Gericht: Hausordnung von Aufnahmeeinrichtungen in wichtigen Punkten rechtswidrig

Verwaltungsgerichtshof entscheidet: Zimmer sind grundrechtlich geschützte Wohnungen

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat heute seine Entscheidung zur Hausordnung in der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg bekanntgegeben und der Klage mehrerer Geflüchteter in wichtigen Punkten stattgegeben. Das Verfahren wird unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, PRO ASYL, der Aktion Bleiberecht und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die in der Hausordnung geregelten Befugnisse des Sicherheitsdienstes, die Zimmer der Geflüchteten jederzeit zu kontrollieren und zu betreten, unwirksam sind. Das Gericht bestätigte, dass die Schlafzimmer in den Unterkünften grundrechtlich geschützte Wohnräume sind.

„Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt auch in Erstaufnahmeeinrichtungen, und Geflüchtete haben dort ein Recht auf Privatsphäre – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, stellt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit dem Urteil endlich klar“, sagt Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF. „Die Entscheidung macht eine klare Ansage an das Land Baden-Württemberg. Weitreichende Grundrechtseingriffe per Hausordnung regeln – das geht nicht. Das Land muss Einschränkungen gesetzlich festlegen, nur dann sind Grundrechte und Demokratieprinzip gewahrt“.

Der Flüchtlingsrat kritisiert, dass das Land dafür überhaupt Nachhilfe durch ein Gericht braucht: „Es ist bezeichnend, dass ein Gericht die Landespolitik zu einer grundgesetzkonformen Ausgestaltung der Unterbringung von Geflüchteten zwingen muss. Das zeigt, wie es um die Rechte von Schutzsuchenden in Baden-Württemberg bisher bestellt war. Die Landesregierung muss die systematische Entrechtung von Menschen jetzt umgehend beenden. Wir fordern selbstbestimmte Wohnformen, die die Rechte eines jeden Menschen achten und ein Ende der repressiven Massenunterbringung“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Auch die Kläger Emmanuel Annor und Ba Gando erhoffen sich nach dem Urteil eine Verbesserung der Situation in den Unterkünften: „Nach der Flucht brauchen wir einen Ort, an dem wir zur Ruhe kommen können. Bislang hatten wir in der Unterkunft kaum Privatsphäre. Das heutige Urteil macht Hoffnung auf Veränderung und ist für uns ein wichtiges Signal. Es bestärkt uns, weiter für uns und unsere Rechte einzustehen“.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stützt sich mit dieser Entscheidung auf den weiten Wohnungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts. Der Schutz der Wohnung ist eng mit der Menschenwürde verbunden. Geschützt sind nach der Karlsruher Rechtsprechung alle Räume, in denen das Privatleben stattfindet.

„Dieses Urteil ist von bundesweiter Bedeutung, denn es macht klar, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art.13 Grundgesetz auch in Sammelunterkünften gilt. Das gibt geflüchteten Menschen ein Stück Eigenständigkeit und Würde zurück“, sagt Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei PRO ASYL.

Hintergrund

Am 16. Dezember 2020 reichten sechs Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte, der Aktion Bleiberecht Freiburg, PRO ASYL und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen die restriktive Hausordnung ein.

Die in allen Erstaufnahmeeinrichtungen Baden-Württembergs einheitlich ausgestaltete Hausordnung reguliert den Alltag der Bewohner*innen umfassend. Die Türen zu den Schlafräumen sind nicht abschließbar. Der Sicherheitsdienst kontrolliert täglich die Zimmer und darf diese auch nachts und gegen den Willen der Bewohner betreten. Sie dürfen keinen Besuch empfangen. Auf dem gesamten Gelände ist es ihnen verboten, sich politisch zu betätigen. Selbst einfache Haushaltsgegenstände wie eine Packung Reis, einen Gebetsteppich, einen Schraubenzieher oder einen Haarschneider dürfen sie nicht mit in die Einrichtung nehmen. Gegen weitere Regelungen der Hausordnung läuft ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Weiterführende Informationen finden Sie hier:


Stellenausschreibung Netzwerk Pro Sinti & Roma

Die Anlaufstelle / Netzwerk Pro Sinti & Roma, sucht ab sofort-Unterstützer*innen, die sich bis Ende Dezember 2022, auf Honorarbasis für 10 Stunden / Monat mit Interesse und Engagement in folgenden Tätigkeitsbereiche einbringen :

  • Unterstützung der Leitung der Anlaufstelle Pro Sinti & Roma, sich politisch zu engagieren und unter anderem Tätigkeitsfelder der Anlaufstelle bei Institutionen und Organisationen bekannt zu machen
  • Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen verschiedener Formate und Zielgruppen (Vorträge, Kulturveranstaltungen, antiziganismuskritische Bildungsarbeit)
  • regelmäßigen und aktive Teilnahme im Teambesprechungen/Netzwerktreffen (digital oder analog)

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  • Engagement und Interesse für die Tätigkeitsfelder
  • Ausgeprägte Kommunikationskompetenz sowie Dialog und Teamfähigkeit -Wünschenswert wären Erfahrungen in der Durchführung und Moderation von Veranstaltungen

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  • abwechslungsreiche Tätigkeitsbereiche in positiver Arbeitsatmosphäre
  • die Chance, Teil eines bestehenden vielfältigen Teams aus ehrenamtlich Engagierten zu werden

Haben Sie Interesse ? Dann freuen wir uns über eine Bewerbung (inklusive Motivationsschreiben). Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an Kemal Ahmed, E-Mail: k.ahmed@ksew.de, Telefonnummer 0151 633 85 224.


Handreichung: „Widerruf, Rücknahme und Erlöschen des Schutzstatus“

Wenn im Asylverfahren ein Schutzstatus zuerkannt wurde – sei es die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft, der subsidiäre Schutz oder ein Abschiebungsverbot – gilt dieser Status ohne zeitliche Befristung. Die Entscheidung über den Status trifft in aller Regel das BAMF. An diese Entscheidung ist die für die Erteilung der darauf aufbauenden Aufenthaltserlaubnis zuständigen Ausländerbehörde gebunden (§§ 6 S. 1, 42 S. 1 AsylG). Dementsprechend muss sie eine Aufenthaltserlaubnis, die auf einem vom BAMF festgestellten Schutzstatus beruht, immer weiter verlängern, so lange der Schutzstatus besteht. Erst wenn dieser entfallen ist, kommt die Versagung oder der Entzug des Aufenthaltstitels in Betracht. Nach dem Asylgesetz kann der Verlust des Schutzstatus Folge eines Widerrufs oder einer Rücknahme sein oder kraft Gesetzes eintreten.
In dieser Handreichung werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Erlöschens, des Widerrufs und der Rücknahme sowie der Ablauf des Verfahrens vorgestellt. Die Handreichung kann kostenfrei als PDF-Datei heruntergeladen und in gedruckter Form bestellt werden.

Diese Publikation entstand im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge 2021“, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen mit Unterstützung der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.


Online-Seminar: „Asylantrag abgelehnt – und jetzt?

In dieser Veranstaltung geht es um die rechtlichen Möglichkeiten von Geflüchteten, deren Asylantrag abgelehnt wurde, von der Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu wechseln. Fünf mögliche Formen der Bleiberechtssicherung schauen wir uns an: Die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, den Härtefallantrag und die Bleiberechtsoptionen nach §§ 25a und 25b AufenthG. Dabei beschäftigen wir uns mit folgenden Fragen: Was sind die Voraussetzungen? Welche Rolle spielen Identitätsklärung und Passbeschaffung? Welche Unterstützung brauchen die Geflüchteten?

Die Infoveranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit. Sie wird mit Zoom durchgeführt und die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor dem Seminar.

Das Online-Seminar findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.

Die Anmeldung ist geschlossen.


Flüchtlingsrat fordert landeseigenen Afghanistan-Abschiebungsstopp

Angesichts der aktuellen, dramatischen Entwicklungen in Afghanistan fordert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Landesregierung zu einem Abschiebungsstopp auf. Der Deutschlandfunk meldet, die afghanische Regierung rufe europäische Staaten dazu auf, Abschiebungen in das Land auszusetzen. In einer Erklärung des zuständigen Ministeriums in Kabul heiße es, wegen der zunehmenden Gewalt der radikalislamischen Taliban und angesichts steigender Corona-Infektionszahlen sei die Rückführung abgelehnter Asylbewerber ein Grund zur Beunruhigung.

Seit dem vollzogenen Abzug von Nato-Truppen aus dem Land am Hindukusch eskaliert die Gewalt zwischen der afghanischen Armee auf der einen Seite und den Taliban und anderen islamistischen Aufständischen auf der anderen. Dass die sich schon als Brandbeschleuniger in Nordsyrien und in Libyen betätigende Türkei damit liebäugelt, in die von den US- und europäischen Truppen hinterlassene Lücke zu stoßen, lässt nichts Gutes ahnen. Alle ausländischen Soldaten würden wie Besatzungstruppen behandelt, verlauten die Taliban. Nach unterschiedlichen Meldungen sind schon 50 bis 85% des Landes nicht mehr unter Regierungskontrolle, sondern im Einfluss der Aufständischen.

„In dieser Situation bedeuten Abschiebungen von afghanischen Geflüchteten aus Deutschland, sie sehenden Auges in Gefahren für Leib, Leben und Freiheit auszuliefern“, mahnt Seán McGinley, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Mit Blick auf die in Afghanistan einmal mehr zunehmende Fluchtbewegung würden Abgeschobene allenfalls in die Drehtür erneuter Versuche, den im Lande herrschenden Todesgefahren und Überlebensnöten zu entkommen, geschickt.

Die in Afghanistan herrschenden Gefährdungen für Rückkehrende wurden erst kürzlich in einer Studie der Ethnologin Friederike Stahlmann sehr deutlich herausgestellt und sind Bund und Ländern längst bekannt. Am 21. Juni ist ein im Februar aus Hamburg abgeschobener Mann durch eine Granatenexplosion getötet worden. Dennoch soll weiterhin abgeschoben werden – auch aus Baden-Württemberg.

„Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung von Baden-Württemberg auf, umgehend einen landeseigenen Abschiebungsstopp zugunsten afghanischer Ausreisepflichtiger zu erlassen“, erklärt Seán McGinley. Anstatt Abschiebungen zu planen, sollte, so der Flüchtlingsrat, ein Programm zur nachhaltigen Integration und dauerhaften Bleiberechtssicherung für afghanische Geflüchtete aufgelegt werden. Dass der Erlass eines solchen Abschiebungsstopps für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Personengruppe in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer führt, hat die Bundesregierung erst vor wenigen Wochen bestätigt in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, die bekanntlich in der baden-württembergischen Landesregierung die zahlenmäßig stärkste Kraft sind.


Geänderte Zeiten für Telefonberatung

Ab sofort gelten beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg eingeschränkte Telefonberatungszeiten. Anstatt wie bisher montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, sind wir künftig montags, donnerstags und freitags von 14 bis 16 Uhr und mittwochs von 14 bis 17 Uhr erreichbar. Die Telefonsprechstunde am Dienstag fällt weg. Hintergrund: Das Beratungsangebot des Flüchtlingsrats für Ehrenamtliche wird im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ von Land Baden-Württemberg gefördert. Im Rahmen dieses Projekts wurde eine bestimmte Planzahl an zu beantwortenden Anfragen zugrundegelegt, auf deren Basis auch die personellen Ressourcen berechnet werden. Die bis zum Ende des Jahres angesetzte Anzahl an beantworteten Anfragen ist bereits über ein halbes Jahr vor Projektende erreicht. Da sich menschliche Arbeitskraft nicht beliebig vermehren lässt, und da im Rahmen des Projekts auch andere Aufgaben anfallen (wie z.B. Veranstaltungen, Vernetzungsarbeit, Erstellung von Informationsressourcen wie der Newsletter und das Magazin „perspektive“ des Flüchtlingsrats), sehen wir uns zu diesem Schritt gezwungen, um die Erfüllung aller Projektziele zu gewährleisten und unser Personal vor Überlastung zu schützen. Wir bitten hierfür um Ihr Verständnis.


Kein Datenschutz zweiter Klasse! Baden-Württemberg muss AZR-Gesetz im Bundesrat ablehnen

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erwartet von der Landesregierung, dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ in der Bundesratssitzung am kommenden Freitag die Zustimmung zu verweigern. Mit dem Gesetz sollen die im Ausländerzentralregister (AZR) gespeicherten Datensätze, die von allen in Deutschland lebenden Ausländer*innen erhoben werden, erheblich ausgeweitet werden. Bereits in der Anhörung im Bundestag war der Gesetzentwurf von Verbänden und Datenschützer*innen – auch vom Bundesdatenschutzbeauftragten – einhellig abgelehnt worden. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) bezeichnete das Gesetz als „gefährlich“ und „massive Gefahr“ für LSBTTIQ*-Geflüchtete, weil im Asylverfahren gemachte Angaben zur sexuellen Orientierung und Identität nun im AZR gespeichert werden sollen.

Auch die Opposition im Bund, allen voran Bündnis90/Die Grünen, lehnte den Entwurf aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken ab. „Mit der immer weiter ausufernden Datensammelwut in Bezug auf ausländische Menschen wird der Datenschutz komplett ausgehöhlt, für Ausländer:innen gilt nur ein Datenschutz zweiter Klasse“, erklärte Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg angesichts der Planungen. „Ein ohnehin schon problematisches Gesetz wird durch die Änderungen noch einmal deutlich verschärft.“ Insbesondere sollen im Fall von Schutzberechtigten auch die Bescheide des Bundesamtes sowie Gerichtsentscheidungen gespeichert werden, und somit die Gründe für einen Schutzstatus für eine unübersichtliche Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden.

Über 16.500 Behörden haben nach Aussage des Bundesverwaltungsamts Zugriff auf das Bundeszentralregister. Zwar sollen laut Gesetzentwurf „Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung“ unkenntlich gemacht werden, doch es bleibt die Frage, wie und mit welchem Aufwand dies geschehen wird und welchen Nutzen die Speicherung fast vollständig geschwärzter Dokumente haben würde – denn dies wäre die Konsequenz, wenn man das Schwärzungsvorhaben in Bezug auf Asylverfahren ernst nähme.

Für die Betroffenen hingegen bliebe unklar, welche sensiblen Informationen über sie denn nun dort gespeichert und für eine große Zahl von potentiellen Nutzer*innen zugänglich sind, und wer welche Informationen als schwärzungswürdig ansieht. „Wir haben gerade in letzter Zeit erlebt, wie gespeicherte Daten missbräuchlich abgerufen wurden, wie beispielsweise der Skandal um den NSU 2.0 eindrücklich zeigt. Jetzt soll ein Gesetz verabschiedet werden, mit dem sehr viel mehr und sehr viel sensiblere Daten einem sehr viel größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden sollen“, empörte sich McGinley. „Wir erwarten insbesondere von Bündnis90/Die Grünen als stärkste Partei in der Landesregierung, dass sie sich der Haltung ihrer Bundespartei anschließen und dafür sorgen, dass Baden-Württemberg diesen Gesetzesentwurf im Bundesrat ablehnt.“ Gerade unter Schutzberechtigten ist die Gefahr groß, dass Informationen über die Asylverfahren auch in das Herkunftsland gelangen können – mit fatalen Folgen für die Flüchtlinge und ihre Angehörigen.


Wir klagen an! – Menschenrechte sind #Unverhandelbar

Am Wochenende des 19. und 20.06. rufen die Seebrücken Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat zu unterschiedlichen Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen in zahlreichen baden-württembergischen Städten und Gemeinden auf. Im Rahmen des überregionalen Aktionstages finden in ganz Deutschland rund um den Weltflüchtlingstag am 20. Juni Veranstaltung unter dem Motto “Wir klagen an! – Menschenrechte sind #Unverhandelbar statt. 

„Uns ist es wichtig, erneut deutlich zu machen, dass zahlreiche Städte und Kommunen in Baden-Württemberg aufnahmebereit sind. Das Landesaufnahmeprogramm, dass in dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung festgeschrieben wurde, muss schnell umgesetzt werden – das Warten, z.B. auf eine neue Bundesregierung nach der Bundestagswahl, kann den Menschen an Europas Außengrenzen nicht zugemutet werden. Deshalb fordern wir schnelles Handeln!“, so Ulrich Bamann vom Aktionsbündnis Sicherer Hafen Bad Waldsee, das die Seebrücken Baden-Württemberg unterstützt. .

Anlässlich des Kampagnenstarts #Unverhandelbar zur Bundestagswahl im September adressiert die Seebrücke deutschlandweit ihre scharfe Kritik hinsichtlich der Politik der Untätigkeit nicht nur an die aktuelle, sondern auch an die zukünftige Bundesregierung. Die Bewegung formuliert dabei vier Kernforderungen:

  1. Die sofortige Evakuierung aller Lager an den EU-Außengrenzen und die selbstbestimmte Aufnahme der Menschen in aufnahmebereite Länder und Kommunen
  2. Das Ende deutscher Beteiligung an allen Frontex- und EUNAVFOR MED-Einsätzen. 
  3. Staatlich organisierte Seenotrettung und ein Ende der Kriminalisierung ziviler Seenotrettung
  4. Sichere und legale Fluchtwege und die Gewährleistung des individuellen Rechts auf Asyl. 

“Auch neun Monate nach dem Brand in Moria gehören Polizeigewalt, Überschwemmungen und Stürme zum Alltag der Menschen in griechischen Lagern. Frontex und die europäische Mission IRINI unterstützen weiterhin die sogenannte libysche Küstenwache bei ihren menschenrechtswidrigen Pushbacks, verweigern die Rettung aus Seenot und lassen schutzsuchende Menschen ertrinken. Menschenrechte werden an den europäischen Außengrenzen gezielt missachtet” sagt Ines Fischer von den Seebrücken Baden-Württemberg.

“Menschenrechte dürfen nicht weiter als Verhandlungsmaße und Spielball der Parteien und Politiker*innen benutzt werden. Für uns ist klar: Menschenrechte sind unverhandelbar!”, so Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Die Einhaltung gesundheitlicher Hygienemaßnahmen wird von den Veranstalter*innen durch Abstandsregelungen und das obligatorische Tragen eines medizinischen Mund-Nase-Schutzes aller Teilnehmer*innen sichergestellt.

Aktionen in Baden-Württemberg finden u.a. in Stuttgart am 19. Juni ab 10 Uhr am Kronprinzplatz (Protestcamp) , in Mannheim am 20. Juni am Paradeplatz ab 15 Uhr (Laufdemo) und in Reutlingen am 20. Juni am Listplatz/Bahnhof ab 15 Uhr (Demo). In weiteren Städten sind Aktionen geplant, siehe dazu mehr unter www.sichererhafen-baden-wuerttemberg.com


Forderungen an die Innenminister*innen-Konferenz in Rust

Anlässlich der Konferenz der Innenminister*innen von Bund und Ländern von 16. bis 18. Juni in Rust richtet der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg flüchtlingspolitische Forderungen an die Konferenz. „Wir erleben aktuell, wie geflüchtete Menschen in verschiedener Hinsicht besonders unter den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie leiden, und wie trotz Pandemie und trotz Verschlechterung der Situation in vielen Herkunfts- und Transitstaaten Abschiebungen und Abschottung weiter forciert werden“, so Lucia Braß, Erste Vorsitzendes des Flüchtlingsrats.

Forderungen

Corona: Gleicher Schutz für alle, keine Benachteiligung für Geflüchtete!

  • Dezentrales und selbstbestimmtes Wohnen anstatt der Massen- und Sammelunterkünfte
  • Ungehinderter Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle geflüchteten und illegalisierten Menschen
  • Aufsuchende und niedrigschwellige Impfangebote und vorherige muttersprachliche Aufklärung durch Vertrauenspersonen
  • Personen, deren Aufenthaltsrecht an ihre Erwerbstätigkeit geknüpft ist, dürfen keinen aufenthaltsrechtlichen Nachteil haben, wenn sie wegen der Pandemie ihre Arbeits- oder Ausbildungsstelle verlieren
  • Allgemeiner Abschiebungsstopp während der Pandemie, da die Gesundheitssysteme in vielen Ländern überfordert sind und die Pandemie bestehende wirtschaftliche und politische Krisen verschärft

Afghanistan: Pandemie-Auswirkungen und drohende Gewalteskalation machen Abschiebungsstopp erforderlich

  • Abschiebungsstopp für Afghanistan und sicheres Bleiberecht für Afghan*innen in Deutschland
  • Ein Aufnahmeprogramm für die nach dem Abzug westlicher Truppen besonders gefährdeten Ortskräfte
  • Schnelle und unbürokratische Ermöglichung des Familiennachzugs für afghanische Geflüchtete in Deutschland

Sri Lanka: Tamil*innen sind nach wie vor gefährdet

  • Neubewertung der Sicherheits- und Menschenrechtslage entsprechend der Empfehlung der UN-Menschenrechtsbeauftragten Michelle Bachelet
  • Abschiebungsstopp für Tamil*innen und sicheres Bleiberecht für sri-lankische Tamil*innen in Deutschland

Syrien: Gefährliche Vorstöße zur Ermöglichung von Abschiebungen

  • Wiedereinführung des Abschiebungsstopps für Syrien, da niemandem eine sichere Rückkehr garantiert werden kann, die humanitäre Lage katastrophal ist und es weiterhin zu willkürlichen Inhaftierungen und Folter kommt
  • Schluss mit der gefährlichen Rhetorik zu Abschiebungen von „Straftätern“ und „Gefährdern“, die lediglich als Einfallstor für einen Start der Abschiebungen nach Syrien dienen. Wem eine Straftat vorgeworfen wird, soll sich in einem rechtsstaatlichen Verfahren verantworten müssen und im Schuldfall nach dem Strafrecht verurteilt werden. Eine solche Verurteilung führt nicht dazu, dass die Person ihre Menschenrechte verwirkt.

Griechenland: Situation von Asylsuchenden und Anerkannten erfordert dringendes Handeln

  • Keine Abschiebungen von Personen mit Schutzstatus in Griechenland – dort droht ihnen Obdachlosigkeit und Verelendung!
  • Wohnpflicht in Aufnahmeeinrichtungen für Anerkannte aus Griechenland beenden, denn derzeit liegen die Asylverfahren von in Griechenland Anerkannten auf Eis, sodass Betroffene ohne Perspektive in Erstaufnahmeeinrichtungen festsitzen
  • Ermöglichung von Landesaufnahmeprogrammen für Menschen an den Außengrenzen der EU, wie im Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg vereinbart. Die Blockade seitens des Bundesinnenministeriums darf von den Ländern nicht widerstandslos hingenommen werden

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt die Protestaktion des zivilgesellschaftlichen Bündnisses unter dem Motto „Menschenrechte sind unverhandelbar“ und ruft zur Teilnahme an der Kundgebung auf, die am Freitag, 18. Juni um 11.30 Uhr am Bahnhof Ringsheim stattfinden wird.


Aktualisierte Arbeitshilfe „Aufenthaltsverfestigung“

Für Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis haben stellt sich oft irgendwann die Frage, wie sie ihren Aufenthalt verfestigen können. Diese Arbeitshilfe erklärt, unter welchen Umständen welche Personengruppen einen unbefristeten Aufenthaltstitel – zum Beispiel eine Niederlassungserlaubnis erhalten, und unter welchen Umständen ein unbefristeter Aufenthaltstitel erlöschen oder widerrufen werden kann. Die Ende 2019 erstmals erschienene Arbeitshilfe des Flüchtlingsrats ist nun in einer überarbeiteten Fassung veröffentlicht worden.