Gemeinsames Europäisches Asylsystem: Faktencheck von PRO ASYL

Seit der Entscheidung über die EU-Asylreform im Europäischen Rat versuchen Mitglieder der Bundesregierung, u.a. Annalena Bärbock und Olaf Scholz, die Zustimmung dazu zu rechtfertigen – und greifen dabei immer wieder auf unrichtige und unkorrekte Behauptungen zurück. Diese widerlegt PRO ASYL im Faktencheck.



Unterbringung: So schaffen Kommunen das

2022 flüchteten etwa 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland – circa eine Million davon aus der Ukraine. Viele Kommunen meldeten sich in den vergangenen Monaten zu Wort, dass sie keinerlei Kapazitäten mehr hätten, Geflüchtete aufzunehmen, Belastungsgrenzen erreicht seien und Aufnahmestopps notwendig wären. Solidarität und Asyl müssen Grenzen haben, so suggerieren diese Stimmen. Aber dass das keine Lösung sein kann, zeigen die gewaltsamen Konflikte, die globale Ungerechtigkeit und steigenden Fluchtbewegungen. Ein Blick in das System „Aufnahme“ werfen Mitarbeitende zweier Kommunen. Ihre Recherche zeigt ein sehr unterschiedliches Bild von den kommunalen Belastungen. Was führt zu Belastungen und wie kann Aufnahme gelingen? Diese und mehr Fragen beantwortet die Analyse, die der MEDIENDIENST Integration in Auftrag gab.



Selektive Solidarität? Wovon Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen abhängt

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat im Frühjahr 2023 Daten zur Flüchtlingssolidarität in Deutschland erhoben. In einer sog. Vignetten-Studie haben Befragte eine kurze Beschreibung einiger Geflüchteten in Deutschland gelesen und angegeben, inwieweit sie ihnen solidarisch gegenüberstehen. Die Geflüchteten unterschieden sich nach Herkunftsland, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Ausbildungsstatus und Bleibe- bzw. Rückkehrabsicht.

Es zeigt sich: Erhebliche Teile der Bevölkerung sind bereit, aktiv für Flüchtlinge einzustehen. Vor dem Hintergrund steigender Zahlen von geflüchteten Menschen auch aus anderen Weltregionen ist bedeutsam, dass es dieses Unterstützungspotenzial nicht nur für ukrainische Flüchtlinge gibt, sondern auch für Schutzsuchende aus anderen Ländern. Dennoch würde ukrainischen, christlichen, hochgebildeten Frauen mit Rückkehrabsicht laut der Untersuchung besonders häufig Hilfe entgegengebracht. Neben den Eigenschaften der Flüchtlinge wurden persönliche Eigenschaften der Befragten betrachtet. Als besonders relevant für ihre Solidarität erweisen sich politische Einstellungen, das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit sowie Vertrauen in Institutionen. Besonders die kommunale Ebene könnte daher eine wichtige Rolle spielen: Wo auf den Bedarf der schon ansässigen Bürger*innen eingegangen wird, ist ein positiver Effekt auf die Flüchtlingssolidarität zu erwarten.



Online-Veranstaltung: Moldau – Ein Sicheres Herkunftsland für Roma?

Die Bundesregierung plant, die Republik Moldau zum „Sicheren Herkunftsstaat“ zu erklären. Dahinter steckt der Wunsch, Menschen aus diesem Staat davon abzuhalten, in Deutschland Asyl zu beantragen beziehungsweise sie schneller abschieben zu können. Die meisten Menschen aus Moldau, die nach Deutschland flüchten, sind Roma. In Deutschland wird ihnen unterstellt, nur aus „wirtschaftlichen Gründen“ Asyl zu beantragen, motiviert durch angeblich besonders großzügige Sozialleistungen. Doch wie ist die Situation der Roma in Moldau wirklich? Warum fliehen Roma aus Moldau und was passiert mit denen, die abgeschoben wurden? Was passiert hier in Deutschland mit den geflüchteten Roma aus Moldau und welche Konsequenzen wird die Einstufung als „sicheres Herkunftsland“ für sie haben.

Organisator*innen: Roma Center/ Roma Antidiscrimination Network

Beteiligte: Elena Sirbu von der Organisation „Roma Women Platform ROMNI“ aus Moldau, Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat Berlin
Anmeldung unter: sean.mcginley@roma-center.de

Eine Veranstaltung im Rahmen der Kampagne#MoldauNichtSicher#MoldovaNotSafe


55 Organisationen warnen: Tiefpunkt bei europäischer Asylreform noch nicht erreicht!

Nachdem die Einigung der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 über massive Verschärfungen im EU-Asylrecht bereits starke Kritik hervorgerufen hat, warnen nun 55 Menschenrechts- & Kinderrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und entwicklungspolitische Organisationen davor, dass mit der aktuell zwischen den Mitgliedstaaten diskutierten Verordnung im Fall von Krisen, höherer Gewalt und Instrumentalisierung die letzten verbliebenen Standards noch untergraben werden sollen. Die Bundesregierung wird aufgerufen, sich gegen diese Verordnung zu stellen und in den Verhandlungen im Rat eine klare rote Linie zu ziehen.

„Während der Politikbetrieb kurz vor der Sommerpause steht, werden zwischen den Mitgliedstaaten Vorschläge verhandelt, die die bislang beschlossenen Verschärfungen noch übertrumpfen“, warnt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. Die mit der Zustimmung der Bundesregierung bereits getroffene Einigung eröffnet unter anderem mit der Ausweitung „sicherer Drittstaaten“ die Möglichkeit zum Ausstieg aus dem Flüchtlingsschutz. Die nun diskutierten Vorschläge für den Fall einer „Instrumentalisierung von Migration“ sind darüber hinausgehend ein Rezept für brutale Pushbacks, wie man sie zum Beispiel seit 2021 an der polnisch-belarussischen Grenze sieht. Wer es überhaupt schafft einen Asylantrag zu stellen, kann für bis zu fünf Monate an der Grenze inhaftiert werden. Schon im Normalfall werden in Grenzverfahren keine fairen Asylverfahren stattfinden, je mehr Menschen an den Außengrenzen festgehalten werden, desto katastrophaler wird die Situation.

„Dass die Vorschläge zur Instrumentalisierung nach ihrem zwischenzeitlichen Scheitern im letzten Dezember nun erneut diskutiert werden, ist brandgefährlich. Die Bundesregierung muss bei ihrer Position bleiben und diese Rückendeckung für massive Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen strikt ablehnen! Würde sie ihren Koalitionsvertrag und die darin enthaltene Verpflichtung für Menschenrechte und Flüchtlingsschutz in Europa ernst nehmen, so müsste sie sich aber grundsätzlich gegen die Reform stellen“, fordert Wiebke Judith.

Die schwedische EU-Präsidentschaft hatte noch auf den letzten Metern ihrer Präsidentschaft die „Verordnung für Ausnahmen im Falle von Krisen, Instrumentalisierung und höherer Gewalt“ (Stand 23. Juni 2023) auf den Weg gebracht, nun macht die spanische Präsidentschaft seit Juli unter Hochdruck mit den Vorschlägen weiter. Es sollen unter anderem die Verzögerung von Registrierungen, die Verlängerung von Grenzverfahren – dann für so gut wie alle Gruppen von Geflüchteten – sowie massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards möglich werden. Die von der Bundesregierung für die GEAS-Reform gewünschten Ausnahmen vom Grenzverfahren für Kinder oder andere vulnerable Personen wären dem Verordnungsentwurf nach vom Tisch. Auch droht eine Legitimierung der Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen.

Die 55 Organisationen stellen gemeinsam fest: „Die Verordnung für den Fall von Krise, Instrumentalisierung und höherer Gewalt droht an den Außengrenzen den schon bestehenden Ausnahmezustand rechtlich zu zementieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Europäisches Recht muss wieder angewendet werden – die vorgelegte Verordnung verbiegt aber das Recht und ermöglicht es, das geltende Recht an den Außengrenzen zu brechen.“

Bereits im Dezember 2022 appellierten 35 Organisationen an die Bundesregierung, dem damaligen Vorstoß für eine Instrumentalisierungsverordnung nicht zuzustimmen. In ihrem Prioritätenpapier spricht sich die Bundesregierung gegen die Aufnahme der Verschärfungen im Fall einer Instrumentalisierung aus. Im Beschluss des Grünen Länderrats in Bad Vilbel zur Flüchtlingspolitik steht zudem: „Die Rechte von Menschen zu beschneiden, die durch autoritäre Staaten instrumentalisiert werden, lehnen wir ab.“


Arbeitshilfe: Energiekosten – Energierückstände – Energieschulden

Steigende Energiekosten treiben immer mehr Menschen in Armut und Schulden. Besonders stark trifft es Menschen, die sowieso schon am unteren Existenzminimum leben. Die Arbeitshilfe des Fachausschusses Schuldner- und Insolvenzberatung der Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtshilfe in Bayern (LAG Ö|F) gibt einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichsten
Facetten im Zusammenhang Energiearmut. So geht es unter anderem auch um den Einsatz von Sozialleistungen im SGB II und SGB XII. Diese Leistungen erhalten Geflüchtete mit einer Anerkennung im Asylverfahren sowie Geflüchtete aus der Ukraine, die vorübergehenden Schutz bekommen haben (§ 24 AufenthG).