Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. hat eine Online-Umfrage erstellt, die sich an Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Pflegeeltern, Beratende und weitere Personen richtet, die mit unbegleiteten Minderjährigen und unbegleiteten jungen Erwachsenen in Kontakt stehen. In einem speziellen Teil bezieht sich die Befragung aber auch auf begleitete Kinder und Jugendliche. Die Umfrage soll zum einen einen Überblick über die Situation der Jugendlichen verschaffen, die sich in Deutschland aufhalten und im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe versorgt werden, zum anderen soll sie die dort festgestellten Veränderungen über einen längeren Zeitraum festhalten.
Teilnahme an der Umfrage bis zum 04.10.2020 unter https://www.soscisurvey.de/bumfou2020/
Autor: Büro
Aktuelle Studie zeigt direkte Korrelation zwischen Menschenrechtsverstößen und EU-Migrationspolitik
Ein neuer Forschungsbericht des EU-Projekts RESPOND unter der Leitung der Universität Göttingen dokumentiert die Erfahrungen von Geflüchteten, die diese an den Grenzen Europas machen. Der Bericht „Border Experiences and Practices of Refugees“ basiert auf 507 Interviews mit Geflüchteten aus verschiedenen Herkunftsregionen. Er beschreibt die Risiken, die verschiedenen Formen von Gewalt, Entbehrungen und Leid, mit denen die Geflüchteten in Folge der europäischen Migrations- und Grenzpolitik auf ihrem Weg nach Europa konfrontiert waren.
Laut Göttinger Migrationsforscherin Sabine Hess, gibt es eine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß an lebensbedrohlichen Risiken und Menschenrechtsverstößen an den Grenzen sowie den Migrations- und Grenzpolitiken der EU. Die Migrationspolitik der EU wiederspreche den Schutzgeboten, wie sie die internationale Flüchtlingskonvention oder die europäische Menschenrechtscharta vorsieht.
Save the Children und Plan International kritisieren Bedingungen für geflüchtete Kinder in deutschen Unterkünften
In einem von Save the Children e.V. und Plan International Deutschland e.V. in Auftrag gegebenen Gutachten zeigt sich, dass die Bedingungen, unter denen Familien mit Kindern in Aufnahmeeinrichtungen für lange Zeit leben, häufig nicht vertretbar sind.
Viele von ihnen leben in engen Wohnverhältnissen ohne Rückzugsmöglichkeit und Zugang zu Bildung und Förderung. Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen von geflüchteten Kindern können mangels professioneller Beratungen und Therapien nicht ausreichend behandelt werden. Hilfsorganisationen befürchten, dass diese Lebensbedingungen sogar die gesunde Entwicklung der Kinder beeinträchtigen könnten.
Um dies zu verhindern, fordert Save the Children neben bundesweit gleichen Standards für Kinder und Jugendliche in Aufnahmeeinrichtungen auch die Garantie von professioneller Hilfe und die Förderung von Rückzugsmöglichkeiten.
Auch in der Expertise werden Handlungsempfehlungen ausgesprochen: Gestaltungsfreiräume für ein selbstbestimmtes Familienleben und Angebote für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen sollten geschaffen werden. Individuelle Bedürfnisse geflüchteter Kinder und Familien in der Gesundheitsvorsorge sowie der Kinder- und Jugendhilfe sollten berücksichtigt und entsprechende Angebote entwickelt werden.
Online-Seminar: „Ehrenamtliche Unterstützung von geflüchteten Frauen“
Das Online-Seminar widmet sich Fragen, die sich rund um das Engagement für geflüchtete Frauen stellen, insbesondere derer, die aufgrund von geschlechtsspezifischer Verfolgung geflüchtet sind. Es werden Hintergründe der Flucht sowie asylrechtliche Möglichkeiten beleuchtet.
Es richtet sich vor allem an Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit und wird von Luam Okbamicael vom Fraueninformationszentrum Stuttgart geleitet. Das Online-Seminar findet am 12. November von 18:30 bis 20 Uhr statt, die Teilnehmendenzahl ist begrenzt, eine Anmeldung ist unter folgendem Link möglich: https://www.edudip.com/de/webinar/ehrenamtliche-unterstutzung-von-gefluchteten-frauen/419554. Die Themenschwerpunkte werden anhand der Bedarfe der Teilnehmenden gesetzt. Fragestellungen und Themenwünsche können an skiba@fluechtlingsrat-bw.de geschickt werden. Im Anschluss an den Input von Frau Okbamicael gibt es Raum für ein Austauschgespräch mit den Teilnehmenden.
Eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration 2020/21“, gefördert durch das Land Baden-Württemberg, Ministerium für Soziales und Integration.
Was kommt nach Moria? – Das Ende rechtskonformer EU-Flüchtlingspolitik
Der republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. und die Avocats Européens Democrates- European Democratic Lawyers laden am 17.09.2020 um 10 Uhr zu einem deutsch-englischen Pressegespräch zur aktuellen Situation und den EU-Vorbereitungen auf ein „Moria 2.0“ via Zoom ein. Hierbei stehe „Moria“ stellvertretend für ein Versagen der zivilisatorischen Leistung in Europa, dass sich Staaten Rechten und Pflichten unterwerfen. Vertreten sein werden die griechische Rechtsanwältin Elli Kriona, die italienische Rechtsanwältin Lucia Gennari, die deutsche Rechtsanwältin Berenice Böhlo, sowie der Geflüchtete Raed Alabd aus Moria und der Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, Karl Kopp.
Anmeldungen unter gs@rav.de oder 030.417 235 55
Rechtsgutachten zeigt Grundrechtsverletzungen in Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg auf
Ein von Aktion Bleiberecht in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten vom Juni 2020 zeigt, dass die Hausordnung der Landeserstaufnahme in Freiburg und somit auch aller anderen LEAs in Baden-Württemberg in mehreren Punkten grund- und menschenrechtswidrig ist. So werden Geflüchtete zum Beispiel in ihrem Recht auf die Unverletzlichkeit ihrer Wohnungen durch Zimmerkontrollen sowie in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit und Meinungsäußerung durch ein Verbot sich politisch zu betätigen verletzt.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat die offenen Briefen an die Stadt und den Gemeinderat Freiburg, das Regierungspräsidium Freiburg und das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg mitgezeichnet. Damit fordern Aktion Bleiberecht, LEA-Watch und Weitere die sofortige grundrechtskonforme Änderung der Hausordnungen aller Landeserstaufnahmen in Baden-Württemberg, eine Abkehr von der Lagerpolitik und Maßnahmen zur Stärkung der Rechte der Bewohner.
Zum Unterzeichnen der offenen Briefe bitte eine Nachricht an info@aktionbleiberecht.de schicken.
Online-Veranstaltung „5 – Jahre Sommer des Willkommens – Was wurde geschafft, wie geht es weiter?“
Die Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz, der AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V., Aktiv für Flüchtlinge RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP laden zu der Online Veranstaltung „5 – Jahre Sommer des Willkommens – Was wurde geschafft, wie geht es weiter?“ ein. Die Veranstaltung besteht aus drei Diskussionen mit den Schwerpunktthemen
- Integration zwischen ländlichem Raum und Großstadt
- Integration im ländlichen Raum
- Integration und der urbane Raum
Sie finden im Zeitraum vom 28. September bis 2. Oktober 2020 statt. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragen: Was wurde geschafft? Wie wurde es geschafft? Wie ist die Aufnahme in Rheinland-Pfalz gelungen? Welche offenen Fragen und Herausforderungen bestehen fort?
Anmeldungen zu diesen Online-Diskussionen unter schroeder@boell-rlp.de
Am 6. Oktober 2020 findet eine Anschluss-Veranstaltung statt, in der die Ergebnisse der drei einhergegangenen Diskussionen zusammengetragen und ein ganzheitlicher Blick auf die Entwicklungen geworfen werden sollen. Vertreten sein werden das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, die Integrationsministerin Anne Spiegel, Pro Asyl, sowie die Arbeitsgemeinschaft Diakonie RLP.
Für diese Veranstaltung ist keine Anmeldung erforderlich.
BVerwG: Kein „Flüchtigsein“ während des Kirchenasyls
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 08.06.2020 (1 B 19.20) entschieden, dass kein „Flüchtigsein“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO vorliegt, wenn der Asylantragsteller sich in Kirchenasyl befindet. Ein „Flüchtigsein“ liege vor, wenn der Asylantragsteller „sich den für die Überstellung zuständigen nationalen Behörden entziehe, um die Überstellung zu vermeiden“. Dieser Fall liege aber gerade nicht vor, wenn den Behörden im offenen Kirchenasyl die Adresse des Asylbewerbers bekannt ist und der Staat deshalb „weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Überstellung durchzuführen“. Die Besonderheiten der deutschen Verwaltungsorganisation ändere dabei nicht die Auslegung des unionsrechtlichen Rechtsbegriffs des „Flüchtigsein“. Damit kann das BAMF die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren nicht von den üblichen 6 Monaten auf 18 Monate verlängern. Mit dem Beschluss schließt sich das BVerwG auch der Rechtsprechung der meisten deutschen Oberverwaltungsgerichte und des EUGH an.
Pro Asyl: Ein Jahr „Hau-Ab-Gesetz II“
Zum Jahrestag des Inkrafttretens der Gesetze aus dem „Migrationspaket“ hat Pro Asyl eine erste Bilanz dazu gezogen: Ein Jahr „Hau-Ab-Gesetze II“: Was hat sich getan?
BVerfG: Keine formale oder inhaltliche „Glaubensprüfung“ durch die Gerichte bei Asylbegehren von Konvertit*innen
Die Zahl (christlicher) Konvertit*innen aus islamisch geprägten Ländern ist recht hoch und hat damit auch eine Debatte zwischen den Kirchen, dem BAMF und den Verwaltungsgerichten ausgelöst: Inwieweit darf der Staat die Konversionen prüfen bzw. welche Beweismittel und Methoden sind zulässig, um zu überprüfen, ob die Hinwendung zum neuen Glauben aufgrund einer identitätsprägenden Bedeutung für den Konvertiten oder möglicherweise nur aus asyltaktischen Erwägungen erfolgte? Mit seiner Entscheidung vom 3.4.2020 (Az. 2 BvR 1838/15) hat das BVerfG den rechtlichen Maßstab nun geklärt:
Die Entscheidung betraf einen zum Christentum konvertierten Iraner, dessen 2011 gestellter Asylantrag vom BAMF abgelehnt wurde. Im anschließenden Klageverfahren erklärte er, dass er im Mai 2013 getauft worden sei und auch regelmäßig an kirchlichen Veranstaltungen teilnehme. Im Falle einer Abschiebung in den Iran drohe ihm deshalb eine asylrelevante Verfolgung. Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klage statt, der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim wies sie ab. Der Kläger hatte den Senat „nicht von einer die religiöse Identität prägende Hinwendung zur christlichen Religion überzeugen können“, weshalb auch keine Gefahr einer Verfolgung aus religiösen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran bestehe.
Das Bundesverfassungsgericht hat die darauffolgende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, in seiner Begründung aber wichtige Fragen geklärt, die auch für Ehrenamtliche und Rechtsanwält*innen in der Fallpraxis von Bedeutung sein können. Die Verwaltungsgerichte dürfen die Gültigkeit des Religionsübertritts nicht in Frage stellen. Irrelevant ist (hier) deshalb auch, ob der Konvertit asyltaktische Absichten verfolgt. Die folgende fachgerichtliche Prüfung, ob nach den §§ 3 ff. AsylG eine begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund des Übertritts zur christlichen Kirche besteht, verstößt dagegen weder gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, noch gegen die Glaubens-, Gewissens-, und Religionsfreiheit des Einzelnen. Entscheidend für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist die Intensität und Bedeutung der Religion für den Betroffenen. Die Anforderungen an die Beweiserhebung sind aufgrund des „hohen Werts“ der betroffenen Grundrechte hoch. Erforderlich ist eine Art Gesamtschau – zum Beispiel anhand der religiösen Vorprägung des Betroffenen oder der Dauer und Intensität des Konversionsprozesses. Zu beachten ist aber, dass es sich dabei nur um Indizien handelt. Der Beschluss macht deutlich, dass beispielweise lückenhaftes Wissen von „Lerninhalten“ der neuen Religion alleine nicht ausreichend ist, um von einer nicht identitätsprägenden Glaubensüberzeugung auszugehen.
Der identitätsprägende Glaube ist eine sogenannte Tatsache des Innenlebens, die – genauso wie ein auf die sexuelle Orientierung gestütztes Verfolgungsrisiko – sehr schwierig zu überprüfen (und beweisen) ist. Mit seiner Entscheidung hat das BVerfG klargestellt, dass das Verwaltungsgericht diese Prüfung vornehmen darf – und muss! Diese Aufgabe fällt in Asylprozessen eigentlich einer einzigen Person zu – dem/der Einzelrichter*in. Allerdings sieht § 76 Abs. 1 AsylG unter anderem in Fällen, in denen „die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art“ aufweist, eine Entscheidung durch die – aus drei Berufsrichter*innen und zwei ehrenamtlichen Richter*innen – bestehende Kammer vor: In besonders schwierigen Fällen soll statt einer Person also eine Gruppe von 5 Personen auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung erörterten Sachverhalts beraten und entscheiden. Bei einer Kammerentscheidung kommt es im Rahmen des auf die mündliche Verhandlung folgenden Beratungsgesprächs dabei zwangsläufig zu einem Austausch, in den sich alle 5 Richter*innen gleichberechtigt mit ihren Argumenten, Perspektiven und Erfahrungen einbringen können. Dagegen macht der Einzelrichter seine Entscheidung nicht selten nur mit sich selbst aus. Gerade weil die Frage, ob die klagende Person in identitätsprägender Weise glaubt, so schwierig und im Kern gar nicht juristisch ist, erscheint es angebracht, möglicherweise sogar geboten, die im Prozessrecht vorgesehenen Möglichkeiten optimal zu nutzen, um eine möglichst gute Entscheidung zu treffen. Die Chance hierauf dürfte steigen, wenn nicht nur ein, sondern 5 Richter*innen die Frage beantworten. In der Praxis sollte deshalb eine Entscheidung durch die Kammer angeregt werden. Zu einer solchen Stellungnahme gibt das Gericht in der Regel kurz nach Klageerhebung Gelegenheit.