Statement: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterführen

Im gemeinsamen Statement anlässlich 2 Jahre Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) wird gefordert: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterführen! „Haushaltskollateralschaden“ vermeiden und der humanitären und menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden! Das Statement für die Weiterführung des BAP wird getragen von move on – menschen.rechte Tübingen e.V., dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. und Afghanische Frauen Verein Stuttgart e.V..

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern:
 
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) sollte besonders gefährdeten Afghan*innen Schutz in Deutschland über einen geregelten Zufluchtsweg ermöglichen. Mit dem Programm verpflichtete sich die Bundesregierung zu ihrer humanitären Verantwortung gegenüber der afghanischen Zivilbevölkerung nach dem ungeordneten Abzug 2021. Genau zwei Jahre nach dem Beginn droht jedoch das vorzeitige Aus. Im Haushaltsentwurf für 2025 sind im Budget des Bundesinnenministeriums keine Mittel mehr für das BAP vorgesehen.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Verbände, darunter auch mehrere Organisationen aus Baden-Württemberg, fordern die Weiterführung und Weiterfinanzierung des BAP gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags der Ampelregierung – denn ein vorzeitiges Ende hätte fatale und nicht verantwortbare Konsequenzen für die Betroffenen. Baden-Württemberg gehörte zu den ersten Landesregierungen, die das BAP bereits kurz nach Beginn in Frage stellten und ein Ende forderten. Wir fordern die grünschwarze Landesregierung auf, diese Haltung zu überdenken und das BAP und die Aufnahme von gefährdeten und schutzbedürftigen Menschen über dieses Programm im Land zu unterstützen.

Laut Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums (BMI) sollten Aufnahmezusagen für monatlich bis zu 1.000 gefährdeten Afghan*innen erteilt werden. Mit einer angekündigten Laufzeit bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode war eine Aufnahme von bis zu 36.000 schutzbedürftigen Menschen geplant. Doch das BAP wurde bis jetzt nicht voll umfänglich umgesetzt: Statt den ursprünglich geplanten 1.000 Personen pro Monat sind bislang insgesamt lediglich 682 Personen nach Deutschland eingereist (Stand Oktober 2024). Seit Juli 2024 wurde die Bearbeitung tausender Anträge durch die zuständigen Behörden unterbrochen. Das betrifft etwa 17.000 Personen, die bereits von den Stellen der Bundesregierung vorausgewählt und kontaktiert wurden.
 
Seit August 2021 hat sich die Situation für die afghanische Zivilbevölkerung kontinuierlich verschlechtert. Insbesondere Frauen und Mädchen werden aufgrund ihres Geschlechts systematisch diskriminiert und sind von schwerwiegenden Verletzungen ihrer grundlegenden Freiheiten und Menschenrechte betroffen. Für diese Menschen ist das BAP die einzige Überlebensperspektive. Ein vorzeitiger und ungeordneter Abbruch des Programms hätte für alle diese Menschen fatale Konsequenzen.
Mit dem BAP getätigte Investitionen in die Umsetzung von Aufnahmeprogrammen wie der Aufbau der Koordinierungsstelle würden einfach abgewürgt werden. Mit einem Abbruch des Programms würde die Bundesregierung letztlich weder ihrer humanitären Verantwortung noch einer feministischen Außenpolitik gerecht zu werden und den gegenüber der Europäischen Union gemachten Zusagen für humanitäre Aufnahmen in 2025 zuwider handeln.

Für die am BAP mitwirkenden zivilgesellschaftlichen Organisationen (ca. 60 NGOs und Dachverbände) würde der Abbruch des Programms einen herben Vertrauensbruch darstellen. Sie haben durch ihre – zum größten Teil ehrenamtliche – Mitwirkung gezeigt, dass eine Aufnahmebereitschaft in der Gesellschaft vorhanden ist. Ihnen liegen zudem weiterhin zahlreiche Anfragen von besonders gefährdeten Menschen vor und jede Woche kommen neue  Hilferufe von bedrohten Menschen, insbesondere Frauen und queeren Personen aus Afghanistan hinzu: Obwohl es ein offizielles Versprechen bis mindestens zum Ende der Legislaturperiode gibt, könnten keine neuen Schutzanträge für das Programm mehr gestellt werden.

Zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen appellieren an die Bundesregierung sowie die Mitglieder des Bundestags:  
1. das BAP wie geplant mindestens bis Ende der Legislaturperiode vollumfänglich weiterzufinanzieren. 
2. das gesteckte Ziel der Aufnahme von bis zu 1.000 gefährdeten Personen im Monat – also insgesamt bis zu 36.000 Personen in der gesamten Laufzeit – weiterzuverfolgen und umzusetzen.
3. die Auswahlrunden, die Bearbeitung der Anträge, die Visumverfahren und die Umsetzung der Ausreisen umgehend fortzusetzen

„Es darf nicht geschehen, dass ein so wichtiges Menschenrechtsprogramm auf dem Altar der Migrationsdebatte, des Rechtsrucks und der „Zeitenwende“ geopfert wird.“ (Andreas Linder, Geschäftsführer des Vereins move on Tübingen und aktiv im Afghanistan-Hilfsprojekt „save our families“)

„Das Aufnahmeprogramm ist die einzige Hoffnung für uns afghanische Frauen. Sie sollten die afghanischen Frauen im Kampf gegen die gender apartheid nicht allein lassen und die Taliban hart sanktionieren.“ (Aktivistin des Afghanistan Women Movement for Justice)



Herbsttagung 2024

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Herzliche Einladung zur Herbsttagung am Samstag, den 16. November 2024, in Stuttgart. Wir haben ein äußerst spannendes und vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Im Hauptvortrag geht es um die innerhalb Europas diskutierten und praktizierten Verschärfungen des Asylrechts. In zwei Themenphasen können Sie wählen zwischen der Lage in Syrien, Unterstützung für Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen, Kirchenasyl und Rassismus in Ausländerbehörden. Bei einer Podiumsdiskussion wollen wir uns zudem mit der aktuellen Debatte um die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete auseinandersetzen. Dazwischen wird es ausreichend Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch geben.

Ort: Bürgerräume Stuttgart-West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart (barrierefrei)

Die Tagung ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Es gibt ein veganes Mittagessen, Kinderbetreuung und Dolmetscher für Englisch und Arabisch.

Unsere Tagung soll einen möglichst geschützten Raum für alle Beteiligten darstellen. Deshalb bitten wir alle Teilnehmenden, die Vereinbarung zum Umgang miteinander bei der Anmeldung zur Kenntnis und sich bei der Tagung zu Herzen zu nehmen.

Italien errichtet exterritoriale Lager für Geflüchtete in Albanien, in den Niederlanden sollen Leistungen für abgelehnte Asylsuchende komplett gestrichen werden, Polen will das Asylrecht temporär aussetzen und Deutschland weitet Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen aus. Das sind nur einige Beispiele, wie derzeit in Europa eine Abschottungspolitik vorangetrieben und durchgesetzt wird. Dabei wurde auf EU-Ebene erst im April 2024 eine Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beschlossen, das einerseits auf nationaler Ebene in vielen Punkten noch nicht umgesetzt ist, andererseits den rechtlichen Rahmen für Praktiken bietet, die vor allem an den EU Außengrenzen bereits seit Jahren Realität sind.
Kann mit diesen verschäften Maßnahmen einem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegengewirkt werden? Inwieweit sind die angedachten und praktizierten Maßnahmen mit geltendem Recht vereinbar? Und was kann der Abschottungslogik entgegengesetzt werden? Diesen Fragen geht Hannah Sommer in ihrem Vortrag nach. Sie arbeitete zuletzt im Rahmen des SOLiDi (Solidarity in Diversity) Projekts an der Universität Wien.

Referierende: Hannah Sommer (Universität Wien)

Wählen Sie ein Thema aus den vier folgenden aus.

In Deutschland wird Syrien heute vor allem im Zusammenhang mit Abschiebungen thematisiert. Die brutale Niederschlagung der syrischen Revolution und die anhaltende Repression durch das Assad-Regime, die über die Hälfte der Bevölkerung zur Flucht zwangen, sind weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Gleichzeitig zeichnet die Politik das Bild eines befriedeten Landes, in dem es zumindest einige sichere Gebiete gebe. Mehrere EU-Staaten arbeiten bereits an der Anerkennung solcher Regionen als ’sicher‘. Dem gegenüber stehen Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Repression, Verfolgung, Folter und fortgesetzte Bombardierungen. Wie ist die Lage in Syrien wirklich?
Adopt a Revolution (AaR) wurde 2011 angesichts der brutalen Verfolgung des friedlichen Aufstands gegen das Regime von Baschar al-Assad von syrischen und deutschen Aktivist*innen ins Leben gerufen. Die Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisation unterstützt seitdem gewaltfreie zivilgesellschaftliche Projekte in Syrien gegen Diktatur und Terror und setzt sich für Gerechtigkeit und Frieden ein.

Referierende: Vertreter*in von Adopt a Revolution

Viele Geflüchtete sind schwer belastet und leiden an psychischen Erkrankungen. Doch die Diagnose und der Zugang zu psychotherapeutischer/medizinischer Versorgung ist extrem erschwert. Sei es durch den Aufenthaltsstatus, Sprachbarrieren, fehlende Fachkräfte oder hochschwellige Strukturen. In der Arbeitsgruppe soll es grundlegend um psychische Erkrankungen gehen und um vorhandene Unterstützungsstrukturen wie Einrichtungen, Beratungsstellen und medizinische Dienste. Exkurse zu Psychosen und Sucht und den Umgang damit sind möglich. Britta Schymura und Jochen Greiner arbeiten mit psychisch erkrankten Geflüchteten in Stuttgart.

Referierende: Britta Schymura und Jochen Greiner (Caritasverband für Stuttgart)

Besonders bei Dublin-Ablehnungen im Asylverfahren suchen viele Geflüchtete verzweifelt nach einem Kirchenasyl. Sie haben (häufig leider sehr berechtigt) die Sorge, bei der Überstellung in ein anderes europäisches Land kein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren zu bekommen. In diesen Härtefällen können Kirchenasyle eine Option sein, damit das BAMF den Einzelfall erneut und genauer prüft. Doch wie bekommt man ein Kirchenasyl organisiert? Welche Schwierigkeiten und Fragen gibt es dabei?
Zwei Initiativen berichten aus ihrer Praxis, wie sie erfolgreich Kirchenasyle umsetzen, welche Motivation sie antreibt, welche Herausforderungen es gibt und wo man sich Unterstützung holen kann. Kirchenasyle sind umsetzbar – hier können Sie sich vernetzen, Erfahrungsberichte einholen, Bedenken teilen und viele Tipps bekommen.

Referierende: Theresa Lennartz & Markus Klumpp (Freiburg), Bärbel Neef & Gabriele Koch (Lahr)

Lange Warteschlangen, überarbeitete Mitarbeitende und ein oft rauer Umgangston charakterisieren (leider) die Situation in Ausländerbehörden. Für Geflüchtete wird der Gang zur Ausländerbehörde zum Alptraum. Das liegt auch an institutionellem Rassismus. Was ist unter institutionellem Rassismus zu verstehen? Wie zeigt er sich speziell bei Ausländerbehörden? Was bedeutet das für von Rassismus betroffene Menschen? Und gibt es Möglichkeiten, Rassismus entgegenzuwirken und die Betroffenen zu unterstützen? In der Arbeitsgruppe wird es auch Raum geben, über eigene Erfahrungen ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Johannes Siegel und Josephin Wandt forschen zum Thema Institutionen und Rassismus (InRa).

Referierende: Johannes Siegel (Jurist & Mitbegründer der Refugee Law Clinic Konstanz) und Josephin Wandt (Soziologin & Lehrbeauftragte an der Akademie der Polizei Hamburg)

Kontrovers diskutiert, rechtlich anfechtbar, aus praktischer Sicht problembehaftet: Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll eine verwaltungsentlastende Alternative zur Bankkarte und Bargeldauszahlung darstellen und demnächst landesweit eingeführt werden. Doch schon erste Umsetzungsversuche stehen in der Kritik, benachteiligend und dikriminierend zu sein, die ersten Klagen landen vor Gericht. Bargeldauszahlungen sind mit der Bezahlkarte limitiert, manchmal örtlich beschränkt und in bestimmten Fällen mit anfallenden Gebühren verbunden.
Aus unterschiedlichen Perspektiven wollen wir die rechtlichen Grundlagen, die praktische Umsetzung und die Kritik an der Bezahlkarte diskutieren.

Diskutierende: Andrea Kothen (Pro Asyl); Jürgen Kraft (ehemaliger Leiter des Amts für Flüchtlinge und Integration Biberach); Kampagne Offen! München (angefragt)
Moderation: Joachim Glaubitz (Flüchtlingsrat BW)

Die Podiumsdiskussion findet in Kooperation mit der Seebrücke Stuttgart statt.

Wählen Sie ein Thema aus den vier folgenden aus. Es handelt sich um eine Wiederholung der Themenphase am Vormittag.

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Eine Koförderung besteht durch die UNO-Flüchtlingshilfe und die Deutsche Postcode Lotterie.


Muster: Untätigkeitsklage im Asylverfahren

Viele Asylsuchende warten unglaublich lange bis das BAMF über ihren Asylantrag entscheidet. Dabei soll das BAMF innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung treffen und davon gibt es nur wenige Ausnahmen (§ 24 Abs. 4 AsylG). Für Geflüchteten, die auf jeden Fall eine positive Entscheidung des BAMF bekommen werden, macht es Sinn, eine Untätigkeitsklage anzudrohen und in die Wege zu leiten, wenn das BAMF weiterhin nicht reagiert.

Eine Untätigkeitsklage muss gut vorbereitet sein. Deshalb hat SAGA zwei Muster entworfen mit einer Anleitung. Die Anleitung besteht aus einer Mischung aus Arabisch, Deutsch und Englisch. Bitte die Untätigkeitsklage nur nach vorheriger Beratung in die Wege leiten. Die Anleitung muss sorgfältig durchgelesen werden. Bei Fragen nehmen Sie gerne unsere Beratung in Anspruch.



Ulm: Diskussion zum Rechtsruck in der Asylpolitik

Entzug der Sozialleistungen, Abschiebeoffensive, Grenzsicherung. Das Grundrecht auf Asyl wird in Frage gestellt; Politiker*innen fordern, Asylbewerber*innen an der deutschen Grenze abzuweisen. Aktuell befinden wir uns in einer beispiellosen Zeit von populistischen Forderungen. Geflüchtete Menschen werden zum Sündenbock für strukturelle Probleme gemacht. In der Diskussion geht es unter anderem darum, welche Forderungen seitens einzelner Regierungsparteien und seitens der Opposition haltbar sind und inwiefern sie gegen geltendes Recht verstoßen.

Diskussionsteilnehmer*innen:

  • Ronja Kemmer, Abgeordnete des Bundestags für Ulm/Alb-Donau-Kreis (CDU)
  • Anja Bartel, Geschäftsleitung Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Die Veranstaltung ist kostenlos und eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Ort: Diakonie Ulm, Grüner Hof 1, 89073 Ulm

Die Veranstaltung wird organisiert vom Forum Asyl und Menschenrechte des evangelischen Diakonieverbands Ulm/Alb-Donau, vom Flüchtlingsrat Ulm/Alb-Donau-Kreis e.V., von Menschlichkeit Ulm e.V. und der Caritas Ulm-Alb-Donau.


EuGH: Alle Frauen in Afghanistan verfolgt

Mit Urteil vom 4. Oktober 2024 (C‑608/22 und C‑609/22) sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) alle Frauen in Afghanistan im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) als verfolgt an. Afghanische Frauen bilden aufgrund der diskriminierenden Maßnahme der Taliban eine schutzbedürftige soziale Gruppe. Ein Nachweis der individuellen Betroffenheit ist nicht notwendig.



Stuttgart: Psychische Erkrankungen

Kinder, Jugendliche und Familien erleben traumatische Erfahrungen in der Heimat und auf der Flucht. Sie haben spezielle (geschlechtsspezifische) Fluchtgründe. All dies hat Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Manche leiden unter posttraumatischen Belastungsstörung. All das wird in der Veranstaltung beleuchtet.

Die Veranstaltung ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Fachpersonal, die mit Geflüchteten, traumatisierten Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Referentin: Ann-Cathrin Lanz, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Refugio Stuttgart e. V., Regionalstelle Tübingen.

Ort: Frauen*ProjekteZentrum, Weberstraße 8, 72070 Tübingen

Anmeldung für den Vortrag mit anschließender Diskussion- und Fragerunde: info@maedchentreff-tuebingen.com.

Organisiert wird die Veranstaltung von Mädchen*treff e. V. und Refugio Stuttgart e. V., Regionalstelle Tübingen.


Forderungspapier: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan

Das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für besonders gefährdete Afghan*innen soll eingestellt werden. Dabei sind nicht mal ein Bruchteil aller Personen eingereist, wie das Programm vorgesehen hatte. Bis Herbst 2024 sind lediglich 682 Personen eingereist, 3082 Personen warten mit einer Aufnahmezusage auf die Einreise und ca. 17.000 Personen wurden vorausgewählt und kontaktiert.

Im Haushaltsentwurf für 2025 ist kein Budget mehr für das BAP vorgesehen. Dies widerspricht dem Koalitionsvertrag. Etliche Afghan*innen sind weiterhin extrem bedroht und verfolgt. Aufnahmezusagen würden verfallen. Personen im Aufnahmeprozess würden in Pakistan steckenbleiben.

Deshalb fordern 13 Organisationen die Fortführung des BAP.



Offener Brief an baden-württembergische Landesregierung

Es muss endlich Schluss damit sein, Sicherheitspolitik auf dem Rücken geflüchteter Menschen zu machen. Das fordern der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, die Seebrücke Baden-Württemberg, die AWO Württemberg, der Internationale Bund Süd und der Paritätische Baden-Württemberg in einem offenen Brief an die Landesregierung. Damit beziehen die Organisationen gemeinsam Stellung zur aktuellen Debatte, in der Flucht und Migration permanent als Sicherheitsrisiko dargestellt werden. Hiervon zeugen auch die im Bund und in Baden-Württemberg geschnürten „Sicherheitspakete“ sowie der jüngste baden-württembergische Bundesratsantrag vom 17. Oktober, mit dem sich die Landesregierung für eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten sowie weitere Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien einsetzt.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung,

wir wenden uns an Sie im Zustand großer Besorgnis. Unter dem Eindruck der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie des Anschlags von Solingen wurden übereilt „Sicherheitspakete“ auf Bundesebene und auch hier in Baden-Württemberg geschnürt. Hierbei liefert sich die Politik einen Überbietungswettkampf um die vermeintlich effizientesten Maßnahmen zur Abwehr geflüchteter Menschen. Statt den Fokus auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Islamismus zu legen, setzen Sie sich für Kürzungen von Sozialleistungen Geflüchteter, mehr Abschiebungen und Grenzkontrollen ein. Dadurch werden Flucht und Migration ausschließlich als Problem, sogar als Sicherheitsrisiko, dargestellt.

Besorgt beobachten wir außerdem, wie die harte Gangart in der Migrationspolitik rechtliche Grundsätze ignoriert. Fakt ist, dass die Verstetigung von Grenzkontrollen europarechtswidrig ist und die Europäische Menschenrechtskonvention Abschiebungen verbietet, wenn Betroffene dadurch in Lebensgefahr geraten. Es ist beschämend, dass seitens der politischen Entscheidungsträger*innen rechtliche Errungenschaften in Frage gestellt werden, nur, weil dies gerade politisch opportun erscheint.

Die aktuelle Diskussion gefährdet die Solidarität in der Gesellschaft massiv und führt zu Spaltung. Geflüchtete werden stigmatisiert und auch länger in Deutschland lebende Migrant*innen fühlen sich nicht mehr sicher. Sie erleben im Alltag stetig mehr Rassismus und machen sich zunehmend existentielle Sorgen um Ihre Zukunft in Deutschland. Manche Menschen überlegen sogar, auszuwandern. Ihre Sicherheit und die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen dieser Entwicklung werden in der aktuellen Debatte völlig ausgeblendet.

Es darf nicht länger der Anschein erweckt werden, dass sicherheitspolitische Interessen durch eine restriktivere Migrationspolitik gewahrt werden könnten. Stattdessen sollte der Fokus auf der Stärkung demokratischer Strukturen, der Teilhabemöglichkeiten aller Menschen sowie der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts liegen. Wir möchten in einer Gesellschaft leben, in der rechtstaatliche Grundsätze hochgehalten werden – insbesondere in Zeiten, in denen unsere Demokratie gefährdet ist. Niemand darf aufgrund seiner Herkunft als Sicherheitsrisiko abgestempelt werden. Die Würde eines jeden Menschen muss im Mittelpunkt des politischen Diskurses stehen.

Für einen persönlichen Austausch stehen wir gerne zur Verfügung.

Im Einsatz für ein solidarisches Miteinander

der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, die Seebrücke Baden-Württemberg, die AWO Württemberg, der Internationale Bund Süd und der Paritätische Baden-Württemberg


Mit Sicherheit Verfassungsbruch: Wohnungslosigkeit und Verelendung verhindern!

Anlässlich ihrer Herbsttagung in Erfurt fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte die Bundestagsabgeordneten auf, das sogenannte Sicherheitspaket abzulehnen. Auch nach den jüngsten Änderungen gilt: Die für bestimmte Gruppen von Geflüchteten vorgesehene Streichung von Sozialleistungen steht im klaren Widerspruch zur Verfassung.

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL stellt klar: „Es ist schockierend, dass die vermeintliche Fortschrittskoalition mit diesem Gesetzespaket sehenden Auges Grund- und Menschenrechte verletzt. Ein rechtswidriges Gesetz wird auch durch die letzten kosmetischen Änderungen nicht rechtskonform und sicherer wird Deutschland dadurch auch nicht.”

Insbesondere die Kürzung und Streichung von Sozialleistungen für sogenannte Dublin-Fälle und Menschen mit einer Flüchtlingsanerkennung in einem anderen EU-Mitgliedstaat ist offensichtlich verfassungswidrig und trägt nicht zur Sicherheit Deutschlands bei. Stattdessen verletzen die vorgesehenen Maßnahmen grundlegende Freiheitsrechte und gefährden den sozialen Zusammenhalt insgesamt. PRO ASYL hat auf die gravierendsten Verschärfungen bereits in einer Stellungnahme aufmerksam gemacht.

„Dieses Gesetzesvorhaben führt zu vorsätzlich herbeigeführter Wohnungslosigkeit und Verelendung bei Schutzsuchenden. Es bedeutet zudem einen fatalen Abbau des Rechtsstaates durch die Hintertür”, so Alaows weiter.

Appell an die Abgeordneten

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte appellieren an Bundestagsabgeordnete, gegen das Sicherheitspaket zu stimmen. Sie fordern von allen demokratischen Abgeordneten: Stehen Sie zu unserer Verfassung und lehnen Sie das Gesetz ab. Auch wenn der Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Entscheidung mit der Vertrauensfrage droht.

Ausschluss von Sozialleistungen

Der Gesetzentwurf sieht vor, durch Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes bestimmten Gruppen geflüchteter Menschen die Versorgung mit dem Allernötigsten (Bett-Seife-Brot) zu verweigern. Selbst in Härtefällen soll kaum mehr als das physische Überleben gesichert werden. Es besteht die Gefahr, dass damit zahlreiche Menschen ungeachtet ihrer sozialen und gesundheitlichen Situation ohne Geld, Nahrung und medizinische Hilfe auf die Straße gesetzt werden. Das Vorhaben verstößt gegen die aktuelle EU-Aufnahmerichtlinie sowie gegen internationales Völkerrecht, allen voran den UN-Sozialpakt, die UN-Kinderrechtskonvention, die Behindertenrechtskonvention und die Istanbul Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. PRO ASYL plant, Klagen von Betroffenen bis zur höchsten richterlichen Instanz zu unterstützen.

Innerparlamentarische Kritik

Nach massiver Kritik der Sachverständigen im Innenausschuss des Bundestages zu dem Sicherheitspaket wurde die Abstimmung mehrfach verschoben. „Der innerparlamentarische Widerstand gegen das Sicherheitspaket macht Mut: Den Angriffen auf die Würde und Rechte von Geflüchteten muss ein Ende gesetzt werden. Wir appellieren an alle Abgeordneten, den verfassungswidrigen Gesetzentwurf abzulehnen und den Rechtsstaat und die Demokratie zu verteidigen”, sagt Nour Al Zoubi vom Flüchtlingsrat Thüringen.


Handlungsempfehlung:  Hilfestellungen für Geflüchtete in Ausbildung

Die Berufsausbildung ist für Geflüchtete ein bedeutender Schritt hin zu einem selbstbestimmten Leben und der aktiven gesellschaftlichen Teilhabe, sowie kann perspektivisch zu einem Aufenthaltstitel führen.

Geflüchtete können fluchtspezifischen Herausforderungen begegnen, wenn es um die Planung einer beruflichen Ausbildung geht. Dazu zählt oftmals eine unterbrochene Schul-, Ausbildungs- oder Erwerbsbiografie. Um Geflüchteten bestmöglich zu unterstützen, hat der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Empfehlungen erarbeitet. Dabei geht es zum einen um Faktoren, die in der Vorbereitung einer Berufsausbildung wichtig sind, wie beispielsweise informelle Kompetenzen und die aufenthaltsrechtliche Situation. Zum anderen um Aspekte, die während der Ausbildung aufkommen, zum Beispiel Maßnahmen der Ausbildungsförderung und Rassismuserfahrungen in Betrieben.

Der Leitfaden richtet sich an Fach- und Leitungskräfte der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen mit Fokus auf Arbeitsmarktintegration; die Arbeitsverwaltung, freie Träger aus Netzwerken und der Zivilgesellschaft und ausbildende Stellen der schulischen oder dualen Berufsausbildung.