Russland: Mehr als 250.000 Menschen flüchten vor Einsatz im Krieg

Auf Grundlage einer Studie des unabhängigen Netzwerks für Analyse und Politik RE: Russia kommt Connection e. V. zu dem Schluss, dass mindestens 250.000 militärdienstpflichtige Männer aus Russland seit Februar 2022 das Land verlassen haben. Der größte Teil suche dabei Schutz in Kasachstan, Armenien, der Türkei oder Serbien. Dagegen hätten im Zeitraum von Februar 2022 bis einschließlich April 2023 21.790 russische Staatsangehörige Asyl in der Europäischen Union beantragt.

Viele Asylanträge von russischen Staatsangehörigen werden innerhalb der Europäischen Union abgelehnt, so ergeht es vor allem denjenigen, die rechtzeitig vor einer möglichen Rekrutierung geflohen sind. Gegenüber der Deutschen Welle gab das BAMF an, dass in dem Zeitraum 24. Februar bis 31. Juli 2023 in Deutschland bei über 1.418 Entscheidungen rund 90 russischen Geflüchteten im wehrpflichtigen Alter Schutz gewährt wurde und 138 Anträge abgelehnt wurden. Nach einer Ablehnung des Asylantrags besteht die Gefahr einer Abschiebung. Werden Kriegsdienstverweigerer nach Russland abgeschoben, drohen ihnen Verurteilungen oder eine Rekrutierung zum Wehrdienst.

Diese Realität steht im Gegensatz dazu, dass das Bundesinnenministerium bereits im Mai 2022 erklärt hat, russischen Deserteuren Flüchtlingsschutz zu gewähren. Es sei davon auszugehen, dass eine Desertion ein aktives Bekunden gegen die Kriegsführung sei und damit einen aktiven Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung darstelle. Kriegsdienstverweigerern droht bei Rückkehr nach Russland eine hohe Bestrafung, so sind laut Mediazona seit Anfang 2023 mehr als einhundert Verfahren eröffnet worden und bei Nichtbefolgung der Einberufung drohen diesen bis zu 13 Jahren Haft.

Deshalb fordern 90 Organisationen aus Russland und vielen anderen Ländern Schutz sowie Asyl für alle russischen Deserteure und beziehen sich dabei explizit auf den Jahrestag der Teilmobilmachung. Unter den unterzeichnenden Organisationen befindet sich ebenfalls der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e. V.  In ihrem Appell an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament fordern die Organisationen konkret:

  • die Entwicklung eines Konzepts zum Schutz russischer Staatsbürger, die wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung oder ihrer Weigerung, sich an den Kämpfen in der Ukraine zu beteiligen, von Verfolgung bedroht sind
  • die Ausarbeitung von Visaregelungen, dies es diesen Menschen erlauben, in die Europäische Union einzureisen
  • die Unterstützung der Organisationen, die die Flucht dieser Personengruppe begleiten und sich für deren Schutz sowie Asyl einsetzen
  • die Unterstützung aller Drittländer bei der Aufnahme dieser Personengruppe


Zum Tag der Geflüchteten: Ein klares Zeichen der Solidarität

Zum Tag der Geflüchteten haben wir gemeinsam mit vielen Menschen ein Zeichen gesetzt für eine offene und solidarische Gesellschaft und eine menschliche Flüchtlingspolitik!

Während sich der politische Diskurs aktuell immer weiter nach rechts verlagert und international durch die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems die Aushebelung des Asylrechts droht, erfahren Geflüchtete Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung. Anschläge auf Unterkünfte, Verschärfungen im Asylrecht, Hass und Hetze sind die Folgen. Die menschenverachtende Rhetorik von Rechtspopulist*innen zeigt ihre Wirkung und vergiftet das politische und gesellschaftliche Klima: „Besonders erschreckend sind die rassistischen Diskurse über geflüchtete Menschen bis in die Mitte der Gesellschaft. Anstatt über Erfolge geflüchteter Menschen zu sprechen, schüren Politiker*innen Hass. Und diese Diskussionen und Wortwahlen haben direkte Konsequenzen.“, kommentiert Julian Staiger aus unserem Vorstand.

Wir sagen daher: Klare Kante gegen Rassismus und Diskriminierung, für ein offenes und solidarisches Miteinander, für eine menschliche Flüchtlingspolitik und eine rassismuskritische Gesellschaft!

Vielen Dank an alle, die sich an unserer Aktion beteiligt haben und ein Zeichen gesetzt haben!


Geflüchtete Menschen mit Behinderungen – Nachweise über die Behinderungen und Schwerbehindertenausweis

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen haben zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Unter anderem gestaltet es sich häufig schwierig, einen Schwerbehindertenausweis sowie andere Nachweise über die Behinderungen zu erhalten. Daher hat der Flüchtlingsrat BW eine Arbeitshilfe zu diesen Themen veröffentlicht. Neben umfangreichen rechtlichen Informationen enthält die Arbeitshilfe auch einige Impulse zu Fragestellungen, die Handeln und Haltung im ehrenamtlichen Engagement mit geflüchteten Menschen mit Behinderungen betreffen.


PRO ASYL: Bundesregierung verabschiedet sich vom Koalitionsvertrag und Menschenrechten!

Beim Treffen der EU-Innenminister*innen im Rat der EU am 28. September 2023 wurde die lange umstrittene Krisenverordnung trotz massiven zivilgesellschaftlichen Protests zwischen den Mitgliedstaaten vereinbart. In Zeiten von Krise, „höherer Gewalt“ oder „Instrumentalisierung“ sollen Ausnahmeregeln gelten, die das Recht auf Asyl weitgehend aushebeln. Auch die Bundesregierung stimmt den Verschärfungen der GEAS-Reform zu und verabschiedet sich damit vollständig vom Koalitionsvertrag im Bereich der EU-Flüchtlingspolitik – hierfür kann sie noch nicht einmal einen Verhandlungserfolg in Brüssel vorweisen.

„Die Zustimmung der Bundesregierung zur Krisenverordnung ist ein dramatisches Signal, dass Menschenrechte keine Rolle mehr spielen. Während die Ampel-Regierung sich im Koalitionsvertrag noch vorgenommen hatte, rechtswidrige Pushbacks und das Leid an den Außengrenzen zu beenden, stimmt sie nun einer Verordnung zu, die genau dies massiv verschärfen würde. Damit knickt sie auch vor den rechten Hardlinern in der EU ein, die erneut erfolgreich ihre Agenda durchgesetzt haben. Das macht uns weniger als ein Jahr vor der Europawahl wirklich Angst“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Die Bundesregierung und die EU dürfen sich nicht weiter von rechten Kräften treiben lassen, die fluchtpolitische Themen für ihre (Wahlkampf-)Zwecke instrumentalisieren. Wer Forderungen von Rechtspopulist*innen übernimmt, trägt zur gesellschaftlichen Normalisierung rechter und rechtsextremer Positionen bei. Hierzu gehört insbesondere die Infragestellung grundlegender Menschenrechte wie dem Recht auf Asyl. Es ist eine Fehlannahme, dass man rechten Parteien durch eine noch restriktivere Flucht- und Migrationspolitik das Wasser abgraben könnte – das Gegenteil ist der Fall.

„Wenn aktuell tagtäglich mit menschenrechtswidrigen Vorschlägen die Grenzen des Denkbaren, Sagbaren und Machbaren verschoben werden, wird das Wertefundament der EU ausgehöhlt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich“, warnt Wiebke Judith zur aufgeheizten öffentlichen Debatte. Auf Worte folgen Taten – die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete ist in Deutschland und der EU beängstigend.

Das sieht die Krisenverordnung konkret vor

Im Falle einer (drohenden) „Krise“ sowie bei einer behaupteten „Instrumentalisierung“ durch staatliche oder nichtstaatliche Akteur*innen können Asylregistrierungen drei bzw. vier Wochen ausgesetzt werden. In Verbindung mit den bereits im Schengener Grenzkodex im Rat geeinten Verschärfungen im Fall einer „Instrumentalisierung“ (Schließung von Grenzübergängen und verstärkter Grenzüberwachung zur Verhinderung von „illegalen Einreisen“) ist dies ein Rezept für massive Pushbacks. Eine neue Verschärfung ist bei der Definition einer Instrumentalisierung wohl auch zuletzt reingekommen: Wenn humanitäre Aktionen wie Seenotrettungsmaßnahmen nicht nach „europäischen Standards“ verlaufen, können auch sie als solche Instrumentalisierung eingestuft werden, womit die ganzen Einschränkungen für die geretteten Schutzsuchenden auch anwendbar wären. Dies könnte zukünftig von rechten Regierungen wie in Italien gezielt genutzt werden.

Wer es trotz Grenzgewalt und Pushbacks überhaupt schafft während einer solchen „Krise“ oder „Instrumentalisierung“, einen Asylantrag zu stellen, wird anschließend an den Grenzen inhaftiert. Im Falle einer Krise kann dies alle Schutzsuchenden aus Herkunftsstaaten mit einer Schutzquote von bis zu 75 Prozent treffen, im Falle einer „Instrumentalisierung“ ausnahmslos alle asylsuchenden Kinder, Frauen und Männer. Insgesamt könnten schutzsuchende Menschen auf diese Weise bis zu zehn Monate an den Außengrenzen inhaftiert werden. Eine Änderung in letzter Minute in den Vorschlägen ist, dass nun nicht mehr abgesenkte Unterbringungsstandards in dieser Zeit gelten sollen. Allerdings hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass bei monatelanger Haft oder Unterbringung an den Außengrenzen regelmäßig gegen solche Standards verstoßen wird und die EU nichts dagegen unternimmt.

Auf Basis der heute vereinbarten Position im Rat der EU werden nun die Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen (sogenannter Trilog). Das Europaparlament hatte im April 2023 jedoch eine deutliche andere Position zur Krisenverordnung beschlossen, die unter anderem einen neuen sofortigen Schutz asylsuchender Menschen vorsah sowie eine verbindliche Verteilung von Schutzsuchenden und keine Ausnahmen im Fall von „höherer Gewalt“ und auch keine Verschärfungen im Fall einer „Instrumentalisierung“. Die Verhandlungen dürften somit schwierig werden.

Mehr Informationen zur Krisen- und Instrumentalisierungsverordnung gibt’s hier.


Ehrenamtliche Stellenbörse „emfa“ – Vermittlung von Menschen mit Fluchterfahrung in ein Ehrenamt

Im Rahmen des Projekts „Pyramidea Goes Public“ hat der Verein Pyramidea e.V die ehrenamtliche Stellenbörse „emfa“ ins Leben gerufen, um potenzielle Freiwillige mit Organisationen und Vereinen zu vernetzen.

Pyramidea e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Stuttgart, der sich für Toleranz in der Gesellschaft einsetzt und im Jahr 2017 von Menschen mit Fluchterfahrung gegründet wurde.

Der Verein hat die Erfahrung gemacht, dass Motivierte häufig nicht wissen, welche Bereiche sich dem Ehrenamt widmen und welche Organisationen Stellen anbieten. Auch können hinsichtlich einer direkten Kontaktaufnahme Hemmungen auftreten. Darum soll mit dem Projekt „Pyramidea Stays Public“ konkret Menschen mit Fluchterfahrung bei der Vermittlung in ein Ehrenamt geholfen werden. Auf der Stellenbörse „emfa“ können Vereine und Organisationen ehrenamtliche Stellen veröffentlichen, um Freiwillige besser zu erreichen und den Zugang zum Ehrenamt für Menschen mit Fluchthintergrund zu vereinfachen.   Interesse an einer Stellenveröffentlichung? Informationen dazu können auf der Homepage von emfa gefunden werden.


Zum Tag der Geflüchteten: Menschenunwürdige Debatte um Flüchtlingspolitik stoppen!

Anlässlich des Tags der Geflüchteten am 29. September fordern der Flüchtlingsrat und der Paritätische Wohlfahrtsverband in Baden-Württemberg das Ende der aktuellen menschenfeindlichen Debatte um die Abwehr Geflüchteter und die Umkehr zu einer menschenwürdigen Debatte in der Flüchtlingspolitik. Flexible, humane und lösungsorientierte Ansätze bei der Aufnahme geflüchteter Menschen sind das Gebot der Stunde: Die aktuelle Abschiebungspraxis muss gestoppt, Bleiberechte für Geflüchtete konsequent umgesetzt, die Situation in den Ausländerbehörden verbessert und die drohenden drastischen Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 für den Migrationsbereich für eine gelingende Teilhabe abgewendet werden.

„Besonders erschreckend sind die rassistischen Diskurse über geflüchtete Menschen bis in die Mitte der Gesellschaft. Anstatt über Erfolge geflüchteter Menschen zu sprechen, schüren Politiker*innen Hass. Und diese Diskussionen und Wortwahlen haben direkte Konsequenzen. Nach der Gewalt der 90er Jahre, nach Hanau, nach Halle, nach dem NSU und nach einer Vielzahl von Angriffen auf geflüchtete Menschen wird die Gefahr dieser Diskurse immer noch ignoriert“, so Julian Staiger vom Vorstand des Flüchtlingsrats.

„Die aktive Verhinderung legaler Migration zwingt Menschen zu einer traumatischen Flucht und anschließend für Jahre in ein äußerst restriktives Aufnahmesystem. Das bedeutet für die Betroffenen eine immense finanzielle, gesundheitliche und emotionale Belastung, die zum Vorteil aller vermeidbar wäre“, kommentiert Mariella Lampe, ebenfalls vom Vorstand des Flüchtlingsrats.

„Kürzungen in der Migrations- und Flüchtlingshilfe sind in der aktuellen Situation mit Blick auf die steigende Zahl von Geflüchteten, aus humanitären und gesellschaftspolitischen Gründen nicht zu verantworten. Die Förderung einer nachhaltigen Migrationssozialarbeit ist eine Investition in eine zukunftsfähige und zusammenhaltende Gesellschaft. Soziale Organisationen und Wohlfahrtsverbände engagieren sich seit Jahren unter schwierigen Bedingungen dafür, die notwendigen Beratungs- und Unterstützungsangebote, die Menschen nach ihrer Ankunft in unserem Land dringend benötigen, vorzuhalten. Der drohende soziale Kahlschlag ist auch ein Zeichen des mangelnden Respektes und Anerkennung ihrer Arbeit und sendet Signale, die demokratiefeindlichen Strukturen in die Hände spielen“, erklärt Uta-Micaela Dürig, Vorständin Sozialpolitik des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg.

Der Flüchtlingsrat und der Paritätische Wohlfahrtsverband fordern die Politik dazu auf, ihre migrationspolitischen Verfehlungen möglichst schnell zu reparieren: Die aktuelle Abschiebepolitik muss ein Ende haben; besonders absurd ist es, wenn Menschen vom Arbeitsplatz abgeschoben werden, während gleichzeitig ein Arbeits- und Fachkräftemangel beklagt wird. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass Bleiberechte – wie zum Beispiel das Chancen-Aufenthaltsrecht – nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch faktisch in Anspruch genommen werden können. Hierfür sollten Menschen auch von offizieller Seite mehrsprachig über ihre Bleiberechtsmöglichkeiten informiert werden. Außerdem muss die untragbare Situation bei vielen Ausländerbehörden endlich proaktiv angegangen werden. Betroffene sehen sich aktuell dazu gezwungen, vor den Behörden zu übernachten, um überhaupt ihr Anliegen vorbringen zu können. Zuwanderung muss als gesellschaftlicher Mehrwert anerkannt werden. Abschottungspolitik und die aktuelle feindselige Rhetorik spalten die Gesellschaft und gefährden die Solidarität mit geflüchteten Menschen.


Bundesweite Aktionstage: Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wurde Anfang der 90er Jahre ein diskriminierendes Sondergesetz beschlossen. Denn durch das Gesetz wurde erstmals eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu einem prekären Leben in Substandards gezwungen. Die Leistungen des AsylbLG sind nach wie vor viel zu wenig, deshalb rufen wir zur Beteiligung an den bundesweiten Aktionstagen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetztes vom 28.10. bis zum 01.11.2023 auf!

Die öffentliche und politische Stimmung hetzt gegen Geflüchtete und bauscht das Bild auf, dass Geflüchtete nur fliehen, um in Deutschland auf Kosten des Systems zu leben. Absurde Vorschläge zu noch weniger Leistungen werden gemacht, z.B. gar keine Auszahlung von einem eh schon geringen Bargeld. Dieser massive Rechtsruck in der deutschen und europäischen Politik darf nicht hingenommen werden.

Gemeinsam mit der AsylbLG abschaffen ruft der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg dazu auf, die Forderungen nach der Abschaffung des AsylbLG und jeglicher sozialpolitischer Ausgrenzung auf die Straße zu tragen. Unterzeichnet den Aufruf zur Abschaffung des AsylbLG und nehmt teil an der Aktionswoche vom 28.10. – 01.11.2023.

Im Rahmen der Aktionstage gegen das AsylbLG unterstützt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Forderungen des Aufrufs der Kampagne AsylbLG abschaffen:

  • Selbstversorgung statt entmündigender Vollverpflegung
  • Gesundheitskarte statt diskriminierender Papierkrankenscheine
  • Privates Wohnen statt Lager
  • Zugang zum Arbeitsmarkt statt Arbeitsverbote
  • Tarifliche Entlohnung statt ausbeuterischer Arbeit für 80 Cent/h
  • Eintreten für Grundrechte statt Akzeptanz rechtswidriger Kürzungen

Außerdem findet am 28. Oktober um 14 Uhr am Platz der alten Synagoge in Freiburg eine Demonstration gegen das AsylbLG im Rahmen der Aktionswoche statt.


Freiburg: Demonstration „Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“

Gemeinsam mit der Kampagne AsylbLG abschaffen ruft der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg dazu auf, die Forderungen nach der Abschaffung des AsylbLG und jeglicher sozialpolitischer Ausgrenzung auf die Straße zu tragen. Denn durch das AsylbLG wurde erstmals eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu einem prekären Leben in Substandards gezwungen. Die Leistungen des AsylbLG sind nach wie vor viel zu wenig, deshalb rufen wir dazu auf, die Forderungen nach der Abschaffung des AsylbLG auf die Straße zu tragen. Am 28. Oktober findet um 14 Uhr am Platz der alten Synagoge in Freiburg eine Demonstration gegen das AsylbLG statt.

Unterzeichnet darüber hinaus den Aufruf zur Abschaffung des AsylbLG und nehmt teil an der Aktionswoche vom 28.10. bis 01.11.2023.

Im Rahmen der Aktionstage gegen das AsylbLG unterstützt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Forderungen des Aufrufs der Kampagne AsylbLG abschaffen:

  • Selbstversorgung statt entmündigender Vollverpflegung
  • Gesundheitskarte statt diskriminierender Papierkrankenscheine
  • Privates Wohnen statt Lager
  • Zugang zum Arbeitsmarkt statt Arbeitsverbote
  • Tarifliche Entlohnung statt ausbeuterischer Arbeit für 80 Cent/h
  • Eintreten für Grundrechte statt Akzeptanz rechtswidriger Kürzungen


Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze im Schreiben des Justizministeriums

Nach zahlreichen antiziganistischen* Vorfällen im Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine in Baden-Württemberg bedient sich nun auch das Justizministerium in seinem Hinweisschreiben vom 25. Mai 2023 offenkundig rassistischer Formulierungen. Damit fördert das Ministerium eine Politik des offenen Misstrauens und des Rassismus gegenüber besonders schutzbedürftigen Personen. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg verurteilt dieses Vorgehen aufs Schärfste und fordert den unbedingten Schutz für alle Geflüchteten aus der Ukraine.

In dem Schreiben vom 25. Mai warnt das Ministerium davor, dass sich Personen aus dem ukrainisch-ungarischen Grenzgebiet bei Aufnahmebehörden im Land melden würden, welche eigentlich keinen Anspruch auf vorübergehenden Schutz hätten. Denn, so die Erklärung, diese Personen seien im Besitz eines ungarischen Passes und daher nicht schutzbedürftig – eine Fiktionsbescheinigung müsse entsprechend verweigert werden. Explizit wird an dieser Stelle auf Personen hingewiesen, welche „oft im Familienverbund vorstellig“ würden und angeben, sich in einer schlechten finanziellen Situation zu befinden. Zudem seien insbesondere Personen verdächtig, die sich „zur Verständigung oft fast ausschließlich der ungarischen Sprache bedienen“ oder mit denen „keine Verständigung auf Ukrainisch oder Russisch“ möglich sei.

Ohne die Zielgruppe eindeutig zu benennen, wird klar, dass das Ministerium mit dem Schreiben wohl auf geflüchtete Rom*nja abzielt, indem es einschlägige rassistische Vorurteile bedient. Hierzu zählt der Verweis auf die Flucht „im Familienverbund“, der angesichts der Tatsache, dass viele der Ukrainer*innen gemeinsam mit Familienmitgliedern flüchten, eigentlich jeglicher Logik entbehrt. Der Verweis auf die finanzielle Lage der vorstelligen Personen zielt auf die verbreitete Fehlannahme, Rom*nja würden insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen fliehen und seien nicht „wirklich“ schutzbedürftig. „Diese rassistischen Ressentiments transportieren die immer gleichen, jahrhundertealten Bilder gegen Rom*nja und Sinti*zze und grenzen massiv aus: Selbst jetzt – in Anbetracht des Krieges – sind unsere Menschen aus der Ukraine von gleichwertiger Hilfe auf der Flucht ausgeschlossen,“ erklärt Sonja Kosche, Roma-Aktivistin. Das Schreiben macht auch deutlich, dass es im Ministerium an Wissen zur sprachlichen Vielfalt in der Ukraine fehlt. Der Hinweis auf die Sprachkenntnisse der Personen verkennt die Situation von Minderheiten vor Ort. Denn in der Ukraine leben faktisch ungarisch-sprechende Minderheiten, auch ist es nicht ungewöhnlich, dass manche Rom*nja aus der Ukraine hauptsächlich auf Romanes kommunizieren.

„Baden-Württemberg wird seiner Verantwortung aus der NS-Zeit noch immer nicht gerecht, das beweisen auch diese rassistischen Auslassungen. Ganz im Gegenteil: Ausgrenzung und Kriminalisierung sind, wie die andauernde Verfolgung nach 1945, auch heute noch gängige Praxis gegen Rom*nja und Sinti*zze in Deutschland,“ macht Kosche deutlich. Denn mit seinem Schreiben ebnet das Ministerium den Weg zu kollektiven Vorverurteilungen und verstärkt das Misstrauen von Behörden. „Diese Kultur des Misstrauens hat fatale Folgen für die Betroffenen, denn ohne Fiktionsbescheinigung ist auch kein Zugang zu Sozialleistungen möglich“, sagt Elisa Söll vom Flüchtlingsrat BW. Im Extremfall müssen die Geflüchteten ungarische Auslandsvertretungen kontaktieren, um eine Bescheinigung vorlegen zu können, dass sie keine ungarische Staatsangehörigkeit haben – und das dauert. „Wir fordern daher, dass alle Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, im Land Schutz bekommen. Der Zugang zu einem fairen Verfahren und einem entsprechenden Schutz in Baden-Württemberg darf für flüchtende Rom*nja – aber eben auch Angehörige anderer Minderheiten – nicht eingeschränkt werden“, so Söll weiter.

Nachfragen des Flüchtlingsrats zum entsprechenden Schreiben waren vom Justizministerium nicht beantwortet worden.

*Der Begriff „antiziganistisch“ wird u.a. von Vertreter*innen der Community z.T. sehr kritisch gesehen, weil er durch seinen Bestandteil „zigan“ abwertende Fremdbezeichnungen reproduziert. Aus diesem Grund wird „zigan“ in diesem Text durchgestrichen.


VG Berlin: Abschiebungsverbot wegen humanitärer Lage im Jemen

Das Verwaltungsgericht Sachsen (VG) hat mit Beschluss vom 05.04.2023 (Az: 1 K 52/21 A) folgendes entschieden:

„Aufgrund der extrem prekären, sich immer weiter zuspitzenden humanitären Lage im Jemen ist regelmäßig vom Bestehen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG auszugehen. Etwas anderes gilt nur, wenn im Einzelfall besondere tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Person, abweichend vom Durchschnitt der Bevölkerung, nicht von der allgemeinen prekären Lage und der Abhängigkeit von Nichtregierungsorganisationen betroffen sein würde.“

(Leitsatz von asyl.net)

Eine andere Ansicht vertritt das VG Schleswig-Holstein im Urteil vom 13.04.23 (Az: 9 A 106/22).