Untersuchung: Gesetzesverschärfungen erwirken nicht mehr Abschiebungen

Seit 2015 gab es vier Gesetzesverschärfungen, deren Ziel es war, Abschiebungen zu erleichtern und somit höhere Abschiebezahlen zu ermöglichen. Nun plant die Bundesregierung eine weitere Verschärfung bei Abschiebungen und hat den Gesetzesentwurf „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ auf den Weg gebracht. Doch die Untersuchung des Mediendienstes Integration zeigen, dass die Gesetzesverschärfungen in der Vergangenheit nicht zu höheren Abschiebezahlen führten.

Wir müssen aktuell damit rechnen, dass eine weitere Gesetzesverschärfung durchgesetzt wird, die bereits jetzt schon Panik unter Geflüchteten schürt und vor allem rechte Wähler*innenstimmen bedienen möchte. Allerdings gibt es innerhalb der Bundesregierung unterschiedliche Ansichten, so verlautet das Bundesjustizministerium verfassungsrechtliche Bedenken.



Aufruf „Stop GEAS“: Gegen die Abschaffung des Asylrechts in Europa

Der Flüchtlingsrat BW zeichnet mit!

Anfang Dezember soll im EU-Parlament über eine Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) diskutiert werden. Das Parlament wird dabei über ein ganzes Bündel an Verordnungen abstimmen, welche das europäische Asylsystem grundlegend verschärfen sollen. In der Folge wird es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen kommen. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl droht.

► Wir fordern das EU-Parlament dazu auf, diesen historischen Einschnitten nicht zuzustimmen, sondern sich für die Einhaltung der Menschenrechte aller einzusetzen. Das individuelle Asylrecht muss das Fundament unseres Schutzsystems bleiben!

► Wir fordern die deutsche Bundesregierung dazu auf, ihren Wahlversprechen nachzukommen und sich für eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik einzusetzen.

► Wir laden die Zivilgesellschaft ein, mit uns auf die Straße zu gehen, gemeinsam gegen diese historischen Asylrechtsverschärfungen zu protestieren und ein Zeichen für ein offenes und solidarisches Europa zu setzen!

Was droht durch die Asylrechtsverschärfungen?

Die von der EU-Kommission und dem Rat der EU ausgearbeiteten Vorschläge zur „Reform“ des GEAS sehen verschiedene Verordnungen vor, welche menschenrechtswidrige Praktiken, wie willkürliche Inhaftierungen und Abschiebungen, legalisieren würden. Sollten diese geplanten Verordnungen durch das EU-Parlament bestätigt werden, wäre dies eine Zäsur für die europäische Migrationspolitik und das faktische Ende des Grundrechts auf Asyl.

Systematische Inhaftierungen nach der Ankunft

Durch sogenannte „Grenzverfahren“ soll die Identifikation von Menschen auf der Flucht zukünftig schon an der EU-Außengrenze stattfinden. Menschen sollen dafür in Lagern in Grenznähe untergebracht werden. Die Lager sollen sich zwar auf dem Boden der EU befinden, die Geflüchteten jedoch offiziell als „nicht eingereist“ gelten. Und das bis zu dem Zeitpunkt, bis über ihre jeweilige Aussicht auf Asyl entschieden wurde. Einreisen darf nur, wem eine Aussicht auf Asyl attestiert wird. Bis zum Abschluss dieser Prüfung werden die Menschen kaserniert – und das für bis zu 12 Wochen. Auch Kinder werden – entgegen der Versprechungen der Grünen von dieser Regelung nicht ausgenommen. Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder darauf hin, dass eine individuelle und rechtsstaatlich fundierte Prüfung der Asylgründe unter solchen Bedingungen nicht möglich ist. Darüber hinaus sollen alle Menschen, welche über einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ eingereist sind, ohne jegliche Prüfung unmittelbar nach ihrer Ankunft wieder abgeschoben werden.

Auslagerung von Verantwortung an Drittstaaten

Zeitgleich sollen die Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten stark aufgeweicht werden. Bisher mussten als „sicher“ klassifizierte Drittstaaten die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert, also unterschrieben und anerkannt haben. Dies ist nun nicht mehr der Fall – ein historischer Rückschritt! Und mehr noch: auch einzelne Regionen eines Landes können als „sicher“ gelten, auch wenn der Rest des Landes dies nicht tut. (Länder wie Tunesien sollen beispielsweise zukünftig als „sicher“ gelten.) Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auf ihrer Flucht Richtung Europa über eines dieser Länder kamen und damit ihren Asylanspruch in Europa verwirkt haben, ist groß.

Diese Politik reiht sich in eine Tendenz in der europäischen Migrationspolitik der letzten Jahre ein: die Externalisierung von Migrationskontrolle. Die EU schließt sogenannte „Migrations-Abkommen“ mit Anrainer-, also Nachbarstaaten, wie etwa der Türkei oder Libyen, aber auch mit Staaten ohne gemeinsame Grenze, wie etwa in der Sahel-Zone. Darin garantieren diese Staaten gegen Fluchtbewegungen vorzugehen oder der Abschiebung von Menschen aus Europa zuzustimmen, und erhalten im Gegenzug finanzielle Unterstützung durch die EU. So kauft sich die EU von ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung des Asylrechts frei. Sie unterstützt so nicht nur autoritäre Regime unmittelbar beim systematischen Bruch von Menschenrechten. Sie stiftet sie regelrecht dazu an. Schon jetzt ist die Situation für Geflüchtete in Libyen und Tunesien katastrophal.

Weitere Entsolidarisierung innerhalb der EU

Auch innerhalb der EU soll zu einer weiteren Entsolidarisierung kommen. Das seit vielen Jahren in der Kritik stehende Dublin-System soll verschärft werden. Durch die geplante Ausweitung der Überstellungsfristen, sind letzte Zufluchtsmöglichkeiten, wie Kirchenasyl als Schutz vor Abschiebungen, künftig kaum noch möglich. Auch die solidarische Verteilung von schutzsuchenden Menschen innerhalb der EU wird durch die geplanten Verordnungen nicht gewährleistet. Stattdessen können sich Mitgliedsstaaten durch Zahlung von geringen finanziellen Beträgen oder der Entsendung von Personal von der Verpflichtung zur Aufnahme freikaufen.

Und das ist noch nicht alles …

Als ob diese geplanten Verschärfungen des Asylrechts nicht schon schlimm genug wären, plant die EU aktuell einen Mechanismus, welcher die noch geltenden Schutzstandards für fliehende Menschen noch weiter absenken kann: die sogenannte „Krisenverordnung“. Diese würde greifen, wenn besonders viele Menschen an den Grenzen ankommen und muss im Europäischen Rat beschlossen werden. Wird der „Krisenfall“ ausgerufen, kann die Zeit in Haft zur Identitätsprüfung auf bis zu 20 Wochen verlängert werden. Auch der Kreis von Menschen, die inhaftiert werden können, kann im Zuge der Krisenverordnung erweitert werden.

MACHT MIT!

Markiert euch den 26.11. schon mal dick im Kalender, um gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen! Wenn ihr als Teil des Bündnisses mitarbeiten wollt, schreibt uns gern bei Twitter, Insta oder per Mail an stopgeas@posteo.de.
Ihr wollt unseren Aufruf mit unterzeichnen? Dann schreibt uns eine Mail an stopgeas@posteo.de. Wir freuen uns, wenn ihr den Aufruf verbreitet und so weitere Menschen darauf aufmerksam macht, welche Entrechtung von Menschen auf der Flucht in Gang ist!


Sozialportal.net: Suchmaschine für Beratung und Hilfe

Sozialportal.net ist eine neue Internetseite, auf der sich Rechtsanwält*innen, Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen deutschlandweit finden lassen, die zu Sozialrecht, Mietrecht, Migration, Schulden, Gesundheit, Rente, Gewalt, Wohnungsnotfälle und so weiter beraten/helfen. So sollen Betroffene schneller Angebote in ihrer Umgebung finden.

Gegründet wurde Sozialportal.net von hat Tacheles e.V., da bisher Beratungsstellen und Hilfsangebote entweder nur über einzelne Träger oder auf bestimmte Themenfelder begrenzt findbar waren. Das Sozialportal bietet nun eine Übersicht über alle Hilfsstrukturen.

Wichtig: Beratungsstrukturen, Rechtsanwält*innen, Selbsthilfeinitiativen und andere Institutionen, die sich für die Rechtsmobilisierung ratsuchender Menschen einsetzen, sollen sich selbstständig in das Sozialportal eintragen.


Studie: Überlastung der Ausländerbehörden

Überall ist es das Gleiche: Die Ausländerbehörden sind stark überlastet und darunter leiden alle Beteiligten insbesondere Geflüchtete mit prekärem Aufenthalt. Es gibt zahlreiche Gründe für die Überlastungen: ständige und komplexe Gesetzesänderungen, ungenügende Qualifizierung des Personals, gestiegene Zuwanderung und überfrachtete bürokratische Abläufe. Dabei gibt es Lösungsansätze: Reduktion von Prüfverfahren, Leitplanken für Ermessensspielräume, Digitalisierung von Antragsverfahren und Anstellung von mehr Personal und deren Qualifizierung. Dies sind nur einige pragmatische Möglichkeiten zur Entlastung, welche die Autor*innen der Studie „An den Grenzen. Ausländerbehörden zwischen Anspruch und Alltag“ ausgearbeitet haben.

Die von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie ging den Fragen nach, welche aktuellen und strukturellen Ursachen die Belastung der Ausländerbehörden hat und wie die Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz und ihre Aufgaben wahrnehmen.



531 Abschiebungen im dritten Quartal 2023

Im dritten Quartal des Jahres wurden insgesamt 531Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Mit Abstand betraf es am meisten Menschen mit gambischer Staatsangehörigkeit (107 – davon 100 (!) nach Gambia). An zweiter Stelle kamen Menschen nordmazedonischer Staatsangehörigkeit (54 – davon alle nach Nordmazedonien). An dritter Stelle wurden Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit abgeschoben (45 – davon 24 in die Türkei). Die Differenz lässt sich damit erklären, dass nicht alle Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Vermutlich gingen die anderen Abschiebungen in europäische Länder als sog. Dublin-Verfahren oder Anerkannte.

In der Tabelle wird zwischen Ziel- und Herkunftsland unterschieden. Anhand der Zahlen zu den Zielländern wird ersichtlich wie viele Personen in ein bestimmtes Land abgeschoben worden sind. Die Zahlen zu Herkunftsländern geben die Anzahl der Personen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit an, die abgeschoben worden sind.

ZiellandAbschiebungen
Ägypten1
Albanien3
Algerien16
Belgien4
Bosnien-Herzegowina18
Bulgarien8
China3
Dänemark1
Frankreich14
Gambia100
Georgien20
Ghana4
Griechenland7
Guinea3
Indien2
Irak6
Italien11
Jordanien1
Kamerun2
Kasachstan1
Kosovo12
Kroatien10
Lettland2
Malta2
Marokko1
Montenegro2
Niederlande4
Nigeria38
Nordmazedonien54
Österreich41
Pakistan7
Polen12
Portugal3
Rumänien16
Schweden1
Schweiz7
Serbien37
Slowakische Republik2
Slowenien2
Spanien12
Sri Lanka2
Tschechische Republik2
Tunesien7
Türkei24
Ungarn3
USA1
Venezuela1
Vietnam1
Gesamtergebnis531
HerkunftslandAbschiebungen
Afghanistan26
Ägypten1
Albanien3
Algerien24
Bosnien-Herzegowina18
Bulgarien2
China3
Gambia107
Georgien20
Ghana4
Guinea3
Guinea-Bissau1
Indien10
Irak12
Italien1
Jordanien1
Kamerun2
Kasachstan2
Kosovo12
Kroatien3
Lettland2
Libanon1
Marokko5
Montenegro2
Niederlande1
Nigeria41
Nordmazedonien54
Pakistan9
Polen9
Portugal1
Rumänien13
Russische Föderation6
Serbien37
Slowakische Republik2
Slowenien1
Somalia4
Spanien1
Sri Lanka2
Staatenlos1
Syrien12
Tschechische Republik1
Tunesien13
Türkei45
Unbekannt6
Ungarn2
USA1
Venezuela1
Vietnam1
Weißrussland2
Gesamtergebnis531

LSG NRW: SGB-II-Leistungen für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat in einem Eilverfahren eine positive Entscheidung getroffen zu der Frage, ob aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige mit Fiktionsbescheinigung Anspruch auf SGB-II-Leistungen haben (LSG NRW, Beschluss vom 19. Oktober, L 6 AS 873/23 B ER). Leistungen nach SGB II werden oft von Jobcentern verweigert, weil:

  • Die Personen keine oder keine ausreichende Beschäftigungserlaubnis in ihrer Fiktionsbescheinigung hätten und deshalb nach § 8 Abs. 2 SGB II ausländerrechtlich nicht erwerbsfähig seien.
  • Die Personen keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten – sie würden sich nur kurzfristig hier aufhalten.
  • Die Personen keinen Aufenthaltstitel hätten und deswegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungen erhalten sollten.

Dies alles sieht das LSG NRW anders: Der Betroffene ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Zudem darf der rechtmäßige Aufenthalt mit einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG als Aufenthaltsrecht gewertet werden, mit dem SGB-II-Leistungen ermöglicht sind (es besteht voraussichtlich kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 SGB II).

Auch in Baden-Württemberg haben etliche Drittstaatsangehörige mit Fiktionsbescheinigung, die aus der Ukraine geflohen sind, Probleme, bei den Jobcentern ihren Anspruch auf SGB-II-Leistungen durchzusetzen.



Herbsttagung 2023

Informationen auf: Englisch und Türkisch

Herzliche Einladung zur Herbsttagung am Samstag, den 18. November 2023, in Stuttgart. Wir haben ein äußerst spannendes und vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Der Hauptvortrag beleuchtet kritisch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). In den Arbeitsgruppen können Sie wählen zwischen den Themen Abschiebehaft, Flucht aus der Türkei und Rechtsmittel im AsylbLG. Zudem gibt es zwei Gruppen zu Rassismus, jeweils ein Reflexionsraum für weiß-gelesene Personen und ein Empowerment-Raum für von Rassismus betroffene Personen. Zum Abschluss der Tagung findet ein Fachgespräch zu Ausgrenzungsmechanismen statt. Dazwischen wird es ausreichend Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch geben.

Die Tagung ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart (barrierefrei)

Unsere Tagung soll einen möglichst geschützten Raum für alle Beteiligten darstellen. Deshalb bitten wir alle Beteiligten, die Vereinbarung zum Umgang miteinander bei der Anmeldung zur Kenntnis und sich bei der Tagung zu Herzen zu nehmen.

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Eine Koförderung besteht durch die UNO-Flüchtlingshilfe und die Deutsche Postcode Lotterie.

PROGRAMM

09:45 Uhr: Anmeldung und Ankommen

10:00 Uhr: Begrüßung

10:15 11:45 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase I

Wählen Sie eine Arbeitsgruppe aus den vier folgenden aus. Die Arbeitsgruppen „Was tun bei Abschiebehaft?“, „Flucht und Migration aus der Türkei“ und „“Bekomme ich wirklich nur so wenig Geld?“ AsylbLG-Bescheide verstehen und dagegen vorgehen werden“ werden in der Arbeitsgruppen-Phase II wiederholt. Die Arbeitsgruppe 4 „Reflexionsraum „kritisches weiß-Sein““ findet nur in der Arbeitsgruppen-Phase I statt. Die Arbeitsgruppe 5 „Empowerment Raum“ findet nur in der Arbeitsgruppen-Phase II statt.

Arbeitsgruppe 1: Was tun bei Abschiebehaft?

Kommt eine Person in Abschiebehaft, dann stehen alle Kopf. Oft bricht erstmal der Kontakt zu der inhaftierten Person ab. Die Betroffenen wissen kaum wie ihnen geschieht, sind überrumpelt, überfordert und überwältigt. Und dann soll alles ganz schnell gehen, denn Unterstützung muss aktiviert werden. Alle Beteiligten hoffen, dass der*die Inhaftierte doch noch entlassen und nicht abgeschoben wird. In dieser Arbeitsgruppe geht es um die Grundlagen von Abschiebehaft: Was ist Abschiebehaft und wie läuft sie rechtlich und praktisch ab? Was kommt auf die Betroffenen und ihre Unterstützer*innen zu? Welche praktischen und rechtlichen Möglichkeiten gibt es, die Betroffenen zu unterstützen? Gibt es überhaupt Chancen, dass jemand aus der Abschiebehaft entlassen wird? Diesen Fragen werden die Berater*innen in der Abschiebehaft Pforzheim Dirk Keil und Theresa Kräling sowie die Anwältin Anne Feßenbecker nachgehen.

Referent*innen: Anne Feßenbecker (Rechtsanwältin Mannheim), Dirk Keil (Unabhängige Beratung in der Abschiebehaft Pforzheim, Caritasverband Erzdiözese Freiburg) und Theresa Kräling (Unabhängige Beratung in der Abschiebehaft Pforzheim, Diakonisches Werk Baden)

Arbeitsgruppe 2: Flucht und Migration aus der Türkei

Seit vielen Jahrzehnten fliehen und migrieren Menschen aus der Türkei aus politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Gründen nach Deutschland. Nach dem Militärputsch und dem blutigen Krieg in den kurdischen Gebieten begann in den 1980er Jahren die am stärksten sichtbare politische Fluchtbewegung aus der Türkei nach Deutschland. Sie dauert bis heute an, auch wenn sich die spezifischen Auslöser ebenso verändert haben wie die Zusammensetzung der Geflüchteten selbst.

Die Situation in Deutschland ist für Geflüchtete und Migrant*innen aus der Türkei sehr unterschiedlich. So erhielten beispielsweise 2022 73 Prozent der geflohenen Türk*innen einen Schutzstatus im Asylverfahren, im Vergleich zu nur 8,2 Prozent der Kurd*innen aus der Türkei. Auch die Chancen auf politische Partizipation verteilen sich sehr ungleich; während Kurd*innen häufig unter den Generalverdacht einer vermeintlichen Nähe zu der verbotenen PKK geraten und entsprechend seitens der deutschen Mehrheitsgesellschaft gemieden werden, erhalten liberale Türk*innen einen deutlich größeren Zugang zur Öffentlichkeit. In dieser Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns mit den unterschiedlichen Personengruppen aus der Türkei, ihrer Lage in Deutschland und inwieweit der türkische Geheimdienst auf sie einwirkt.

Referent: Dr. Ismail Küpeli (Politikwissenschaftler an der Universität Köln)

Arbeitsgruppe 3: „Bekomme ich wirklich nur so wenig Geld?“ AsylbLG-Bescheide verstehen und dagegen vorgehen

Geflüchtete Personen in Duldung und Gestattung erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Vielen werden die Leistungen gekürzt und sie bekommen nur noch extrem wenig Geld. Doch die meisten Bescheide sind fehlerhaft und verletzen die Rechte der Betroffenen. Insbesondere da Leistungskürzungen den sehr sensiblen Bereich des Existenzminimums betreffen ist es überaus wichtig und gar nicht mal so schwierig, dagegen vorzugehen. Rechtsanwalt Jörg Schmidt-Rohr erklärt die häufigsten Fehler in Bescheiden, welche Rechtsmittel möglich sind und wie man selbst Widersprüche schreiben kann. Für die Teilnahme sind Vorkennntnisse im AsylbLG notwendig: Lesen Sie dazu „Grundlagen Sozialleistungen“ auf der Internetseite des Flüchtlingsrats BW. Bringen Sie gerne anonymisierte Bescheide mit.

Referent: Jörg Schmidt-Rohr (Rechtsanwalt Wiesloch)

Arbeitsgruppe 4: Reflexionsraum „kritisches weiß-Sein“

Die Arbeitsgruppe richtet sich an weiße Menschen, die sich bereits mit Rassismus auseinandergesetzt haben. Anhand von verschiedenen Impulsen wollen wir unsere Rolle und Aufgabe im Machtverhältnis Rassismus reflektieren und uns dazu austauschen. Mit den Worten von Tupoka Ogette ausgedrückt:

„Ich wünsche mir, dass der Kampf gegen Rassismus von weißen Menschen nicht als Bürde, sondern als Chance gesehen wird. Als Chance, Teil der Veränderung zu sein. Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.“

Die Anzahl der Teilnehmenden ist aufgrund des Formats beschränkt.

Referentin: Susanne Belz (Büro für Diskriminierungskritische Arbeit Stuttgart)

11:45 Uhr: Pause

12:00 Uhr: Hauptvortrag: EU-Europas Grenzen – Grenzen der Demokratie und der Menschenrechte

Die Europäische Union will die Regeln für Asylverfahren weiter verschärfen: Durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sollen unter anderem an den Außengrenzen Haftzentren entstehen, um Geflüchtete festzusetzen, in Grenzverfahren auszusortieren und in fast jedes beliebige Land wieder abzuschieben. Faire und menschenwürdige Asylverfahren sind unter diesen Bedingungen nicht möglich. Prof. Dr. Sabine Hess wird auf die aktuellen Entwicklungen eingehen und die zentralen Dynamiken des europäischen Grenz- und Fluchtregimes seit 2016 betrachten. Sie wird zeigen, dass was heute als GEAS Reform verkauft wird, teils schon längst in der Praxis praktiziert wird – und nicht funktioniert. Was funktioniert, ist eine autoritäre Wende der europäischen Gesellschaften.

Referentin: Prof. Dr. Sabine Hess (Kulturanthropologin an der Universität Göttingen)

13:00 – 14:00 Uhr: Mittagessen

14:00 15:30 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase II

Wählen Sie eine Arbeitsgruppe aus den vier folgenden aus. Wiederholung der Arbeitsgruppen 1-3. Die Arbeitsgruppe 5 „Empowerment Raum“ findet nur in der Arbeitsgruppen-Phase II statt.

Arbeitsgruppe 1: Was tun bei Abschiebehaft?

Arbeitsgruppe 2: Flucht und Migration aus der Türkei

Arbeitsgruppe 3: „Bekomme ich wirklich nur so wenig Geld?“ AsylbLG-Bescheide verstehen und dagegen vorgehen

Arbeitsgruppe 5: Empowerment Raum

Der Raum richtet sich an Menschen, die in Deutschland negative Erfahrungen mit Rassismus und/oder Antisemitismus machen.

Menschen, die Rassismus und/oder Antisemitismus erleben, sind mehrfach belastet. Diskriminierung verletzt und kann krankmachen. Deshalb ist es so wichtig, Räume zu haben, in denen sich Menschen dazu in einem möglichst sicheren Rahmen austauschen können, ohne dass ihnen ihre Erfahrungen abgesprochen werden. Wir wollen zusammen sein, uns gegenseitig zuhören, uns stärken und darüber sprechen, welche Ressourcen wir in uns tragen.

Referentinnen: Eden Mengis und Anna Feldbein (Büro für diskriminierungskritische Arbeit Stuttgart)

15:30 Uhr: Pause

15:45 17:00 Uhr: Fachgespräch: Ausgrenzungsmechanismen

Zum Abschluss der Tagung diskutieren Prof. Dr. Sabine Hess (Universität Göttingen), Dr. Ismail Küpeli (Universität Köln), Monzer Haider (Flüchtlingsrat BW) und N.N das Thema Ausgrenzung aus ihren Expertisen und Blickwinkeln. Dabei werden die unterschiedlichen Ebenen von Teilhabeprozessen und Ausgrenzung bzw. Abschottung in den Blick genommen.

Die Anmeldung ist geschlossen – kommen Sie spontan vorbei!


Pro Asyl: Leistungskürzungen für Geflüchtete

Kein Ende der Debatte: Merz, Dürr, Söder und Co. wollen die Sozialleistungen für Geflüchtete kürzen. Doch das verbieten sowohl der menschliche Anstand als auch die Verfassung. Die aktuellen Äußerungen dagegen zeugen von Empathielosigkeit und völliger Unkenntnis der Lebensrealität von geflüchteten Menschen

Die Debatte über die Forderung nach Sachleistungen und nach Leistungskürzungen für Geflüchtete reißt nicht ab. Vor allem aus der Bundes-FDP kommt die Forderung nach Bezahlkarten, um den Menschen Bargeld zu entziehen, CSU-Chef Söder hat eine solche Bezahlkarte für Bayern angekündigt. Dass CDU-Chef Friedrich Merz mit falschen Behauptungen über die angebliche Vorzugsbehandlung von Geflüchteten bei Zahnärzten versucht hat, in der Öffentlichkeit zu punkten, fiel noch weitgehend auf ihn selbst zurück. Inzwischen hat er sich offenbar über die Rechtslage informieren lassen und fordert jetzt, den Zeitraum der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gekürzten Leistungen von derzeit 18 Monaten erheblich auszudehnen.

All diese Äußerungen passen in eine in Wahlkampfzeiten aufgeheizte Flucht- und Migrationsdebatte und sind offenbar dem sinnlosen Versuch geschuldet, die potenzielle AFD-Wählerschaft mit nach rechtsaußen driftenden, populistischen Parolen einzufangen. Dabei entbehren die Forderungen nach Leistungskürzungen jeglicher Vernunft, Empathie und Mitmenschlichkeit und sind ein Angriff auf Artikel eins unserer Verfassung: die Menschenwürde.

Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum

Aus der Verbindung von Artikel 1 (Menschenwürde) mit Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip) ergibt sich das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum – so hat es das Bundesverfassungsgericht 2012 festgehalten. Damals verurteilte das Bundesverfassungsgericht die Grundleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz als »evident unzureichend« und hob sie auf annähernd das damalige »Hartz-IV«-Niveau an. In diesem Zusammenhang machte das Verfassungsgericht auch klar, dass der vollständige Entzug von Bargeld nicht mit der Verfassung vereinbar ist – ein Vorschlag, den ausgerechnet der Bundesjustizminister ernsthaft vorbrachte. Zuletzt verurteilte das höchste deutsche Gericht eine erst 2019 eingeführte 10-prozentige Kürzung der Grundleistungen für alleinstehende Geflüchtete, die in »Gemeinschaftsunterkünften« leben müssen, als verfassungswidrig. Weitere Verfahren gegen Asylbewerberleistungen sind vor dem Bundesverfassungsgericht noch anhängig. Eine erneute oder weitergehende Kürzung der Sozialleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz dürfte einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht Stand halten.

Sachleistungen sind inakzeptabel

An Bedürftige Sachleistungen auszugeben anstelle von Bargeld, ist in mehrfacher Hinsicht inakzeptabel: Zum einen entmündigt und diskriminiert es die Betroffenen und zum anderen stellt es de facto eine Leistungskürzung dar, weil Sachleistungen nie den individuellen Bedarf decken können, wie PRO ASYL und der Berliner Flüchtlingsrat 2022 umfassend analysiert haben.  Bereits jetzt erhalten Geflüchtete vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder neben einem Platz im Mehrbettzimmer, Essen in der Kantine, Hygienepakete und Kleidung aus der Kleiderkammer zumeist sehr wenig Bargeld. Sachleistungen sind überdies durch den Verwaltungsaufwand deutlich teurer als die Gewährung von Geldleistungen. (Siehe auch unsere News Warum Sachleistungen eine schlechte Idee sind).

Kürzungen führen nicht zu weniger Asylsuchenden

Vor diesem Hintergrund ist auch die von Söder, Dürr, Merz und Co. vorgebrachte Behauptung, die Zahl der Zufluchtsuchenden in Deutschland würden sich verringern, wenn man die Lebensbedingungen Geflüchteter hier nur noch miserabler gestaltet, falsch und als Begründung unzulässig:

Menschen fliehen vor Krisen, Krieg oder Verfolgung, allen voran aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Keiner dieser Menschen bliebe in seiner Not, weil er wüsste, dass die Sozialleistungen in Deutschland reduziert wären. Und auch mit Blick auf das Zielland hängt die Frage, wo die Menschen Schutz suchen, nicht primär von der Frage ab, ob es dort Gutscheine oder Bezahlkarten zum Überleben gibt. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen, wie z.B. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge »Warum Deutschland?« spielen dagegen vor allem der Aufenthaltsort von Freund*innen, Familie oder Community, die Sprache, aber auch die mutmaßlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine größere Rolle. Sozial- und asylpolitische Regelungen hingegen sind oft wenig bekannt und wirken sich nur bedingt auf solche Entscheidungen aus.

Im Übrigen setzt das Bundesverfassungsgericht auch mit Blick auf das vorgebliche »Ziel« eine klare Grenze: »Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren«, beschied das höchste deutsche Gericht 2012. Mit anderen Worten: Sozialleistungen dürfen gar nicht gekürzt werden, um Menschen von der Zuflucht nach Deutschland abzuhalten.

Menschenwürde statt Degradierung 

Richtig ist, dass die Sozialleistungssysteme in den EU-Staaten unterschiedlich ausgeprägt sind. Deshalb suchen auch solche Menschen in Deutschland Schutz, die etwa schon in Italien oder Griechenland Asyl gesucht haben, aber ohne Dach über dem Kopf und ohne Nahrungsversorgung auf der Straße leben mussten. Aus diesem Grund verhindern deutsche Gerichte zum Teil ihre Rückschiebung in andere Staaten Europas, besonders wenn es sich um kranke oder besonders verletzliche Menschen handelt.

Wir können stolz darauf sein, dass unsere Verfassung und unsere Gesetze es nicht zulassen, dass Geflüchtete hier einfach auf die Straße gesetzt und dem Hunger oder der Ausbeutung durch Kriminelle überlassen werden. Die einzige Lösung für die soziale Schieflage liegt in einem solidarischen und menschenwürdigen Europa – und nicht in einem Wettstreit der Staaten um die mieseste Behandlung von schutzsuchenden Menschen.

Das Argument, verhindern zu wollen, dass Menschen von ihrer Sozialhilfe Geld an ihre Familien oder Schlepper in der Heimat schicken, zeugt davon, dass diejenigen, die das behaupten, keine Vorstellung davon haben, wie weit man als erwachsener Mensch mit 182 Euro Bargeld im Monat kommt. Realistisch wird es, der in Not zurückgebliebenen Familie Geld zukommen zu lassen, wenn Menschen hier ausreichend Geld verdienen können – aber nicht vorher. Nach der jetzt bereits vorhandenen Sachleistungspraxis und den geltenden Regelsätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die Behauptung relevanter Geldtransfers schlicht realitätsfern.

Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Das Asylbewerberleistungsgesetz war von Anfang an als Instrument zur Abschreckung von Geflüchteten gedacht. Seit seinem Bestehen wenden sich sämtliche Fachverbände gegen die diskriminierende Ungleichbehandlung – bis heute. 2023, im 30. Jahr seines Bestehens, fordern über 200 Organisationen, darunter bundesweite Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände, gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft und die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.



Aufenthaltserlaubnis für Personen mit abgeschlossenen Helferausbildungen

Personen, die in Deutschland eine staatlich anerkannte Ausbildung in einer Pflegehilfstätigkeit oder eine im Ausland gleichwertige Ausbildung abgeschlossen haben, können ab dem 1.3.2024 eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. In Baden-Württemberg erhalten alle infrage kommenden geduldeten Personen bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Ermessensduldung, sodass keine Abschiebung mehr vollzogen werden kann.

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz erhalten Ausländer*innen erstmals die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen auch wenn sie „nur“ eine Helferausbildung abgeschlossen haben. Geduldete Personen sollen dann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG erhalten. In der Vergangenheit zwangen sich viele Geduldete, eine an die Helferausbildung anschließende qualifizierte Pflegeausbildung abzusolvieren. Denn nur dann konnten sie eine Ausbildungsduldung bekommen und waren vor Abschiebung geschützt. Konnten sie die qualifizierte Ausbildung nicht abschließen, waren sie akut von Abschiebung bedroht, obwohl sie als Pflegehilfskräfte arbeiteten. Dies ändert sich nun zum 1.3.2024. Auch Personen, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis haben (z.B. § 16a AufenthG: Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung) oder im Ausland eine gleichwertige Berufsausbildung abgeschlossen haben und über ein Visum einreisen möchten, können ab dem 1.3.2024 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 22a BeschV erhalten.

Da die entsprechenden Aufenthaltserlaubnisse erstmals am 1.3.2024 erteilt werden können und bis dahin theoretisch noch Abschiebungen stattfinden können, hat Baden-Württemberg einen Vorgriffserlass erlassen:

Geduldete, die in Deutschland eine anerkannte Helferausbildung oder eine im Ausland gleichwertige Ausbildung abgeschlossen haben und die als Pflegehilftskraft arbeiten, bekommen ab sofort eine Ermessensduldung vom Regierungspräsidium Karlsruhe.

Ausschlussgründe sind im Bundesgebiet begangene vorsätzliche Straftaten, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländer*innen begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.



Stuttgart: Kundgebung gegen rassistische Hetze

Das Aktionsbündnis Stuttgart gegen Rechts ruft auf:

„Menschen, die die Nacht mit Decken in der Innenstadt vor Ämtern verbringen, sind kein Intro für eine Elends-Doku, sondern Realität – in Stuttgart!

Vor der sogenannten „Ausländerbehörde“ in der Eberhardstraße sieht man dieses Bild seit Wochen beinahe täglich. Die Menschen warten hier auf einen Termin. Beispielsweise für die Verlängerung einer Arbeitserlaubnis, die Verlängerung von Duldungen oder andere wichtige Anliegen. Hier geht es nicht nur um bürokratische Akte, die keine Dringlichkeit haben, sondern darum, ob Menschen, die mittlerweile in Stuttgart ihren Lebensmittelpunkt haben, hier bleiben können oder nicht. Ob sie weiter arbeiten dürfen oder ob sie sogar ihr Recht in Deutschland zu bleiben, verlieren. Im schlimmsten Fall drohen Abschiebung in Leid und Verfolgung für ganze Familien.

Dieser Zustand ist unhaltbar für die verzweifelten, wartenden Menschen, aber auch für die völlig überlasteten Angestellten der Stadt Stuttgart. Deren schwere Arbeitsbedingungen könnten sich verbessern lassen: Durch beispielsweise die Aufstockung von Stellen oder noch besser durch Entbürokratisierung oder die Abschaffung rassistischer und unmenschlicher Asylgesetzgebungen. Stattdessen haben Vertreter*innen der kommunalen Politik und das CDU-geführte Justizministerium des Landes Baden-Württemberg nichts besseres im Sinn, als gegen Geflüchtete zu hetzen, sie gegeneinander oder gegen die Menschen, die in den Behörden arbeiten, auszuspielen.

Die Schuld an den langen Warteschlangen wird in bekannter, ekliger Art und Weise – das könnte auch von der AfD kommen – den Menschen gegeben, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, die den anderen „guten“ Migranten „den Platz wegnehmen“. Statt auf die veränderte Situation konstruktiv und sozial zu reagieren, werden unsinnige und unmenschliche Vorschläge gemacht: Die Abschottung an den EU-Außengrenzen verstärken und die Grenzen noch tödlicher machen.

Wir sagen: Schluss damit! In Stuttgart bleibt rassistische Hetze nicht unwidersprochen. Die Situation an den EU-Außengrenzen und der Umgang mit Schutz- und Unterstützungssuchenden brauchen unseren Widerspruch – auch hier in Stuttgart.

Als Aktionsbündnis Stuttgart gegen Rechts rufen wir euch auf: Kommt zur Kundgebung am Mittwoch, den 13. September 2023 um 16 Uhr am Bürgeramt Mitte. Lasst uns ein gemeinsames starkes Zeichen setzten. Gegen rechte Hetze und für Solidarität mit allen, die unsere Unterstützung brauchen. Refugees welcome!“