Vortragsabend: „Afghanistan – unser Nachbar“

Marienkirche Reutlingen

Wolfgang Bauer berichtet als Reporter seit 20 Jahren aus Afghanistan. In der aktuellen Situation hat er das Land bereits, mit Menschen gesprochen und die Kabul Luftbrücke mit ins Leben gerufen. An dem Abend in der Marienkirche berichtet er von seinen Erfahrungen, gibt Einschätzungen zur aktuellen Lage in Afghanistan und zu Entwicklungen der politischen Situation am Hindukusch. Die Veranstalter*innen wollen mit dem Vortragsabend ein Forum für die Situation der Menschen in Afghanistan bieten und mit dazu beitragen, dass die Lage dort nicht in Vergessenheit gerät.

Reutlinger Veranstalter*innen: Neue Marienkirchengemeinde, Asylpfarramt, Seebrücke, AK Flüchtlinge, Solidarity for Afghanistan e.V.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Es gelten die aktuellen Corona-Bestimmungen.


Pressemitteilung PRO ASYL: Eskalation stoppen und Menschenleben schützen an der belar.-poln. Grenze

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze spitzt sich immer mehr zu. Videoaufnahmen zeigen, dass sich eine große Gruppe von Menschen, geleitet von belarussischem Militär, der Grenze zu Polen nähert. PRO ASYL erinnert in diesem Zusammenhang an internationale Verträge und fordert die EU auf, dafür zu sorgen, dass Polen die Schutzsuchenden aufnimmt und versorgt.

„Den Zugang zu Asyl zu wahren, Flüchtlinge aufzunehmen und ihre Versorgung sicherzustellen, darauf haben wir uns in internationalen Verträgen geeinigt, das ist unsere Antwort auf Diktatoren. Und daran müssen sich die EU und Polen jetzt halten,“ sagt Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. „Nur wenn internationales Recht und EU-Recht eingehalten werden, können die Spirale der Eskalation gestoppt und Menschenleben geschützt werden,“ so Kopp weiter.

„Zynisches Kräftemessen“

Seit Monaten harren Menschen in der Kälte und ohne Versorgung im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus bereits aus in der Hoffnung, einen Asylantrag in der EU stellen zu können. Mindestens zehn Menschen sind bereits gestorben – und es wird immer kälter.

Der polnische Verteidigungsminister, Mariusz Błaszczak hat auf Twitter angekündigt, dass 12.000 Einsatzkräfte an der Grenze bereit sind, diese zu verteidigen. „Mit dem Militäreinsatz an der Grenze und der menschenverachtenden Rhetorik des ‚hybriden Kriegs‘ lässt Polen die Strategie Lukaschenkos aufgehen. Den Preis dieses zynischen Kräftemessens bezahlen schutzbedürftige Menschen auf der Flucht. Wir erleben eine Wiederholung der Szenen vom März 2020 an der griechisch-türkischen Grenze, die fatale Folgen hatte. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dafür sorgen, dass Polen EU-Recht einhält. Das heißt für den Moment: Polen muss jetzt erst einmal die Menschen aufnehmen und versorgen,“ fordert Kopp.

Beobachter*innen ins Grenzgebiet schicken 

In einem Appell hatte sich die Grupa Granica, ein Zusammenschluss von polnischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, am Sonntag an nationale und internationale Institutionen, darunter der UNHCR, die EU-Kommission und den Europarat gewandt und vor einer Eskalation gewarnt. PRO ASYL unterstützt die Forderung, den Druck auf Polen zu erhöhen, um sofort die humanitäre und medizinische Versorgung sicher zu stellen und zudem unabhängige Beobachter*innen in das Grenzgebiet zu senden.


EuGH: Keine 3-Monatsfrist bei Asylfolgeverfahren

In einem Asylfolgeverfahren dürfen die Behörden den Folgeantrag nicht ablehnen, weil er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gestellt wurde. Das hat der Gerichtshof der EU (EuGH) am 9. September 2021 (Az: C-18/29) entschieden. In Deutschland beträgt die Frist für die Stellung eines Asylfolgeantrags ab Kenntnisnahme von neuen Gründen, die einen Asylfolgeantrag begründen, drei Monate (§ 71 Abs. 1 AsylG). Diese Frist ist mit dem EuGH Urteil nicht länger haltbar. Dem hat das BAMF bereits zugestimmt. Auch sprach sich das Verwaltungsgericht Freiburg dafür aus, dass die Frist „unionsrechtswidrig ist und daher unangewendet bleiben muss“ (Urteil vom 17.9.2021, A 4 K 3548/19).

In dem Verfahren vor dem EuGH ging es um einen Iraker, dessen Asylantrag in Österreich abgelehnt worden war und der sich erst in einem Asylfolgeverfahren in der Lage sah, zu seiner Homosexualität zu stehen und diese geltend zu machen. Der EuGH führt hierzu aus, dass wenn Gründe im Asylerstverfahren bereits vorlagen, aber nicht vorgetragen wurden, die Aufnahme eines Asylfolgeverfahrens davon abhängig gemacht werden kann, ob die antragstellende Person unverschuldet nicht in der Lage gewesen war, die Gründe früher vorzutragen und ob mit den neuen Gründen wahrscheinlich internationaler Schutz zu anerkennen ist. Unter internationalem Schutz versteht man die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz.

Ein aktueller Hinweis zu dieser Thematik: Derzeit fragen sich viele Afghan*innen, ob sie bis zum Ablauf von drei Monaten gerechnet ab der Machtübernahme der Taliban am 15.08.2021 – also bis zum 15.11.2021 – Folgeanträge stellen müssen. Dem widerspricht das EuGH-Urteil. Vor der Folgeantragstellung muss auf jeden Fall eine ausführliche Beratung erfolgen.


Passbeschaffung Afghanistan

Seit der Machtübernahme der Taliban stehen afghanische Auslandsvertretungen in Deutschland vor Schwierigkeiten, neue Pässe oder Personaldokumente auszustellen. Verlängerungen von Pässen und Personaldokumenten scheinen möglich zu sein. Für viele Afghan*innen ist es somit momentan nicht möglich, ihre aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten, insbesondere die Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung, zu erfüllen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Situation der Betroffenen haben. Beispielsweise wenn es um die Identitätsklärung von Geduldeten oder von Anwärter*innen auf Niederlassungserlaubnisse geht.

Die Diakonie Württemberg veröffentlicht hierzu Hinweise und die Diakonie Deutschland hat verschiedene Musterschreiben herausgegeben, die in der Beratungsarbeit verwendet werden können:

  1. Afghanische Staatsangehörige mit einer Duldung „für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b AufenthG) (Musterschreiben 1: Streichung des Zusatzes „für Personen mit ungeklärter Identität“ bei Duldung)
  2. afghanische Staatsangehörige, die die Ausstellung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen (Musterschreiben 2: Absehen/Ausnahme von der Passpflicht bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis),
  3. afghanische Staatsangehörige, die einen „Reiseausweis für Ausländer“ beantragen (Musterschreiben 3: Erteilung „Reiseausweis für Ausländer“),
  4. afghanische Staatsangehörige, die von Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG betroffen sind (weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden konnten) (Musterschreiben 4: Aufhebung von Leistungskürzungen)

Die Musterschreiben wurden von Rechtsanwältin Oda Jentsch (Berlin) verfasst. Sie sollten erst nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls durch erfahrene Berater*innen verwendet werden.


Online-Seminar: Das AsylbLG: Wem steht wieviel zu?

Personen im Asylverfahren (mit einer Aufenthaltsgestattung) und nach abgelehntem Asylverfahren (mit einer Duldung) erhalten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In diesem online-Seminar schauen wir uns die Grundlagen des Asylbewerberleistungsgesetzes an. Insbesondere geht es um die Leistungshöhe und die gängigsten Leistungskürzungen. Die Veranstaltung richtet sich an Personen ohne Vorkenntnisse im Asylbewerberleistungsgesetz, die sich immer wieder fragen bzw. gefragt werden, wieviel monatliche Leistungen einer gestatteten/geduldeten Person eigentlich zustehen.

Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit

Referentin: Maren Schulz (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor dem Seminar.

Dieses Online-Seminar findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.

Die Anmeldung ist geschlossen.


Beratungstelefon der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Seit Ende September 2021 bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kostenlose Telefonberatung an. Unter 0800 – 546 546 5 wird von Montag bis Donnerstag jeweils von 9-15 Uhr beraten. Alle Personen, die in irgendeiner Form Diskriminierung erfahren, können sich an die Stelle wenden. Diskriminierung kann auf unterschiedlichen Merkmalen einer Person beruhen, z.B. ihrer Herkunft, Religion, Alters, Krankheit, Behinderung, Geschlechtsidentität oder/und sexueller Orientierung.

Zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes


Digitale Herbsttagung 2021

Wieder lädt der Flüchtlingsrat zu einer spannenden digitalen Veranstaltungsreihe ab Samstag, den 20.11.2021, ein. Die Reihe beginnt mit einem Vortrag zum politischen Handeln der EU zum Zwecke der Migrationsabwehr auf dem afrikanischen Kontinent. Hierzu wird Christian Jakob, Redakteur bei der TAZ und der Tageszeitung, zu den undurchsichtigen, wenig bekannten und durchaus skandalösen Mechanismen der europäischen Abschottungspolitik berichten. Anschließend finden ganz unterschiedliche und höchst interessante Arbeitsgruppen statt. Es wird um die ganzheitliche Begleitung von Geflüchteten in Ausbildung gehen, um den hürdenreichen Zugang zu Gesundheitsleistungen, die brisante Lage in Afghanistan und die vielfältigen Herausforderungen von Frauen im Asylverfahren.

Alle Veranstaltungen werden mit Zoom durchgeführt und sind kostenlos. Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier. Die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor der jeweiligen Veranstaltung.

Die digitale Sommertagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, gefördert durch das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg.

PROGRAMM

Samstag, den 20.11.2021

10:00 – 12:00 Uhr Hauptvortrag: EU-Abschottungspolitik auf dem afrikanischen Kontinent

Die Abschottungspolitik Europas wird in den Medien mit ganz unterschiedlichen Phänomenen in Verbindung gebracht: Das Leid der Flüchtenden in Lagern wie Moria, die unsägliche Verhinderung von Seenotrettungsaktionen auf dem Mittelmeer und die offensichtliche Beteiligung von Frontex an Push-Backs. Weniger im Fokus steht die Migrationspolitik der EU auf dem afrikanischen Kontinent. Über Entwicklungs-, Militär- und Wirtschaftshilfen werden Abkommen mit Diktaturen geschlossen. Aus denselben Regimen fliehen etliche Menschen aufgrund von allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen. Doch die EU ist vor allem daran interessiert, Menschen daran zu hindern, sich in Richtung Europa zu bewegen. Über die verschiedenen Strategien der europäischen Politik, ihre Grenzen vorzuverlagern, und den Auswirkungen auf die Menschen vor Ort wird Christian Jakob berichten.

Referent: Christian Jakob (Redakteur bei der TAZ und Tageszeitung)

Anmeldung ist geschlossen.

14:00 – 16:00 Uhr Arbeitsgruppe: Ganzheitliche Unterstützung von geflüchteten Menschen in Ausbildung

Auch für Menschen mit Fluchthintergrund bietet eine Ausbildung in Deutschland gute Möglichkeiten zum Erwerb von Kompetenzen sowie einer formalen Qualifikation. Gerade für Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus kann eine Ausbildung daneben eine Bleibeperspektive eröffnen, z.B. über die Ausbildungsduldung. Gleichzeitig gibt es für geflüchtete Menschen, die eine Ausbildung machen, viele Hürden und Herausforderungen – angefangen bei sprachlichen und fachlichen Schwierigkeiten in der Ausbildung über Unstimmigkeiten im Betrieb bis hin zu aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten. Häufig haben Azubis mit Fluchthintergrund besondere Unterstützungsbedarfe, die die Kapazitäten der hauptamtlichen Unterstützer*innen, Lehrer*innen und Arbeitgeber*innen überfordern. Hier spielen ehrenamtliche Ausbildungsbegleiter*innen eine ganz wichtige Rolle. Im Workshop werden ehrenamtlichen Ausbildungsunterstützer*innen und solchen, die es werden wollen, Tipps gegeben, wie sie erfolgreich im Spannungsfeld Azubi, Betrieb, HWK/IHK und Schule agieren können. Daneben wird auf die rechtlichen Herausforderungen im Kontext Ausbildungsduldung und Übergang zur Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG eingegangen.

Referenten: Ulrich Ziegler (AK Asyl Schwetzingen), Ulrich Schneider (Caritas Breisgau-Hochschwarzwald), Klaus Harder (Sprecher*innenrat Flüchtlingsrat BW und Senior Expert Service VerA)

Anmeldung ist geschlossen.

Montag, den 22.11.2021

18:00 – 20:00 Uhr Arbeitsgruppe: Zugang zu Gesundheitsleistungen für Personen im AsylbLG-Leistungsbezug: Rechtsdurchsetzung und Praxis der Sozialämter

Geflüchtete, die eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung besitzen, erhalten Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Insbesondere der Zugang zu Gesundheitsleistungen stellt sie dabei vor große Herausforderungen. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung nach dem AsylbLG. Neben den einschlägigen Rechtsvorschriften sollen auch die behördlichen Praxis sowie die tatsächlichen Schwierigkeiten beleuchtet werden, vor denen Geflüchtete beim Zugang zum Gesundheitssystem stehen. Ferner wird ein Blick auf die Möglichkeiten geworfen, den Anspruch auf Gesundheitsversorgung im Einzelfall (gerichtlich) durchzusetzen.

Referentin: Prof. Dr. Constanze Janda (Lehrstuhl für Sozialrecht und Verwaltungswissenschaft, Universität Speyer)

Anmeldung ist geschlossen.

Dienstag, den 23.11.2021

18:00 – 20:00 Uhr Arbeitsgruppe: Afghanistan – quo vadis?

Nach 20 Jahren haben die Taliban das Zepter der Macht in Afghanistan wieder übernommen. Was bedeutet dies in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für die Menschen in Afghanistan, was für die Afghan*innen, die in Deutschland leben? Diesen und anderen Fragen soll in der Arbeitsgruppe auf den Grund gegangen werden.

Referent*innen: Friederike Stahlmann (Institut für Sozialanthropologie / Universität Bern), Dr. Stephan Beichel-Benedetti (Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht, Karlsruhe)

Anmeldung ist geschlossen.

Donnerstag, den 25.11.2021

18:00 – 20:00 Uhr Arbeitsgruppe: Frauen im Asylverfahren

Geflüchtete Frauen sind in ihren Herkunftsländern häufig von unterschiedlichen asylrelvanten Formen von Gewalt betroffen oder bedroht, wie beispielsweise häusliche Gewalt, Zwangsverheiratung, sexualisierte Gewalt, Menschenhandel oder FGM/C (weibliche Genitalverstümmelung/ -beschneidung). Auch die Bedingungen, auf die geflüchtete Frauen während des Asylverfahrens treffen, bringen spezifische Herausforderungen mit sich, die die Teilhabe und das Ankommen von geflüchteten Frauen erschweren. In dieser Arbeitsgruppe wird es Einblicke in frauenspezifische Flucht- und Verfolgungsgründe sowie in rechtliche Hintergründe und die Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung von geflüchteten Frauen mit besonderem Schutzbedarf im Asylverfahren geben.

Referentinnen: Lena Ronte (Rechtsanwältin für Asylrecht) und Lena Schmid (Sozialarbeiterin im Fraueninformationszentrum, Stuttgart)

Anmeldung ist geschlossen.


VG Aachen: Ärztliche Bescheinigung durch Psychotherapeut*innen möglich

Das VG Aachen hat in einem Urteil vom 09.07.2021 – 7 K 1577/18.A festgestellt, dass eine psychologische Psychotherapeutin fachlich hinreichend qualifiziert ist, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren. Nach § 60a Abs. 2c AufenthG muss ein*e Ausländer*in Erkrankungen, welche die Abschiebung beeinträchtigen können, durch qualifizierte ärztliche Bescheinigungen glaubhaft machen. Seit der Gesetzesänderung von 2016 sollen laut § 60a Abs. 2c AufenthG nur noch Fachärzte und Fachärztinnen entsprechende „qualifizierte ärztliche Bescheinigungen“ ausstellen können. Das VG Aachen erklärt jedoch, dass neben Fachärzten und Fachärztinnen auch Psychologische Psychotherapeut*innen aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sind, psychische Erkrankungen, mithin auch posttraumatische Belastungsstörungen, zu diagnostizieren. Das in diesem Fall vorliegende Attest entspricht den Vorgaben des § 60a Abs. 2c AufenthG, indem es den Zusammenhang zwischen den traumatischen Ereignissen und dem Trauma darlegt, sich kritisch mit den Erklärungen der erkrankten Person auseinandersetzt und diese erst nach weiterer Überprüfung zur Grundlage der Stellungnahme macht. Auch der Therapieverlauf und der weitere Behandlungsbedarf wurden nachvollziehbar dargestellt.

Das Urteil reiht sich in eine geteilte Rechtsprechung zu dem Themenkomplex „fachärztliche Stellungnahmen“ ein (mehr dazu siehe Oda Jentsch, Oktober 2020: Krankheit als Abschiebehindernis, S. 29 ff.). Sollte es in der Praxis Probleme mit dem Zugang zu Fachärzten und Fachärztinnen geben und sollte sich die betroffene Person in psychotherapeutischer Behandlung befinden, so kann ggf. auch durch die*den Therapeut*in eine Stellungnahme verfasst werden. Diese muss unbedingt diesen Kriterien entsprechen. Vermutlich wird es in solchen Fällen auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinauslaufen.


VG Sigmaringen: Rückkehrprognose von Familien mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen beschäftigte sich mit der Frage, ob eine Familie mit Eltern, die verschiedene Staatsangehörigkeiten haben, gemeinsam in ein Herkunftsland rückkehren könnten. Dies sei bei divergierenden Staatsangehörigkeiten der Eltern nicht der Fall. Hier müssten die Elternteile für das jeweilige andere Land erst ein Aufenthaltsrecht erstreiten.

Im konkreten Fall geht es um Eltern, bei denen ein Teil die nigerianische und die andere die kamerunische Staatsangehörigkeiten hat. Sie lernten sich in Deutschland kennen, haben gemeinsame Kinder und sind unverheiratet. Die obige Frage ist im Kontext der Entscheidung über den Asylantrag der in Deutschland geborenen Kindern relevant. Das Gericht musste hier die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots für eine Tochter prüfen. Es prüfte unter der Premisse, dass die Eltern nicht gemeinsam zurückkehren können und als alleinerziehendes Elternteil dann für die Kinder im jeweiligen Herkunftsland sorgen müssten. Eine angemessene Versorgung wurde im konkreten Einzelfall verneint. Selbst bei einer gemeinsamen Rückkehr zweifelte das Gericht an, dass eine Versorgung gewährleistet werden könne. Denn der ausländische Elternteil verfüge über keinerlei Verbindungen im Herkunftsland des anderen. So sei es unwahrscheinlich, dass sich die Lage der gesamten Familie durch eine gemeinsame Rückkehr überhaupt verbessern könne im Vergleich zur Rückkehr eines alleinerziehenden Elternteils.

  • VG Sigmaringen (8. Kammer), Urteil vom 20.09.2021 – A 8 K 2172/20

OVG NRW: Keine Rückführung von Anerkannten nach Italien

Geflüchtete, die in Italien eine Schutzberechtigung erhalten haben und dann nach Deutschland weiterwanderten, dürfen nicht nach Italien abgeschoben werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), mit dem Urteil vom 20.07.2021 (Az: 11 A 1674/20.A) entschieden. Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass Anerkannte bei einer Rücküberstellung keinen Anspruch auf eine Unterbringung haben.

Das OVG legt detailliert dar, unter welchen Umständen ein Unterbringungsanspruch im italienischen Aufnahemsystem verloren geht und wie schwierig es sei, wieder Zugang zu Unterbringung zu erhalten. Auch sei es außerhalb des Aufnahmesystems kaum möglich, in absehbarer Zeit eine menschenwürdige Unterkunft zu finden. Geflüchtete müssten längere Zeit in Obdachlosigkeit leben. Darüber hinaus sei es Geflüchteten nicht möglich, eine Erwerbstätigkeit zu finden, um sich selbst zu versorgen. Dies liege an der angespannten Arbeitsmarktlage durch die Corona-Pandemie.