Podiumsdiskussion zur Bilanz der Landesregierung

Das Asylzentrum e.V., der AK Asyl Südstadt und die Katholischen Gesamtkirchengemeinde Tübingen veranstalten am 20.06.2022 um 19.30 Uhr in Tübingen eine Poduiumsdiskussion zur Bilanz der Landesregierung im Rahmen der Menschenrechtswoche 2022: „Ressourcen fallen nicht vom Himmel. Wovon hängen Menschenrechte ab?“

Menschenrechte werden beklagenswerterweise sehr oft auf der Welt verletzt – auch in Europa, das sich gerne selbst als „Wertegemeinschaft“ bezeichnet. Menschen ertrinken im Mittelmeer, weil wir in Europa sie nicht retten. Menschen werden an den EU-Außengrenzen zurückgeprügelt, weil unsere Gesellschaften sie nicht passieren lassen.

Dabei wird auf Tübingen, auf Baden-Württemberg geschaut: Welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden, damit die verbürgten Menschenrechte und Grundfreiheiten für Geflüchtete gewährleistet sind?

Dazu wird das Kapitel „Migration und Integration“ des Koalitionsvertrags der grün-schwarzen Landesregierung ein Jahr nach Unterzeichnung unter die Lupe genommen. Was wurde umgesetzt? Was nicht und warum? Und was fehlt grundsätzlich?

Referent*innen:

  1. Badiah Jazzaa, Jesidin, Buchautorin, 2014 vor dem IS aus dem Nordirak geflohen
  2. Dorothea Kliche-Behnke, Sprecherin für Integration der SPD-Landtagsfaktion
  3. Daniel Lede Abal, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der Grünen im Landtag und Sprecher für Migration und Integration
  4. Séan McGinley, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Leiter der Geschäftsstelle

PRO ASYL: Das Asylbewerberleistungsgesetz gehört abgeschafft!

PRO ASYL begrüßt, dass Geflüchtete aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 anstelle von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz reguläre Sozialleistungen sowie einen Anspruch auf Kindergeld und BAföG erhalten sollen. Das ist gut – andere Geflüchtete aber profitieren weiterhin nicht davon.

Am 12. Mai 2022 wird im Bundestag über den Gesetzesentwurf für das „Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz“ der Bundesregierung abgestimmt. Tritt dieses Gesetz in Kraft, sollen ukrainische Flüchtlinge ab dem 1. Juni 2022 in das normale Sozialhilfesystem (SGB II und SGB XII) eingegliedert werden anstatt wie bisher die niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erhalten. Eine sinnvolle und notwendige Gleichstellung, die aber für alle Geflüchteten gelten sollte.

„Die Eingliederung der ukrainischen Geflüchteten in die normale Sozialhilfe ist richtig – denn nur so wird ein möglichst selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilnahme an der Gesellschaft ermöglicht. Doch vielen anderen Geflüchteten wird dies weiterhin verweigert – sie unterliegen verschiedensten Einschränkungen während des Asylverfahrens, darunter den reduzierten Leistungen  des Asylbewerberleistungsgesetzes“, kommentiert Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL. „Das Asylbewerberleistungsgesetz ist gekennzeichnet durch reduzierte Geldbeträge, diskriminierende Sachleistungen und unzureichende Minimalmedizin – es gehört endlich für alle abgeschafft“, fordert Judith.

Mit den geplanten Änderungen sollen ukrainische Geflüchtete ab Juni in die reguläre Krankenversicherung aufgenommen werden. Zudem sollen sie Anspruch auf Kindergeld haben und mit BAföG finanzielle Unterstützung für Studium oder Ausbildung bekommen können.

Verzögerungen sind zu erwarten

PRO ASYL kritisiert bei der Umsetzung jedoch administrative Hürden. Die Bundesregierung setzt nämlich für den Erhalt der Sozialleistungen voraus, dass die Betroffenen über einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG (der sogenannte vorübergehende Schutz) oder bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels über eine Bescheinigung über ihren rechtmäßigen Aufenthalt verfügen (eine sogenannte Fiktionsbescheinigung) und dass ihre Fotos und Fingerabdrücke aufgenommen wurden.

Bislang stellen die Ausländerbehörden aber häufig gar keine formgerechte Fiktionsbescheinigung aus. Wiebke Judith gibt zu bedenken: „Viele Behörden schaffen es aktuell nicht, die ukrainischen Geflüchteten zeitnah zu registrieren oder nehmen die Anträge von nicht-ukrainischen Menschen, die vorher in der Ukraine gelebt haben und vor dem Krieg geflohen sind, gar nicht erst zur Prüfung an. Dadurch sind Verzögerungen bei der Auszahlung der Sozialleistungen zu befürchten.“

Hintergrund

Flüchtlinge aus der Ukraine können seit dem 4. März 2022 auf Grundlage der EU-Massenzustromsrichtlinie den „vorübergehenden Schutz“ in Deutschland bekommen. Sie erhalten dadurch vergleichsweise unkompliziert ein Aufenthaltsrecht und nun auch Zugang zum normalen Sozialleistungssystem, ohne vorher ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Bisher hatten sie lediglich Anspruch auf die reduzierten Sonderleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – so wie viele andere Geflüchtete, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden, Geduldete und einige andere Gruppen, die weiterhin den diskriminierenden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes unterworfen bleiben.

Weitere Informationen und Einschätzungen zu dem Gesetzentwurf finden Sie auf der News-Seite von PRO ASYL.


Frontex-Chef tritt zurück

Nach jahrelangen Vorwürfen zu illegalen Pushbacks von Flüchtenden im Mittelmeer ist Frontex-Chef Fabrice Leggeri zurückgetreten. Pushbacks sind (zumeist brutale) Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen Europas, die nach internationalen Recht illegal sind. Trotzdem häufen sich die Berichte, wonach Frontex in Pushbacks involviert war oder zumindest davon wusste und nicht eingegriffen hatte. Es ist skandalös, dass der Direktor einer EU-Agentur Menschenrechtsverletzungen jahrelang vertuschte, Beweise manipulierte und das Parlament belog.

Wir brauchen einen demokratischen, parlamentarisch kontrollierten Grenzschutz. Nötig ist eine unabhängige Überwachung von Frontex, um sicherzustellen, dass die EU-Agentur im Einklang mit dem Völkerrecht und der EU-Grundrechtecharta agiert.



Dänemark: Auslagerung des Asylverfahrens

Die sozialdemokratische Regierung scheut sich nicht, sich unangenehme Probleme vom Hals zu schaffen, indem sie Geflüchtete wie Güter behandelt und in andere Länder verfrachten will. Ende April 2022 unterzeichneten der dänische Justizminister und seine kosovarische Amtskollegin den Vertrag über eine 10-jährige Anmietung von Haftplätzen im Gefängnis Gjilan, beginnend ab 2023. In diesem „Kosovo-Knast“ sollen 300 Abschiebehäftlinge untergebracht werden. Als ob der Plan nicht schon genüge, sollen die Insassen für die Kosten selbst aufkommen bspw. durch unbezahlte Arbeit.

Aufgrund dessen wird Kopenhagen „modernes Kolonialdenken“ vorgeworfen. Jedoch auch wegen des Plans, das komplette Asylverfahren nach Ruanda auszulagern. Dies wurde bereits von Großbritannien umgesetzt, das ein entsprechendes Abkommen mit Ruanda abgeschlossen hat. Im Gegenzug soll Ruanda dafür Geld und Bildungsangebote erhalten.

Mit wirksamen Konsequenzen der EU ist derzeit nicht zu rechnen. Die EU-Flüchtlingskommissarin hatte schon bei den illegalen Pushbacks von Flüchtenden durch Polen und Litauen nach Belarus bewiesen, dass sie mit dem Bruch von europäischen und internationalem Recht keine übergroßen Probleme zu haben scheint.


 

 


392 Abschiebungen im ersten Quartal 2022

Im ersten Quartal des Jahres wurden insgesamt 392 Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Das häufigste Zielland war dabei Nordmazedonien, wohin 76 Abschiebungen durchgeführt wurden (1. Quartal 2021: 15). Deutlich angestiegen ist auch die Anzahl der nach Pakistan abgeschobenen Personen, und zwar von 11 im ersten Quartal des Vorjahres auf nunmehr 44. Damit war Pakistan das zweithäufigsten Zielland. Im ganzen Jahr 2021 wurden 58 Personen nach Pakistan abgeschoben. Nach Gambia wurde eine Person abgeschoben. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021, wo es insgesamt 244 Abschiebungen gab, wurden 148 Personen mehr abgeschoben. Das ergibt ein Plus von über 60% gegenüber dem Vorjahr.

Abschiebungen nach Zielland

Albanien13
Algerien13
Bosnien-Herzegowina1
Bulgarien6
Estland1
Frankreich8
Gambia1
Georgien19
Ghana2
Griechenland3
Irak2
Italien43
Kolumbien1
Kosovo23
Kroatien4
Libanon1
Litauen4
Luxemburg10
Moldawien2
Montenegro1
Niederlande2
Nigeria7
Nordmazedonien76
Österreich3
Pakistan44
Polen7
Portugal6
Rumänien18
Russische Föderation1
Schweden2
Schweiz3
Senegal2
Serbien12
Slowenien5
Spanien5
Sri Lanka8
Tschechische Republik4
Tunesien15
Türkei14
Gesamtergebnis392

Abschiebungen nach Herkunftsländern

Afghanistan12
Albanien13
Algerien18
Bosnien-Herzegowina1
Eritrea2
Gambia5
Georgien19
Ghana2
Griechenland1
Irak9
Iran2
Italien2
Kamerun5
Kolumbien1
Kosovo23
Kroatien4
Libanon1
Litauen2
Marokko1
Moldawien2
Montenegro1
Nigeria15
Nordmazedonien76
Pakistan44
Polen7
Portugal1
Rumänien14
Russische Föderation1
Senegal3
Serbien22
Somalia8
Spanien1
Sri Lanka8
Syrien21
Togo2
Tschechische Republik4
Tunesien19
Türkei17
Unbekannt3
Gesamtergebnis392

Online Seminar – Schutz und Asyl bei Kriegsdienstverweigerung und Desertion

Connection e.V. und PRO ASYL veranstalten am Mittwoch den 27.04 von 14.00 – 15.30 Uhr ein Online Seminar zum Thema „Schutz und Asyl bei Kriegsdienstverweigerung und Desertion im Rahmen des Ukraine-Krieges“. Als Referent*innen werden Rudi Friedrich (Connection e.V.), Peter von Auer (PRO ASYL) und der RAin Antje Becker die Veranstaltung begleiten.

Noch ist nicht bekannt, wie viele Kriegsdienstverweigerer und Deserteure der im Ukraine-Krieg beteiligten Länder nach Deutschland kommen werden. Relevant wird die Frage, ob die Verweigerung eines völkerrechtswidrigen Krieges die Flüchtlingseigenschaft zur Folge haben kann, jedoch auch wie es für ukrainische Kreigsdienstverweigerer nach dem einjährigen Aufenthalt nach der Massenzustromsrichtlinie weitergehen wird, wobei die Frage einer möglichen Verfolgung wegen ihrer Verweigerung ebenfalls Bedeutung haben wird.


„Die Würde des Menschen ist abschiebbar“

Ende April gibt es mehrere Lesungen mit dem Autor Sebastian Nitschke, in welchen es um das Buch „Die Würde des Menschen ist abschiebbar“ geht, welches von Sebastian Nitschke, Lina Droste und Oumar Mamabarkindo verfasst wurde.

Das Buch vereint politische Berichte und Wissenschaft rund um das Thema Abschiebungshaft, und es kommen Themen wie Haftbedingungen, Gerichtsakten, Isolationshaft sowie Erfahrungsberichte, Portraits und Gespräche mit Inhaftierten zur Sprache. Ergänzend dazu wird auf die momentane rechtliche Lage und die historische Einordnung der Abschiebungshaft eingegangen.

Die Veranstaltungstermine lauten wie folgt:


Fachinformationen zum Familiennachzug aus Afghanistan

Der DRK-Suchdienst veröffentlichte am 08. April 2022 eine Arbeitshilfe zum Thema „Besonderheiten beim Familiennachzug aus Afghanistan“. Diese vermittelt Fachinformationen zum Familiennachzug aus Afghanistan.


Umfrageauswertung: Wohnsitzregelung gem. § 12a AufenthG

Die Wohnsitzregelung ist mittlerweile seit mehr als fünf Jahren im Gesetz verankert. Der Paritätische Gesamtverband führte im September und Oktober 2021 zusammen mit Paritätischen Mitgliedsorganisationen, sowie bei Mitarbeiter*innen anderer Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und Beratungsstellen, eine bundesweite Umfrage zu der Wohnsitzregelung gemäß § 12a AufenthG durch. Die vorliegenden Ergebnisse schildern aktuelle Problemlagen und Barrieren, von denen betroffene Geflüchtete betroffen sind.


Weiterbildung IT-Trainer*in für geflüchtete Frauen*

Die Multiplikator*innen Ausbildung von MIKADOplus richtet sich an ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende von Organisationen, die sich für geflüchtete Menschen engagieren. Die Teilnehmenden werden dazu ausgebildet, die digitale Selbstständigkeit von geflüchteten Frauen zu stärken und die technische Infastruktur zu meistern, um sich gut im Alltag zurecht zu finden. Genauere Informationen gibt es auf der Website von MIKADOplus und im Anmeldungsflyer.