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Konstanz: Informationsveranstaltung für geflüchtete und internationale Schüler*innen oder Studierende

Sie oder eine Person die Sie unterstützen interessieren sich für ein Studium an der Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG)? Sie haben Fragen zum Thema Bewerbung oder Finanzierung?

Diese Fragen werden in dem Informationsworkshop der HTWG am 16. November beantwortet. In der Veranstaltung wird über den Bewerbungsprozess an der HTWG berichtet, über Möglichkeiten der Finanzierung des Studiums und Kontaktpersonenvermittlung an der Hochschule.

Der Workshop findet in Präsenz in der HTWG Gebäude C, Raum 205 und online statt.



Pro Asyl: Schlimmer geht immer? Ampel-Regierung legt Gesetz zum Asyl- und Asylprozessrecht vor

Am 10. November 2022 wurde im Bundestag ein neues und noch wenig beachtetes Gesetz diskutiert. Vordergründig soll es Asylverfahren und Klageverfahren beschleunigen – tatsächlich wird es dazu führen, dass es Geflüchtete noch schwerer haben, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen. PRO ASYL fordert, das benachteiligende Sonderasylprozessrecht abzuschaffen.

In dem Gesetz (am 10. November nach Mitternacht auf der Tagesordnung im Bundestag) geht es um die Ausgestaltung der Asylverfahren und um die Regeln, die beachtet werden müssen, um gegen eine Ablehnung im Asylverfahren klagen zu können. Das Gesetz und der Regelungsinhalt sind komplex und betreffen den Kern des Asylrechts: die Verfahrensrechte, die garantieren sollen, dass verfolgte und bedrohte Menschen den Schutz bekommen, der ihnen rechtlich zusteht.

Dass die Schutzanerkennung oft erst gerichtlich erstritten werden muss, zeigt sich an der weiterhin hohen Erfolgsquote vor Gericht: im ersten Halbjahr 2022 wurde in 40% der Asylklageverfahren den Geflüchteten vor Gericht Recht gegeben und die negative Entscheidung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgehoben. Für PRO ASYL ist damit der erste logische Ansatzpunkt für eine Entlastung der Gerichte die Qualität der Asylverfahren beim BAMF zu verbessern. Denn weniger falsche Ablehnungen bedeuten auch weniger Klagen und weniger Arbeit für die Verwaltungsgerichte – und vor allem schnellere Gewissheit für die Betroffenen. Doch diesen Weg nimmt die Ampel-Regierung nicht.

Gesetzgebungsverfahren ohne notwendige Sorgfalt

Da es bei den Regeln im Gesetzentwurf letztlich auch um die Frage des Zugangs zu Schutz in Deutschland geht, müssten solche Regeln mit entsprechender Sorgfalt erarbeitet werden. Tatsächlich gibt es aber mal wieder im Asylbereich ein gesetzgeberisches Hauruck-Verfahren. Denn in der Regierung wurde dieser Gesetzesentwurf an den schon viel weitergehend verhandelten Gesetzesentwurf über die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts gekoppelt. Einen sachlichen Zusammenhang gibt es dafür nicht, ganz offensichtlich dient dies nur der politischen Verhandlungsmasse.

Was an dem neuen Gesetzesvorschlag auch wieder deutlich wird: viele der restriktiven Vorschläge sind nicht neu (siehe hier den Referentenentwurf), sondern sie wurden vom Bundesinnenministerium auch schon unter Regie der Union gemacht. Das ist leicht zu erklären, werden die Gesetzesentwürfe doch weiterhin vom gleichen Personal geschrieben. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass im BMI nicht genug durchgegriffen wird, um ein »weiter so« im Stile Seehofers zu verhindern – oder, was noch fataler wäre, dass die Hausspitze genau dieses Vorgehen billigt und wünscht.

Bei diesem Gesetz handelt es sich um ein Paket mit über 30 Neuregelungen. Darunter sind mit der Einführung einer tatsächlich unabhängigen Asylverfahrensberatung und der Abschaffung der anlasslosen Widerrufsprüfung auch notwendige und von PRO ASYL schon lange geforderte Maßnahmen vorgesehen. Gerade letztere kann tatsächlich eine Beschleunigung bei den Asylverfahren bewirken, da bislang lahm gelegte Kapazitäten im BAMF wieder frei werden.

Folgend werden  die Reformen zusammengefasst, die aus Sicht von PRO ASYL die größten Einschränkungen der Rechte von  Geflüchtete mit sich bringen werden. PRO ASYL hat den zunächst vorliegenden Referentenentwurf des Bundesinnenministerium in einer Stellungnahme ausführlich kommentiert (zum aktuellen Gesetzesentwurf gibt es ein paar Änderungen).

Das Herzstück des Asylverfahrens: Die Anhörung

Im Asylverfahren wird vom BAMF geprüft, ob eine schutzsuchende Person in Deutschland Schutz bekommt. Um dies zu beurteilen, wird eine Anhörung durchgeführt, in der die geflüchtete Person von ihrer erlebten Verfolgung oder ihrer Situation im Herkunftsland erzählt. Die wenigsten Flüchtlinge haben Dokumente oder andere Beweise, die »ohne Wenn und Aber« ihre Verfolgung belegen. Stattdessen geht es meistens darum, ob ein Iraner glaubwürdig erklären kann, dass er zum Christentum konvertiert ist und damit im Iran nicht mehr sicher wäre oder ob einem türkischen Oppositionellen geglaubt wird, dass eine Verhaftung kurz bevorsteht.

Deswegen gilt die Anhörung auch als Herzstück des Asylverfahrens. In der Anhörung müssen die Betroffenen damit auch oft über belastende und schambehaftete Erlebnisse reden, zum Beispiel, wenn sie vergewaltigt wurden. Und das gegenüber Personen – dem/der Anhörer*in des BAMFs und einer Person, die übersetzt – die sie noch nie vorher gesehen haben. Alles was nicht direkt in der Anhörung erzählt wird, kann nur schwer später noch ins Asylverfahren eingebracht werden oder kann sogar dazu führen, dass die Person wegen »gesteigertem Vortrag« als unglaubwürdig gilt und der Asylantrag abgelehnt wird.

Entsprechend wichtig ist es, das während der Anhörung eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen allen an der Anhörung beteiligten Personen besteht. Mit dem neuen Gesetzesentwurf würde die Ampel-Regierung aber diese so wichtige Anhörung für die Betroffenen verschlechtern.

Vertrauensaufbau in einer Videokonferenz? Unwahrscheinlich!

So ist geplant, Anhörungen künftig mittels unpersönlicher Videokonferenzen durchzuführen. Entweder wird der/die Sprachmittler*in online zugeschaltet oder sogar die ganze Anhörung wird online abgehalten. Dabei würden viele Menschen aus eigener Erfahrung mit Zoom-Konferenzen bestätigen: wenig ist so ungeeignet dafür, eine vertrauensvolle und angenehme Atmosphäre zu schaffen, wie eine Videokonferenz. Direkter Augenkontakt ist unmöglich, wenn die Internetverbindung instabil ist, ebenso leidet die Gesprächsqualität, wenn das Mikrofon nicht einwandfrei funktioniert. Auch für die anhörende Person hat eine Videokonferenz Nachteile, denn nonverbale Ausdrucksformen wie etwa Mimik sowie Körperhaltung und ‑reaktionen wie etwa Schwitzen und Zittern können so kaum wahrgenommen werden – sie können aber wichtig sein, um die Glaubwürdigkeit des Vortrags zu beurteilen.

Zwar sieht der Gesetzestext vor, dass nur ausnahmsweise und nur für »geeignete Fälle« eine solche Videoanhörung möglich sein soll. Doch wer genau auf jeden Fall eine persönliche Anhörung kriegen muss, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige, Menschen, die geschlechtsspezifische Verfolgung oder Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung geltend machen, steht eben nicht im Gesetzestext, sondern wird nur in der Gesetzesbegründung genannt. Die Gefahr bleibt, dass Menschen bei zu großer Verunsicherung ihre Erlebnisse gar nicht mehr vortragen und sie so auch nicht als »besonders vulnerabel« erkannt werden.

PRO ASYL lehnt sowohl die Hinzuziehung von Dolmetscher*innen als auch vor allem die Durchführung der gesamten Anhörung mittels Videotechnik generell ab.

Die ökonomischen und administrativen Argumente, die im Gesetzesentwurf für die Einführung der Anhörung mittels Videotechnik genannt werden, sind zudem nicht überzeugend. Da es überall im Bundesgebiet bereits Außenstellen des Bundesamtes gibt, besteht für die Durchführung der Anhörung mittels Bild- und Tonübertragung kein echtes Bedürfnis. Bezüglich des Arguments der flexibleren Nutzung von Dolmetscher*innen-Kapazitäten ist zu befürchten, dass die Schaffung der Möglichkeit der Hinzuziehung von Sprachmittler*innen mittels Videotechnik lediglich der Einsparung von für unmittelbare Anhörungen erforderlichen Dolmetscher*innen führt.

Tatsächlich können solche Verschlechterungen der Qualität der Anhörungen letztlich zu einer Verzögerung der Asylverfahren führen – wenn nämlich die Betroffenen erst später im Verfahren mit dem tatsächlich Erlebten herausrücken und dies dann neu geprüft werden muss.

Ein Absehen von der Anhörung ist gefährlich!

Weiter ist vorgesehen, dass das Bundesamt künftig auf die Anhörung verzichten können soll, wenn es der Auffassung ist, dass Geflüchtete nicht zu einer Anhörung in der Lage sind. Hierbei soll das Bundesamt nicht etwa medizinisch oder psychiatrisch geschultes Personal zu Rate ziehen müssen. Die ungeschulten Mitarbeiter*innen sollen sich vielmehr in der Regel auf ihre eigene Einschätzung verlassen dürfen und sollen nur für nicht näher bestimmte Zweifelsfälle medizinisches Personal zu Rate ziehen.

Aufgrund der zentralen Bedeutung der Anhörung im Asylverfahren kann es für die betroffene Person aber erhebliche Nachteile haben, nicht angehört zu werden. Im schlimmsten Fall kriegt sie nicht den ihr zustehenden Schutzstatus und könnte zu einem späteren Zeitpunkt abgeschoben werden. Im Gesetzesentwurf selbst wird davon ausgegangen, dass nur 0,5% der Erstanhörungen betroffen wären. Da das BAMF aber auch schon so nach Aktenlage entscheiden kann, wenn es eine Verfolgungssituation als gegeben sieht, ist dies ausreichend, um mit entsprechenden Fällen umzugehen.

Asylsuchenden wird es besonders schwer gemacht, zu klagen

Immer wieder müssen Schutzbedürftige ihr Recht vor Gericht einklagen, weil das BAMF ihren Asylantrag fälschlicherweise im Asylverfahren abgelehnt hat. Im ersten Halbjahr 2022 haben 40% der Asylsuchenden, die gegen ihre Ablehnung geklagt haben, vor Gericht Recht bekommen. Erst das Gerichtsverfahren hat sie also vor einer Abschiebung in ihr Herkunftsland, in dem ihr Leben vielleicht bedroht ist oder sie verhaftet werden würden, gerettet. Bis zum positiven Urteil werden ihnen Rechte vorenthalten, die mit einem (höheren) Schutzstatus einhergehen, wie zum Beispiel das Recht auf Familiennachzug. Das Asylprozessrecht ist also elementar um sicherzustellen, dass Verfolgte Schutz erhalten. Doch schon jetzt sind Asylsuchende in Deutschland massiv benachteiligt wenn es darum geht, ihre Rechte einzuklagen.

Das Asylrecht ist eine Form des Verwaltungsrechts, das generell die Beziehung zwischen dem Staat und den in Deutschland lebenden Menschen regelt. Doch im Vergleich zum normalen Verwaltungsprozessrecht gibt es für Klagen im Asylrecht ein Sonderprozessrecht, mit dem die Verfahrensrechte von Kläger*innen eingeschränkt werden. Konkret heißt das, dass jemand, der gegen eine Halteverbotszone vor seinem Haus klagt, vor Gericht besser gestellt ist als jemand, der sich gegen seine Abschiebung nach Afghanistan wehren will.

Volle Verfahrensrechte statt eingeschränktes Sonderprozessrecht notwendig!

So gibt es beispielsweise nur im Bereich des Asylrechts für Verwaltungsgerichte keine Möglichkeit, eine Berufung zuzulassen. Mit der Berufung kann man sich gegen ein negatives Urteil der ersten Instanz, also dem Verwaltungsgericht, wehren. Nur die Oberverwaltungsgerichte sind hierzu befugt – und auch dies nur im Rahmen von ebenfalls nur für das Asylrecht eingeschränkten Berufungszulassungsgründen. Es ist also deutlich schwerer für Schutzsuchende, gegen ein erstes falsches Urteil vorzugehen.

Darüber hinaus beträgt die Klagefrist nach dem allgemeinen Verwaltungsprozessrecht einen Monat, in Asylsachen hingegen nur eine oder zwei Wochen. So müssen sich Menschen, die unter Umständen erst sehr kurz in Deutschland leben und über keine oder wenige Deutschkenntnisse verfügen, in sehr kurzer Zeit um einen Rechtsbeistand kümmern. Darüber hinaus fehlt gegebenenfalls auch das Wissen über die Möglichkeit eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt einschalten zu können. Manchmal ist die kurze Klagefrist dann bereits schon abgelaufen und die Beauftragung eines Anwalts/einer Anwältin zu spät. Zwar gibt es in den erstinstanzlichen Verfahren keine Anwält*innenpflicht und es können Klagen mit Unterstützung der Mitarbeitenden der Rechtsantragstellen der Verwaltungsgerichte eingereicht werden, dennoch wünschen sich viele geflüchtete Menschen unmittelbar einen Rechtsbeistand auf Grund der komplexen Gesetze und Sachverhalte. Auch müssen bei Dublin-Verfahren die Eilanträge und Klagen direkt begründet werden.

Diese strukturelle Benachteiligung von Asylsuchenden in Deutschland muss endlich ein Ende haben! PRO ASYL unterstützt durch den Rechtshilfefonds jedes Jahr Hunderte Schutzsuchende in ihren Gerichtsverfahren. PRO ASYL und die Anwaltschaft machen sich seit langem dafür stark, dieses Sonderprozessrecht aufzuheben und so auch im Bereich des Asylrechts dem allgemeinen Verwaltungsprozessrecht uneingeschränkt Geltung zu verschaffen Doch anstatt Sonderprozessrechte zu beseitigen, sieht der Gesetzesentwurf der Ampel-Regierung weitere Verschärfungen des Asylprozessrechts vor.

Problematisch: Schriftliches Gerichtsverfahren als Regelfall bei anwaltlicher Vertretung 

Bei Klagen gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz ist vorgesehen, dass die Gerichte in eigenem Ermessen entscheiden können, ob bei anwaltlich vertretenen Kläger*innen eine mündliche Verhandlung stattfindet. Auf Antrag einer beteiligten Partei muss mündlich verhandelt werden, worauf die Beteiligten vom Gericht hinzuweisen sind. Dies soll laut der Gesetzesbegründung der Verfahrenserleichterung und ‑beschleunigung dienen.

Erneut soll so ein vom allgemeinen Verwaltungsprozessrecht abweichendes Sonderprozessrecht geschaffen werden. Denn normalerweise gilt, dass regelmäßig auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist und das Gericht nur ausnahmsweise nach vorheriger Einholung des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Die Verwaltungsgerichtsordnung geht aus guten Gründen von dem Grundsatz der Mündlichkeit und dem damit verbundenen Grundsatz der Unmittelbarkeit aus. Die Mitglieder von Verwaltungsgerichten sollen im Klageverfahren im Regelfall auf der Grundlage ihres unmittelbaren und persönlichen Eindrucks entscheiden. Die mündliche Verhandlung ist das Kernstück des Gerichtsprozesses und wird von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts als  »Rechtswert in sich« bezeichnet. Sie ist deshalb von so zentraler Bedeutung, weil sie einen Diskurs zwischen den Beteiligten ermöglicht und so richtige gerichtliche Entscheidungen fördert. Sie dient dem Vertrauen in die Gerichte sowie in gerichtliche Entscheidungen und einem fairen Verfahren.

Wie schon beim Asylverfahren erklärt wurde: gerade bei der Frage der Glaubhaftigkeit einer vorgetragenen Verfolgungsgeschichte ist der persönliche Eindruck der schutzsuchenden Person zentral – das ist vor Gericht nicht anders als beim BAMF. Oft müssen Geflüchtete die Richter*innen überzeugen, dass der Vorwurf des BAMF falsch ist, ihre Geschichte sei »konstruiert« oder unglaubhaft, weil sie erst später im Verfahren bestimmte – vielleicht schambehaftete Details – preisgegeben haben. Das gilt im Übrigen auch für Fälle, wo es um Abschiebungen in andere EU-Länder geht. Hier müssen die Betroffenen darlegen, warum sie zum Beispiel nicht nach Griechenland oder Italien zurück können und wie ihre Lebenssituation vor Ort konkret war. Diese Schilderungen waren immer wieder entscheidend dafür, dass Richter*innen angeordnet haben, dass eine Person in Deutschland bleiben und hier ihr Asylverfahren durchlaufen darf.

Bundesverwaltungsgericht als Tatsacheninstanz ist eine schlechte Idee

Der Gesetzesentwurf sieht zudem vor, dem Bundesverwaltungsgericht in Asylverfahren eine neue Rolle zuzuweisen: die einer Tatsacheninstanz. Das Bundesverwaltungsgericht sitzt in Leipzig und ist einer der fünf obersten Gerichtshöfe in Deutschland. Wie der Name schon verrät, ist es das höchste Gericht für verwaltungsrechtliche Fragen. Nach einer Berufung beim Oberverwaltungsgericht kann man noch versuchen, mit einer Revision die rechtliche Bewertung des Falls beim Bundesverwaltungsgericht zu klären. Kürzlich hat das Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel entschieden, dass es Eritreer*innen nicht zumutbar ist, eine Reueerklärung zu unterschreiben, um einen Pass zu beschaffen. Es ging hier nicht mehr um die Tatsachen des Falls, die wurden vorher ermittelt, sondern nur um die rechtliche Würdigung. Das Besondere an einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem, dass alle Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in Deutschland sich an diese rechtliche Auslegung halten müssen.

Die Überlegung die dahinter steht, das Bundesverwaltungsgericht zu einer Tatsacheninstanz zu machen, die also Entscheidungen nicht nur über eine rechtliche Frage, sondern auch über die Lage in einem Herkunftsland vornimmt, hat mit der zum Teil sehr unterschiedlichen Rechtsprechung von Gerichten zu tun. Das ist natürlich oft eine frustrierende Situation, denn die Erfolgschancen im Gerichtsverfahren sollten nichts mit dem zuständigen Gericht zu tun haben sondern einzig und allein mit den tatsächlichen Umständen des Falls. Dennoch ist für eine solche Vereinheitlichung der Rechtsprechung das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als Tatsacheninstanz keine gute Idee und würde die Rechtsschutzmöglichkeiten für Asylsuchende weiter verkürzen. Der Vorschlag wird auch von Wissenschaftlern und juristischen Verbänden wie dem RAV kritisiert.

Pauschale und veraltete Einschätzungen zu Herkunftsländern nützen nichts

Zum einen verkennt dieser Vorschlag, dass bei der Prüfung asylrechtlicher Schutzgewährung der Blick auf die besondere Situation jedes individuellen Einzelfalles unerlässlich ist. Entweder wäre die Entscheidung des BVerwG so einzelfallbezogen, dass sich nur wenig Erkenntnisse für etwas anders gelagerte Fälle daraus ziehen lassen würden oder so pauschal, dass auch wiederrum nur wenig Erkenntnisgewinn für die Beurteilung eines anderen Falls besteht.

Zum anderen wird mit der Vorstellung derartiger Leitentscheidungen die von Seiten des Bundesverfassungsgerichts betonte Pflicht zur Beachtung der tagesaktuellen Tatsachenlage in den Herkunftsländern missachtet. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte könnten sich an Entscheidungen des BVerwGs ohne weitere eigene Sachaufklärung gebunden sehen, obwohl sich die Lage zwischenzeitlich längst wieder maßgeblich verändert hat.

Es ist vorprogrammiert, dass es – auch unter den Verwaltungsgerichten – fortwährend zu Streit über die Bindungswirkung jeder einzelnen Entscheidung des BVerwGs über Tatsachenfragen kommen wird und so das BVerwG immer wieder aufs Neue zur Klärung angerufen werden muss. Der Vorschlag wird also nicht zu einer Entlastung, sondern im Gegenteil zu einer weiteren Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und gerade auch des BVerwGs führen. Auch ist in jenen Phasen, in denen Leitentscheidungen des BVerwGs erwartet werden, mit »Entscheidungsstaus« bei den unteren Instanzen und beim BAMF zu rechnen. Denn schon jetzt dauert es durchschnittlich fast ein Jahr, bis das BVerwG in Revisionsverfahren entscheidet. Damit dürften sich dann generell die Gerichtsverfahren eher verlängern als, wie vom Gesetzesentwurf generell angestrebt, verkürzen.

Absurd mutet an dem Vorschlag außerdem an, dass das BVerwG zwar zur höchsten Tatsacheninstanz gemacht werden soll, ihm aber zugleich die Möglichkeit weiterer Tatsachenermittlung oder Sachaufklärung abweichend vom normalerweise geltenden Untersuchungsgrundsatz verwehrt werden soll. Damit wären die Richter*innen des BVerwG daran gebunden, welche – möglicherweise schon veralteten Erkenntnisse – zuvor von den Richter*innen am Verwaltungs- oder Oberverwaltungsgericht zusammengestellt wurden. Dabei sind die Entwicklungen in Herkunftsländern oft schnelllebig, man denke nur an die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Sommer 2021 oder an die jüngsten Entwicklungen durch die Proteste und der gewaltsamen Unterdrückung im Iran. Entsprechend gibt es eigentlich eine Pflicht der Gerichte zur tagesaktuellen Beachtung der Lage in den Herkunftsländern – wenn ausgerechnet das BVerwG daran nicht gebunden ist, wäre das absurd. Eine solche Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes ist auch als verfassungswidrig zu werten, denn der Untersuchungsgrundsatz folgt aus dem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.

Grundsätzliches Misstrauen gegen Asylrechtsanwält*innen im Gesetzesentwurf sichtbar

Dem Gesetzentwurf scheint ein generelles Misstrauen gegen Asylrechtsanwält*innen zugrunde zu liegen. Dies wird besonders an einer vorgeschlagenen Sonderregelung für Befangenheitsanträge deutlich. Durch einen Befangenheitsantrag soll meist verhindert werden, dass ein*e Richter*in über ein Verfahren entscheidet, dem er*sie gegenüber nicht neutral – sondern negativ – gegenüber steht. Bekannt sind solche Anträge besonders aus dem Strafrecht, wenn zum Beispiel ein*e Richter*in vor Urteilsspruch Vermutungen über die Schuld eines Angeklagten geäußert hat. Tatsächlich sind solche Befangenheitsanträge im Asylrecht der Erfahrung von PRO ASYL nach äußerst selten. Umso überraschender ist es, dass von der Ampel-Regierung eine Sonderregelung für notwendig erachtet wird.

Im Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums stand zur Begründung ursprünglich, dass so »der Verzögerungseffekt rechtsmissbräuchlich gestellter Befangenheitsanträge beseitigt« werden würde. Derartige Anträge würden angeblich »lediglich mit dem Ziel gestellt werden, Zeit zu gewinnen und eine Aufenthaltsverfestigung zu erreichen«. Das erinnert an Aussagen von CSU-Politikern, die Asylrechtsanwält*innen als »Anti-Abschiebungsindustrie« verunglimpfen wollten. Auch wenn die Gesetzesbegründung leicht geändert wurde, so schwingt doch das gleiche Misstrauen mit.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei Befangenheitsanträgen als befangen abgelehnte  Richter*innen an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können sollen, wenn der Antrag innerhalb von drei Werktagen vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wurde und die Entscheidung über die Ablehnung eine Verlegung des Termins oder Vertagung der Verhandlung erfordern würde. Wird dem Befangenheitsantrag stattgegeben, muss der zeitlich nach Anbringung des Antrags liegende Teil der Verhandlung wiederholt werden.

Tatsächlich sind es im Gegenteil oft die Anwält*innen, die auf eine schnellere Bearbeitung der Asylverfahren und der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen drängen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Befangenheitsanträge in aller Regel dann auch aus guten Gründen gestellt werden. In Erinnerung bleibt beispielsweise der Fall eines Verwaltungsrichters aus Gießen, der in einem Verfahren zu einem NPD-Plakat die Aussage »Migration tötet« als Tatsache bewertet hatte. Um die Entscheidung dieses Richters in einem Asylverfahren zu verhindern, musste der Anwalt bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen – wo er Recht bekam. In Bezug auf die Kurzfristigkeit von Befangenheitsanträgen ist auch zu bedenken, dass den Prozessbeteiligten häufig bis kurz vor der mündlichen Verhandlung nicht bekannt ist, welche*r Richter*in die Verhandlung leiten wird.

Den Menschen darf kein ungewünschtes Klageverfahren aufgedrückt werden!

Im Asylverfahren gibt es drei unterschiedliche Gründe, warum ein Asylantrag abgelehnt werden kann. Die Ablehnung als »unzulässig«,  die Ablehnung als »unbegründet« oder die Ablehnung als »offensichtlich unbegründet«. Ein Asylantrag ist zum Beispiel unzulässig, wenn nicht Deutschland sondern ein anderer EU-Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Es geht dann also nicht um die Fluchtgründe, sondern einzig um eine formelle Frage der Zuständigkeit. Auch gegen Unzulässigkeitsentscheidungen wird häufig geklagt, denn in Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Griechenland oder Italien sind die Zustände für Asylsuchende so miserabel, dass die meisten dorthin nicht zurückwollen und ‑sollten. Es kann vorkommen, dass während des Klageverfahrens das BAMF ein Einsehen hat und die Unzulässigkeitsentscheidung aufhebt und eine inhaltliche Entscheidung über das Asylverfahren trifft.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass, wenn dies der Fall ist, eine etwaige Ablehnung als »unbegründet« automatisch Gegenstand des schon laufenden Gerichtsverfahrens wird. Doch das macht nicht in allen Fällen Sinn, wenn zum Beispiel eine Klage gegen die inhaltliche Ablehnung nicht vielversprechend ist. Mit der geplanten Gesetzesänderung wird den Kläger*innen unter Umständen ein gar nicht gewünschtes Klageverfahren über die Begründetheit ihres Asylantrags aufgedrängt.

Dabei gibt es schon jetzt die Möglichkeit, mit dem Einverständnis der Beteiligten oder wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich erklärt, den Klagegegenstand des Verfahrens zu ändern. Eine Sonderreglung ist also nicht notwendig und wird auch nicht durch die Möglichkeit ausgeglichen, zumindest die Kosten des Verfahrens durch »unverzügliche Rücknahme« nicht den Kläger*innen anzulasten. Stattdessen ist zu befürchten, dass es zu übereilten und unüberlegten Klagerücknahmen kommt, weil verständlicherweise die Kosten gescheut werden. In der bisherigen Situation besteht demgegenüber regelmäßig eine Klage- und damit Bedenkfrist von zwei Wochen.



Steigende Energiekosten – was tun?

Die Kosten für Energie und andere Dinge des täglichen Bedarfs steigen enorm. Das bringt vor allem Personen mit geringem Einkommen und/oder in Sozialleistungsbezug in äußerst schwierige Lagen. Schulden und Mahnungen bis hin zu drohender Sperrung von Strom oder Gas können die Folge sein. Besonders Geflüchtete leben oft mit sehr geringem Einkommen/Sozialleistungen und brauchen nun Unterstützung.

Die Internetseite www.energie-hilfe.org informiert über Möglichkeiten, sich die Heiz- und Betriebskosten vom Jobcenter/Sozialamt erstatten zu lassen. Sie stellt Musteranträge und jede Menge Informationen zur Verfügung. Besonders für Personen, die Grundsicherung beziehen, angestellt arbeiten oder selbstständig sind, Auszubildende und Schüler*innen oder die Rente, ALG I oder Krankengeld bekommen.

Fallen Geflüchtete unter § 2 Asylbewerberleistungsgesetz, sind die Informationen zu SGB II/SGB XII-Leistungsbezieher*innen und Arbeitnehmer*innen analog anwendbar. Personen, die unter §§ 3, 3a AsylbLG fallen, wenden sich bitte an eine Beratungsstelle oder den Flüchtlingsrat.


Fällt aus: Bad Herrenalb: Tagung „Fluchtursache Klimawandel – nicht unser Problem?“

Die Tagung „Fluchtursache Klimawandel – nicht unser Problem?“ vom 25. – 26. November 2022 in Bad Herrenalb entfällt leider auf Grund der ungünstigen Terminwahl.

Über einen Nachholtermin informieren wir Sie rechtzeitig auf unserer Homepage.

Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.


Stuttgart: Kundgebung „Protest gegen Rechts“

Die AfD Baden-Württemberg stellt sich als Retterin in Krisen- und Notzeiten dar und hat am 12.11. Proteste in Stuttgart angekündigt. Das Aktionsbündnis „Stuttgart gegen Rechts“ ruft zu Gegenprotesten auf. „Wir sind der Überzeugung, dass ein solidarisches Zusammenspiel verschiedener, antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Akteur*innen braucht, um die AfD an diesem Tag zu stoppen.“

Gestartet wird mit einer gemeinsamen Kundgebung am Mahnmal/altes Schloss.


Closing gaps between parents and children / youth welfare services

*German version below*

On 21 of November at 2 pm an online exchange meeting with parents affected by negative experiences with children and youth welfare services is taking place. Anyone interested is welcome to join.

Background:

Many migrant families in Germany have experienced trauma by losing legal custody of their children. The resulting widespread fear has continued to hinder communication between parents and institutions responsible for the proper development of a child i.e. nursery schools, Jungendamt and its affiliated agencies.

Exchange meeting:

Therefore, we are challenged with a necessity to develop a platform for affected families to express themselves and share their experiences as part of efforts to empower one another with a better understanding of the responsibility and obligation of the Jugendamt in relation to KITA and other agencies.

This meeting is also expected to identify the lapses in relation to the massive discrimination and repression of migrants parents through administrative arbitrariness of the institutions involved.

Future objective:

The outcome of the meeting is intended to project a next meeting that involves representatives of the Jugendamt, KITA, the childcare department, family lawyers, anti-discrimination experts and other stakeholders involved as guests on the topic.

Please spread the information and invite as many parents as possible to our first meeting – especially asylum seekers and migrants around you.

Login details:

https://us06web.zoom.us/j/82295350169?pwd=WFZSeEpibG9tb2ZNZHdCbWRSSUJjQT09

Meeting-ID: 822 9535 0169

Kenncode: 310557

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Am 21. November um 14 Uhr findet ein Online-Austauschtreffen mit Fokus auf die negativen Erfahrungen von Eltern mit der Kinder- und Jugendhilfe statt. Teilnehmen können sowohl Betroffene als auch Ehren- und Hauptamtliche, die sich zu dem Thema austauschen  möchten.

Hintergrund:

Für viele Migrantenfamilien in Deutschland geht der Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder mit einer traumatischen Lebenserfahrung einher. Die daraus resultierende weit verbreitete Angst behindert die konstruktive Kommunikation zwischen Eltern und Institutionen, die im Rahmen der Entwicklung eines Kindes eine Rolle spielen, z. B. Kindergärten, Jungendamt und andere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.

Austauschtreffen:

Daher halten wir es für notwendig, eine Plattform für betroffene Familien zu bieten, auf der sie sich äußern und ihre Erfahrungen austauschen können. Ziel ist es, gemeinsam ein besseres Verständnis der Verantwortung und der Verpflichtungen der Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe zu entwickeln.

Bei diesem Treffen soll auch die massive Diskriminierung und Unterdrückung von Migranteneltern durch Verwaltungswillkür der beteiligten Institutionen diskutiert werden.

Zukünftiges Ziel:

Als Ergebnis des Treffens soll ein nächstes Treffen mit Vertretern des Jugendamtes, der KITA, der Kindertagespflege, Familienanwälten, Antidiskriminierungsexperten und weiteren Beteiligten als geplant werden.

Bitte verbreitet die Informationen und ladet so viele Eltern und Interessierte wie möglich zu unserem ersten Treffen ein, insbesondere Asylbewerber*innen und Migrant*innen in eurem Umfeld.

Login-Daten:

https://us06web.zoom.us/j/82295350169?pwd=WFZSeEpibG9tb2ZNZHdCbWRSSUJjQT09

Meeting-ID: 822 9535 0169

Kenncode: 310557


Ratgeber Ehrenamt mit traumatisierten Geflüchteten

Ehrenamtliche leisten Geflüchteten große Unterstützung, sich in Deutschland zurecht zu finden und anzukommen. Dies erfordert viel Hingabe, Zeit und Kraft. Denn es gibt viele Herausforderungen, die Geflüchtete in Deutschland zu meistern haben.

Der fachliche Ratgeber des Caritas Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht in Köln möchte Unterstützer*innen in ihrem Ehrenamt im Kontext Flucht und Trauma stärken. Er klärt über seelische Verletzung durch Krieg, Verfolgung und Flucht sowie Besonderheiten im Ehrenamt mit traumatisierten Geflüchteten auf. Auch geht es um Strategien der Selbstfürsorge und Unterstützungsangebote.



Pro Asyl: Was Deutschland zum Schutz geflüchteter Frauen und Mädchen tun muss

Anfang Oktober 2022 hat der Kontrollausschuss des Europarats GREVIO seinen ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul Konvention in Deutschland veröffentlicht. Darin bemängelt GREVIO etliche Umsetzungslücken, besonders im Hinblick auf Geflüchtete. Die Bundesregierung muss nun reagieren.

Als Vertragsstaat der Istanbul Konvention hat Deutschland sich verpflichtet, Frauen umfassend vor häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Das ist verbindlich und gilt ausnahmslos – auch für geflüchtete Frauen, auch für Frauen ohne Aufenthaltsrecht. Nun weist der Kontrollausschuss GREVIO an vielen Stellen auf die Situation asylsuchender Frauen und anderer marginalisierter Gruppen hin, die nicht im gleichen Maße von Gewaltschutzmaßnahmen profitieren können. Darüber hinaus fordert GREVIO im Bericht »Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Erster Bericht des Expertenausschusses (GREVIO) zur Umsetzung der Übereinkommens des Europarats vom 11. Mai 2011 (Istanbul-Konvention)« in Deutschland auch spezifische Maßnahmen im Asylbereich. Die Kritik des Kontrollausschusses des Europarats deckt sich in vielen Punkten mit dem, was zivilgesellschaftliche Organisationen seit langem bemängeln.

Damit hat die Bundesregierung vom Europarat mit Blick auf Geflüchtete einige Hausaufgaben erhalten:

  • Sichere Unterbringung: Die Unterbringung vieler asylsuchender Frauen ist laut GREVIO »nicht dazu geeignet, ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln«. (358)* Die Unterkünfte böten auch nicht die Bedingungen, unter denen Frauen und Mädchen, die vor geschlechtsspezifischer Verfolgung geflohen sind, ihre Erlebnisse verarbeiten könnten, um sie im Rahmen einer Asylanhörung vorzubringen. GREVIO fordert die deutschen Behörden dazu auf, sicherzustellen, dass alle asylsuchenden Frauen und Mädchen eine angemessene und sichere Unterbringung erhalten, unter anderem durch Umsetzung standardisierter Gewaltschutzkonzepte (»Protokolle«).
    Die Forderung nach flächendeckenden, verbindlichen Gewaltschutzstandards in den Unterkünften für Geflüchtete teilen viele zivilgesellschaftliche Organisationen. PRO ASYL hat gemeinsam mit einigen Flüchtlingsräten im Schattenbericht von Juli 2021 darüber hinaus analysiert, dass die Unterbringung in so genannten Gemeinschaftsunterkünften dem Gewaltschutz von Frauen generell zuwider läuft und die Unterbringung in normalen Wohnungen das Ziel sein muss.
  • Zugang zu Hilfe und Fachdiensten: Das Hilfesystem – von der Fachberatung bis zur Traumatherapie – ist allgemein durch den Mangel an Plätzen und Finanzierung gekennzeichnet. GREVIO fordert einen Ausbau des Hilfesystems. Der Ausschuss weist auf die Belastungen gerade asylsuchender Frauen hin, die im Herkunftsland und auf der Flucht häufig dramatische Gewalterfahrungen gemacht haben, und thematisiert ihren eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdiensten: »GREVIO ist der Ansicht, dass mehr getan werden muss, um die Barrieren beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen für Frauen mit Behinderungen und Asylbewerberinnen zu beseitigen.« (150) Es gebe »zahlreiche Beispiele, in denen Frauen und Mädchen keinen oder nur schwer Zugang zu spezialisierten Unterstützungsdiensten für Erfahrungen mit sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt haben. (…) Es ist dringend erforderlich, dass ihr Zugang zu Dienstleistungen landesweit und in jedem Asylbewerberheim und jeder Unterkunft sichergestellt wird.« (161)
  • Identifizierung und Versorgung von Frauen mit Gewalterfahrung: Die Praxis in Deutschland gleicht einem Flickenteppich – landesweit standardisierte Leitlinien für die Identifizierung vulnerabler Geflüchteter gibt es nicht. Sie werden bei ihrer Ankunft auch nicht routinemäßig auf Traumata oder Langzeitfolgen von Erfahrungen mit geschlechtsspezifischer Gewalt untersucht. GREVIO »appelliert nachdrücklich« an die deutschen Behörden, »standardisierte Versorgungswege zu implementieren, die die Identifizierung (…), das Screening, die Diagnose, die Behandlung, die Dokumentation von Verletzungen und die Überweisung an die entsprechenden spezialisierten Unterstützungsdienste umfassen.« (150)
    Aus dieser Aufforderung folgt: Sämtliche beteiligten Behörden sind hier gemeinsam in der Pflicht, geflüchtete Frauen mit ihren Gewalterfahrungen nicht nur zu identifizieren, sondern auch alle notwendigen Unterstützungsleistungen (wie etwa Psychotherapie, medizinische Behandlung, Fachberatung) sicherzustellen. Eine alleinige Verlagerung der Identifizierungsprozesse in die Hände von Nichtregierungsorganisationen, etwa im Rahmen der von der Bundesregierung geplanten unabhängigen Asylverfahrensberatung, ist nicht ausreichend.
  • Behördenübergreifende Unterstützungsstrukturen: Gute Projekte der behördlichen Zusammenarbeit gibt es. Sie beziehen sich laut GREVIO aber fast ausschließlich auf häusliche Gewalt, weniger auf sexuelle Gewalt, Zwangsheirat, Femizide und andere von der Istanbul Konvention erfasste Gewaltformen. GREVIO kritisiert insbesondere das Fehlen geeigneter Unterstützungsstrukturen für geflüchtete Frauen in den Erstaufnahmeeinrichtungen: »Und schließlich gibt es überhaupt keine behördenübergreifende Zusammenarbeit, wenn es um asylsuchende Frauen in Aufnahmezentren geht.« (131) Manchen Gruppen bräuchten zudem einen »proaktivere(n) Ansatz, um sie über ihre Rechte und darüber zu informieren, wo sie Hilfe finden können (…) beispielsweise durch Informationspakete für neu angekommene asylsuchende Frauen und Migrantinnen.« (140)
  • Kritik an Wohnsitzauflagen und mangelndem Zugang zu Schutzräumen: Viele asylsuchende Frauen dürfen ihren Wohnort nicht ohne Weiteres verlassen. »Ernsthaft besorgt« zeigt sich GREVIO deshalb beim Thema Frauenhäuser und moniert »strukturelle Hindernisse« aufgrund komplexer Finanzierungsanforderungen verbunden mit strengen Wohnsitzauflagen.« (172) Nur in wenigen Bundesländern funktioniert die Aufnahme. (173) GREVIO fordert die deutschen Behörden auf, Zahl und Verteilung der Schutzräume für Opfer häuslicher Gewalt zu erhöhen, so dass auch »asylsuchende Frauen und solche mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus – kostenlosen Zugang zu speziellen Schutzräumen für häusliche Gewalt haben«. (177) GREVIO appelliert außerdem nachdrücklich, in den Unterkünften die Anwendung des Gewaltschutzgesetzes sicherzustellen. (326) Nach diesem Gesetz können zum Beispiel gerichtliche Schutzanordnungen Frauen helfen, Gewalttäter aus dem sozialen Umfeld fernzuhalten.
  • Bessere Ausbildung von BAMF-Sachbearbeiterinnen und Dolmetscherinnen: Die Istanbul Konvention sichert Frauen »geschlechtersensible Asylverfahren« GREVIO moniert, dass die Sachbearbeiter*innen des BAMF nicht ausreichend ausgebildet seien, »um Verdachtsfälle von geschlechtsspezifischer Gewalt und Verfolgung zu erkennen und darauf zu reagieren«. Zwar habe das BAMF Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung. GREVIO kritisiert aber, »dass das Ausbildungsniveau der Sonderbeauftragten nicht für alle Beamten verpflichtend ist«. (101, 102) Überdies gebe es immer wieder Berichte über ungeschulte Dolmetscher*innen oder solche, die ihre eigene kulturelle Interpretation der vom Antragsteller vorgetragenen Fakten übernehmen. Daher sieht GREVIO »die Verpflichtung, bereits bei der Erstbefragung eine angemessene Verdolmetschung durch zugelassene Dolmetscher desselben Geschlechts sicherzustellen, die über fundierte Kenntnisse der Besonderheiten und Sensibilitäten im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Verfolgung verfügen«. (358) Deutschland solle sicherstellen, »dass alle an den Asylverfahren beteiligten Personen (Befrager, Dolmetscher, Rechtsanwälte) eine angemessene Schulung über geschlechtsspezifische Verfolgung und geschlechtsspezifische Gewalt erhalten«. Außerdem fordert GREVIO die systematische und umfassende Information von asylsuchenden Frauen über ihre Rechte und mögliche Asylgründe. (362)
  • Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung: GREVIO weist auf die Kritik an der Anerkennungspraxis des Bundesamtes zur geschlechtsspezifischen Verfolgung hin. Zwar kann eine Verfolgungshandlung, die allein an das Geschlecht anknüpft, laut Asylgesetz zu einer Anerkennung führen, in der Praxis des BAMF reicht dieser Umstand jedoch regelmäßig nicht aus. Zudem wird geschlechtsspezifische Verfolgung im familiären Umfeld oft als unpolitisch und damit als nicht asylrelevant eingestuft. GREVIO nimmt Bezug auf das so genannte Non Refoulement- Gebot, das – neben der GFK – auch in der Istanbul-Konvention enthalten ist: Verfolgte Menschen dürfen nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihr Schutz nicht gewährleistet ist. Das Versagen bei der Durchführung systematischer Gefährdungsbeurteilungen könne, so GREVIO, »zu Abschiebungen führen (…) und somit einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Nichtzurückweisung darstell(en)«. (372)
  • Unabhängiges Aufenthaltsrecht: Mit Blick auf etwaige Partnerschaftsgewalt appelliert GREVIO »nachdrücklich« an die deutschen Behörden, »allen Frauen in Deutschland (…) die Möglichkeit zu geben, eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis zu beantragen«. Deutlicher wird GREVIO an dieser Stelle nicht – möglicherweise deshalb, weil die alte Bundesregierung bei der Ratifizierung der Konvention Vorbehalte gegen Art. 59 Abs. 2 und 3 IK eingelegt hat, die mit diesem Thema in Zusammenhang gebracht werden können. Tatsächlich sind etliche geflüchtete Frauen von der Aufenthaltserlaubnis ihres Mannes abhängig – bei einer Trennung droht der Absturz der Frauen in die rechtliche und soziale Bodenlosigkeit. Die im Aufenthaltsgesetz verankerte Härtefallregelung funktioniert in der Praxis nicht gut. Eine Regelung, die allen Frauen nach einer gewissen Zeit ein vom Mann unabhängiges Aufenthaltsrecht einräumt, wäre ein großer Fortschritt. Außerdem hinaus sollte die Bundesregierung endlich auch ihre Vorbehalte gegen Istanbul Konvention fallenlassen.
  • Ausbau der Datenerfassung zur Gewalt gegen Frauen. Mit der von der Bundesregierung geplanten Einrichtung einer Monitoringstelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte ist künftig hoffentlich ein deutlich besserer Einblick in die Datenlage zur Gewalt gegen Frauen zu erwarten – wenn denn die Daten von den jeweiligen Behörden zur Verfügung gestellt werden: Im Asylverfahren beispielsweise wird vom BAMF bislang nur eine einzige Zahl veröffentlicht: die der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung. Unbekannt ist etwa, wie viele Frauen und Mädchen subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbote aufgrund von geschlechtsspezifischer Gewalt erhalten, und wie viele trotz solcher Erfahrungen abgelehnt werden. Für das BAMF ergibt sich aus dem Bericht von GREVIO künftig die Aufgabe, »ein Datenerfassungssystem einzuführen, das die Registrierung und den Ausgang von Asylanträgen ermöglicht, die aufgrund von geschlechtsspezifischer Verfolgung gestellt werden« (12).

Das Vertragsstaatenkomitee der Istanbul Konvention wird voraussichtlich im Dezember 2022 auf der Grundlage des GREVIO-Berichts Empfehlungen an Deutschland verabschieden. Dann erhält die deutsche Regierung eine Frist von drei Jahren zur Umsetzung.

Die Bundesregierung selbst hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Istanbul Konvention »vorbehaltlos und wirksam« umsetzen zu wollen. Die von GREVIO geforderte und von der Bundesregierung versprochene Koordinierungsstelle wie auch eine Monitoringstelle sind erfreulicherweise inzwischen auf dem Weg. Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit dem Gewaltschutz von Frauen, hat sie allerdings noch eine Menge mehr zu tun.

*Die Zitate stammen aus der deutschen Übersetzung des BMFSFJ, in Klammern jeweils die laufende Ziffer im Text, hier 358.



Kampagne: #GeschwisterGehörenZusammen

„Stellt euch vor, ihr lebt von euren Geschwistern getrennt – über Jahre. Und wisst nicht, wann und ob ihr sie jemals wiedersehen werdet.“

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihre Eltern nach Deutschland nachziehen, sobald sie die Flüchtlingseigenschaft erhalten haben. In den meisten Fällen dürfen ihre Geschwister allerdings nicht mitkommen. Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag von Oktober 2021 an, dass minderjährige Geschwister in Zukunft gemeinsam mit den Eltern nachziehen dürfen.

Terre des hommes Deutschland e.V. möchte mit der Kampagne #GeschwisterGehörenZusammen Druck auf die Bundesregierung ausüben, sodass die Ankündigungen durch das nächste Migrationspaket gesetzlich verankert werden. Gefordert wird:

  1. einen konkreten Anspruch auf Geschwisternachzug in § 36 Abs. 1 AufenthG zu formulieren 
  2. § 36a AufenthG ersatzlos zu streichen, damit der Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder dem zu Flüchtlingen gleichgestellt wird 
  3. Übergangsregelung für wartende Familien zu schaffen 
  4. Die EuGH-Urteile zum Nachzug bei Volljährigkeit umzusetzen – auch bei subsidiär Schutzberechtigten und Geschwistern

Die Kampagne startete am 01.11. Aktiv werden können alle ab sofort über diverse Social Media Aktionen und Kontaktaufnahme (z.B. per E-Mail) an Abgeordnete. Das Gesetzgebungsverfahren zum nächsten Migrationspaket soll im Dezember starten, bis dahin und währenddessen kann gemeinsam Druck gemacht werden!


Digitale Herbsttagung 2022

Verleitet Seenotrettung zur Flucht übers Mittelmeer? Wer profitiert langfristig vom Chancenaufenthaltsrecht? Welche Aufenthaltsperspektiven haben Afghan*innen? Warum werden nicht alle Geflüchteten gleich empfangen? Wie kann ich mich bei Racial Profiling verhalten? Mit welchen Themen beschäftigt sich der Flüchtlingsrat und wie kann ich mich engagieren? All diesen Fragen geht die diesjährige Herbsttagung des Flüchtlingsrats BW nach.

Herzliche Einladung zur Herbsttagung, die vom Samstag, den 19. November 2022 bis zum Donnerstag, den 24. November 2022 als digitale Veranstaltungsreihe angeboten wird.

Alle Veranstaltungen werden mit Zoom durchgeführt und sind kostenlos. Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier. Die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor der jeweiligen Veranstaltung.

Die digitale Herbsttagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.

PROGRAMM

Samstag, 19. November 2022

Die Anmeldung für Samstag ist geschlossen.

10:00 – 12:00 Uhr Hauptvortrag: Der Mythos der Pull-Faktoren und die Abschottung Europas

Immer wieder wird zivilen Seenotrettungsorganisationen vorgeworfen, sie bringen mehr Menschen dazu, den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu wagen und ihr Einsatz führe damit letztendlich zu mehr Todesopfern. Aktuelle wissenschaftliche Studien können diesen Vorwurf jedoch widerlegen. Dabei hilft auch ein genauer Blick auf die Push-Pull-Theorie, die hinter dem Argument steckt. Der Vortrag zeigt, wie das Pull-Faktoren-Argument trotz seiner Mängel für die Kriminalisierung von Seenotrettung und die Abschottung Europas genutzt wird und was das mit der Unterstützung geflüchteter Menschen vor Ort zu tun hat.

Referentin: Sarah Spasiano (Doktorandin am Forum Internationale Wissenschaft, Universität Bonn)

12.00 – 13.00 Uhr Politische Arbeit und Engagement beim Flüchtlingsrat

Welche Themen drängen gerade beim Flüchtlingsrat auf landespolitischer Ebene? Wie arbeitet die Geschäftsstelle mit dem ehrenamtlichen Vorstand und dem Sprecher*innenrat des Vereins zusammen? In einer offenen Austauschrunde wollen wir gemeinsam über aktuelle politische Themen und Handlungsmöglichkeiten sprechen. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen des Vorstandes und des Sprecher*innenrats im Frühjahr 2023 sollen deren Arbeitsfelder, Tätigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten für Interessierte vorgestellt werden.

Moderiert wird die Runde von Lucia Braß, erste Vorsitzende des FRBWs. Anja Bartel, Teil der neuen Geschäftsleitung, wird Einblicke in die politische Arbeit des FRBWs geben.

13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause

14.00 16.00 Uhr Arbeitsgruppe: Ein Chancen-Aufenthaltsrecht für alle?

Mit der Einführung des sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrechts“ will die Bundesregierung langjährig geduldeten Ausländer*innen eine langfristige Bleibeperspektive ermöglichen. Diese Reform der Bleiberechtsregelungen für langjährig geduldete Menschen wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigt und ist jetzt im Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht worden. Das Gesetz bietet eine Perspektive für viele Geflüchtete, dennoch gilt es einige Hürden zu überwinden, um dann auch wirklich in ein langfristiges Aufenthaltsrecht zu bekommen. Die Rechtsanwälte Manfred Weidmann und Dominik Keicher geben in der Arbeitsgruppe einen allgemeinen Überblick über das neue „Chancen-Aufenthaltsrecht“.

Referenten: Manfred Weidmann und Dominik Keicher (Rechtsanwälte Tübingen)

Montag, 21. November 2022

Die Anmeldung für Montag ist geschlossen.

18.00 – 20.00 Uhr Arbeitsgruppe: Aufenthaltsperspektiven für Afghan*innen

Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich die Lage in Afghanistan extrem verschlechtert. Dies hat aufenthaltsrechtliche Konsequenzen für Afghan*innen, die bereits in Deutschland leben oder die als Asylsuchende neu einreisen. Für geduldete Personen stellen sich vor allem Fragen rund um Asylfolgenantragstellung, Bleiberechtsoptionen und Dokumentenbeschaffung. Für Asylsuchende geht es um einen Schutzstatus aufgrund von Verfolgung oder der humanitären Katastrophe. Die Rechtsanwälte Manfred Weidmann und Dominik Keicher gehen diesen Themenkomplexen nach und klären über die Entscheidungspraxis des BAMF, die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes und die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf. Zu Beginn berichtet Sadiq Zartila über die Lage der Bevölkerung in Afghanistan.

Referenten: Sadiq Zartila (Sprecher*innenrat Flüchtlingsrat Baden-Württemberg) und Manfred Weidmann und Dominik Keicher (Rechtsanwälte Tübingen)

Dienstag, 22. November 2022

Die Anmeldung für Dienstag ist geschlossen.

18.00 – 20.00 Uhr Arbeitsgruppe: Hierarchien der Solidarität in der Willkommenskultur

Während der Krieg in der Ukraine für große Betroffenheit sorgte und Ukrainer*innen viel Solidarität erfahren haben, bekommen Geflüchtete aus anderen Ländern weit weniger gesellschaftliche und politische Unterstützung in Deutschland. Die Entwicklungen in den letzten Monaten haben deutlich gemacht, dass es Hierarchien darin gibt, wem Empathie und Solidarität entgegengebracht wird – und wem eher nicht. Frau Dr. Sué González Hauck, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, wird Fragen nach Ungleichbehandlung und Rassismus aufwerfen, Begrifflichkeiten und Kategorien klären und die Erfahrungen der letzten Monate in einen politischen Kontext einordnen. Im Anschluss wird es genügend Zeit zur Diskussion und zum Austausch geben.

Referentin: Dr. Sué González Hauck (Wissenschaftliche Mitarbeiterin DeZIM)

Donnerstag, 24. November 2022

18.00 – 20.00 Uhr Arbeitsgruppe: War das jetzt Racial Profiling? Racial Profiling erkennen und agieren lernen

Unter Racial Profiling versteht man Polizeikontrollen, bei denen gezielt Menschen anhand von rassistischen Merkmalen ausgewählt und polizeilich überprüft werden. Wenn allein ein vermeintlich stereotypisches Aussehen als Anlass für eine Verdächtigung herhalten, dann ist das für die Betroffenen im höchsten Maße diskriminierend. Deshalb wird von rassistischen Polizeikontrollen gesprochen. Viele Menschen sind tagtäglich davon betroffen und sie wissen nicht, wie oder wohin sie sich wenden und was sie tun können, wenn sie mit solchen Herausforderungen konfrontiert werden. Der Referent Biplab Basu arbeitet seit 2001 als Berater bei der Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung (ReachOut) in Berlin und klärt über Strategien und Forderungen gegen rassistische Polizeigewalt und Racial Profiling auf. Es wird ausreichend Zeit für Fragen und Diskussion geben.

Referent: Biplab Basu (Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt und ReachOut Berlin)