Studie: Migration als Chance statt „Krise“

Die Zu- und Abwanderung von Menschen mit Migrationserfahrung eröffnet deutschen Kommunen vielfältige Möglichkeiten. Sie kann dazu beitragen, dem Fachkräftemangel zu begegnen und Verwaltungsstrukturen diversitätssensibler zu gestalten. Gleichzeitig stehen die Kommunen vor der Aufgabe, sowohl die Bedürfnisse neu ankommender Personen zu berücksichtigen als auch auf das sich wandelnde politische und gesellschaftliche Klima zu reagieren.

Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat eine Studie veröffentlicht, welche die Erfahrungen und Perspektiven von Akteur*innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft zu untersucht, die maßgeblich daran beteiligt sind, Schutzsuchende beim Ankommen und der gesellschaftlichen Teilhabe zu unterstützen. Im Rahmen einer Dialogreihe wurden diese Erfahrungen mit kommunalen Vertreter*innen besprochen, um daraus politische Handlungsempfehlungen abzuleiten, die die Teilhabe vor Ort stärken und zukunftsfähiger machen sollen.


Pro Asyl: Den Worten müssen Taten folgen

Zum zweiten Jahrestag der Ermordung von Jina Mahsa Amini und angesichts der anhaltenden blutigen Unterdrückung fordert PRO ASYL einen bundesweiten Abschiebestopp in den Iran und die Anerkennung der Schutzbedürftigkeit in den Asylverfahren. 

Auf die Festnahme und Ermordung von Jina Mahsa Amini wegen dem Vorwurf  einer nicht vorschriftgemäßen Verschleierung folgte im Iran im Herbst 2022 eine große Protestwelle gegen das Mullah-Regime. Die bis heute andauernde Bewegung “Frau, Leben, Freiheit” wurde ein Symbol für den Widerstand gegen Unterdrückung. Politiker*innen weltweit, auch in Deutschland, äußerten sich solidarisch mit  der Demokratiebewegung im Iran. Doch schlägt sich das kaum in der Anerkennung der Schutzbedürftigkeit der Verfolgten des Regimes nieder.

“In den Sonntagsreden hören wir große Solidaritätsbekundungen mit den mutigen Menschen im Iran  – und schaffen es nicht einmal einen Abschiebestopp zu beschließen. Das ist eine Farce”, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

“Echte Solidarität mit Menschen aus dem Iran zeigt sich in ihrer Anerkennung im Asylverfahren und durch einen bundesweiten Abschiebestopp. Alle wissen, wie es um die Menschenrechtslage im Iran steht, nicht nur für Frauen. Doch der Schutz von Menschen fällt offenbar der derzeitigen manischen Abschiebedebatte zum Opfer”, so Alaows weiter.

Trotz willkürlicher Verhaftungen, grausamer Folter in den Gefängnissen und Hinrichtungen werden die Asylanträge von Iraner*Innen in Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu einem großen Teil abgelehnt: Im Jahr 2023 lag die bereinigte Gesamtschutzquote von iranischen Asylsuchenden bei 45,6 Prozent. Die Schutzquote sank im ersten Quartal 2024 sogar auf 39,1 Prozent. Aber viele der Menschen, die im Asylverfahren abgelehnt wurden, protestieren in Deutschland gegen das Regime oder leben zum Beispiel eine im Iran verfolgte Religion oder sexuelle Orientierung aus – sind also im Iran extrem gefährdet. Sie leben in ständiger Angst vor der Abschiebung.

Und auch eine Zurückweisung von iranischen Geflüchteten zum Beispiel am Flughafen oder eine Abschiebung in einen vermeintlich sicheren Drittstaat (wie die Türkei) kann zu einer lebensgefährlichen Kettenabschiebung in den Iran führen.



Nationaler Notstand?

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland fordern demokratische Parteien wie CDU/CSU und FDP die Ausrufung eines „nationalen Notstands“ im Asylrecht, um sich über geltendes Recht hinwegzusetzen. Sie argumentieren, dass die hohe Zahl an Zuwanderern das Gemeinwesen überfordere, insbesondere im Bildungsbereich und bei der „kulturellen Integration“.

Zahlen zeigen jedoch, dass Asylsuchende nur einen kleinen Teil der Zuwanderung ausmachen: 2023 stellten nur 17 % der Zuwanderer Asylanträge. Die Mehrheit der Zuwanderung stammt aus EU-Staaten. Probleme wie der Mangel an Wohnraum und Bildungskapazitäten resultieren aus langfristigen Versäumnissen, nicht aus der Asylzuwanderung. Die politische Fokussierung auf das Asylrecht ist sachlich unbegründet, während die AfD von der aufgeheizten Debatte profitiert. Statt einer alarmistischen Rhetorik wird ein pragmatischer Umgang mit der Situation gefordert, der auf Fakten basiert und Zuwanderung zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs als Chance begreift. Eine genauere Aufschlüsselung der Zuzugszahlen und Abwanderungszahlen finden Sie beim Flüchtlingsrat Niedersachsen.


Flüchtlingsrat Niedersachsen, 10.09.24: Deutschland im Notstand? Verirrungen und Verwirrungen in der Asyldebatte


Gutachten: Zur Lage der Justiz in der Türkei

Folgt die türkische Justiz in Strafverfahren mit politischem Bezug rechtsstaatlichen Kriterien? Diese Frage steht oft im Zentrum von Asylverfahren türkischer Staatsbürger*innen.

Um eine Antwort zu erhalten, hat PRO ASYL ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag
gegeben.

Es befasst sich mit dem Zustand der türkischen Strafjustiz im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit sowie die Wahrung von Verfahrensrechten, insbesondere im Hinblick auf Verfahren mit Terrorismusvorwürfen. Die Untersuchung beruht auf der Auswertung unter anderem von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Berichten des Europarats und der Europäischen Kommission, Urteilen türkischer Gerichte sowie auf Befragungen von in der Türkei praktizierenden Anwält*innen.


Pro Asyl, 12.09.24: Gutachten: Zur Lage der Justiz in der Türkei – Rechtsunsicherheit in Strafverfahren mit politischem Bezug


Backnang: Inklusives Ehrenamt

Im Rahmen des Projekts „ganz barrierefrei ganz freiwillig ganz engagiert“ lädt die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg e.V. herzlich zum Workshop “Inklusives Ehrenamt – Erfahrungen im Ehrenamt mit Behinderung und Fluchterfahrung“ ein.

Die Veranstaltung richtet sich an Vereine und Organisationen, welche ihre Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements inklusiver gestalten möchten, um so mehr Menschen mit Behinderungen und Migrations-/Fluchterfahrungen in ihre Vereins- und Organisationsarbeit zu inkludieren.

Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist bis zum 27.09.2024 möglich.

Ansprechperson: nina.geldmache@tgbw.de


Mehrsprachige Arbeitshilfe: LSBTIQ*-Geflüchtete im Asylverfahren

Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung ist in Deutschland ein Asylgrund. Wer in Deutschland Asyl sucht, muss bei einer persönlichen Anhörung die Asylgründe ausführlich darlegen können. Dies ist oft sehr herausfordern – vor allem für queere Geflüchtete. Daher ist eine sorgfältige Vorbereitung auf die Anhörung besonders wichtig.

Um LSBTIQ*-Geflüchtete im Asylverfahren zu unterstützen, hat der Flüchtlingsrat Köln einen mehrsprachigen Leitfaden erstellt. Dieser hilft bei der Vorbereitung und bietet einen umfassenden Überblick darüber, wie eine Anhörung in Deutschland abläuft und welche besonderen Aspekte queere Menschen dabei berücksichtigen sollten.


Flüchtlingsrat Köln, Juli 2024: LSBTIQ*-Geflüchtete im Asylverfahren: Ein Leitfaden zur Anhörung


Studie: Syrien in keiner Region sicher

Die fortwährende Gewalt in weiten Teilen Syriens sowie die anhaltende Herrschaft des Assad-Regimes zeigen klar, dass kein Ort im Land sicher ist. Vor diesem Hintergrund sind Überlegungen, syrische Geflüchtete zwangsweise aus den Nachbarstaaten oder aus Europa zurückzuschicken, entschieden abzulehnen. Stattdessen sollten Deutschland und andere europäische Staaten klar Stellung gegen flüchtlingsfeindliche Rhetorik beziehen und ihre humanitäre Unterstützung für die besonders betroffenen Regionen im Nordwesten und Nordosten Syriens verstärken.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie des GIGA-Instituts (German Institute for Global and Area Studies) verdeutlicht, dass keine Region Syriens als sicher eingestuft werden kann. Das gesamte Land bleibt von Unsicherheit und Menschenrechtsverletzungen geprägt.

In Gebieten, die von der Assad-Regierung kontrolliert werden, herrschen weiterhin brutale Unterdrückung, Korruption und eine verheerende wirtschaftliche Krise. Dies führt dazu, dass die Bevölkerung in ständiger Angst vor staatlicher Willkür lebt. In den von der Türkei besetzten Gebieten Nordsyriens sind gravierende Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung, an der Tagesordnung. Zudem verschärfen die Rückführungen von syrischen Geflüchteten aus der Türkei die ohnehin schwierigen Bedingungen in diesen Regionen.

Auch in den kurdisch-kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens ist die Lage prekär. Hier kommt es häufig zu Gewalteskalationen, in die internationale Akteur*innen involviert sind, was die Sicherheitslage weiter destabilisiert. Neben den bewaffneten Konflikten sind syrische Zivilist*innen landesweit von einer schweren humanitären Krise betroffen. Die meisten Syrer*innen leben unterhalb der Armutsgrenze, haben keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung und lebenswichtigen Diensten wie Gesundheitsversorgung und Bildung.

Insgesamt macht die Studie deutlich, dass Rückführungen von syrischen Geflüchteten in ihre Heimat gefährlich sind. Initiativen einiger europäischer Länder, Teile Syriens als sicher zu deklarieren, werden in der Studie scharf kritisiert, da dies im Widerspruch zu den realen Gefahren vor Ort steht.


Übergang vom Chancenaufenthaltsrecht in ein dauerhaftes Bleiberecht

Für tausende Menschen wird in den kommenden Monaten das Chancen-Aufenthaltsrecht enden. Das Chancenaufenthaltsrecht hat in vielen Bundesländern dazu geführt, dass die Anzahl der Menschen mit Duldung spürbar gesunken ist. In Baden-Württemberg betrifft das in der Zukunft 8.864 Personen. Dennoch stehen einige Geflüchtete vor der Herausforderung, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht fristgerecht zu erfüllen. Sollte dies nicht gelingen, droht eine Rückkehr in den Status der Duldung – eine unsichere und belastende Situation für die Menschen.

Die WIR-Netzwerke fordern daher mit ihrem Empfehlungspapier zur erfolgreichen Gestaltung des Übergangs vom Chancen-Aufenthaltsrecht zu den Bleiberegelungen nach §25a/b AufenthG die Politik und Verwaltung auf, diese Herausforderungen aktiv anzugehen und die Weichen für eine nachhaltige Teilhabe zu stellen. Denn der Erfolg des Chancenaufenthaltsrechts wird sich daran messen lassen, wie vielen Menschen der dauerhafte Weg in die Gesellschaft geebnet wird.

Nutzen Sie das Empfehlungspapier und lassen Sie es Ihren Ausländerbehörden vor Ort zukommen.

Die Fachberatungsstelle NIFA plus steht in Stuttgart, Pforzheim sowie den Landkreisen Tübingen, Hohenlohe- und Main-Tauber für Fragen zur beruflichen Teilhabe von Geflüchteten zur Verfügung.


Heidelberg: Generalkonferenz ECCAR

Vernetzen Sie sich im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung auf kommunaler Ebene.  Städte und Gemeinden spielen eine zentrale Rolle bei der Verteidigung von Menschenrechten und der Bekämpfung von strukturellem Rassismus. Wie können Kommunen beispielsweise auf den wachsenden Rechtsextremismus in Europa reagieren? All diesen Themen geht die Europäische Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) auf ihrer Generalkonferenz im Kulturhaus Karlstorbahnhof in Heidelberg nach.

Die internationale Konferenz bringt Städte, Organisationen und Expert*innen zusammen, um sich über Strategien zur Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und für die Förderung der Menschenrechte auszutauschen. Sie richtet sich an Vertreter*innen aus Kommunen, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen. Neben Vorträgen und Podiumsdiskussionen bietet das Programm zahlreiche Möglichkeiten zum Netzwerken und zur Entwicklung neuer Kooperationen.

Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist erforderlich. Alle weiteren wichtigen Informationen finden Sie auf Veranstaltungsseite.


Pro Asyl: Sozialleistungen für Geflüchtete auf Null?

Die ständigen Forderungen und Pläne, Sozialleistungen zu streichen, sind ein strategischer Angriff auf die Verfassung und auf ein solidarisches Europa. Das ist Gift für unsere Gesellschaft.

Die Bundesregierung hat im August 2024 ein „Sicherheitspaket“ vorgestellt, das drastische Kürzungen der Sozialleistungen für Geflüchtete im Dublin-Verfahren vorsieht. Finanzminister Lindner fordert sogar eine vollständige Streichung. Diese Maßnahmen greifen die Menschenwürde an, die im Grundgesetz verankert ist und ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass solche Kürzungen verfassungswidrig wären. Forderungen nach weiteren Kürzungen auch für geduldete Geflüchtete werden laut. Diese Debatte ist verfassungsrechtlich und moralisch bedenklich.

In der Praxis würde eine Reduzierung der Sozialleistungen auf Null zu unmenschlichen Zuständen führen, wie sie in anderen EU-Ländern bereits zu beobachten sind. Dies könnte dazu führen, dass geflüchtete Menschen in Deutschland in extremer Armut leben müssen, was den sozialen Frieden weiter unterminiert. Stattdessen fordert PRO ASYL eine Rückkehr zu einer respektvollen, rechtsstaatlichen Politik, die die Menschenwürde achtet und das Grundgesetz verteidigt.


Pro Asyl, 04.09.24: Sozialleistungen für Geflüchtete auf Null? Strategische Angriffe auf die Verfassung