Fachtag: Integration und innovative Konzepte

Was ist gemeint, wenn von „Integration“ gesprochen wird? Wenn wir von einem Prozess der Integration sprechen, wer trägt welche Verantwortung und wer leistet welchen Beitrag in diesem Prozess? Welche Ressourcen sind notwendig, um die Ziele, die wir vor Augen haben, wenn wir von einem Prozess der Integration sprechen, zu erreichen? Welche Rolle spielen Hauptamtliche, und inwiefern werden die vorhandenen Angebote an Unterstützung, Beratung und Begleitung den Bedürfnissen der Geflüchteten gerecht? Diesen und anderen Fragen wollen wir bei der Tagung am 10.06. Raum geben. Wir haben Expert*innen mit unterschiedlichen Perspektiven eingeladen, um mit einer Mischung aus Theorie und Praxis mit Ihnen in den Austausch zu gehen.

Da wir einen machtkritischen und reflektierten Blick auf die Rolle von Hauptamtlichen in der Arbeit mit Geflüchteten fördern wollen, empfehlen wir, dass Sie sich zur Einstimmung auf die Tagung den TED-Talk „The danger of a single story“ von Chimamanda Adichie anschauen. Für das Video sind deutschsprachige Untertitel verfügbar.

Die Tagung richtet sich primär an Personen, die hauptamtlich im Bereich Flucht und Migration tätig sind und die Inhalte sind auf diese Personen ausgerichtet. Grundsätzlich steht die Teilnahme aber allen Interessierten offen. Die Anmeldung ist nun geschlossen.

Die Teilnahme ist kostenfrei, lediglich für das Mittagessen erheben wir einen kleinen Unkostenbeitrag.

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Integration mit Perspektive Individuell. Kultursensibel.“ statt. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und der Heidehof Stiftung kofinanziert.

Programm als PDF

Programm

10.00 Begrüßung (Bärbel Mauch, 2. Vorsitzende Flüchtlingsrat BW)

10.05 Hauptvortrag „Integration als Projekt für alle“

Der Begriff Integration ist in aller Munde. Im Kontext der Geflüchtetenarbeit ist vor allem von Integrationsbedarf, Integrationsverweigerung einerseits oder gelungener Integration andererseits die Rede. Meist geht es dabei um eine ‚Bringschuld‘ der Neuankömmlinge. Warum Integration jedoch nur gelingen kann, wenn auch die Aufnahmegesellschaft selbst aktiv ist, wird Frau Prof. Dr. Treibel in ihrem Vortrag aufzeigen. Sie wird die unterschiedlichen Bedeutungen des Integrationsbegriffs erörtern und darstellen, welch‘ große Bedeutung Kooperationen, aber auch und gerade Konflikte im Projekt Integration haben. Der Vortrag mit anschließender Diskussion soll dazu anregen, unsere eigenen Handlungs- und Sprachmuster machtkritisch hinterfragen zu können.

Referentin: Prof. Dr. Annette Treibel (Professorin für Soziologie und Leiterin des Masterstudiengangs Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit an der PH Karlsruhe) 

12.30 Mittagspause

Es gibt ein vegetarisches und ein veganes Gericht, jeweils mit kleinem Salat, gegen einen Unkostenbeitrag von 6 Euro.

13.15 Arbeitsgruppen

A) Unterstützung von geflüchteten Menschen in der Ausbildung.

Auch für Menschen mit Fluchthintergrund bietet eine Ausbildung in Deutschland gute Möglichkeiten zum Erwerb von Kompetenzen sowie einer formalen Qualifikation. Gerade für Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus kann eine Ausbildung daneben eine Bleibeperspektive eröffnen, z.B. über die Ausbildungsduldung. Gleichzeitig gibt es für geflüchtete Menschen, die eine Ausbildung machen, viele Hürden und Herausforderungen – angefangen bei sprachlichen und fachlichen Schwierigkeiten in der Ausbildung über Unstimmigkeiten im Betrieb bis hin zu aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten. Hier kann eine gute Abstimmung und Arbeitsteilung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, Betrieb, Schule und HWK/IHK von großem Vorteil sein. Welche Rolle verschiedene Hauptamtliche einnehmen können, wird in diesem Workshop diskutiert. Außerdem berichtet Yonas Salomon von seinen Erfahrungen als Geflüchteter, der eine Ausbildung erfolgreich absolviert hat und gibt Tipps für andere, die diesen Weg gehen wollen und für deren Unterstützer*innen.

Referenten: Ulrich Ziegler (AK Asyl Schwetzingen) und Yonas Salomon (Azubi)

B) Trauma als besondere Herausforderung für Integration und Teilhabe?

In der Arbeit mit Geflüchteten begegnen Viele auch traumatisierten Personen. Traumatische Erlebnisse aus der Heimat oder auf der Flucht können sich vielfältig auf die Gegenwart auswirken und sich im Verhalten der Betroffenen äußern. Was ist ein psychisches Trauma eigentlich, was ist wichtig zu wissen und zu beachten? Welche besonderen Bedarfe und Herausforderungen können sich daraus im Rahmen von Integration und Teilhabe ergeben?

Referentin: Hanna Hiltner (Traumazentrierte Fachberaterin und Traumapädagogin bei refugio stuttgart e.v., Regionalstelle Tübingen).

C) Gelungene Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

Was können Haupt- und Ehrenamtliche dafür tun, um gemeinsam im Sinne der geflüchteten Menschen, die sie betreuen, agieren zu können? Welche Beispiele gibt es für gute Arbeitsteilungen, gelungene Kommunikation und sinnvolle Strukturen, die eine vertrauensvolle Kooperation fördern? Wo sind in der aktuellen Praxis Defizite und Verbesserungspotenziale? Wie bewerten geflüchtete Menschen die Unterstützung, die sie von Haupt- und Ehrenamtlichen erhalten und welche Verbesserungsbedarfe gibt es?

Referenten: Dr. Kibreab Habtemichael Gebereselassie (Sozialarbeiter / Integrationsmanager bei der AGDW Stuttgart und Dozent für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Hochschule Darmstadt) und Awali Oumorou (Multiplikator im Projekt „Integration mit Perspektive: Individuell. Kultursensibel. Nachhaltig“)

15.00 Podiumsdiskussion

Zum Abschluss der Tagung möchten wir einige Gesprächsfäden aus dem vorherigen Programm zusammenführen und uns die Frage stellen, welche Vorstellungen von Integration und gesellschaftlicher Teilhabe wir haben, welchen Beitrag wir alle jeweils leisten können, um diese Ziele zu erreichen und welche Rahmenbedingungen und Ressourcen dafür bereitgestellt werden müssen.

Teilnehmer*innen: Prof. Annette Treibel, Dr. Kibreab Habtemichael Gebereselassie, Awali Oumorou.

Moderation: Dr. Lorenz Wiese (Projektmitarbeiter, „Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer (FFVT)“, Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) 

16.00 Ende


Ehrenamtliche Unterstützung bei der Anhörungsvorbereitung von LSBTI* Geflüchteten

Lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen (LSBTI) Geflüchteten kann in Deutschland aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden. Allerdings stehen die Betroffenen im Rahmen des Asylverfahrens vor besonderen Herausforderungen und sind daher oft auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen. Für viele LSBTI* Geflüchtete ist die eigene Identität mit Scham besetzt und die Angst, offen über diese zu sprechen, groß. Mangelndes Vertrauen in staatliche Strukturen erschwert es den Betroffenen zusätzlich, in der Anhörung offen über ihre Fluchtgründe zu sprechen.

Im Fokus dieses Online-Seminars steht die Anhörungsvorbereitung von LSBTI* Asylsuchenden. In diesem Rahmen kann es unter anderem helfen, zu wissen

  • was dazu beitragen kann, ein vertrauensvolles Verhältnis herzustellen,
  • wie vor und bei der Anhörung aktiv unterstützt werden kann,
  • welche besonderen Verfahrensgarantien den Betroffenen im Asylverfahren zustehen können,
  • welchen Rahmen die Rechtsprechung für die Geltendmachung der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität feststeckt.

Aufgrund der schlechten Erfahrungen in ihren Herkunftsländern und aus Angst vor Gewalt und Anfeindungen in Deutschland entscheidet sich die große Mehrheit der LSBTI* Geflüchteten unsichtbar zu bleiben und auch den Behörden die wahren Fluchtgründe zu verschweigen. Daher stehen Ehrenamtliche bei der Unterstützung von LSBTI* Geflüchteten außerdem regelmäßig vor der Frage

  • ob ein verspätetes Outing etwas an einer negativen Entscheidung über den Asylantrag ändern kann,
  • wann es sich lohnen kann, gegen eine Entscheidung des BAMF gerichtlich vorzugehen.

All diese Fragen sowie weitere wichtige Aspekte der rechtlichen, politischen und sozialen Situation von LSBTI-Geflüchteten in Deutschland und in den Herkunftsländern sollen in dem Online-Seminar aufgegriffen und gemeinsam diskutiert werden.

Referentin: Meike Olszak, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrates BW

Das Online-Seminar richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit, die schon erste Grundkenntnisse des Asylverfahrens besitzen. Ziel ist es, die Handlungs- und Verweisungskompetenz der Teilnehmenden im Umgang mit LSBTI* Geflüchteten zu stärken.

Fragen können gerne vorab an olszak@fluechtlingsrat-bw.de geschickt werden.

Das Online-Seminar wird mit Zoom durchgeführt. Anmeldeschluss ist der 3. Juni. Die Zugangsdaten erhalten Sie einen Tag vor der Veranstaltung.

Die kostenlose Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.


Afghanistan: Bundesaufnahmeprogramm wird zur Alibi-Veranstaltung

Auf die vom Spiegel bekanntgemachten Pläne des Bundesinnenministeriums für ein Aufnahmeprogramm Afghanistan reagiert PRO ASYL empört. 

„Ein Bundesaufnahmeprogramm für 5.000 Menschen aus Afghanistan ist lächerlich“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL. „So wird ein Bundesaufnahmeprogramm zur Alibiveranstaltung. Das sind gerade einmal rund 1.000 Fälle, mit Familienangehörigen 5.000 Personen.“

Die Ministerialbürokratie des BMI  unterläuft mit ihren Finanzplanungen den Koalitionsvertrag. Ministerin Faeser und Ministerin Baerbock haben wiederholt öffentlich deutlich gemacht, dass die Aufnahme aus Afghanistan für sie eine hohe politische Priorität hat. Bei einem Gespräch mit der Zivilgesellschaft am 9. März wurden von beiden Ministerinnen klare politische Willensbekundungen abgegeben, in Afghanistan Bedrohte zu schützen. Diese werden nun nicht eingelöst. Der Finanzrahmen ist so eng gestrickt, dass die Ziele des Koalitionsvertrages nicht erreicht werden.

Im Koalitionsvertrag heißt es jedoch: „Wir wollen diejenigen besonders schützen, die der Bundesrepublik Deutschland im Ausland als Partner zur Seite standen und sich für Demokratie und gesellschaftliche Weiterentwicklung eingesetzt haben.“

Es ist skandalös, dass nun das Bundesinnenministeriums dem Deutschen Bundestag mitteilt, dass aufgrund der noch fehlenden politischen Einigung auf eine Größenordnung für 2022 und die Folgejahre eine Planung bei einer Kostenkalkulation von 5.000 Personen ansetzt und nur hierfür die finanziellen Mittel fordert.

„Deutschland  zeigt großartige Solidarität mit den Menschen, die aus der Ukraine vor dem Krieg fliehen. Aber die Menschen, die sich in Afghanistan für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt haben, werden nun von Deutschland im Stich gelassen, sollte sich dieser Vorschlag durchsetzen“, warnt Burkhardt. Burkhardt appelliert an Bundesinnenministerin Faeser, „diese Pläne ihres Hauses einzukassieren“.

Dem Auswärtigen Amt wurden im vergangenen Sommer viele tausend gefährdete Personen gemeldet. Bei Nichtregierungsorganisationen liegen zehntausende von Emails vor, die Anträge der Betroffene auf Schutz wurden vielfach ministeriell nicht bearbeitet. Nur ein Bruchteil wurde für die sogenannte Menschenrechtsliste berücksichtigt. Was zu tun ist, wurde im  Zehn-Punkte-Plan von PRO ASYL, Kabul Luftbrücke und dem Patenschaftsnetzwerk Afghanistan zur Aufnahme und Evakuierung Verfolgter Mitte Februar formuliert.

Eine Zusammenfassung des Zehn-Punkte-Plans finden Sie hier.


Broschüre „Gambia nach der Diktatur“

2019 veröffentlichte der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg eine viel beachtete, zweisprachige (Deutsch und Englisch) Broschüre unter dem Titel „Gambia nach der Diktatur“. In dieser schrieben Expert*innen aus Gambia über die aktuelle Lage in dem Land, das sich gerade in einem Transformationsprozess nach der Abwahl des langjährigen Diktators Jammeh befindet. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe wurde die Broschüre vorgestellt, und ihre Inhalte sowie weitere Themen rund um Gambia, gambischen Geflüchteten und Fluchtursachen diskutiert.

Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, und es hat sich im Gambia einiges weiterentwickelt. Die Broschüre ist natürlich nicht mehr ganz aktuell, aber in vielerlei Hinsicht dennoch weiterhin interessant. Wir veröffentlichen deshalb die Broschüre (die ursprünglich gegen eine kleine Schutzgebühr bestellt werden konnte) nun als frei zugängliche PDF-Datei. Falls Sie noch gedruckte Exemplare haben möchte, schreiben Sie uns gerne an: info@fluechtligsrat-bw.de.


119 Ukrainer*innen aus Moldau aufgenommen

Baden-Württemberg hat am 28. April 119 geflüchtete Ukrainer*innen aus Moldau aufgenommen. Die Personen wurden per Flugzeug nach Stuttgart gebracht. Die Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges, MdL, informierte darüber, dass sich unter den Aufgenommenen auch viele besonders Schutzbedürftige befinden.

Meldung auf der Website der Landesregierung


Auftakt im Prozess um Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gambia

Am Montag, 25. April um 9 Uhr, beginnt vor dem Oberlandesgericht Celle ein Strafprozess, in dem es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Morde) in Gambia in der Zeit des mittlerweile im Exil lebenden ehemaligen Staatspräsidenten Yahya Jammeh geht. Angeklagt ist ein Mann, der daran beteiligt gewesen sein soll und 2021 in Hannover festgenommen worden ist. Es handelt sich um das weltweit erste Strafverfahren gegen ein mutmaßliches Mitglied ehemaliger gambischer Spezialkräfte im Ausland. Unter Zugrundelegung des Völkerstrafgesetzbuches können diese Taten auch vor deutschen Gerichten verhandelt werden.   Für die Angehörigen der Opfer und die Zivilgesellschaft in Gambia ist dies ein sehr wichtiger Prozess.
Mehrere internationale NGOs (u.a. Human Rights Watch, the International Commission of Jurists, TRIAL International, Reporters Without Borders) begleiten den Prozess eng und haben den Kontext dieses Strafprozesses in einer FAQ-Übersicht näher beschrieben:
(…)“Under Yahya Jammeh’s 22-year rule, there was a policy of systematic oppression of any of his real or perceived opponents in an effort to maintain his political power. The government targeted journalists; human rights defenders; student leaders; religious leaders; political opposition members; judiciary officials; lesbian, gay, bisexual, and transgender (LGBT) people; and security force personnel, among others. This resulted in serious human rights violations, including torture, extrajudicial killings, enforced disappearance, and sexual violence.“(…)

Die bis ins Jahr 2023 anberaumten weiteren Termine des Strafprozesses lassen sich einer Übersicht des Oberlandesgerichts Celle entnehmen.


Verbände warnen vor Ungleichbehandlung

Angesichts des Vorschlages von Bauministerin Nicole Razavi nach einer gesonderten Förderung für die Vermietung von Wohnraum an Geflüchtete aus der Ukraine warnen der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, die Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg, Zusammenleben Willkommen und der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg davor, unterschiedliche Gruppen von bedürftigen Menschen auf dem Wohnungsmarkt zu hierarchisieren und gegeneinander auszuspielen.

„Es gibt geflüchtete Menschen in Baden-Württemberg, die seit 2015 in Containern und anderen Provisorien leben und dafür teilweise horrende Gebühren bezahlen müssen, die manchmal um ein Vielfaches höher sind als ortsübliche Mieten. Diese Menschen ärgern sich zu Recht, wenn Sie von Wohnungsangeboten und staatlicher Unterstützung hören, die sich nur an Menschen aus der Ukraine richten“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Die Initiative „Zusammenleben Willkommen“ unterstützt seit vielen Jahren geflüchtete Menschen unabhängig von der Herkunft bei der Suche nach Wohnraum und wendet sich dezidiert gegen jede Ungleichbehandlung: „Der solidarische Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine ist super – nur sollte dieser für alle Menschen auf der Flucht gelten! Im Vergleich zu anderen Menschen auf der Flucht, werden Geflüchtete mit ukrainischer Staatsbürgerschaft auf allen Ebenen bevorzugt behandelt. Dies jetzt noch mit der angesprochenen Mietausgleichszahlung zu vertiefen während Menschen, die anderen Geflüchteten privaten Wohnraum anbieten, ständig Steine in den Weg gelegt werden, verfestigt die rassistische Ungleichbehandlung“, so Jonas Kakoschke von „Zusammenleben Willkommen“.

Auch Roland Saurer, Sprecher der Landesarmutskonferenz, beobachtet diese Entwicklung mit Sorge und fordert, alle bedürftigen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund in den Blick zu nehmen: „Nicht nur ukrainische Geflüchtete brauchen eine Wohnung, sondern alle Geflüchteten. Ebenso benötigen Erwerbslose, Altersrentner*innen, Alleinerziehende, Kranke und behinderte Menschen Wohnraum. Die Lösung kann jetzt nicht sein, diese Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern der Wohnungsbau muss massiv befördert, Erleichterung bei der Bauplanung müssen geschaffen und die Angemessenheitsregeln für Unterkunftskosten für alle Gruppen zumindest vorübergehend ausgesetzt werden, bis der Wohnungsmarkt sich wieder entspannt hat.“ DER PARITÄTISCHE Baden-Württemberg fordert darüber hinaus ein grundlegendes Umdenken und Umsteuern bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen: „Die Herausforderungen bei der Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten, zeigen nur die Spitze des Problems. Die äußerst prekäre Situation von Menschen in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften ist seit Jahren bekannt. Deshalb fordern wir grundsätzlich, Sammel- und Gemeinschaftsunterkünfte abzuschaffen und durch dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten und integrierende Nachbarschaften zu ersetzen“, so Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg.


Festnahme zwecks Dublin-Haft bis August 2019 rechtswidrig: Klagen noch möglich

Mehrere Gerichte haben festgestellt, dass es bis zum Inkrafttreten des sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ am 21. August 2019 keine Rechtsgrundlage gab, um Betroffene zwecks Sicherstellung einer Dublin-Rückführung festzunehmen. Da Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit solcher Festnahmen keinen Fristen unterliegen, kann auch jetzt noch jede Person, die vor dem 21.8.2019 zur Sicherung einer Dublin-Überstellung inhaftiert wurde, einen solchen Antrag stellen. Rechtswidrige Freiheitsentziehungen ziehen Schadensersatzansprüche nach sich. Die Landesregierung hat gegenüber dem Flüchtlingsrat mitgeteilt, dass es in Baden-Württemberg keine solche Fälle gegeben habe, da Festnahmen zwecks Dublin-Überstellungen in dieser Zeit immer auf Grundlage von einstweiligen Anordnungen erfolgten. Falls es doch Personen gibt, die eine solche Klage erwägen, werden sie gebeten, den Flüchtlingsrat zu informieren.

Bisherige Entscheidungen zum Thema:


Pressemitteilung: PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern menschenwürdige Sozialleistungen für alle!

PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern zum Bund-Länder-Gipfel zur Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine: Menschenwürdige Sozialleistungen für alle sicherstellen!

Heute trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsident:innen der Bundesländer, um über die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und die Finanzierungsverteilung zwischen Bund und Ländern zu sprechen. Bislang sieht das Gesetz vor, dass sie auch mit dem Status des „vorübergehenden Schutzes“ Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, die geringer ausfallen als die reguläre Sozialhilfe. Auf der Ministerpräsident:innenkonferenz soll nun diskutiert werden, die ukrainischen Geflüchteten schneller in die normale Sozialhilfe einzugliedern.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte unterstützen diesen Vorschlag, fordern aber, alle Menschen sozialrechtlich gleich zu behandeln, auch Geflüchtete. Denn der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Menschenwürde gilt für alle Menschen in Deutschland, unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel. Es ist deswegen richtig, dass über einen leistungsrechtlichen Systemwechsel gesprochen wird – aber dieser muss grundsätzlich und für alle nach Deutschland geflüchteten Menschen erfolgen. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss endlich abgeschafft werden, fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte. Die finanzielle Unterstützung durch das Asylbewerberleistungsgesetz ist niedriger als in der normalen Sozialhilfe und garantiert kein menschenwürdiges Leben, zu dem auch eine ausreichende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört.

Hintergrund zum Asylbewerberleistungsgesetz

Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 als vermeintliche Abschreckungsmaßnahme eingeführt. Es ist verfassungsrechtlich höchst umstritten. In einem wegweisenden Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz stellten die Verfassungsrichter:innen im Jahr 2012 fest, dass der Anspruch auf das aus der Menschenwürde abgeleitete Existenzminimum deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zusteht. Ein besonders relevantes Fazit aus dem Urteil ist: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“. Das heißt, dass Sozialleistungen nicht zur Abschreckung von Migrant:innen besonders niedrig gehalten werden dürfen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Regeln in dem Gesetz, die trotz der ohnehin schon geringen Leistungen weitergehende Kürzungen vorsehen. Deren Verfassungsmäßigkeit ist insbesondere seit dem Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 mehr als fraglich. Aktuell ist ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu der 2019 von der letzten Regierung eingeführten Änderung anhängig, nach der alleinstehende Asylsuchende und Geduldete, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, als „Schicksalsgemeinschaft“ zählen, deswegen wie Ehepartner:innen behandelt werden und geringere Leistungen bekommen.

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zum Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen: „Wir werden das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln. Wir wollen den Zugang für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zur Gesundheitsversorgung unbürokratischer gestalten. Minderjährige Kinder sind von Leistungseinschränkungen bzw. -kürzungen auszunehmen.“ Doch selbst zu dieser Minimallösung sind bislang keine Umsetzungsvorschläge bekannt.


Online-Seminar: Umgang mit und Unterstützung von geflüchteten Frauen mit Gewalterfahrungen

Am 19. April veranstaltet der Flüchtlingsrat BW ein Online-Seminar zum Thema „Umgang mit und Unterstützung von geflüchteten Frauen mit Gewalterfahrungen“. Das Seminar findet von 18 bis 20 Uhr statt und richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte. Es wird von Luam Okbamicael vom Fraueninformationszentrum Stuttgart geleitet.

Im Fokus stehen Fragen, die sich rund um das Engagement für geflüchtete Frauen mit Gewalterfahrungen stellen. Es wird Einblicke in die unterschiedlichen Formen von Gewalt an Frauen und deren Folgen geben, insbesondere für Frauen im Asylverfahren. Die Hintergründe frauenspezifischer Fluchtgründe sowie die besonderen Herausforderungen für die Frauen werden näher beleuchtet und dabei konkrete Handlungsmöglichkeiten für Unterstützer*innen gezeigt.

Konkrete Fragestellungen und Themenwünsche können an olszak@fluechtlingsrat-bw.de geschickt werden. Im Anschluss an den Input von Frau Okbamicael gibt es Raum für ein Austauschgespräch mit den Teilnehmenden.

Das Online-Seminar wird mit Zoom durchgeführt. Anmeldeschluss ist der 13. April. Wenn Sie sich mit dem untenstehenden Formular anmelden, erhalten Sie die Zugangsdaten am Tag vor der Veranstaltung per Email.


Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.

Die Anmeldung ist geschlossen.