Sadiq Zartila wird über die Lage vor Ort berichten – wie Frauen, Hazara und Kinder ihrer Rechte beraubt werden, wie sich Widerstand gegen die Taliban formiert und wie groß die wirtschaftliche Not ist. Tarek Alaows wird über die begrenzten Ausreisemöglichkeiten für Gefährdete, Ortskräfte und Familienangehörige und über die politischen Pläne der Bundesregierung sprechen.

Referenten: Tareq Alaows (Luftbrücke Kabul) und Sadiq Zartila (Mitglied des Sprecher*innenrats Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Arbeitsgruppe 3: Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: Rechte haben, Recht bekommen

Deutschland verfügt im Arbeits- und Gesundheitsschutz über ein breites Rechtssystem. Doch selbst hier geborene und aufgewachsene Menschen stoßen auf Schwierigkeiten, diese Regelungen zu kennen und zu verstehen. Wesentlich schwerer haben es Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind und nun hier arbeiten. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz bedeutet, dass Arbeitsgeber*innen langfristige Auswirkungen der Arbeit auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen im Blick haben. Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsstörungen sollen vermieden werden. Deshalb ist es wichtig, die Fürsorgepflichten der Arbeitgeber*innen zu kennen, genauso wie die Regelungen zur täglichen Arbeitszeit, Pausen, Arbeitsmittel, erste Hilfe, Unfallvermeidung und so weiter.

Diese Arbeitsgruppe soll dazu beitragen, dass Geflüchtete ihre Rechte im Bereich Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt kennen und einfordern können.

Referent: Walter Lukas (Ehrenamtlicher Bildungsarbeiter von ver.di)

Arbeitsgruppe 4: Schutz vor Gewalt: Geflüchtete Kinder und Kinderschutz

Alle Kinder haben das Recht auf ein Leben in Würde, in dem sie sowohl ihre Potenziale frei entfalten können, als auch vor Gewalt, Vernachlässigung oder Missbrauch geschützt werden. Geflüchtete Kinder unterliegen einem besonderen Schutz, da sie besonders verletzlich sind. Ihre Lebensituation ist in vielerlei Hinsicht prekär. Beispielsweise leben sie häufig in beengten Wohnverhältnissen mit fehlender Privatsphäre, einer unsicheren Bleibeperspektive, haben Verluste von festen Bezugspersonen und mögliche Traumatisierungen im Heimatland oder auf der Flucht erlebt. Die Arbeitsgruppe möchte für Anzeichen von jeglicher Art von Gewalt sensibilisieren sowie Handlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen.
Ihre Fragestellungen haben Platz und werden im gemeinsamen Gespräch erklärt.

Referent*in: Mitarbeiter*in des Kinderschutz-Zentrums Stuttgart (KISZ)

13.30 – 15.00 Uhr: Mittagspause (gegen Spende) und Markt der Möglichkeiten

Während der Mittagpause haben Sie die Möglichkeit, an verschiedenen Tischen mit Initiativen und Projekten aus ganz Baden-Württemberg ins Gespräch zu kommen, sich zu vernetzen, zu informieren und Ideen auszutauschen.

Möchten Sie selbst Ihre Initiative/Projekt an einem Tisch präsentieren? Dann schreiben Sie uns gerne an: schmid@fluechtlingsrat-bw.de

15:00 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase II Wiederholung der Arbeitsgruppen 1, 2 und 3

Wählen Sie eine Arbeitsgruppe aus den Arbeitsgruppen 1 bis 3 aus. Diese werden aus der Arbeitsgruppen-Phase I wiederholt.

17:00 Uhr: Ende der Veranstaltung


Fachtag: Change of perspective – im Austausch mit und von Geflüchteten lernen

Die Zukunftswerkstatt Rückenwind e.V. veranstaltet im Rahmen ihres Projekts „Fugee Angels“ einen Fachtag zum Ankommen von Geflüchteten in Deutschland. Dieser findet am 24. Juni 2022 von 9:30 bis 15:00 Uhr in der Gemeindehalle Großaspach statt, die barrierefreie Räumlichkeiten bietet.

Durch Inputvorträge und den gemeinsamen Austausch können sich Teilnehmende wertvolles Wissen für die eigene Arbeit aneignen.Hierfür kommen sie an verschiedenen Thementischen mit Expert*innen sowie den „Fugee Angels“ zusammen, die sich als ehrenamtliche Sprach- und Kulturmittler*innen für andere Geflüchtete einsetzen.

  • Tisch 1: Traumatisierung – Ursachen, Folgen und Aufarbeitung mit Prof. Norbert Grulke, Luisenklinik
  • Tisch 2: All inclusive – Fugee Angels für Barrierefreiheit mit Prof. Thomas Meyer, DHBW Stuttgart
  • Tisch 3: Rainbow refugees – Besonderer Schutzbedarf und Unterstützungsmöglichkeiten für LSBTIQ*-Geflüchtete mit Miriam Grupp, Initiative Elvan
  • Tisch 4: „…und dann nehmen sie uns die Kinder weg!“ – Perspektiven geflüchteter Familien auf die Jugendhilfe mit Ingo Hettler, DHBW Stuttgart
  • Tisch 5: „Setzen, sechs?“ Wie kommen Schüler*innen mit Fluchterfahrung in der Schule an? – eine Ideenwerkstatt mit Ingo Hettler, DHBW Stuttgart
  • Tisch 6: Vorurteile durch Perspektivenwechsel abbauen – Erfahrungen aus der Geflüchtetenhilfe mit Jama Maqsudi, Deutsch-Afghanischer Flüchtlingshilfe Verein e.V.

Zur Veranstaltung sind alle interessierten Fachkräfte, die haupt- oder ehrenamtlich mit Menschen mit Fluchterfahrung arbeiten, herzlich eingeladen!

Um Anmeldung bis einschließlich 22. Juni 2022 wird gebeten: post@zwrev.de

Die Teilnahme ist kostenlos, für Verpflegung ist gesorgt.


Checkliste: Ärztliche Stellungnahmen und Atteste im Kontext von Abschiebungen

Geflüchtete, die erkrankt und von Abschiebungen bedroht sind, müssen stets aktuelle medizinische Atteste vorlegen. Diese bilden oftmals die Grundlage dafür, ob eine Abschiebung vollzogen werden kann oder nicht. Im Aufenthaltsgesetz hat der Gesetzgeber einige sehr spezielle Kriterien formuliert, welche diese Atteste beinhalten müssen. Deshalb hat der Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.) eine Checkliste erstellt, die Ärzt*innen eine Hilfestellung bieten und die wichtigsten Fehler vermeiden helfen.


Chancen-Aufenthaltsrecht darf nicht ausgehöhlt werden

PRO ASYL begrüßt es, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht vorgelegt hat. Es steht allerdings zu befürchten, dass weniger geduldete Menschen in Deutschland davon profitieren, als es der Koalitionsvertrag vorsieht.

Endlich sollen Geduldete, die jahrelang  Angst vor einer Abschiebung hatten, die Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Das betrifft sehr viele Männer, Frauen und Jugendliche: Über 200.000 Menschen leben in Deutschland mit einer prekären Duldung, haben damit keine feste Perspektive und können in vielen Fällen jederzeit abgeschoben werden. Circa 100.000 von ihnen sind bereits seit fünf Jahren oder länger in Deutschland und könnten somit vom geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren. Dieses könnte für sie eine haltgebende Brücke sein, über die sie in ein gesichertes Bleiberecht kommen.
Doch Presseberichte lassen  nun befürchten, dass im Bundesinnenministerium bei der Ausarbeitung der Gesetzesgrundlage so restriktiv vorgegangen wird, dass die Möglichkeit, mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht einer signifikanten Anzahl von Menschen aus der Duldung zu helfen, gefährdet wird. PRO ASYL kritisiert, dass Menschen, denen vorgeworfen wird, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht zu haben, laut Referentenentwurf aus dem BMI vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgenommen sein könnten.
„Aus der Praxis kriegen wir regelmäßig mit, wie schwierig sich Identitätsklärung und Passbeschaffung für viele Geflüchtete gestalten. Es ist deshalb wichtig, dass dies beim Chancen-Aufenthaltsrecht – das ja noch kein tatsächliches Bleiberecht darstellt – nicht zur Voraussetzung gemacht wird. Der Koalitionsvertrag sieht konkrete Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht vor, von einem Ausschluss wegen angeblicher Täuschung bei Identität oder Staatsangehörigkeit ist dort aber nicht die Rede“, erklärt Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. „Es wäre fatal, wenn nun das Bundesinnenministerium nachträglich Voraussetzungen einführt, die erstens die Umsetzung verkomplizieren und zweitens Tür und Tor öffnen für eine besonders restriktive Handhabung durch die Ausländerbehörden. Hinzu kommt: Je mehr Kriterien geprüft werden müssen, desto höher ist der bürokratische Aufwand. Dabei sind die Ausländerbehörden jetzt schon überlastet mit der Registrierung von Geflüchteten aus der Ukraine“, so Judith.

Laut Koalitionsvertrag gibt es nur drei Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht:

»Der bisherigen Praxis der Kettenduldungen setzen wir ein Chancen-Aufenthaltsrecht entgegen: Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, sollen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG).« [Hervorhebungen hinzugefügt]

PRO ASYL fordert mit der Kampagne #RechtAufZukunft eine zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag beschlossenen Verbesserungen für geduldete Menschen.


„Schönau ’92 – Nicht vergessen“

Unter dem Motto „Schönau ’92 – Nicht vergessen“ findet auf Initiative des freien Radios bermuda.funk e.V. und DIDF Mannheim, am Samstag den 11. Juni eine Veranstaltung im NaturFreunde-Stadtheim Mannheim (Zum Herrenried 18, 68169 Mannheim – ÖPNV Haltestelle Sandgewann) statt: In Erinnerung an rassistische Gewalt gegen geflüchtete Menschen.
Am Pfingstwochenende 1992 entlud sich in Mannheim-Schönau aufgrund von Gerüchten nach einem „Vatertagsfest“ offen der Hass gegen die damals 200 in einer ehemaligen Kaserne untergebrachten Asylbewerber*innen. Die geflüchteten Menschen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung wurden tagelang rassistisch beleidigt, bedroht und mit Gegenständen attackiert.
Mit einem zweistündigen Workshop-Angebot startet die Erinnerungsveranstaltung um 14 Uhr. Hier werden die Themen „Struktureller Rassismus“ und „Wie kann dem Alltagsrassismus Paroli geboten werden?“ diskutiert. Ein dritter Workshop ist mit Ibrahim Arslan geplant. Er überlebte die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992. Bei dem Anschlag verloren seine Großmutter Bahide Arslan, seine Schwester Yeliz Arslan und seine Cousine Ayşe Yılmaz ihr Leben. Er engagiert sich seit vielen Jahren in der Antirassismus-Arbeit, indem er als Politischer Bildungsreferent aus der Perspektive der Betroffenen berichtet.
Ab 17 Uhr gibt es eine zweistündige Pause zur gemeinsamen Erholung, zum lecker Essen, mit Musik, zum Gedankenaustausch. Danach findet von 19 bis 21 Uhr eine Talk- und Diskussionsveranstaltung zu den damaligen Ereignissen statt. Es diskutieren an diesem Abend Zeitzeugen, die die damaligen zivilgesellschaftlichen Proteste gegen die rassistischen Übergriffe aus unterschiedlichen Perspektiven miterlebt hatten. Die Diskussionsgäste sind Aktivistinnen, die die Proteste gegen die rassistischen Vorfälle mitgetragen haben, Menschen, die aus migrantischer Perspektive die Ereignisse bewerten, in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit aktiv waren, die Ereignisse journalistisch begleitet haben. Oder auch als Anwalt die Anmelder der damals verbotenen Solidaritätsdemonstration beraten hatten.
Über drei Wochen war Mannheim im Mai 1992 als Folge dieser Ereignisse in einen Ausnahmezustand versetzt. Es machen einen Rückblick auf die antirassistischen Proteste gemacht, sowie auf die Reaktionen von Stadt und Politik. Eine Frage der Diskussion wird sein: „können in Zukunft rassistische Übergriffe verhindert werden?“
Die Ereignisse vor 30 Jahren müssen auch im Zusammenhang mit einer Welle von rassistischen Übergriffen und Anschlägen gesehen werden. Nach den Mordanschlägen in Mölln und den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992 wurde der sogenannte Asylkompromiss durch Regierung und Opposition beschlossen und das Asylrecht massiv eingeschränkt.

Veranstalter*innen: DIDF-Mannheim, bermuda.funk e.V., „Mannheim gegen Rechts“, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, OAT Mannheim, Infoladen im JUZ-Mannheim, Stadtjugendring Mannheim
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Aufnahmeprogramm Afghanistan

Die Bundesregierung hatte nach der Übernahme der Taliban 2021 ein Aufnahmeprogramm für gefährdete Menschen in Afghanistan versprochen. Am 02.06.2022 gab der Haushaltsausschuss des Bundestags 25 Millionen Euro für ein Bundesaufnahmeprogramm frei.

Wie genau das Programm ausgestaltet werden soll und wie viele Personen darüber einreisen könnten, ist allerdings noch unklar. Befürchtet wird, dass statt der angestrebten 20.000 gefährdeten Afghan*innen nur ca. 5.000 einreisen könnten. Dies alles soll bis Ende August geklärt werden.



Rechtsprechungs-Überblick zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Dublin-Überstellungen

Die Versorgung Schutzsuchender aus der Ukraine stellt die angrenzenden Staaten zurzeit vor große Herausforderungen. Das hat auch Auswirkungen auf Dublin-Verfahren von Personen, die in diese Länder überstellt werden sollen. Einige osteuropäische Staaten lehnen folglich die (Rück-)Übernahme von Personen ab, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens überstellt werden sollen. Ob Dublin-Bescheide deshalb rechtswidrig sind, ist unter Verwaltungsgerichten umstritten. Die Übersicht des Informationsverbunds Asyl & Migration stellt die derzeitige Sachlage und Rechtsprechung zu den einzelnen Ländern zusammen und gibt Hinweise für die Beratungspraxis.