Pragmatische Aufnahme statt Abwehrpolitik

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert zusammen mit PRO ASYL und den Landesflüchtlingsräten anlässlich des Flüchtlingsgipfels am Donnerstag im Bundesinnenministerium eine lösungsorientierte Unterbringungspolitik, die menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter unabhängig ihrer Herkunft sowie eine Entlastung der Ausländerbehörden.

Seit Jahren geraten Bundesregierung, Länder und Kommunen immer wieder in den Krisenmodus, wenn es darum geht, geflüchtete Menschen in Deutschland aufzunehmen. In einer von gewaltsamen Konflikten erschütterten Welt ist jedoch damit zu rechnen, dass Fluchtbewegungen Europa auch in Zukunft erreichen werden. Daher appelliert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg an die Politik, mit gebündelten Kräften an der menschenwürdigen Aufnahme Geflüchteter unabhängig ihrer Herkunft zu arbeiten und zukunftsorientierte Unterbringungslösungen auf die Beine zu stellen, statt ihre Energie durch Abschottungspolitik zu verschwenden. „Die Menschenverachtung, mit der deutsche Politiker*innen aus ihrer privilegierten Situation heraus zwischen guten und schlechten Geflüchteten unterscheiden ist unerträglich“, so Anja Bartel vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. „Über die Aufnahme der Ukrainer*innen hinaus dürfen Geflüchtete aus anderen Ländern nicht vergessen werden.“

Um Kommunen in der aktuellen Situation zu entlasten und auch eine Aufnahme zukünftiger Schutzsuchender vorzubereiten, fordert der Flüchtlingsrat eine grundlegende Reform des aktuellen Unterbringungssystems. In einem ersten Schritt sollten zumindest Asylsuchende von der Verpflichtung zur Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung befreit und die Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte abgeschafft werden. „Es ist absurd, dass die Politik über einen Mangel an Unterbringungsplätzen klagt, während gleichzeitig Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen festsitzen, die eigentlich bei Bekannten unterkommen könnten“, merkt Bartel vom Flüchtlingsrat an. „Es ist höchste Zeit, endlich die Weichen für eine zukunftsorientierte Unterbringungspolitik zu stellen.“ PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern zudem, dass sich die Politiker*innen beim Flüchtlingsgipfel auch mit der Überlastung der Ausländerbehörden befassen. Die monatelangen Wartezeiten auf einen Termin sind eine enorme Belastung für die betroffenen Menschen, da sie in der Zeit Jobangebote verlieren können oder Angst vor der Abschiebung haben. Mit einem Maßnahmenkatalog, der letzte Woche an die Innenministerien von Bund und Länder verschickt wurde, schlagen PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte konkrete Maßnahmen vor, die zu einer kurzfristigen Entlastung führen würden. Darüber hinaus braucht es mehr Personal und einen grundsätzlichen Mentalitätswandel, um den von der Bundesregierung angekündigten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik auch in den Behörden voranzutreiben.


Kampagne: 30 Jahre sind genug – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen

In den zurückliegenden 30 Jahren gab es, vor allem von den Betroffenen selbst, kontinuierliche bundesweite Protestaktionen gegen soziale Ausgrenzung, Ungleichheit und die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Denn: obwohl das hiesige Existenzminimum bereits niedrig gerechnet wird und nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreicht, erhalten Personen im AsylbLG noch weniger. Der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg fordert die Abschaffung des rassistischen Asylbewerberleistungsgesetzes  und ruft zu einer Kampagne mit einer bundesweiten Aktionswoche vom 20. – 26. Mai 2023 auf.

Auf der Kampagnenwebsite finden sich dazu aktuelle Informationen und Materialien. Es gibt die Möglichkeit, einen offenen Brief an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mitzuunterzeichnen, lokale Aktionen für die Aktionswoche zu publizieren und sich zu den laufenden Vernetzungstreffen anzumelden.


Workshop: Was hat Flucht mit Kolonialismus zu tun?

Spätestens seit dem sogenannten „langen Sommer der Migration“ (2015) wird in der deutschen Öffentlichkeit viel über die Bekämpfung von Fluchtursachen gesprochen. Parallel zu dieser Diskussion rückte in Deutschland und der EU spätestens seit der Ermordung George Floyds und des Globalwerdens der Black Lives Matter-Bewegung die Frage nach dem Fortbestehen kolonialer Strukturen immer mehr in das Zentrum. Die Verbindungen zwischen Ursachen von Flucht, „irregulärer“ Migration und dem Fortbestehen kolonialer Strukturen werden jedoch selten reflektiert.

Im Workshop werden wir die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Flucht aufgreifen und analysieren. Außerdem werden wir gemeinsam mit den Teilnehmenden notwendige Handlungsoptionen erarbeiten.

Veranstaltungsort: Forum 1, Erbprinzenstraße 30, 75175 Pforzheim

Der Workshop wird veranstaltet von der Seebrücke Pforzheim und der Katholischen Kirche Pforzheim.

Anmeldung: severin.moosmann@kath-pforzheim.de


„Risiken für Kinder & Jugendliche auf der Flucht“

Am 01. März veranstaltet ECPAT Deutschland e.V. ein Online Seminar zum Thema „Risiken für Kinder & Jugendliche auf der Flucht“, mit Andrea Hitzke (Dortmunder Mitternachtsmission) als Referentin. Das Angebot richtet sich an alle, die sich haupt- und ehrenamtlich im Aufnahmesystem für Geflüchtete in Deutschland engagieren. Der Ukraine Krieg und die daraus resultierende große Fluchtbewegung haben gezeigt, wie hoch das Engagement in der deutschen Zivilgesellschaft ist zu helfen. In Fluchtsituationen sind besonders Kinder und Jugendliche dem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zu werden. Um Betroffenen helfen zu können bedarf es Wissen zur Identifizierung und Hilfemöglichkeiten bei allen, die Teil des Aufnahmesystems sind. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten, indem wir Raum schaffen für Informationsaustausch, gemeinsame Diskussionen und Fragen.


Solidarität mit den Frauen und den Hazara in Afghanistan

Die Seebrücke Stuttgart, der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V., AK Asyl, Just Human e.V., der Deutsch-Afghanische Verein und die Afghanische Community rufen erneut zur Demonstration auf, um auf die sich weiter zuspitzende Situation in Afghanistan aufmerksam zu machen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich Haltung zu zeigen und

-das Bundesaufnahmeprogramm unmittelbar zugänglich zu machen und sofort zu starten

-sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass afghanische Frauen und Mädchen Zugang zu ihren Grundrechten haben, insbesondere denen auf Bildung, Teilhabe und Gleichheit vor dem Gesetz

-sich für die Schaffung einer internationalen, unabhängigen Menschenrechtskommission zur Überwachung der Einhaltung der Frauen- und Menschenrechte sowie der Verfolgung und Bestrafung von Gewalt an Frauen in Afghanistan einzusetzen

-einen vollständigen Abschiebestopp für Afghan*innen zu erlassen, der verhindert, dass Menschen innerhalb Europas hin- und hergeschoben werden

Lage in Afghanistan
Seit der Machtübernahme der Taliban hat ein neues Kapitel des Terrors mit systematischen Hinrichtungen, Anschlägen, Zwangsehen und dem radikalen Einschränken von Frauenrechten begonnen. Inzwischen ist Afghanistan das einzige Land der Welt, in dem Frauen von der Bildung derart drastisch ausgeschlossen sind. Während die Rechte der Frauen immer weiter eingeschränkt werden, schaut die Welt zu. Obwohl die internationale Gemeinschaft jahrzehntelang im Land war und dies der Grund für die individuelle Gefährdung vieler Menschen ist, scheint man keinerlei Verantwortung zu spüren. Deutlich wird das hier vor allem bei der schleppenden Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms (BAP), in dessen Rahmen bis heute noch kein einziger Mensch nach Deutschland gelangt ist.

Bundesaufnahmeprogramm hat seit Oktober noch niemanden aufgenommen
Eine unterbesetzte Koordinierungsstelle, keine Finanzierung für Meldestellen, ein völlig unklares Auswahlverfahren, keine direkte Zugänglichkeit für Betroffene: Das BAP ist bis jetzt eine leere Worthülse geblieben. Zehntausende Menschen haben sich bereits bei diversen Organisationen gemeldet, teilweise in äußerst prekären Situationen und häufig aus Verstecken heraus, in denen sie seit Monaten ausharren und auf Hilfe von im Ausland lebenden Verwandten angewiesen sind. Anstatt vor allem den Frauen und den Menschen, die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit dem Westen ins Fadenkreuz der Taliban geraten sind, unbürokratisch die Hand zu reichen, lässt man sich Zeit bei der Umsetzung eines hürdenreichen und exkludierenden Konstrukts, welches ohnehin viel zu spät kommt. Genau in einer solchen Situation muss eine Stadt, die sich als „Sicherer Hafen“ deklariert hat, ihren Versprechen nachkommen und deutlich Aufnahmebereitschaft zeigen.

Stadt Stuttgart versäumt sämtliche Ziele des „Sicheren Hafen“- Konzepts
Doch in Stuttgart ist es seit Jahren bei der bloßen Erklärung zum Sicheren Hafen geblieben – weder wurde eine Aufnahmebereitschaft über die Zuteilungsquote hinaus kommuniziert, noch sich für ein Landesaufnahmeprogramm für Afghan*innen oder für die Aufnahme von Menschen an den Außengrenzen der EU eingesetzt – obwohl dies im Koalitionsvertrag steht. Mehr noch: Im November letzten Jahres hat sich Migrationsministerin Gentges gegenüber dem Bundesinnenministerium sogar gegen das geplante BAP für Afghanistan ausgesprochen! Es ist mehr als überfällig, dass Stuttgart endlich seiner Verantwortung als Sicherer Hafen nachkommt, anstatt sich hinter einem leeren Symbolbild zu verstecken. Die Stadt muss der Bundesregierung klar und deutlich kommunizieren, dass gefährdete Afghan*innen, die sich derzeit noch in Afghanistan oder in der Region befinden, in Stuttgart aufgenommen werden können!


Online-Fachtag: Fünf Jahre Istanbul Konvention in Deutschland – Geflüchtete Frauen im Fokus

Im Rahmen des Fachtags wird ein Überblick über grundlegende Rechte im Aufnahme- und Asylsystem gegeben. Der Fokus dabei liegt vor allem bei geschlechtsspezifischen Aspekten und den Auswirkungen auf Schutz vor Gewalt. Die aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten geflüchteter Frauen werden aufgezeigt, wie sie geltend gemacht werden können, aber auch die Hürden für ein Leben frei von Gewalt. Dabei geht es auch um die Möglichkeiten Deutsch zu lernen, eine Ausbildung machen zu können und finanziell unabhängig zu sein. Außerdem werden wir einen Blick auf individuelle Unterstützungsangebote, als auch die Bedeutung von Unterstützung in den eigenen Netzwerken werfen.

Hier finden Sie das ausführliche Programm.

Der online Fachtag ist kostenlos und wird vom bayrischen Flüchtlingsrats im Rahmen des Projekts We talk! Gewaltschutz für geflüchtete Kinder und Mütter durchgeführt.

Anmelden können Sie sich mit einer E-mail an: frauen@fluechtlingsrat-bayern.de


basiswissen.asyl.net: Neue Inforessource für Geflüchtete und Unterstützende

Zum Jahresbeginn ist die Website basiswissen.asyl.net online gegangen. Der Nachfolger des Portals fluechtlingshelfer.info richtet sich an geflüchtete Menschen und ihre Unterstützer*innen und bietet einen Überblick über Materialien und Handreichungen zu wichtigen asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen sowie zum Leben in Deutschland. Entsprechend umfassen die einzelnen Rubriken Themen wie „Asylverfahren“ und „Familiennachzug“ ebenso wie „Lernen und Arbeiten“, „Freiwilliges Engagement“ oder „Schutz vor Diskriminierung“.

basiswissen.asyl.net ist das neueste Informationsangebot des Informationsverbundes Asyl und Migration und ergänzt die bisherigen Informationsangebote asyl.net und familie.asyl.net, indem es einführende, grundständige Informationen und einen Überblick über weiterführende Materialien bietet. Es besteht aus zwei Bereichen: Unter „Wissen kompakt“ finden Sie 70 thematische Beiträge, untergliedert in elf inhaltliche Kategorien. Die einzelnen Beiträgen beinhalten einführende Informationen sowie Links auf weiterführende Materialien. Im Bereich „Informationen in verschiedenen Sprachen“ finden Sie 30 Beiträge, in denen wir mehrsprachige Materialien zu einer breiten Palette von Themen gesammelt haben.


Fortbildung: Wer profitiert vom Chancenaufenthaltsrecht?

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht will die Bundesregierung Ausländer*innen, die sich seit langem in Deutschland aufhalten, eine Bleibeperspektive ermöglichen. In der Fortbildung werden die Voraussetzungen des Chancenaufenthaltsrechts vorgestellt, mögliche Fallstricke benannt und praktische Tipps gegeben, wie die Chance im Einzelfall möglichst effektiv genutzt werden kann. Dabei besteht auch Raum für Austausch und Fragen, die darüber hinaus gehen.

Referentin: Maren Schulz, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Adresse: Zeppelinstraße 21, 69469 Weinheim

Die Veranstaltung ist kostenlos und eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Veranstaltet vom Arbeitskreis Asyl Weinheim in Kooperation mit dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, unterstützt durch das Ministerium der Justiz und für Migration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.


Behördenunabhängige Asylverfahrensberatung

Die Bundesregierung hat ein Förderprogramm für den Aufbau einer behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung gestartet. Dieses war war Teil eines zum neuen Jahr in Kraft getretenen Gesetzes, demnach der Bund zur Förderung einer flächendeckenden, behördenunabhängigen Beratung verpflichtet ist. So wurde durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren am 1. Januar 2023 unter anderem §12a des Asylgesetzes (AsylG) vollständig neu gefasst. Darin heißt es nun in Satz 1: „Der Bund fördert eine behördenunabhängige, ergebnisoffene, unentgeltliche, individuelle und freiwillige Asylverfahrensberatung.“ Mit der Beratung im Sinne des §12a AsylG sollen künftig also nichtstaatliche Organisationen beauftragt werden. Der Förderaufruf wurde auf der Webseite des BAMF veröffentlicht.

Weitere Informationen finden Sie hier: