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Abschiebestopps: Appelle an die Innenminister*innen-Konferenz

Vor der bevorstehenden Konferenz der Innenminister*innen (IMK) vom 09. bis 11. Dezember appelliert PRO ASYL, in Zeiten einer Pandemie generell auf Abschiebung zu verzichten. Dem Appell haben sich mehrere Wohlfahrtsverbände auf Landesebene, Landesflüchtlingsräte und viele weitere Organisationen angeschlossen. Im Appell heißt es:

»Zahlreiche Herkunftsländer von Asylsuchenden haben marode Gesundheitssysteme und sind nicht in der Lage, an dem Virus Erkrankte zu versorgen. Auch Staaten mit einem relativ gut aufgestellten Gesundheitssystem kommen an ihre Kapazitätsgrenze. Die Zahl der Corona-Infizierten steigt weltweit dramatisch, ganz zu schweigen von der rasant steigenden Zahl der Toten. Dennoch werden Menschen in Länder abgeschoben, in denen sich die Pandemie katastrophal auswirken könnte oder es bereits tut. Das Risiko für ihre Gesundheit und körperliche Unversehrtheit ist immens«.

Abschiebungen während der Pandemie sind generell unverantwortlich, gefährden Menschenleben und sind angesichts der Situation in Deutschland und der Situation in den Staaten, in die abgeschoben wird, nicht zu verantworten. Die Organisationen fordern einen generellen Abschiebungsstopp bis mindestens April 2021.

PRO ASYL warnt: Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur in Deutschland dramatische ökonomische Folgen. In vielen Ländern brechen Beschäftigungsmöglichkeiten komplett weg, staatliche Hilfe gibt es keine. Es kann nicht angehen, Geflüchtete auf Grundlage veralteter Annahmen in das Herkunftsland zu schicken, wenn sich die dortige Situation pandemiebedingt rasant ändert.

Zum Appell mit allen unterzeichnenden Organisationen geht es hier; unterzeichnet haben PRO ASYL, Arbeiterwohlfahrt, mehrere Landesflüchtlingsräte, Evangelische Jugend Deutschland, mehrere Paritätische Landesverbände, die Diakonie Hessen, Mitteldeutschland und Rheinland-Westfalen-Lippe und andere.

Syrien

PRO ASYL kritisiert aufs schärfste die Eröffnung der Debatte um Abschiebungen nach Syrien. Niemand darf der Folter unterworfen werden. Angesichts des 70-jährigen Jubiläums der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erwarten wir von den Innenminister*innen von Bund und Ländern ein offensives Eintreten für die Menschenrechte. Es ist eine gefährliche Verschiebung des Diskurses in der Öffentlichkeit, wenn Innenminister Seehofer und andere nun Abschiebungen in den Folterstaat wollen. Das Folterverbot der EMRK gilt absolut. Rechtstaatliche Grundlagen dürfen nicht eingerissen werden.

PRO ASYL hat sich einem breiten Bündnis angeschlossen, das gegen Abschiebungen nach Syrien appelliert: »In Syrien wird systematisch und flächendeckend gefoltert. Das ist durch zahlreiche Berichte der Vereinten Nationen und internationaler Menschenrechtsorganisationen umfangreich belegt. Die Syrien-Lageberichte des Auswärtigen Amtes bestätigen das.«Und weiter: »Willkürliche Verhaftungen, Folter und Verschwindenlassen dauern in Syrien bis heute an. Rund Hunderttausend Menschen sind bis heute in Hafteinrichtungen des Assad-Regimes verschwunden.«

Die Bündnispartner*innen fordern die Innenminister*innen des Bundes und der Länder auf, den Abschiebungsstopp für Syrien zu verlängern: »Solange das Assad-Regime an der Macht ist, darf niemand nach Syrien abgeschoben werden!«

Zum Appell geht es hier; unterzeichnet haben neben PRO ASYL Adopt a Revolution, der Paritätische Gesamtverband, die Landesflüchtlingsräte, Medico International, SeaWatch, Seebrücke, die #LeaveNoOneBehind-Kampagne, der Verein deutsch-syrischer Hilfsvereine VDSH, Families for Freedom, Caesar-Families, Syrian Center for Legal Studies & Research, Friedenskreis Halle, Gesellschaft für bedrohte Völker, Jugendliche ohne Grenzen, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Moabit hilft e.V., Pro Bleiberecht MV, Seebrücke Berlin, #SyriaNotSafe-Kampagne und The Syria Campaign Visions4Syria.

Afghanistan

PRO ASYL hat sich an die Innenminister*innen von Bund und Länder gewandt und appelliert eindringlich, den für den Mitte Dezember geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan zu stoppen.

In der Stellungnahme von PRO ASYL an die IMK heißt es: »Abschiebungen nach Afghanistan sind auf Grund der katastrophalen Sicherheitslage – aber gerade auch angesichts der grassierenden Corona‐Pandemie – unverantwortlich. Seit der letzten Sammelabschiebung am 11. März 2020 waren in Folge der Corona‐Pandemie Abschiebungen auf Bitten der afghanischen Regierung ausgesetzt. Dabei muss es angesichts der beschriebenen Situation bleiben.«

Die Forderungen von PRO ASYL zur Innenminister*innenkonferenz von PRO ASYL finden Sie hier.

Pressekontakt: presse@proasyl.de


Projekt: Zeitzeugen – Wir erzählen unsere Geschichten

Das Projekt “Zeitzeugen – Wir erzählen unsere Geschichte” welches im Januar nächsten Jahres startet, richtet sich an Menschen mit Fluchterfahrung, die zu professionellen Erzähler*innen ausgebildet werden wollen. An sechs Terminen erarbeiten die Teilnehmer dafür angeleitet ihr Biografie, lernen das Sprechen und Präsentieren vor Publikum, um anschließend in Schulklassen von ihren Erfahrungen und ihrem Leben in Deutschland zu erzählen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Weitere Informationen, Termine, sowie Kontaktdaten zur Anmeldung finden Sie hier


„Es begann mit trockenem Husten, dann kamen Fieber und Lungenschmerzen“

„Wenn ich kein Corona gehabt hätte, hätte ich es wahrscheinlich auch nicht geglaubt“, sagt Hava D. Die 47-jährige Pflegerin, die in einem Seniorenheim in Bad Rappenau arbeitet, lag infolge ihrer Corona-Infektion neun Tage im künstlichen Koma. Seither hat sie große Sorge wegen dieser Erkrankung.

Umso weniger versteht sie Demonstrationen der sogenannten Coronaleugner*innen. „Also ich bin wirklich enttäuscht“, sagt Hava, „eine Maske zu tragen und damit sich und andere zu schützen muss doch für alle Menschen selbstverständlich sein.“

Hava ist mit ihrer Familie vor 6 Jahre aus Tschetschenien geflüchtet und hat jahrelang um ein Bleiberecht in Deutschland gekämpft. Von Beginn an hat sie sich ehrenamtlich in der Initiative „Gemeinsam mit und für Flüchtlinge in Bad Rappenau“ engagiert und dafür die silberne Ehrenmedaille der Stadt Bad Rappenau erhalten.

Nach ihrer Anerkennung im Frühjahr 2019 hat sie sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz zur Altenpflegerin bemüht und mit der Ausbildung im September 2019 begonnen.

Ende Februar treten die ersten Covid-19 Infektionen bei mehreren Bewohner*innen und Mitarbeitenden im Haus Alpenland in Bad Rappenau auf. Wenige Tage später wird das gesamte Pflegeheim von der Stadtverwaltung unter Quarantäne gestellt:

„Die mit dem heutigen Tag getroffene Entscheidung bedeutet, dass Bewohner das Heim nicht verlassen dürfen, Besucher dürfen die Bewohner nicht aufsuchen.“ Für die Mitarbeitenden des Heimes gilt eine erweiterte Quarantäneanordnung. Sie dürfen ihre Wohnung ausschließlich zu dem Zweck verlassen, ihrer Tätigkeit im Altenpflegeheim nachzugehen. „Sie dürfen also nur alleine mit dem eigenen Auto auf direktem Weg anreisen und sind verpflichtet, während ihrer Tätigkeit geeignete Schutzkleidung zu tragen.“

Das Hygienekonzept ist festgelegt, Oberbürgermeister Sebastian Frei kümmert sich persönlich darum, dass Schutzmasken vorhanden sind und tritt der BILD-Zeitung, die einen Skandal wittert „Altenheim unter Quarantäne, aber keiner hält sich daran“ entschieden entgegen. Die Mitarbeitenden wehren sich: „Man fühlt sich fast wie ein Krimineller, es macht uns arg zu schaffen, dass gefühlt jeder auf uns rumhackt.“ In der hausinternen Facebookgruppe schreibt eine Mitarbeiterin „Ich möchte gerne einmal meinen Kollegen großen Respekt aussprechen. Obwohl die Möglichkeit einer Infizierung im Raume steht, erfüllen sie ihren Job vorbildhaft.“

Hava gehört zu denen, die im Bereich der infizierten Bewohner*innen arbeitet. Völlig erschöpft kommt sie nach langen Arbeitsschichten nach Hause, es nimmt sie persönlich mit, dass mittlerweile die ersten schwer Erkrankten in stationärer Behandlung in der Lungenfachklinik Löwenstein versorgt werden. Sie schützt sich so gut wie möglich bei ihrer täglichen Pflegearbeit. Aber trotz Mundschutz und Schutzkleidung steckt sie sich wahrscheinlich beim Pflegen einer Frau an, die mittlerweile an Covid-19 verstorben ist.

„Es begann mit einem trockenen Husten, dann kamen das Fieber und die Lungenschmerzen.“ Unter Vorerkrankungen leide sie nicht.

Hava geht es zunehmend schlechter. Sie wird in die SLK-Klinik Plattenwald gebracht. Ein Arzt habe sie mit dem Stethoskop abgehört und wieder nach Hause geschickt, schildert sie. Die Patientin sei gemäß des gültigen Schemas vom Robert-Koch-Institut behandelt worden, heißt es von der Pressestelle der SLK-Kliniken. „Es lagen zu diesem Zeitpunkt nur leichte Symptome vor. Alle Laborwerte waren – bis auf eine minimale Erhöhung der Infektparameter – unauffällig. Eine stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus war daher zu diesem Zeitpunkt medizinisch nicht erforderlich.“

Am folgenden Tag habe das Gesundheitsamt bei ihr angerufen, berichtet Hava. Man habe ihr gesagt, das Ergebnis des Tests, der am Tag zuvor im Krankenhaus veranlasst wurde, sei positiv ausgefallen. Von da an, berichtet sie, sei ihr Zustand immer schlechter geworden. Das Gesundheitsamt habe täglich angerufen, dennoch habe sie zu Hause bleiben sollen. Ihr Mann habe sie gepflegt, doch es kam der Punkt, an dem er den Notarzt rufen musste. Kurz zuvor sei sie bewusstlos geworden. Im Nachhinein, so wirft sie dem Gesundheitsamt vor, sei sie viel zu spät nach Löwenstein gekommen.

In Löwenstein wird sie nach einigen Tagen ins künstliche Koma versetzt und maschinell beatmet. Sie schwebe in Lebensgefahr, so berichtet die Heilbronner Stimme. Familienangehörige stehen jeden Tag vor der Lungenfachklinik, sie beten und hoffen „Hava ist eine starke Frau“. Nach 9 Tagen im Koma haben sich die Blut- und Lungenwerte verbessert, sie lernt wieder selbständig zu atmen. Die Pflegerinnen fahren ihr Bett ans Fenster und sie wirft einen ersten Blick auf ihre Tochter und Schwägerin, die vor der Klinik stehen. An die Zeit des Komas hat sie keine Erinnerung, aber sie weiß: „Ärzte haben mein Leben gerettet“.

Nach gut 4 Wochen verlässt sie nach wiederholten negativen Testergebnissen die Klinik Löwenstein, um kurz darauf in einer Rehabilitationsklinik weiterbehandelt zu werden. Ihre Covid-19- Erkrankung ist mittlerweile als Berufserkrankung anerkannt. Seit Juli arbeitet sie wieder, doch es ist nicht mehr so wie früher: „komme ich von der Arbeit, muss ich mich erstmal hinlegen, ich bin erschöpft, Arbeit, Ausbildung und Haushalt, das ist manchmal kaum zu schaffen. An den beiden Unterrichtstagen in der Peter-Bruckmann-Schule in Heilbronn spürt sie, dass auch die Konzentrationsfähigkeit nachgelassen hat. Aber sie gibt nicht auf, sie will die Ausbildung erfolgreich zu Ende bringen. Es gibt Tage, da verlässt sie Mut und Zuversicht und die Zweifel werden stärker. Aber sie kämpft, will endgültig in diesem Land ankommen, unabhängig sein, leben.

Von: Klaus Harder, Mitglied im Sprecher*innenrat des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg


Broschüre: Möglichkeiten und Chancen zur Integration im Überblick

Die Broschüre gibt einen Überblick zu Möglichkeiten und Chancen zur Integration und beantwortet unter anderem Fragen zu den Themen Aufenthaltsrechtliche Informationen,Wohnsitzauflage, Familiennachzug, Sozialleistungen, Niederlassungserlaubnis und vielen weiteren. Sie richtet sich insbesondere an Geflüchtete, Ehrenamtliche, Lehrkräfte, sowie Arbeitgeber*innen.

November 2020, Broschüre für Geflüchtete: Möglichkeiten und Chancen zur Integration im Überblick


Online Seminar: Männlich, verletzlich, unersetzlich? Gendersensible Arbeit mit männlichen Migranten

Der Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. lädt am 12.01 von 14.00 bis 16.00 Uhr zu einem Online-Seminar via Zoom zum Thema gendersensible Arbeit mit männlichen Migranten ein.

Das Web-Seminar bietet einen ersten Einblick in das Themenfeld der gendersensiblen Männerarbeit und legt dabei einen besonderen Fokus auf die Lebenswirklichkeiten von männlichen Migranten.

Anmelden können Sie sich hier


Informationen für Geflüchtete mit Behinderung

Im Rahmen des Netzwerkprojekts AMBA – Aufnahmemangement und Beratung für Asylsuchende in Niedersachsen wurden Informationen für Geflüchtete mit Behinderung herausgegeben. Unter anderem geht es um Rechte von Geflüchteten mit Behinderung, ihre Leistungszugangsmöglichkeiten sowie Zugang zu professioneller Beratung.

Das Dokument ist auf Deutsch, Arabisch, Russisch, Farsi, Englisch, Türkisch und Französisch erhältlich.


Studie: Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete

PRO ASYL und die IG Metall haben eine Untersuchung der Eberhard Karls Universität herausgegeben. Die Studie “Ganz unten in der Hierarchie” beschäftigt sich mit der Situation von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt und zeigt, inwiefern Rassismus auf dem Arbeitsmarkt Geflüchteten das Leben schwer macht und ihre Integration behindert. Auf Grund von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen und dem systematischen Ausschluss von Geflüchteten aus dem Arbeitsmarkt durch gesetzliche Rahmenbedingungen sind Geflüchtete oft von einer gleichberechtigten Teilhabe aller auf dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen. PRO ASYL fordert deshalb für die Opfer von rassistischer Diskriminierung die Förderung und den Ausbau eines Netzes von unabhängigen Beratungsstellen, eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben, die bestimmte Gruppen von Menschen ausgrenzen, sowie eine Umkehr in der Sozialpolitik.

Einen Artikel von PRO ASYL dazu und eine ausführliche Auswertung der Untersuchung finden Sie hier.


Gesucht: Gescheiterte Dublin III – Familienzusammenführungen

Der Flüchtlingsrat Niedersachesen sammelt Einzelfälle von Betroffenen, bei denen Familienangehörige nicht über die Dublin III Verordnung nach Deutschland einreisen konnten. Diese sollen noch vor Weihnachten gebündelt und dann der Bundesregierung vorgelegt werden.

Gesucht werden folgende Fallkonstellationen:

  • Einzelfälle aus Griechenland, die wegen verfristeter Übernahmeanträge unter der Dublin III Verordnung abgelehnt wurden
  • Einzelfälle aus Griechenland, die nicht Dublin-Fälle sind, aber „hängen“
  • Einzelfälle aus anderen Ländern, bei denen aufgrund verfristeter Dublin-Übernahmeanträge ein Familiennachzug nicht zustande kommt
  • Einzelfälle aus anderen Ländern, bei denen aufgrund übersteigerter Anforderungen der Botschaften oder aus anderen Gründen eine Visumserteilung nicht erfolgt

Wer entsprechende Personen begleitet, kann eine Darstellung des Falles, am besten mit dem BAMF Aktenzeichen, an Karim Alwasiti schicken: ka@nds-fluerat.org



EGMR: Kein Schutz vor nicht-staatlicher Verfolgung von LSBTTIQ* in Gambia

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass es zwar keine Belege dafür gibt, dass die in Gambia nach wie vor geltenden Strafvorschriften bezüglich Homosexualität unter der neuen Regierung angewandt werden, dass es aber sehr wohl eine Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure gibt, vor der der Staat keinen Schutz bietet.
EGMR, Urteil vom 17.11.2020 – 889/19 and 43987/16 (B. and C. v. Switzerland)

Abschiebung und unbegleitete minderjährige Geflüchtete

Unbegleitete Minderjährige können aufgrund des Vorrang des Kindeswohls nicht einfach so abgeschoben werden. Dennoch versuchen Behörden, Abschiebungen einzuleiten und teilweise durchzuführen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat einen Überblick zu rechtlichen Möglichkeiten und dem praktischen Umgang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen erstellt, welcher der Jugendhilfe und Vormundschaft mehr Handlungs- und Rechtssicherheit geben soll.