Vernetzungstreffen: „Gemeinsam warten“ für Menschen im Visumsverfahren

Für alle Menschen, die sich in Visaverfahren befinden und sich gerne mit anderen austauschen möchten, gibt es am 5. April ein Vernetzungstreffen in Stuttgart Bad Cannstatt. Dabei soll ein Raum zum Austauschen, Vernetzen und gegenseitigem Kraft geben entstehen. Die Treffen sind kostenlos und werden vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. organisiert. Es wird ein kleines Frühstück vorbereitet. Mitgebrachte Speisen sind willkommen. Eine Kinderspielecke ist vorgesehen. 

Zielgruppe: Für alle Menschen, die sich in Visaverfahren (Familiennachzug/Ehegattennachzug, o.Ä.) befinden oder diese abgeschlossen haben sowie mit weiteren rechtlichen Hürden konfrontiert sind. 

Ort: Bahnhofstraße 14-18, Stuttgart Bad Cannstatt

Ein weiteres Treffen ist für den 31. Mai geplant.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. arbeitet an der Schnittstelle zu Familien-, Migrations-, sowie Bildungspolitik. Er arbeitet bundesweit mit hauptamtlichen sowie ehrenamtlichen Strukturen und hat auch in Stuttgart ein Büro.


Vernetzungstreffen: „Gemeinsam warten“ für Menschen im Visumsverfahren

Für alle Menschen, die sich in Visaverfahren befinden und sich gerne mit anderen austauschen möchten, gibt es ab 15. März monatliche Vernetzungstreffen in Stuttgart Bad Cannstatt. Dabei soll ein Raum zum Austauschen, Vernetzen und gegenseitigem Kraft geben entstehen. Die Treffen sind kostenlos und werden vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. organisiert. Es wird ein kleines Frühstück vorbereitet. Mitgebrachte Speisen sind willkommen. Eine Kinderspielecke ist vorgesehen. 

Zielgruppe: Für alle Menschen, die sich in Visaverfahren (Familiennachzug/Ehegattennachzug, o.Ä.) befinden oder diese abgeschlossen haben sowie mit weiteren rechtlichen Hürden konfrontiert sind. 

Ort: Bahnhofstraße 14-18, Stuttgart Bad Cannstatt

Weitere Treffen sind für den 5. April und den 31. Mai geplant.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. arbeitet an der Schnittstelle zu Familien-, Migrations-, sowie Bildungspolitik. Er arbeitet bundesweit mit hauptamtlichen sowie ehrenamtlichen Strukturen und hat auch in Stuttgart ein Büro.


Diskussionsabend: Dauerhafte Grenzkontrollen, Pushbacks und Racial Profiling

Die Situation von Geflüchteten an der Grenze zwischen Deutschland und Schweiz hat sich in den letzten Wochen weiter zugespitzt. Am 19. März findet daher um 20 Uhr eine Veranstaltung zum Thema „Dauerhafte Grenzkontrollen, Pushbacks und Racial Profiling – Ein Diskussionsabend über vergangene und bevorstehende Auswirkungen der Europäischen Migrationspolitik auf die Grenzregion (CH/DE/FR).“ statt.

Es diskutieren:

  • Johannes Siegel (Universität Konstanz)
  • Dr. Lisa Maria Borrelli (HES-SO Valais-Wallis)
  • Lara Hoeft (Pikett Asyl und Bündnis „NoGEAS“)
  • Moritz Bachmann (Freiplatzaktion Basel)

Ort: „Bar du Nord“ in der Bahnhofshalle des Badischen Bahnhofs, Basel (Schweiz)

Nähere Informationen zu Inhalt und Barrieren sind auf dem Plakat zur Veranstaltung zu finden. Die Veranstaltung ist kostenlos und findet auf Deutsch statt. Auf Wunsch kann über infos@freiplatzaktion-basel.ch eine Übersetzung angefragt werden.


Pro Asyl: Schutz für Ukrainer*innen: Drei Jahre gelebte Solidarität

Drei Jahre nach der Aktivierung des vorübergehenden Schutzes für Geflüchtete aus der Ukraine erinnert PRO ASYL daran: Europa kann solidarisch aufnehmen – wenn der politische Wille vorhanden ist.

Am 4. März 2022, nur wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, wurde erstmals die EU-Richtlinie 2001/55/EG aktiviert. Millionen aus der Ukraine geflüchtete Menschen erhielten schnell und unbürokratisch vorübergehenden Schutz, durften ihren Wohnort frei wählen und erhielten direkten Zugang zum Arbeitsmarkt, getragen von der breiten Mehrheit der Bevölkerung – ein historischer Moment europäischer Solidarität.

Diese Offenheit steht in starkem Kontrast zu der zunehmend restriktiven Asylpolitik der Europäischen Union und Deutschlands. Die Bilder der vielen unterstützenden Menschen an den Bahnhöfen, die geflüchteten Menschen Unterstützung und Wohnraum anbieten, wirken heute fast wie aus einer anderen Welt.

„Die Aufnahme geflüchteter Menschen aus der Ukraine hat gezeigt, dass Europa und Deutschland fähig sind, solidarisch und schnell zu handeln. Eine menschenwürdige und solidarische Flüchtlingsaufnahme ist möglich – das muss die Lehre aus den letzten drei Jahren sein. Doch Schutz darf nicht an Herkunft oder Hautfarbe gebunden sein. Was mit ukrainischen Geflüchteten gelang, ist ein Exempel, wie wir mit allen geflüchteten Menschen umgehen sollten, unabhängig von ihrer Herkunft”, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

Ein Rückblick – mit Blick nach vorn

Mit beeindruckender Entschlossenheit und Menschlichkeit reagierten Europa und Deutschland auf die große Zahl der Vertriebenen aus der Ukraine. Dies gilt auch insbesondere für die Länder Osteuropas, wie aus einem aktuellen Bericht des Vereins bordermonitoring.eu, entstanden mit Unterstützung von PRO ASYL, hervorgeht. Städte, Gemeinden und die Zivilgesellschaft haben bewiesen, dass die Aufnahme und der Schutz geflüchteter Menschen möglich sind – wenn dafür die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Die Bilder der Solidarität und Hilfsbereitschaft von Politik und Zivilgesellschaft von vor drei Jahren wirken heute fast surreal, besonders im Hinblick auf die zunehmend flüchtlingsfeindliche Stimmung und die gesellschaftliche Spaltung. „Doch wir dürfen die Bilder nicht vergessen – sie erinnern uns daran, wozu unsere Gesellschaft fähig ist, wenn Menschlichkeit an erster Stelle steht”, so Alaows weiter.

Die Aufnahme von über vier Millionen Ukrainer*innen verlief weitgehend reibungslos – weil schnelle, unbürokratische Regelungen getroffen wurden. Dank Rechtssicherheit, freiem Zugang zum Arbeitsmarkt und freier Wahl des Wohnorts konnten Schutzsuchende schnell ein neues Leben beginnen.

PRO ASYL fordert: Diese Erfahrung muss zum Modell für eine faire Asylpolitik werden – anstatt Angst und Ressentiments gegen Geflüchtete zu schüren.

Solidarität ist keine Momentaufnahme – sie ist unser Auftrag!

Informationshinweis

PRO ASYL veröffentlichte gestern zusammen mit dem Verein bordermonitoring.eu den umfangreichen Bericht „Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz und ihre Umsetzung in Osteuropa”, der sich mit der Aufnahme von rund 40 Prozent aller ukrainischen Flüchtlinge in Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Tschechien sowie mit dem Nicht-EU-Land Moldau auseinandersetzt. Eine Zusammenfassung finden Sie hier.


SG Karlsruhe: Kein Leistungsausschluss für Dublin-Betroffene

Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat mit Beschluss vom 19.02.2025 – S 12 AY 424/25 ER angeordet, einer Klägerin weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren. Die Betroffene hatte nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine Leistungen mehr bekommen, weil sie als Dublin-Fall gilt. Diese Regelung über Leistungsstreichungen war im Oktober 2024 mit dem sog. Sicherheitsgesetz in Kraft getreten. Das SG Karlsruhe vertritt die Auffassung, dass dieser Leistungsausschluss weder grund- noch europarechtskonform ist.

Das SG Darmstadt (04.02.2025 – S 16 AY 2/25 ER) hatte jüngst in einem ähnlichen Fall die Rechtmäßigkeit des § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG angezweifelt. Es gab dem Eilantrag statt, weil das Bundessozialgericht (BSG) klärungsbedürfte Fragen zu Leistungskürzungen von Dublin-Fällen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt hat (BSG, Vorlagebeschluss v. 25.07.2024 – B 8 AY 6/23). Um eine menschenwürdige Grundversorgung zu garantieren, sei bis zur Entscheidung des EuGH abzuwarten.

Ähnliche Zweifel an der Vereinbarkeit von Leistungsverwehrungen mit Europäischem Recht äußerten die Sozialgerichte in Landshut (18.12.2024 – S 11 AY 19/24 ER), Osnabrück (18.12.2024 – S 44 AY 25/24 ER), Darmstadt (04.02.2025 – S 16 AY 2/25 ER) und in Trier (20.02.2025 – S 3 AY 4/25 ER). Das SG Osnabrück wies zudem darauf hin, dass Leistungskürzungen und ein gänzlicher Leistungsausschluss unterschiedliche Rechtsfolgen mit sich bringen. Der neue § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG (Leistungsausschluss) für Dublin-Fälle könne daher von den erlassenden Behörden nicht einfach ersatzmäßig für den alten § 1a Abs. 7 AsylbLG (Leistungskürzung) angewendet werden.

In Baden-Württemberg erhalten Geflüchtete im Dublin-Verfahren meist eine Duldung – dies geschah jedoch nicht im Fall der Betroffenen, die vom SG Karlsruhe Recht bekam. Für Geduldete gilt der Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG nicht. Für Menschen ohne Duldung zeigen Entscheidungen wie die des SG Karlsruhe jedoch, dass es sich lohnt, gegen Leistungsstreichungen vorzugehen. Rechtsanwaltliche Hilfe gibt es bei mit Recht zum Recht. Tipps zum Widersprüche und Klagen selbst zu verfassen, gibt es in dieser Arbeitshilfe.



Pro Asyl: Junge Geflüchtete obdachlos durch Ausschluss von Sozialleistungen

Eine junge Frau wird im Februar 2025 aus ihrer Flüchtlingsunterkunft geworfen, sämtliche Sozialleistungen werden gestrichen. Doch ein Sozialgericht kassiert das wieder ein. Weitere Eilbeschlüsse von Gerichten machen deutlich: Die von der Ampelregierung eingeführte Leistungsstreichung ist ein Verstoß gegen Grundgesetz und Europarecht.

Mitte Februar setzt eine der reichsten Kommunen Deutschlands eine junge, geflüchtete Frau bei Minustemperaturen auf die Straße. Sämtliche Sozialleistungen werden ihr entzogen, sogar Rückforderungen gestellt – weil Kroatien für ihr Asylverfahren zuständig sei. PRO ASYL verständigt eine Anwältin, die beim Sozialgericht umgehend gegen den Beschluss der Stadt vorgeht. Angesichts der akut drohenden Obdachlosigkeit der jungen Frau entscheidet das Sozialgericht Karlsruhe binnen weniger Stunden. Am 19.2.2025 erklärt es mit deutlichen Worten, dass es den Leistungsausschluss sowohl für verfassungs- als auch für europarechtswidrig hält (S 12 AY 424/25 ER). Nach dem Richterspruch kann die junge Frau in die Unterkunft zurückkehren.

Der Fall ist aber kein Ausrutscher, sondern Ergebnis des Versuchs der Ampelregierung, größtmögliche Härte gegen Flüchtlinge zu demonstrieren. Die Strategie, aufgrund  populistischer Forderungen von Rechtsextremen menschenfeindliche und rechtlich unhaltbare Gesetze durchzusetzen, ist jetzt mehrfach gescheitert – rechtlich, aber auch politisch, wie das ungebremste Erstarken der Rechtsextremen bei der Bundestagswahl zeigt. Leidtragende sind diejenigen, die sich für ihr schieres Überleben – etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf – nun einzeln Hilfe bei Beratungsstellen, in Kanzleien und letztlich vor Gerichten holen müssen.

Die Leistungsstreichung im »Sicherheitspaket«

Hintergrund des beschriebenen Falls ist eine Regelung aus dem so genannten Sicherheitspaket, einem Gesetz, das am 31. Oktober 2024 in Kraft getreten ist. Der neue § 1 Abs. 4 AsylbLG verlangt von den Behörden, ausreisepflichtigen Menschen im Dublin-Verfahren (dem europäischen Asyl-Zuständigkeitsverfahren) jegliche Unterstützungsleistungen zu entziehen. Lediglich für eine Frist von zwei Wochen und in eng begrenzten Ausnahmefällen  sollen bestimmte Leistungen noch erbracht werden dürfen. Regelmäßig aber lautet die gesetzliche Forderung: Null staatliche Hilfe.

Begründet wird die Streichung von Sozialleistungen damit, dass Betroffene ihr Asylverfahren in dem für sie zuständigen europäischen Land führen müssen. Die Crux dabei: Die Betroffenen können zumeist gar nicht ohne Weiteres ihren Aufenthaltsort wechseln. Zwar sind freiwillige Ausreisen nach der Dublin-Verordnung grundsätzlich möglich. Aber die Behörden beider Staaten müssen dem zustimmen bzw. dies mitorganisieren. Nach geltender Dienstanweisung vom 12.12.2024 befürwortet das BAMF freiwillige Ausreisen nur in Ausnahmefällen, da es aus Sicherheitsgründen keine freiwilligen Überstellungen nach Deutschland akzeptiert.

Hinzu kommt in vielen Fällen, dass einige europäische Staaten (wie etwa Italien oder Griechenland) kein Interesse an der Aufnahme von Dublin-Fällen haben – ebenso wenig wie an ihrer menschenwürdigen Versorgung. Die betroffenen Geflüchteten wiederum haben häufig Angst vor der Rückkehr in die zuständigen Staaten, weil sie dort (Polizei-)Gewalt erfahren haben oder ohne jegliche Unterstützung zu verelenden drohen (ein besonders drastisches Beispiel ist etwa Bulgarien). Dass nun auch Deutschland versucht, eine menschenwürdige Versorgung von Geflüchteten einfach zu verweigern, wird das europäische Elend nicht beseitigen und es für die davon Betroffenen nur noch schlimmer machen.

Die gesetzliche Bruchlandung war absehbar

In Deutschland gilt noch immer das Grundgesetz und das europäische Recht – mit dem Grundsatz der Würde eines jeden Menschen. Überraschend kommt die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe und einiger anderer Gerichte deshalb nicht. Die Bruchlandung der gesetzlichen Neuregelung war absehbar.

Bereits in der Sachverständigenanhörung des Bundestags zum Sicherheitspaket hatten Expert*innen die Ampel-Regierung vor der vollständigen Leistungsstreichung gewarnt. Neben PRO ASYL äußerten etwa Dr. Philipp Wittmann (Richter am VGH Baden-Württemberg) oder Sarah Lincoln (Gesellschaft für Freiheitsrechte) erhebliche europa- und verfassungsrechtliche Bedenken an der Leistungsstreichung.

Die Warnungen der Expert*innen verhallten jedoch weitgehend ungehört. Im Kern blieb es beim vollständigen Leistungsausschluss.

Kein Einzelfall: Gerichte kassieren die Entscheidungen von Sozialämtern

Bereits mehrfach haben Sozialämter in den vergangenen Monaten mit Bezug auf die Neuregelung Kürzungen für Geflüchtete beschlossen, die von Gerichten im Anschluss ausnahmslos abgeschmettert wurden.

Nach Auffassung des Sozialgerichts Speyer (20.02.2024 – S 15 AY 5/25 ER) verstößt die Leistungsstreichung gegen die Verfassung.  Am 17.12.2024 machte das Sozialgericht Nürnberg klar, dass es die Norm mit dem Europarecht nicht für vereinbar hält (richterlicher Hinweis S 17 AY 68/24 ER). Ähnliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsentzugs mit Europäischem Recht äußerten die Sozialgerichte in Landshut (18.12.2024 – S 11 AY 19/24 ER), Osnabrück (18.12.2024 – S 44 AY 25/24 ER), Darmstadt (04.02.2025 – S 16 AY 2/25 ER) und Trier (20.02.2025 – S 3 AY 4/25 ER).

Die Leistungskürzungen der Behörden scheiterten in diesen rechtlichen Verfahren allerdings oft schon an einem einfachen Punkt: So bemängelten mehrere Gerichte, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in den betreffenden Fällen nicht festgestellt hatte, dass die Ausreise in den zuständigen EU-Staat rechtlich und tatsächlich möglich sei – genau dies ist aber die Voraussetzung für die Anwendung von § 1 Abs.4 AsylbLG. Inzwischen bereitet sich das BAMF offenbar darauf vor, reihenweise entsprechende Feststellungen in den Bescheiden zu treffen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass vielen Geflüchteten der Weg in eine menschenwürdige Versorgung im zuständigen Dublin-Staat trotz dieser Behauptung eben nicht umgehend möglich ist, dürfte sich an den grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Zweifeln der Gerichte nichts ändern.

Die verfassungs- und europarechtliche Kritik 

Der erste Artikel des Grundgesetzes (Menschenwürde) garantiert in Verbindung mit Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip) ein menschenwürdiges Existenzminimum für jeden einzelnen Menschen, der sich in Deutschland aufhält. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Deshalb gehört zu einer menschenwürdigen Existenz nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts  nicht nur das nackte Überleben, die rein physische Existenz  (»Bett, Brot, Seife«), sondern auch die Sicherung der soziokulturellen Existenz – das häufig so genannte »Taschengeld« für persönliche Bedarfe (Handy, Bücher, Fahrkarten, etc.). Eine Kürzung am menschenwürdigen Existenzminimum wäre nur erlaubt, wenn der Gesetzgeber nachweisen könnte, dass die betroffenen Menschen tatsächlich weniger brauchen als andere Menschen. Einen solchen Nachweis hat die Regierung, kaum überraschend, seit dem maßgeblichen und wegweisenden Urteil des Verfassungsgerichts 2012 nicht erbringen können. Auch die Praxis der bloßen Kürzung (nicht vollständiger Streichung) von Asylbewerberleistungen steht deshalb seit langem in der Kritik, verfassungswidrig zu sein.

Das oben erwähnte SG Karlsruhe nimmt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem weiteren Punkt Bezug: Da die Regelung aus dem Sicherheitspaket »Einreiseanreize vermeiden und zur Ausreise aus Deutschland motivieren soll«, sei der vollständige Leistungsausschluss »erst recht verfassungswidrig, denn selbst bloße Leistungsabsenkungen sind [laut Bundesverfassungsgericht] nicht mit migrationspolitischen Erwägungen zu rechtfertigen.« (S 12 AY 424/25 ER) Das bedeutet: Es ist verboten zu versuchen, Menschen durch Leistungsentzug zur Ausreise zu zwingen.

Europarechtlich sehen die Gerichte in der vollständigen Leistungsstreichung des neuen § 1 Abs. 4 AsylbLG für Dublin-Fälle eine Verletzung der europarechtlichen Regelungen über Mindeststandards der Versorgung während des Asylverfahrens – die so genannte Aufnahmerichtlinie (EURL 2013/33). Sie garantiert eine Mindestversorgung, von der nur in bestimmten Fällen abgewichen werden darf – die bloße Asylzuständigkeit eines anderen Staats gehört nicht dazu. Auch mit Blick auf die neue EU-Aufnahmerichtlinie, die 2026 in Kraft tritt, gibt es bereits fundierte rechtlich begründete Zweifel an der Leistungsstreichung.

Das Sozialgericht in Nürnberg verweist darauf, dass schon die Vereinbarkeit der Vorläuferregelung (§ 1a Abs. 7 AsylbLG) mit dem EU-Recht akut in Frage steht: Im Juli 2024 hat nämlich das Bundessozialgericht diese Regelung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (Vorlagebeschluss des BSG vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R). Dabei sieht die im Verdacht des EU-Rechtswidrigkeit stehende, alte Regelung »nur« gekürzte Leistungen, nicht einmal die vollständige Leistungsstreichung vor.

Kaum Leistungsstreichungen in der Praxis

Das Sozialgericht Osnabrück weist in seinem Beschluss darauf hin, dass deutsche Gerichte Normen, die europarechtswidrig sind, unangewendet lassen müssen, auch wenn es (noch) keine Vorlage ans BVerfG oder den EuGH gibt. Diese Verpflichtung gilt auch für rechtsanwendende Behörden und ergibt sich aus der EuGH-Rechtsprechung, wie Prof. Constantin Hruschka in seinem Text zur Unionsrechtswidrigkeit der Leistungsstreichung im Dublin-Verfahren erklärt.

Das mag ein Grund dafür sein, dass die völlige Leistungsstreichung wie im eingangs geschilderten Fall aus Baden-Württemberg seit dem Inkrafttreten des Sicherheitspakets nur selten erfolgt ist. Das Land Rheinland-Pfalz etwa schreibt den Behörden aufgrund einer »verfassungs- und europarechtlich notwendigen zeitlichen Ausdehnung« ein Mindestmaß an Leistungen für alle betroffenen Personen bis zur tatsächlichen Ausreise vor.

Andere Länder vermeiden den Rauswurf von Geflüchteten im Dublin-Verfahren aus ihrer Unterkunft schlicht deshalb, weil die Kommunen die betreffenden Menschen dann aus sicherheits- bzw. ordnungspolitischen Gründen unterbringen müssten.

Grundsätzlich wären alle Behörden gut beraten, menschenrechtliche, verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben zu achten und sich nicht in zahllosen überflüssigen, aufwändigen Gerichtsverfahren korrigieren zu lassen. Die künftige Bundesregierung sollte daraus lernen, lieber gleich gewissenhaft auf Grund- und Europarecht zu achten und gar nicht erst rechtlich fragwürdige Gesetze zu verabschieden. Denn dass die entsprechende Regelung aus dem Sicherheitspaket künftig Bestand haben wird, darf inzwischen einmal mehr angezweifelt werden.



AsylbLG-Leistungskürzungen nach Meinung des BSG für Alleinstehende rechtswidrig

Das Bundessozialgericht (BSG) äußert in einer Mitte Februar veröffentlichten Entscheidung von September 2024 die Ansicht, dass die sozialrechtliche Zwangsverpartnerung für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften (Regelbedarfsstufe 2 statt 1) auch bei den AsylbLG-Grundleistungen nach § 3, 3a AsylbLG verfassungswidrig ist (BSG, Vorlagebeschluss vom 26.9.2024; B 8 AY 1/22 R). Es hat diese Frage daher dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nachdem 2019 die Leistungssätze für Asylbewerber*innen neu festgesetzt wurden, erhalten Alleinstehende, die die ohnehin niedrigen Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG beziehen, weitere Leistungskürzungen. Statt Leistungen nach Regelstufe 1 zu bekommen, werden Alleinstehende der niedrigeren Regelstufe 2 zugeordnet. Diese ist eigentlich für Leistungsempfänger*innen gedacht, die sich in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft befinden. Weil sie daher gemeinsam wirtschaften, erhalten sie 10 Prozent weniger Leistungen (§ 3a Abs. 1 Nr. 2a AsylbLG). Alleinstehenden in Gemeinschaftunterkünften wird unterstellt, ebenso gemeinsam mit anderen zu wirtschaften zu können. Mit der aktuellen Zuordnung der Sozialbehörden werden sie daher mit „verpartnerten“ Leistungsempfänger*innen gleichgestellt.

Das BVerfG stellte im Oktober 2022 fest, dass die Leistungskürzung für Alleinstehende bei Analogleistungen nach § 2 AsylbLG um 10 Prozent, die die niedrigere Regelbedarfsstufe 2 mit sich führt, gegen die Verfassung verstößt (BVerfG v. 19.10.2022 – 1 BvL 3/21). Auch andere Gerichte, wie das Sozialgericht (SG) Hannover oder das SG Landshut hatten bereits ähnlich entschieden. Diese Argumentation sollte laut BSG auch auf die Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG übertragen werden.

Für die Praxis verdeutlicht der BSG-Beschluss nun erneut, dass betroffene Alleinstehende, die von der Sozialbehörde zur Regelsatzstufe 2 statt 1 zugeordnet werden, dagegen Widerspruch einlegen und einen Eilantrag stellen sollten. Um sich einen Anspruch auf Nachzahlung zu sichern, sollten auch Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt werden. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat hierzu weitere Informationen zur Verfügung gestellt. Der Sächsische Flüchtlingsrat hat zudem einen Infoflyer mit Muster-Widerspruch veröffentlicht.

Hier der einschlägige Absatz aus dem Urteil:

„Der Senat ist nach alledem zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausführungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG in der Fassung des Art 1 Nr 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 13.8.2019 (BGBl I 1290; BVerfG vom 19.10.2022 – 1 BvL 3/21 – BVerfGE 163, 254, 284, RdNr 69-94) bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zum Grundleistungsbezug in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG in gleicher Weise Beachtung finden müssen und zur Verfassungswidrigkeit der Normen führen. Dies entspricht offenbar auch der Auffassung im zuständigen Fachministerium. Der Gesetzgeber hat gleichwohl trotz viermaliger Änderung des AsylbLG seit Oktober 2022 in anderen Punkten keine weitere Begründung für die vorgenommene Differenzierung bei dem Leben in Sammelunterkünften aufgezeigt (vgl zu solchen Möglichkeiten BVerfG vom 19.10.2022 – 1 BvL 3/21 – BVerfGE 163, 254, 293, RdNr 88 ff) unabhängig davon, welche Bedeutung dies für zurückliegende Leistungszeiträume hätte. Er hat es weiterhin unterlassen, die tatsächlichen Grundlagen für die Gleichsetzung der in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten mit erwachsenen Leistungsberechtigten, die mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenleben, darzustellen und durch empirische Erkenntnisse zu belegen. Mit Art 3 Nr 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21.2.2024 (BGBl I Nr 54) ist mit Wirkung vom 27.2.2024 vielmehr die Wartefrist für Analogleistungen in § 2 Abs 1 Satz 1 AsylbLG von 18 auf 36 Monate verlängert und damit die Belastung, die für alleinstehende Grundleistungsberechtigte in Sammelunterkünften durch die Absenkung auf die Bedarfsstufe 2 entsteht, deutlich vergrößert worden. Auch mit dieser Gesetzesänderung wird aber nach wie vor nicht begründet dargelegt, dass die in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern erzielen, die einer Absenkung der Leistungshöhe um zehn Prozent gegenüber der Bedarfsstufe 1 entsprechen.“ (BSG v. 29.09.2024 – B 8 AY 1/22 R)



Drittstaatsangehörige aus der Ukraine: Bis 4. März Aufenthaltserlaubnis beantragen!

Menschen, die aus der Ukraine vertrieben wurden, aber über keine ukrainische Staatsbürgerschaft verfügen, sollten bis spätestens 4. März 2025 eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Konkret betrifft das folgende Personen: Nicht-ukrainische Staatsangehörige, die in der Ukraine nur einen befristeten Aufenthaltstitel hatten und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG haben, die vor dem 1. Februar 2024 erteilt worden ist. Wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG erst am 1. Februar 2024 oder später erteilt, bleibt sie noch gültig bis zum Ablauf des vermerkten Gültigkeitszeitraums. In diesem Fall besteht weniger Zeitdruck.

Die meisten nicht-ukrainischen Staatsangehörigen mit § 24 AufenthG sind allerdings von der Frist am 4. März betroffen und sollten daher bis zu diesem Tag einen Antrag auf eine andere Aufenthaltserlaubnis stellen. Mit diesem Antrag entsteht eine Fiktionswirkung, der alte Aufenthaltstitel gilt also fort (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Das betrifft auch Leistungsansprüche beim Jobcenter und den freien Arbeitsmarktzugang. Die Ausländerbehörde muss darüber eine Fiktionsbescheinigung ausstellen (§ 81 Abs. 5 AufenthG). Doch auch wenn die Behörde die Bescheinigung nicht ausstellt, besteht die gesetzliche Fiktionswirkung.

Der Antrag kann formlos per Mail oder Fax an die Ausländerbehörde gestellt werden. Es muss nicht genau angegeben werden, welche Aufenthaltserlaubnis beantragt wird. Man kann zum Beispiel formulieren: „Ich beantrage hiermit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung, des Studiums bzw. der Erwerbstätigkeit. Hilfsweise beantrage ich eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder sonstigen nach dem AufenthG vorgesehenen Zwecken.“

Allerdings: Damit die beantragte Aufenthaltserlaubnis bewilligt wird, müssen dafür die Voraussetzungen erfüllt sein. Eine ausführliche Arbeitshilfe gibt es hierzu vom Informationsverbund Asyl & Migration. Die Fiktionswirkung schafft möglicherweise etwas Zeit, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Es ist allerdings nicht vorhersehbar, wie lange die Ausländerbehörde für die Prüfung des Antrags braucht. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass sehr bald eine Ablehnung erfolgt. Kommt es dazu, sollte das Gespräch mit der Ausländerbehörde gesucht werden. Betroffene Personen sollten sich baldmöglichst um Beratung bemühen, um ihre langfristige Aufenthaltsperspektive zu klären. Sie können sich an Anwält*innen und Migrationsberatungsstellen wenden.

Alle, die bis zum 4. März 2025 keine Aufenthaltserlaubnis beantragen, sind unmittelbar und automatisch ab dem 5. März vollziehbar ausreisepflichtig. Das bedeutet:

  • Kein Anspruch mehr auf Leistungen des SGB II, sondern nur noch auf Leistungen aus dem AsylbLG.
  • Kein freier Zugang zum Arbeitsmarkt mehr – stattdessen muss bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Duldung und Beschäftigungserlaubnis beantragt werden.
  • Drohende Abschiebung.

Ein Weg aus der Duldung heraus ist dann nur noch schwer möglich, etwa für eine qualifizierte Beschäftigung (§ 19d AufenthG) oder eine Ausbildung (§ 16g AufenthG), dafür müsste eine Duldung aber schon mindestens drei Monate bestehen. Im Einzelfall denkbar ist ein Antrag auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG bei der Ausländerbehörde.


Arbeitshilfen:


Arbeitshilfe: Kostenübernahme für Therapie und Sprachmittlung für unbegleitete Minderjährige

Eine neue Arbeitshilfe klärt praxisorientiert über die Beantragung der Kostenübernahme für therapeutische Maßnahmen und Sprachmittlung auf. Es werden dabei die unterschiedlichen Versorgungsansprüche und -modelle im SGB VIII sowie im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) behandelt.

Die Arbeitshilfe richtet sich an Fachkräfte in und außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe, die mit unbegleiteten sowie begleiteten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen arbeiten.



Infobroschüre: Geflüchtete aus dem Irak

Für geflüchtete Menschen aus dem Irak gibt es eine neue Broschüre mit hilfreichen Tipps und Informationen zu aktuellen Aufenthalts- und Asylfragen. Die Broschüre wurde mehrsprachig, auf Deutsch und Kurmancî sowie auf Sorani und Arabisch, vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein herausgebracht.

Sie ist in Kooperation mit der Diakonie Schleswig-Holstein und der Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl-, und Zuwanderungsfragen entstanden.