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Solidarität mit Afghanistan: Kundgebung in Stuttgart

Ein breites Bündnis ziviligesellschaftlicher Initiativen und Organisationen ruft unter dem Motto „Solidarität mit Afghanistan“ zur Kundgebung am Samstag, dem 13.08.2022, von 14-16 Uhr am Schlossplatz in Stuttgart auf. Seit der Machtübernahme der Taliban vor genau einem Jahr ist die Lage für viele Menschen dort verheerend. Sadiq Zartila, Mitglied im Sprecher*innenrat des Flüchtlingsrats Baden-Württmeberg, schreibt für das Bündnis der Kundgebung:

„Durch den überstürzten Abzug des westlichen Militärs aus Afghanistan ist die Macht im Land wieder in die Hände der Terrororganisation Taliban gefallen. Mein Heimatland Afghanistan ist dadurch zum wiederholten Male zum Zentrum des internationalen Terrorismus geworden. Alle Ansätze einer demokratischen Entwicklung, die in den letzten 20 Jahren so mühsam erkämpft und erarbeitet wurden, sind zerstört, liberale und fortschrittliche Menschen werden verfolgt und ermordet, das Land steht wieder am Abgrund.

Die Wirtschaft des Landes liegt brach, selbstverständliche und notwendige Infrastruktur funktioniert nicht mehr. Hausdurchsuchungen und brutale Gewalt gegen Zivilisten schürt Angst und zwingt Millionen Menschen, aus dem Land zu fliehen. Nach Einschätzung der Welthungerhilfe WHO hungern 20 Millionen Afghanen, das ist die Hälfte der Bevölkerung. Frauen haben nahezu keine Rechte mehr, sie dürfen keiner Arbeit nachgehen, Mädchen dürfen nicht zur Schule. Tagtäglich verletzten die Milizen der Taliban die Menschenrechte der Bevölkerung und üben Terror aus.

Wir sind in großer Sorge um die Menschen im kommenden Winter und um die Zukunft des Landes. So wie die Situation sich entwickelt, bahnt sich neben der katastrophalen Lage der Menschenrechte auch eine humanitäre Katastrophe am Hindukusch an, dort wo Deutschland unsere deutsche Demokratie verteidigen wollte.

Es ist dringend notwendig, dass die Bundesrepublik gemeinsam mit der EU die Not in Afghanistan abwendet und sich für ein freies, unabhängiges und neutrales Afghanistan einsetzt, in dem die grundlegenden Menschenrechte gelten.

Der Bundestag setzte am 8. Juli 2022 mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Enquete-Kommission ein, welche die Umstände des Abzugs der Bundeswehrtruppen aus Afghanistan im August 2021 aufklären soll. Der Auftrag der Kommission umfasst 38 Punkte. Im Ergebnis soll ein Gesamtbild entstehen zum Entscheidungsverhalten der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr und anderer NATO-Kräfte und Diplomaten sowie der Evakuierung von Menschen im Zusammenhang mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Zuge des Doha-Abkommens. Der Untersuchungsausschuss soll zudem Empfehlungen geben, wie Fehler zukünftig vermieden werden können.

Wir haben in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen:

  • Was unternimmt die Bundesregierung gegen die kommende humanitäre Katastrophe in Afghanistan?
  • Wie nützlich ist die Arbeit der Enquete-Kommission für den Friedensprozess in Afghanistan?
  • Wie sieht das nachhaltige Engagement der Bundesrepublik in Afghanistan aus?
  • Inwieweit hat die Bundesrepublik die gesetzten Ziele – Aufbau der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan – nach dem 11. September 2001 in Afghanistan erreicht oder warum nicht erreicht?
  • Internationale Terroristen sammeln sich erneut in Afghanistan, weil sie die Unterstützung der Taliban genießen, wie geht die Bundesregierung und die EU mit dieser Tatsache um?
  • Die Taliban finanzieren sich durch den Anbau und Vertrieb von Opium und vergiften dadurch das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt, wie ist die Haltung der Bundesrepublik dazu?
  • Wie unterstützt die Bundesrepublik die fortschrittlichen und demokratischen Kräfte in Afghanistan?
  • Viele Intellektuelle und Menschenrechtler*innen, die sehr gefährdet sind, insbesondere die Frauenaktivistinnen befinden sich immer noch im Land. Wie sollen diese Menschen geschützt werden?
  • Im Land befinden sich immer noch die ehemaligen Ortskräfte und deren Familien, was passiert mit diesem Personenkreis?

Bitte unterstützt die fortschrittlichen Kräfte für ein neutrales und unabhängiges Afghanistan!
Afghanistan braucht Solidarität und Beistand, und kein Mitleid!“


EuGH: Geburt in Deutschland begründet Recht auf deutsches Asylverfahren

Mit Urteil vom 01.08.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass ein Kind, das im Bundesgebiet auf die Welt kommt, Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hat. Der Antrag auf internationalen Schutz des Kindes darf nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt werden, dass dessen Eltern bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist (Az: C-720/20).

Im konkreten Fall ging es um eine in Deutschland geborene russische Minderjährige. Deren Eltern und Geschwister wurden in Polen als Flüchtlinge anerkannt, reisten dann aber im Dezember 2012 nach Deutschland weiter. Hier lehnte das BAMF ihren Asylantrag aufgrund der Anerkennung in Polen als unzulässig ab und drohten ihnen die Abschiebung an. Das Paar bekam dann ein weiteres Kind, für das ein Asylantrag in Deutschland gestellt wurde. Das BAMF lehnte den Asylantrag ab, da es Art. 20 Abs. 3 Dublin-III Verordnung analog für auf nachgeborene Kinder von in einem anderen Mitgliedstaat Anerkannten anwendbar hielt und verwies auf Polen. Das Verwaltungsgericht Cottbus legte den Streit dem EuGH zur Klärung vor. Dieser entschied nun, dass Art. 20 Abs. 3 Dublin-III Verordnung nur für Dublin-Fälle gilt und nicht analog auf Anerkannte übertragbar sei. Das Kind sei weder über Polen nach Deutschland eingereist noch habe es dort einen Asylantrag gestellt. Deutschland ist deshalb für das Asylverfahren des in Deutschland geborenen Kindes zuständig und muss darüber auch inhaltlich entscheiden.

Das bedeutet in der Praxis, dass nachgeborene Kinder von in anderen Mitgliedstaaten anerkannten Geflüchteten im Asylverfahren in Deutschland entweder einen Schutzstatus bekommen oder eine Ablehnung mit einer Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland. Familien mit nachgeborenen Kindern sind zukünftig nicht mehr von einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat bedroht, da das nachgeborene Kind dorthin nicht abgeschoben und eine Trennung der Familie nicht hingenommen werden darf. Welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven die Familie in Deutschland hat, sollte sie am besten mit einer Beratungsstelle und/oder Anwält*in besprechen.

Weitere Informationen sind der Pressemitteilung des EuGH und einem Artikel auf migazin.de zu entnehmen.


VGH Baden-Württemberg: Aus der Ukraine Geflüchtete haben Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung

In zwei Entscheidungen vom 2. August 2022 (Az: VGH 11 S 1469/22, VGH 11 S 1470/22) hat der VGH Baden-Württemberg klargestellt, dass Menschen, die einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG stellen, Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ haben. Abgesehen von einer erkennungsdienstlichen Behandlung setzt dieser Anspruch einzig und allein voraus, dass sich die betreffende Person rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine Aufenthaltserlaubnis nach der Massenzustromrichtlinie beantragt. Ersteres ist aufgrund von § 2 Abs. 1 der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung bei allen Personen der Fall, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben. Das Gericht betont ausdrücklich, dass dies auch dann gilt, wenn es sich nicht – wie in diesen Verfahren – um ukrainische Staatsangehörige handelt. Mehr als die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis aus einem rechtmäßigen Aufenthalt heraus setzt der Eintritt der Fiktionswirkung und der damit einhergehende Anspruch auf die Fiktionsbescheinigung nicht voraus. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die Person voraussichtlich Anspruch auf die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis hat. Die Vorinstanz, das VG Stuttgart, hatte dies noch anders gesehen. Auf diese – für Fachleute überraschende – Entscheidung hatte das Justizministerium in einem an die Ausländerbehörden gerichteten Schreiben vom 29. Juli 2022 Bezug genommen, dabei die Tatsache, dass gegen die Entscheidung des VG Stuttgart Beschwerde eingelegt worden war, aber unerwähnt gelassen. Der Flüchtlingsrat fordert das Justizministerium zur sofortigen Änderung des voreilig in die Welt gesetzten Schreibens und Umsetzung der Rechtsauffassung des ranghöchsten baden-württembergischen Verwaltungsgerichts auf.


Landesregierung schiebt weiter mit Bulgaria Air ab

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die Landesregierung trotz Bekanntwerden der Verbindungen vom Bulgaria Air zum Milieu der organisierten Kriminalität weiterhin an der Durchführung von Sammelabschiebungen mit dieser Fluggesellschaft festhält. Am vergangenen Montag, 1. August wurden trotz der jüngsten Enthüllungen erneut 49 Personen im Begleitung von privaten „Sicherheitskräften“ mit einem Charter-Flug von Bulgaria Air vom Baden-Airpark nach Nordmazedonien abgeschoben.

Eine Woche zuvor hatte der Flüchtlingsrat auf die Recherchen der Initiative „No Border Assembly“ hingewiesen, denen zufolge Bulgaria Air im Besitz einer Holding-Gesellschaft ist, deren Besitzer wiederum von verschiedenen Quellen als wichtige Akteure des organisierten Verbrechens in Bulgarien bezeichnet werden.
„Selbst wenn es der Landesregierung davor nicht bekannt gewesen sein wollte, mit wem sie seit 2009 zusammenarbeitet, wäre es jetzt das Mindeste, nach den aktuellen Enthüllungen die Zusammenarbeit einzustellen und zu überprüfen“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. „Dass die Landesregierung nicht einmal dazu bereit ist, ist ein weiterer Beweis, dass ihr jedes Mittel Recht ist, um möglichst viele Abschiebungen durchzuführen. Zu den zahlreichen Fällen von Abschiebungen von Menschen, die kurz vor einem Bleiberecht stehen und den rechtswidrigen Inhaftierungen in Abschiebungshaft kommt nun eben auch noch eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, hinter dem Kriminelle stehen. Daran wird deutlich, dass die Lippenbekenntnisse in der Öffentlichkeit und die schöne Prosa im Koalitionsvertrag tatsächlich nichts Wert sind.“ so Seán McGinley abschließend.


#dontforgetafghanistan: Demonstration und Aktionscamp in Berlin

Vom 13.08.-15.08.2022 planen wir – das Netzwerk der Kampagne #dontforgetafghanistan – ein Protestcamp und eine Großdemonstration, die Menschen aus ganz Deutschland nach Berlin mobilisiert. Es ist genau ein Jahr her, dass die Taliban Kabul eingenommen haben, doch das Schicksal der afghanischen Bevölkerung sowie der aus Afghanistan geflüchteten Menschen ist weitgehend in Vergessenheit geraten, egal ob sie sich in den Nachbarländern Afghanistans aufhalten oder an den Innen- und Außengrenzen der EU.

Die Taliban haben in Afghanistan ein Terrorregime errichtet, ehemalige Mitarbeiter:innen der westlicher Organisationen, der afghanischen Regierung, Menschenrechtsaktivist:innen, Frauen und Mädchen, LGTBQ+ Community, Angehörige von Minderheiten müssen um ihr Leben kämpfen. Ausrüstung und Waffen im Wert von Milliarden von Dollar wurden den Taliban von der NATO überlassen, die das Material nun gegen die zivile Gesellschaft vor allem friedliche Demonstranten so wie bei Hausdurchsuchungen der
Bürger:Innen eingesetzt.

Verlassene Häuser und ganze Landstriche, deren Bewohner*innen in der Not Sicherheit suchten. Ein Jahr ist vergangen, und noch immer warten Zehntausende auf ihre Evakuierung. Ein Jahr lang stehen unzählige Namen auf Sicherheitslisten. Ein Jahr, in dem das Regime nicht anerkannt wird, ohne dass sich der Asylstatus der afghanischen Asylbewerber ändert. 365 Tage, in denen Mädchen nicht zur Schule gehen und Frauen systematisch aus der Öffentlichkeit verschwinden. 12 Monate, in denen die Lebensmittelknappheit immer weiter zunimmt, in denen Menschen keinen Zugang zu ihrem eigenen Geld haben, da dieses durch die US-Regierung unter Joe Biden eingefroren wurde, während 98 % der Bevölkerung vor dem Hungertod stehen. Tagtäglich werden Felder ausgebeutet, Häuser geräumt, Essen von den Taliban gestohlen und Hilfsaktionen verhindert – alles unter den Augen der NATO-Mitgliedsstaaten.

Dies zwingt die Menschen zu verzweifelten Maßnahmen wie dem Verkauf ihrer Organe, sich selbst und ihrer Kinder. 365 Tage lang wird uns gesagt, dass wir Geduld haben sollen, während Menschen unterdrückt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet werden.
In Qatar, den Ort, wo die Taliban ihre Headquarters haben, wurde das Qatar Peace Agreement im Jahr 2013 angefangen zwischen der Taliban-Terroristengruppe und den NATO-Mitgliedstaaten, den Gulfstaaten, Pakistan jedoch ohne Repräsentant:innen der afghanischen Bevölkerung oder Regierung und somit das Schicksal der afghanischen Bevölkerung beschlossen.

Es ist eine Schande, dass auch ein Jahr nach der Machtübergabe durch die Taliban nur ein Bruchteil der Menschen evakuiert wurde, die wegen ihrer Arbeit für die Nato, die Bundeswehr, die GIZ oder andere deutsche Organisationen und ihre Subunternehmen in Lebensgefahr sind und sich seit Monaten versteckt halten müssen. Sie werden von der deutschen Regierung elendig im Stich gelassen. Unerträglich sind auch die langen Wartezeiten für den Nachzug von Familienmitgliedern von Afghan:innen, die bereits in Deutschland leben. Die Steuerzahler der NATO-Staaten verlangen Rechenschaft und Antworten. 20 Jahre „Engagement“, endeten mit einer verantwortungslosen Evakuierung, bei der es den Anschein hatte, dass die Leben der afghanischen Menschen nicht die oberste Priorität hatten wie z.B. den Alkohol von der deutschen Botschaft und der deutschen Bundeswehr. Afghan:innen auf der Flucht erleben täglich Menschenrechtsverletzungen. Ob in den Nachbarländern Afghanistans, der Türkei, den griechischen Inseln, auf der Balkanroute oder anderen Grenzen der EU, so wie nach dem Ankommen und bei der Beantragung des Asyl – Afghan:innen werden misshandelt, missbraucht, gepushbackt, geschlagen, vergewaltigt, rassistisch beleidigt und sogar umgebracht.

Auch hier in Deutschland werden ihre Rechte missachtet. Jahrelang warteten Afghan:innen auf Ent-
scheidungen über ihre Asylanträge und ihre Folgeanträge oder hatten lediglich eine Duldung – oftmals mit Ausbildungs- und Arbeitsverbot. Statt den vollen Flüchtlingsstatus bekommen Geflüchtete aus Afghanistan i.d.R. nun lediglich ein Abschiebeverbot, mit dem der Familiennachzug kaum möglich ist. Weil die Menschen im Krieg aufgewachsen sind, hatten viele keinen Zugang zu Bildung, und auch hier in Deutschland wird ihnen der Zugang zu Deutschkursen oder einer Ausbildung verwehrt. Im Niedriglohnsektor, durch Zeitarbeitsfirmen wird nun ihre Arbeitskraft ausgebeutet.

Wir haben gekämpft, wir haben uns gequält, wir haben nächtelang nicht geschlafen und immer wieder
wurden wir blockiert und unsere Rechte verletzt. Die Realität, dass die Prozesse der Evakuierungen
gefährdeten Afghan:innen schwieriger ist als die Machtübergabe der Taliban nehmen wir nicht länger hin!

Wir vom Bündnis #dontforgetafghanistan fordern:

  • zügige unbürokratische AsylFolge-Anträge!
  • Anerkennung alle Afghanische Menschen zum § 23 Abs. 1 & 2 !
  • keine nachweise von Deutsche Sprachzertifikat beim Familiennachzug aus Afghanistan!
  • Evakuieren alle Hinterlassene Ortskräfte/ Ladenbesitzer der Marmel-Camp!
  • die schnelle und unbürokratische Evakuierung aller gefährdeter Personen und ihre Familienmitglieder!
  • Die Hungersnotkrise in Afghanistan nachhaltig Verantwortung nehmen!
  • Keine Anerkennung für das Taliban Regime und keine finanziellen Kooperationen mit ihnen!
  • sichere Fluchtwege und Verantwortung des Involvements der Nachbarländer!

Lasst uns zusammenstehen und hör- und sichtbar werden bei einer ➤ zentralen Demonstration am Samstag, 13.08.2022 | Start: 14.00 h vor dem Auswärtigen Amt, Werderscher Markt 1 | Ende 18.00 h vor dem Bundeskanzleramt.
Nach der Demo startet unser ➤ Aktionscamp vom 13.08. | 18 h – 15.08.22 | 10 h
(Ort wird noch bekanntgegeben, achtet auf die Anküngigungen!)

Alle Berliner Aktivist:innen stehen euch zur Verfügung. Es gibt Workshops, Erfahrungsaustausch, Diskussionen mit Expert:innen, Redebeiträge wie künstlerische Vorführungen so wie Berichte von Aktiven außerhalb Berlins. Dazu organisieren wir Essen und Livemusik.
Wir wollen einen Ort schaffen, um eine bundesweite Vernetzung aufzubauen und laden euch alle ein, diesen Schritt zusammen zu gehen.
Lasst uns gemeinsam die Stimme erheben und Gerechtigkeit für afghanischen Menschen fordern, die seit Jahren Gewalt erfahren haben!


Online-Seminar: Neues im Asyl- und Aufenthaltsrecht

Im Rahmen der Veranstaltung, die zusammen mit dem Diakonischen Werk Göppingen durchgeführt wird, werden die aktuellen Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht vorgestellt. Ein Schwerpunkt wird das neue „Chancenaufenthaltsrecht“ sein, zu dem inzwischen ein erster Gesetzesentwurf vorliegt und das bis zur Veranstaltung möglicherweise schon in Kraft getreten sein wird. Außerdem werden für das (ehrenamtliche) Engagement wichtige Gerichtsentscheidungen erörtert und die Behördenpraxis in den Blick genommen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, sich mit eigenen Fragen einzubringen.

Aktueller Hinweis: Die Anmeldung ist geschlossen.

Referent: Sebastian Röder

Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und ist kostenlos. Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, unterstützt durch das Ministerium der Justiz und für Migration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.


Menschen mit Migrationsgeschichte für Bewegungs-Studie der Universität Mannheim gesucht

Ein Forschungsteam der Universität Mannheim untersucht schützende Faktoren bei Migrationsstress und lädt dafür insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte ein, an ihrer Bewegungs-Studie teilzunehmen. Die Forscher*innen interessieren sich dafür, wie alltägliche Ereignisse, Stress und Sport zusammenwirken.

Die Teilnahme an der Studie, die mit 10 € vergütet ist, ist bequem vom Smartphone aus möglich. Die Studie dauert eine Woche und beinhaltet kurze tägliche Befragungen (ca. 5 min) in einer Tagebuch-App. Unter diesem Link können Sie an der Studie teilnehmen.


Neue Internetseite: Abschiebegeschäft von Fluggesellschaften aufgedeckt

Die neue Internetseite von „Deportation Alarm“ (DA) veröffentlicht seit neuestem geheim gehaltene Informationen über Fluggesellschaften, die im Jahr 2021 Sammelabschiebungen aus Deutschland durchgeführt haben. Die interaktive, datengestützte Website informiert detailliert über die Fluggesellschaften, die von Sammelabschiebungen per Charterflug profitieren. Sie stellt Informationen über die 206 Charterflüge bereit, mit denen im Jahr 2021 mindestens 5.484 Menschen abgeschoben wurden. Außerdem listet sie die Ausgaben des deutschen Staates und von Frontex in Höhe von über 22 Mio. Euro auf.

Die Informationen dieser Website basieren auf öffentlich zugänglichen Flugdaten. Mit Hilfe eines Algorithmus, der bestimmte Muster erkennt, wurden die Abschiebeflüge identifiziert. Die Daten wurden dann mit redigierten parlamentarischen Anfragen abgeglichen.

Deportation Alarm begann Abschiebeflüge zu beobachten und zu verfolgen, als die Bundesregierung 2020 entschied, Namen von Fluggesellschaften zurückzuhalten, die von Sammelabschiebungen profitieren.


Ukrainischer Führerschein gilt auch in der EU

Seit dem 27. Juli 2022 gelten die ukrainischen Führerscheine auch in der EU. Alle Menschen, denen nach der Massenzustromrichtlinie oder nach nationalem Recht vorübergehender Schutz vor dem Krieg in der Ukraine gewährt wird, benötigen seitdem weder eine Übersetzung ihres ukrainischen Führerscheins noch einen internationalen oder deutschen Führerschein. Weitere Informationen finden Sie in einer Zusammenfassung des Mittelhessischen Landboten oder direkt in der Verordnung im Amtsblatt der EU.


Pro Asyl: EuGH: Deutschland verhinderte rechtswidrig Familiennachzug

Gute Nachricht für zerrissene Familien: Der Europäische Gerichtshof hat heute der europarechtswidrigen Praxis deutscher Behörden, einem volljährig gewordenen Kind die Zusammenführung mit den Eltern zu verwehren, eine klare Absage erteilt. Entscheidend für das Recht auf Familiennachzug sei, dass das Kind minderjährig war, als der Asylantrag gestellt wurde.

In gleich zwei heute ergangenen Urteilen gegen Deutschland stellt der Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) unmissverständlich fest, dass die bisherige deutsche Praxis beim Familiennachzug von bzw. zu Kindern „weder mit den Zielen der Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung noch mit den Anforderungen im Einklang stünde, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben“.

Für Deutschland bedeutet dies eine 180-Grad-Wende, denn bislang verweigert das Auswärtige Amt trotz eines gleichlautenden Urteils des EuGH von 2018 die Familienzusammenführung, sobald die Kinder volljährig geworden sind – obwohl dies zum Beispiel an den langen Asylverfahren oder den langen Verfahren zum Familiennachzug liegt. Nach dieser Logik büßen die Familien dafür, dass die deutsche Bürokratie so langsam arbeitet. Damit ist nun Schluss: Laut dem EuGH kann der Anspruch auf Familiennachzug für Flüchtlinge durch die eintretende Volljährigkeit der Kinder nicht verloren gehen.

„Viele durch die Flucht zerrissenen Familien können nach den Urteilen aufatmen: ihr Anspruch auf Familiennachzug besteht weiter, auch wenn ein Kind volljährig wird. Es ist aber ein Skandal, dass Deutschland diese Familien vier weitere Jahre hingehalten hat, obwohl die Rechtslage bereits nach dem Urteil des EuGHs von 2018 eindeutig war. Den Familien wurde so wertvolle Zeit geraubt. Die neue Bundesregierung muss dies jetzt zügig gesetzlich anpassen und auch weitere notwendige Schritte zur Beschleunigung des Familiennachzugs gehen. Denn angesichts der weiterhin zähen Verfahren zum Familiennachzug wird für viele in Deutschland anerkannte Flüchtlinge die Frage offen bleiben, wann sie ihre engsten Angehörige in die Arme schließen können“, so Wiebke Judith, Teamleitung Recht & Advocacy bei PRO ASYL.

Die Urteile beziehen sich auf zwei Fallkonstellationen: In einem Fall geht es um die Situation, wenn Eltern zu ihrem in Deutschland lebenden Kind nachziehen möchten, das hier eine Flüchtlingsanerkennung erhalten hat. In dem anderen Fall geht es um den Nachzug von Kindern zu ihren in Deutschland lebenden und als Flüchtling anerkannten Eltern.

Bisherige deutsche Rechtsauffassung

Die deutsche Regierung vertritt bislang die Auffassung, dass es beim Familiennachzug auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem das nachziehende Familienmitglied den Visumantrag gestellt hat oder zu dem das Visum erteilt wurde. Ist das Kind zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Jahre oder älter, wurde ihm das Recht abgesprochen, zu seinen Eltern einzureisen, oder den Eltern das Recht abgesprochen, zu ihrem Kind einzureisen.

Diese Rechtsauffassung nahm in den letzten Jahren unzähligen Familien die Möglichkeit in Deutschland zusammen zu leben, obwohl bei mindestens einem Familienmitglied eine Flüchtlingsanerkennung vorlag. Und das meist unverschuldet, denn häufig werden die Kinder während der langen Visaverfahren und zum Teil der sich anschließenden Klageverfahren volljährig. Davon betroffene Familien, die ohnehin durch die langen Verfahren litten, wurden obendrein damit bestraft, dass ihnen dann auch noch das Recht auf Familienleben genommen wird.

Außerdem öffnete diese Rechtsauslegung Tür und Tor für Ungleichbehandlung: Wenn eine Behörde einen Antrag schneller bearbeitet und einen anderen schlicht einfach liegen lässt, hat sie die Macht darüber zu entscheiden, dass die eine Familie zusammenleben darf, während einer anderen Familie dieses Recht vorenthalten wird. Für die Betroffenen blieb daher bisher völlig unvorhersehbar, ob sie das Recht auf Familienzusammenführung in Anspruch nehmen können, was die Rechtssicherheit beeinträchtigte. Das sieht auch der EuGH in seinen Urteilen heute so und fügt außerdem an: „Die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte hätten dann nämlich keine Veranlassung, die Anträge der Eltern Minderjähriger mit der Dringlichkeit, die geboten ist, um der Schutzbedürftigkeit der Minderjährigen Rechnung zu tragen, vorrangig zu bearbeiten, und könnten somit in einer Weise handeln, die das Recht auf Familienleben sowohl eines Elternteils mit seinem minderjährigen Kind als auch des Kindes mit einem Familienangehörigen gefährden würde.“

Eigentlich hatte der EuGH bereits im April 2018 anhand eines Falls aus den Niederlanden, bei dem es um den Nachzug eines Kindes zu einem als Flüchtling anerkannten Vater ging, bereits deutlich gemacht, dass es auf den Zeitpunkt der Asylantragsstellung des anerkannten Flüchtlings ankommt. Urteile des EuGHs gelten verbindlich für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und geben vor, wie Unionsrecht auszulegen ist. Die deutsche Regierung ignorierte dieses Urteil aber bislang und behauptete, die Rechtslage in den Niederlanden sei mit der in Deutschland nicht zu vergleichen.

Zu den Urteilen

In dem Urteil zu der Rechtssache 279/20 geht es um eine junge Syrerin, die zu ihrem Vater ziehen möchte. Als der Vater seinen Asylantrag in Deutschland stellte, war sie noch 17 Jahre alt, als ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und er den Antrag auf Familienzusammenführung endlich stellen konnte, war sie bereits 18 Jahre alt. Das Bundesverwaltungsgericht legte den Fall dem EuGH vor, mit der Frage, ob es nach der EU-Richtlinie beim Kindernachzug zu Flüchtlingen für die Minderjährigkeit des nachzugswilligen Kindes auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung des Flüchtlings (hier also des Vaters) ankommt. Zudem wollte das Bundesverwaltungsgericht vom EuGH wissen, welche Anforderungen an das Bestehen von tatsächlichen familiären Bindungen zwischen dem inzwischen volljährig gewordenen Kind und dem Flüchtling zu stellen sind. Die Schlussanträge des Generalanwalt Collins vom 16.12.2021 hatten bereits mutmachende Signale für eine Stärkung des Rechts auf Familiennachzug gegeben. Heute ist die Klägerin 23 Jahre alt und wartet seit dem Tod ihrer Mutter in der Türkei auf den Familiennachzug zu ihrem Vater.

In der Entscheidung zu den verbundenen Rechtssachen C‑273/20 und C‑355/20 geht es um syrische Kinder, die als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland kamen und hier als Flüchtlinge anerkannt wurden. Die daraufhin gestellten Visa-Anträge der Eltern zur Familienzusammenführung wurden abgelehnt, weil die Kinder zwischenzeitlichvolljährig geworden waren. Unter Berufung auf die o.g. EuGH-Entscheidung im Jahr 2018 verpflichtete das angerufene Verwaltungsgericht Berlin mit Urteilen vom 01. Februar 2019 sowie vom 30. Januar 2019 die Bundesrepublik Deutschland jeweils zur Erteilung der beantragten Visa an die Eltern. Gegen diese Entscheidungen legte die Bundesrepublik Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht ein, das dem EuGH diese Konstellation noch einmal vorlegte. Heute sind die Kläger*innen 23 Jahre alt und warten weiterhin auf ihre Eltern.