Handicap International veranstaltet am Donnerstag, dem 04.08.2022, von 16-18 Uhr die kostenfreie Online-Veranstaltung „Austausch für Menschen mit Behinderung aus der Ukraine in Deutschland: Fragen und Antworten zum Thema: Was sind meine Rechte? Wo bekomme ich Hilfe?“. Die Veranstaltung richtet sich an Menschen mit Behinderung aus der Ukraine und bietet Raum für Fragen und Antworten. Das Treffen findet online via Zoom statt und wird von Dolmetscher*innen auf Ukrainisch und Russisch begleitet. Ukrainische Gebärdensprachdolmetscher*innen übertragen den Austausch in ukrainische Gebärdensprache. Bei Bedarf erfolgt auch Schriftdolmetschung in russischer Sprache. Weitere Informationen zur Veranstaltungen und Registrierung lassen sich im Flyer von Handicap International nachlesen.
Monat: Juli 2022
Landesregierung muss Zusammenarbeit mit Bulgaria Air einstellen und aufklären!
Enthüllungen der Initiative „No Border Assembly“ haben ergeben, dass die Fluggesellschaft „Bulgaria Air“, die seit 2009 im Auftrag des Landes Baden-Württemberg Sammelabschiebungen in die Länder des Westbalkans durchführt, sich im Besitz einer Holding-Gesellschaft befindet, die wiederum Akteuren gehört, die dem Milieu des organisierten Verbrechens zugerechnet werden. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert vor diesem Hintergrund von der Landesregierung Aufklärung und eine Offenlegung der Beziehung zwischen dem Land und der Fluggesellschaft.
Seit 2009 wurden mindestens 8000 Menschen mit Bulgaria Air aus Baden-Württemberg abgeschoben. Dabei hat der Flüchtlingsrat immer wieder auf aus seiner Sicht besonders skandalösen Abschiebungen hingewiesen, etwa von Menschen die seit Jahrzehnten in Deutschland gelebt haben, teilweise hier geboren wurden, von schwer kranken und alten Menschen, von unbegleiteten Minderjährigen. Wir erinnern etwa an Sali Krasniqi,der trotz schwerer Krankheit in den Kosovo abgeschoben wurde und kurz darauf starb, an die Tahiri-Schwestern, die nach Serbien abgeschoben wurden obwohl sie Kosovarinnen sind, als Kleinkinder nach Deutschland gekommen sind und in Serbien weder die Sprache sprechen noch irgendjemanden kennen, und an die minderjährigen Geschwister Dana und Edi, die aus einer Jugendhilfeeinrichtung nach Albanien abgeschoben wurden. „Sie und viele andere waren die Opfer einer radikalen und rücksichtslosen Abschiebungspolitik, angetrieben von rassistischer Stimmungsmache und Fake News über ein angebliches ‚Vollzugsdefizit‘ bei Abschiebungen. Menschen aus den Westbalkanländern – von denen viele seit langer Zeit in Deutschland gelebt haben – sind hier „leichte Beute“ für die Behörden, die auf der Jagd nach der Fata Morgana des ‚Vollzugsdefizits‘ so viele Abschiebungen wie möglich vollziehen wollten. Viele Betroffene waren und sind Roma, unter ihnen Betroffene oder Nachfahren von Betroffenen von Genozid, Vertreibung und Zwangsarbeit seitens Nazi-Deutschlands und seiner Verbündeten, zu denen auch Bulgarien gehörte.“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.
Aus den aktuellen Enthüllungen geht hervor, dass an diesen Abschiebungen ein zwielichtiges Syndikat namens „TIM“ verdient, zu dessen sonstigen Einnahmequellen Prostitution, Drogenhandel, Autoschieberei und Schutzgelderpressung gehören sollen. In Medienberichten und in einem von Wikilieaks veröffentlichten Bericht des US-Amerikanischen Botschafters in Bulgarien wird diese Organisation als einer der führenden Akteure des organisierten Verbrechens in Bulgarien benannt.
Doch Bulgaria Air hat viel mehr gemacht als nur die Flugzeuge für die Abschiebungen zu stellen: In vielen Fällen stellte sich auch „Sicherheitspersonal“ zur Begleitung der Flüge zur Verfügung. Dieses Modell wurde bei der Innenministerkonferenz in Magdeburg 2018 von Innenminister Thomas Strobl seines Amtskolleg*innen in anderen Bundesländern zur Nachahmung empfohlen als Maßnahme zur Steigerung der „Schlagzahl“ bei Abschiebungen. Die Stuttgarter Zeitung vom 27.11.2018 zitierte Strobl mit den Worten: „Was Rückführungen in den Westbalkan angeht, haben wir in Baden-Württemberg mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht“. Im fraglichen Jahr 2018 wurden 1085 Personen unter Begleitung von „Sicherheitskräften“ von Bulgaria Air abgeschoben. 2017 sogar 1808. Für die Jahre danach sind keine offiziellen Zahlen bekannt.
Seán McGinley kommentiert dazu: „Staatliche Stellen stehen in der Pflicht, auch beim Vollzug von Abschiebungen die Einhaltung von Gesetzen und Menschenrechten zu garantieren. Es ist völlig inakzeptabel, diese Verantwortung zu ‚outsourcen‘ auf ein Unternehmen, das sich zahlreichen Berichten zufolge im Besitz einer kriminellen Vereinigung befindet. Das hat die Landesregierung in ihrem Eifer, möglichst viele Abschiebungen durchzuführen, gemacht. Innenminister Strobl hat dieses Modell sogar als besonders vorbildlich zur Nachahmung empfohlen. Die Landesregierung muss nun erklären, ob ihr bekannt war, wer sich hinter Bulgaria Air verbirgt. Falls dies der Landesregierung nicht bekannt war, wirft dies die Frage auf, wie sorgfältig das Land seine Auftragnehmer auswählt und ob es auch in anderen Bereichen zur Vergabe von Aufträgen an Unternehmen mit Verbindungen in die kriminelle Unterwelt gekommen ist. Sie muss auch erklären, welche Schritte sie unternommen hat, um zu kontrollieren, wer als ‚Sicherheitspersonal‘ bei Abschiebungsflügen mitwirkt und auf welcher Weise gewährleistet werden sollte, dass dieses private ‚Sicherheitspersonal‘ geltendes Recht und Menschenrechte achtet.“
Der Flüchtlingsrat fordert die sofortige Einstellung der Zusammenarbeit mit Bulgaria Air, die Offenlegung aller Verträge und Vereinbarungen zwischen der Regierung bzw. Behörden des Landes Baden-Württemberg und Bulgaria Air inklusive Antworten auf die Fragen, wie, wann und durch wen die Entscheidung für eine Zusammenarbeit mit Bulgaria Air gefallen ist, und eine Offenlegung aller Zahlungen des Landes an Bulgaria Air.
„Von erheblicher Diskriminierung betroffen“
Die Anlaufstelle / Netzwerk Pro Sinti und Roma (ANPSR) berichtet in einer Stellungnahme von ihren Erfahrungen bei der Unterstützung geflüchteter Rom*nija aus der Ukraine. Wir dokumentieren die Stellungnahme im Wortlaut:
Durch den Krieg in der Ukraine seit Februar 2022 kommen Rom*nja aus der Ukraine mit, aber auch ohne ukrainische Staatsbürgerschaft als Geflüchtete nach Deutschland. Vielen ukrainischen Rom*nja war es durch eine jahrhundertealte diskriminierende Praxis in der Ukraine, aber auch in anderen europäischen Ländern, kaum möglich an gleichwertige Ausweis-Papiere zu kommen wie anderen Bürger*innen der entsprechenden Länder, in denen sie leben.
Nach Einschätzung der ANPSR sind ca. 3000 – 4000 Rom*nja in Baden – Württemberg angekommen. Die Zahl der geflüchteten Rom*nja endet hier nicht, sondern wird sich zukünftig womöglich noch verdoppeln, denn die Lage der Rom*nja in der Ukraine ist schon seit langem besonders prekär. Dort sind sie von erheblicher Diskriminierung betroffen, in 2018 gab es mehrere rechtsradikale Angriffe auf Rom*nja mit Todesopfern.
Auch in Deutschland ankommende Rom*nja erleben häufig rassistische Gewalt durch Polizei, Sicherheitskräfte, Behörden, Dolmetschende und Helfende, die ihnen vielfach Übernachtungsmöglichkeiten, frische Kleidung, sogar Essen oder Hygieneprodukte verweigern. Dies unter anderem mit der Begründung, sie seien seit Tagen oder schon öfter da gewesen, würden betrügen, wären gar keine Kriegsgeflüchtete, obwohl die Betreffenden nachweislich gerade erst mit dem Zug aus der Ukraine ankamen.
Hier nennen wir einige Fälle als Beispiele, die die ANPSR erreicht haben und in denen wir schnell intervenieren mussten:
Eine ukrainische alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern, wurde in einem Lebensmittelmarkt in der Nähe von Stuttgart von einer Sicherheitsfirma kontrolliert und die Polizei eingeschaltet. Eines der Kinder hatte sich ein Überraschungsei genommen. Die Polizei fuhr daraufhin die Frau mit den Kindern zur Polizeistation, das Jugendamt wurde alarmiert. Die Frau musste 24 Stunden zur „Untersuchung“ in einer Polizeizelle verbringen, die Kinder wurden dem Jugendamt übergeben und fremd untergebracht. Nachdem die Frau frei gelassen wurde, bekam sie ihre Kinder nicht zurück, dies könnte noch Wochen dauern. Erst nach Intervention der ANPSR kam die Familie wieder zusammen. Dieses Vorgehen entspricht einer jahrhundertealten rassistischen Praxis .
In anderen Fällen erreichte uns die Nachricht, dass Reisepässe von der Behörde als „verdächtig“ und gefälscht eingestuft und an das LKA Stuttgart weitergeleitet wurden.
Kolleg*innen (Sozialarbeiter*innen) informierten die ANPSR darüber, dass die Behörden immer wieder nachfragten: „Haben Sie Probleme mit Roma? … Sind die sauber?“ und dass, je nach ethnischer Herkunft, ein sehr deutlicher Unterschied gegenüber anderen- weißen ukrainischen Geflüchteten gemacht wird. So haben Rom*nja, im Gegensatz zu anderen Ukrainer*innen, meist noch keinen Aufenthaltstitel erhalten, mit der fadenscheinigen „Begründung“: „die müssen erst noch überprüft werden“. Diese abwertende und
ausgrenzende Praxis muss beendet werden.
Dolmetscher*innen übersetzen oft nicht 1/1, was die Betroffenen Rom*nja sagen und wie es ihre Pflicht wäre, sondern geben ihre eigenen „Einschätzungen“, aus einer rassistischen Perspektive an die Behörden weiter. So, dass diese Rom*nja wären und keine „Original Ukrainer*innen“, was aufgrund der deutschen Geschichte, der Ausgrenzung, der Verfolgung und systematischen Ermordung von Rom*nja im Holocaust mit der damit einhergehenden gesonderten Erfassung von Rom*nja, besonders unerträglich ist. Hier muss Deutschland seiner besonderen Verantwortung gerecht werden und solche Formen der Diskriminierung
abstellen. Doch die Lage von Rom*nja droht sich im Gegenteil aufgrund einer diskriminierenden Ausschluss-Praxis eher zu verschlechtern, als zu verbessern.
Dennoch wollen wir auch gute Beispiele der Zusammenarbeit in dieser Presseklärung erwähnen. Die Stadt Freiburg – ABH und das Amt für Migration und Integration setzten sich in einigen Fällen schnell und offen für geflüchtete Rom*nja aus dem Westbalkan ein. Die Stadt Freiburg hat das Gespräch mit der ANPSR gesucht, um gemeinsam nach Lösungen gegen Diskriminierung und anderen Problemen zu suchen und hat zum Teil bereits Verbesserungen erreicht. Als weiteres gutes Beispiel können wir das Regierungspräsidium in Karlsruhe anführen, das der ANPSR den Zugang zur LEA erteilt hat, um dort Beratungen in Romanes durchzuführen.
Wir fordern nun dazu auf, der besonderen Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden und sich aktiv für gleiche Voraussetzungen und Chancen aller aus der Ukraine geflohenen Rom*nja, im Sinne gleichwertiger Menschenrechte für Alle, einzusetzen.
Die Anlaufstelle /Netzwerk Pro Sinti und Roma bietet dabei Aufklärung für die deutsche Öffentlichkeit und Behörden, der Polizei und der ABH aber auch Unterstützung für Betroffene, an. Die ANPSR steht euch zu Verfügung mit:
- Dolmetscher*innen in der Sprache Romanes
- Aufklärung über Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zzi /Antiziganismus
- Konflikt-Gespräche
- Erstgespräche für Neuankommende
- Workshop für MitarbeiterInnen der Behörden gegen Rassismus/ Antiziganismus
- Strategische Unterstützung für Städte und Kommunen im B.W.
Wenden Sie sich gerne an uns mit Ihren Fragen.
Geflüchtete Rom*nja und Institutionen, wendet Euch in dringenden Fällen bitte direkt an die ANPSR oder an unsere Kooperationspartner*innen:
Sprachen : Romanes, Russisch, Ukrainisch, Serbisch, Mazedonisch, Deutsch
- Roma Antidisc. Network : +491623554670 / 49 6221 9811 52 /49 176 88215091
- hotline-ukraine@sintiundroma.de .
- Zentralrat Deutscher Sinti &Roma Tel. 06621/9811-53
- Anlaufstelle/Netzwerk Pro S.R. : 07681/4930645 / Mob: 0151 63385224
- K.ahmed@ksew.de
refugio stuttgart e.V. sucht Sprachmittler*innen für Beratung und Therapie
refugio stuttgart e.v. ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, der das psychosoziale Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge betreibt. Im Rahmen von gezielten Beratungen und Therapien begleitet refugio stuttgart e.V. diese Menschen bei der Bearbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse. Für diese Begleitung ist die Mitarbeit von Sprachmittler*innen unerlässlich. Dafür ist refugio stuttgart e.V. derzeit wieder auf der Suche nach Sprachmittler*innen, besonders für die Sprachen Paschtu und Urdu, aber auch für andere Sprachen. Voraussetzung ist neben entsprechenden Sprachkenntnissen die Teilnahme an einer kostenlosen Schulung, die wieder Ende September/Anfang Oktober angeboten wird. Alle weiteren Voraussetzungen und Informationen können in der Ausschreibung von refugio stuttgart e.V. nachgelesen werden.
Verlängerung der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung in angepasster Form
Zum 31. August endete für viele Drittstaatsangehörige, die bislang nicht den vorübergehenden Schutz oder eine andere Aufenthaltserlaubnis erhalten konnten, der Zeitraum, in dem sie sich rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten können.
Dies hat der Bundesrat am 08.07.2022 mit der Zustimmung über die Verlängerung der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung beschlossen. Geflüchtete aus der Ukraine können zwar auch über den 31.08.2022 hinaus visumsfrei einreisen und sich legal in Deutschland aufhalten. Die Verordnung wurde allerdings dahingehend verändert, dass der visumsfreie Aufenthalt nun nur noch für 90 Tage gilt. Die geänderte Verordnung wird am 01.09.2022 in Kraft treten. Die Beschränkung des visumsfreien Aufenthalts auf 90 Tage hat zur Folge, dass all diejenigen, die sich am 01.09.2022 bereits länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten, nun noch vor dem 01.09.2022 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 AufenthG stellen müssen, um die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG auszulösen. Andernfalls ist der Aufenthalt ab dem 01.09.2022 unrechtmäßig. Diejenigen, die nach dem 01.09.2022 nach Deutschland einreisen, müssen binnen 90 Tagen nach Ankunft entsprechend handeln. Die Verordnung gilt nur für Personen, die bis zum 30.11.2022 nach Deutschland einreisen.
Weitere Informationen und Hintergründe sind bei Pro Asyl, dem Netzwerk Berlin hilft und der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchende nachzulesen.
Landesregierung muss illegale Abschiebungsversuche aufklären und künftig verhindern!
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg weist auf zwei Fälle hin, in denen die Polizei versucht hat, einen geflüchteten Menschen zwecks Abschiebung festzunehmen, obwohl ein Gericht die Abschiebung ausgesetzt hatte, und fordert von der Landesregierung Aufklärung und Konsequenzen.
Im Juni war im südbadischen Schallstadt ein Nigerianer aus dem Fenster gesprungen und hatte sich dabei beide Beine gebrochen, als die Polizei ihn entgegen einer am Vortrag ergangenen richterlichen Entscheidung festnehmen wollte. Die Information über die Aussetzung der Abschiebung sei – so die Polizeimeldung – nicht intern weitergegeben worden.
Ein Jahr zuvor hatte es in Karlsruhe einen ähnlichen Vorfall gegeben, als die Polizei in die Wohnung eines Mannes aus Pakistan eindrang, um ihn zwecks Abschiebung festzunehmen. Auch in diesem Fall hatte ein Gericht kurz zuvor die Abschiebung ausgesetzt. Der Gesuchte war in diesem Fall nicht anwesend. Die Polizei ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass die Ehefrau des Gesuchten den entsprechenden Gerichtsbeschluss vorlegte. Die Ehefrau und die kleine Tochter des Betroffenen, die beide einen sicheren Aufenthaltsstatus haben, sind durch dieses Erlebnis schwer psychisch belastet. Umso mehr, weil die Ausländerbehörde weiterhin darauf beharrt, die Familie zwecks Nachholung des Visumsverfahrens für den Familienvater trennen zu wollen, obwohl das Gericht entschieden hat, dass dies zu einer unzumutbar langen Trennung führen würde.
„Jeder solche Fall ist einer zu viel, und richtet physische und psychische Schäden bei den Betroffenen und den ihnen nahestehenden Personen an. Die Landesregierung ist ihnen Antworten schuldig, warum die Polizei rechtswidrige Abschiebungen durchzuführen versucht und dabei klare Hinweise auf die Aussetzung der Abschiebung ignoriert, ob es neben diesen beiden Fällen noch weitere Fälle dieser Art gegeben hat, welche konkreten Schritte unternommen und Verfahrensabläufe geändert wurden, damit so etwas nicht nochmal passiert“, fordert Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Er kritisiert, dass sowohl Regierung als auch Opposition immer sehr schnell dabei sind, die Durchsetzung des Rechts zu fordern, wenn es um Abschiebungen und Repression gegen Geflüchtete geht, aber schwerwiegende Verletzungen der Grundrechte von Geflüchteten auf parteiübergreifende Gleichgültigkeit stoßen.
Inzwischen hat der Betroffene in Schallstadt laut Presse eine Ausbildungsduldung in Aussicht. „Daran wird eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Fällen sichtbar, neben der versuchten Durchsetzung einer rechtswidrigen Abschiebung, nämlich die Hartnäckigkeit, mit der Behörden versuchen, Menschen abzuschieben, die eine konkrete Perspektive auf einen legalen Aufenthalt hat. Dies zeigt leider einmal mehr, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte ‚konsequente Anwendung von Bleiberechtsmöglichkeiten‘ seitens der Behörden nicht umgesetzt wird. Wir fordern die Landesregierung abermals dazu auf, Wort zu halten und dafür zu sorgen, dass solche Abschiebungsversuche nicht mehr stattfinden.“, so Seán McGinley abschließend.
Heilbronn: Angebot für alle, die mit traumatisierten Geflüchteten arbeiten
Die Citykirche Heilbronn bietet zusammen mit der ARGE-Flüchtlingsarbeit Heilbronn ein Gesprächs- und Schulungsangebot für Gastgebende und Unterstützer*innen an. Kontaktpersonen und Gastgebende von traumatisierten Geflüchteten können sich kostenlos informieren und schulen lassen für den Umgang mit Menschen, die in Kriegsgebieten, auf der Flucht oder nach ihrer Ankunft in Deutschland (z.B. durch Todesnachrichten aus der Heimat) traumatisiert wurden. Zweimal im Monat stehen geschulte Fachkräfte zur Verfügung, um den Austausch zu begleiten, Fragen zu beantworten und Hilfestellungen
zu geben. Ausführliche Informationen sowie alle Termine finden Sie in einem Flyer der Citykirche.
Chancen-Aufenthalt? Baden-Württemberg schiebt lieber schnell noch ab
Flüchtlingsrat kritisiert bevorstehende Abschiebung einer Person, die von der neuen Regelung der Bundesregierung profitieren würde
Wenige Tage nachdem das Bundeskabinett das neue Chancen-Aufenthaltsrecht verabschiedet hat, welches Menschen, die am 01.01.22 seit fünf Jahren in Deutschland aufhältig waren und zudem weitere Voraussetzungen erfüllen, die Option auf einen einjährigen Aufenthaltstitel gibt, steht mindestens ein potenzieller Nutznießer der neuen Bleiberechtsoption in Baden-Württemberg vor der Abschiebung. Möglich ist dies, da der Gesetzesentwurf erst nach der Sommerpause im September verabschiedet werden soll und es bis dahin in Baden-Württemberg nicht wie in anderen Ländern eine sogenannte „Vorgriffsregelung“ für Fälle gibt, die alle Anforderungen erfüllen.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat von dem Fall eines Mannes aus Sri Lanka erfahren, der seit zehn Jahren in Deutschland lebt und alle Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG erfüllt, bis auf den Besitz eines gültigen Reisepasses. Diesen hat er beantragt, aber noch nicht erhalten. Der Betroffene hat das Deutschniveau B1 erreicht, hat einen Vollzeit- und einen Minijob, hat den „Leben in Deutschland“-Test bestanden, keine strafrechtlichen Verurteilungen, und ist darüber hinaus ehrenamtlich in seiner Kirchengemeinde aktiv. Jetzt sitzt er in Pforzheim in Abschiebungshaft.
„Genau für solche Personen ist das neue Chancen-Aufenthaltsrecht gedacht. Würde man ihm noch etwas Zeit einräumen, bis sein beantragter Pass vorliegt, würde er ein legales Aufenthaltsrecht erwerben. Wäre das Gesetz zum Chancen-Aufenthalt schon in Kraft, könnte er davon profitieren. Und wenn Baden-Württemberg eine Vorgriffsregelung hätte, wie es viele andere Bundesländern haben, würde er nicht abgeschoben werden“, erklärt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.
Gleichzeitig befinden sich zwei weitere Personen aus Sri Lanka in Abschiebungshaft, die mit unbefristeten Vollzeitverträgen berufstätig sind, keine Straftaten begangen haben und seit 2017 in Deutschland sind. Für den Chancen-Aufenthalt in seiner aktuellen Form kommen sie nicht in Frage, weil dieser am ursprünglichen Stichtag des 1. Januar 2022, an dem der fünfjährige Aufenthalt gegeben sein muss, festhält – aus Sicht des Flüchtlingsrats ein Beispiel dafür, warum dieser Stichtag aus dem Gesetzesentwurf gestrichen werden muss.
Bereits im vergangenen Jahr hatte es mehrere Fälle gegeben, in denen Abschiebungen bei Personen eingeleitet wurden, die eine konkrete Bleibeperspektive in Aussicht hatten. Der Fall von Andi Olalere Adegbite aus Bad Schönborn in Landkreis Karlsruhe erregte dabei besondere Aufmerksamkeit. Seine Abschiebung war bereits eingeleitet worden, obwohl er die Voraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung erfüllte. Aufgrund der Bemühungen seiner Unterstützer*innen, seines Arbeitgebers und des Flüchtlingsrats konnte die Abschiebung gerade noch abgewendet werden. Mittlerweile hat er eine Aufenthaltserlaubnis.
Vor einem Jahr hat die Landesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt, alle rechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um Bleiberechtsoptionen zu nutzen und darüber hinaus Betroffene rechtzeitig entsprechend zu beraten, bevor eine Abschiebung droht. Nach Erfahrung des Flüchtlingsrats ist der Gegenteil der Fall: „Die Behörden scheinen stattdessen darauf aus zu sein, möglichst viele Abschiebungen zu ermöglichen, bevor ein Bleiberecht ‚droht‘. Die Weigerung der Landesregierung, eine Vorgriffsregelung zum Chancen-Aufenthaltsrecht einzuführen – mit der hahnebüchenen Ausrede, dies sei rechtlich gar nicht zulässig, obwohl es vor drei Jahren mal eine solche Regelung gab – lässt befürchten dass es viele weitere solche Fälle geben wird. Wir fordern die Landesregierung auf, die Abschiebungen sofort zu stoppen, endlich die lange geforderte Vorgriffsregelung einzuführen und Position zu beziehen gegen diese wiederholten Missachtung des Koalitionsvertrages.“, so Seán McGinley.
Praktikant*in ab Mitte Oktober gesucht
Wir suchen ab Mitte Oktober ein*e Praktikant*in für den maximalen Zeitraum von drei Monaten. Für ein Vollzeitpraktikum zahlen wir eine Aufwandsentschädigung von 400 €. Teilzeitpraktika sind nach Absprache mit geringerer Aufwandsentschädigung möglich.
Das Praktikum umfasst folgende Tätigkeiten:
- Einblick in die Arbeit des Flüchtlingsrats (Fortbildungen, Fachtagungen, Beratung, Vernetzungsveranstaltungen etc.)
- Länderspezifische Recherchen und Öffentlichkeitsarbeit
- Unterstützung in IT-Fragen, Büromanagement und -verwaltung
- Mitarbeit beim Verfassen unserer Publikationen (Newsletter, Magazin „Perspektive“, verschiedene Flyer etc.)
- ggf. Unterstützung als Übersetzer*in
Wir freuen uns besonders über Bewerbungen von Menschen mit Fluchthintergrund.
Wenn Sie Interesse haben, schreiben Sie uns gerne unter info@fluechtlingsrat-bw.de.
Freiburg: Grenzen überwunden – auf Barrieren gestoßen: Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung
Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung haben das Recht auf besonderen Schutz. Was heißt das genau und wie wird der Anspruch auf Schutz umgesetzt? Wer ist genau gemeint, wenn man von Geflüchteten mit einer Behinderung spricht? Und vor allem: Wie könnte eine gute Unterstützung dieser Zielgruppe aussehen? Diese und weitere Fragen werden in der Fortbildung thematisiert.
Neben rechtlichen Fragestellungen spielt auch die Einstellung zum Thema Flucht und Behinderung in der Fortbildung eine wichtige Rolle. Auch Fallbeispiele und ein Film, in dem Betroffene sich zu Wort melden, sind Teil der Fortbildung.
Referentinnen: Kawther Ali (Leiterin des mehrsprachigem Treffpunkts für Frauen zum Thema Behinderung) und Maria Stehle (Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche)
AKTUELLER HINWEIS: Die Fortbildung findet statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, bei Interesse können Sie einfach dazukommen.
Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit. Die kostenlose Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.