Debatte über Arbeitspflicht, Abschiebungen und Bezahlkarten für Flüchtlinge stärkt rechte Diskurse

PRO ASYL und Flüchtlingsräte kommentieren Vorschläge der Ministerpräsident*innenkonferenz, das ‚Abschiebungsverschlimmerungsgesetz‘ von Nancy Faeser und den drohenden Schulterschluss mit rechten Positionen in einem „Deutschlandpakt“.

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Bundesländer kritisieren die aktuellen Vorschläge zur weiteren Entrechtung von Geflüchteten scharf. Hierzu gehört der Vorstoß auf der heute beginnenden Ministerpräsident*innenkonferenz, unter anderem die Bezahlkarte und die Arbeitspflicht für Schutzsuchende einzuführen. Begründet wird dies mit dem Ziel, die Zuzugszahlen von Geflüchteten zu senken, um die Kommunen zu entlasten.

“Worüber sprechen wir hier? Dass Menschen ihr Leben riskieren, auf der Flucht gefoltert und vergewaltigt werden, nur weil sie in Deutschland vierhundert Euro im Monat bekommen wollen? Und wenn es nun statt Bargeld eine Bezahlkarte gibt, gehen sie lieber in Baschar al-Assads Gefängnisse in Syrien oder liefern sich der Taliban in Afghanistan aus? Uns fehlen die Worte über diese unredlichen Vorschläge”, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

Mit einer Arbeitspflicht wird das rassistische Narrativ von Schutzsuchenden, denen zu Unrecht unterstellt wird, nicht arbeiten zu wollen, reproduziert. Blanker Hohn, wenn man bedenkt, wie viele Geflüchtete in Deutschland mit einem Arbeitsverbot belegt werden. Wir sind entsetzt über diesen unmenschlichen Umgang mit Geflüchteten und die rein von rechts dominierte Migrationsdebatte, die allein dem Aufschwung antidemokratischer Kräfte dient und nichts mit tatsächlichen Lösungsansätzen zu tun hat.

“Gebot der Stunde ist es, schutzsuchenden Menschen eine gleichberechtige Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, das schafft zugleich Entlastung in den Kommunen“, sagt Ulrike Seemann-Katz, Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Zudem ist der Vorschlag nicht mit Artikel 20 der EU-Aufnahmerichtlinie vereinbar und auch Artikel 4 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention statuiert das Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit.

Nach dem Debakel in den Landtagswahlen in Hessen und Bayern für die Ampel-Parteien legte nun Innenministerin Faeser einen Gesetzesentwurf vor, der rechtsstaatlich höchst fragwürdige Verschärfungen bei Abschiebungen vorsieht. Mehr und längere Haft, das Durchsuchen von Wohnungen und das Handyauslesen sind alles schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte, wobei auch die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wird.

„Wir lehnen schon die Prämisse dieses ‚Abschiebungsverschlimmerungsgesetzes‘ ab, dass mehr Abschiebungen das Mittel der Wahl sind, um die Kommunen zu unterstützen. Abschiebungen sind schon heute oft brutal für die betroffenen Menschen, das wird noch schlimmer, wenn sie regelmäßig überfallartig und nachts passieren. Auch ist jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig – dieses Instrument jetzt noch auszubauen widerspricht jedem Verständnis von Rechtsstaat“, so Seemann-Katz, Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Den Verbänden ist der Gesetzesentwurf am Mittwoch mit Veröffentlichung auf der Homepage zur Kommentierung zugeleitet worden. Die Stellungnahmefrist von zwei Tagen zeigt, dass auch diese Einbindung der Zivilgesellschaft zur Farce geworden ist.

Statt immer neuer Abschreckungsmaßnahmen, sollten sich die Ministerpräsident*innen den pragmatischen Lösungsvorschlägen von zivilgesellschaftlichen Organisationen zuwenden. Dazu gehören zum Beispiel eine Pro-Kopf-Pauschale für die Kommunen für jede aufgenommene Person und die im Koalitionsvertrag versprochene Aufhebung aller Arbeitsverbote. Auch die Aufweichung restriktiver Gesetze, die verhindern, dass Geflüchtete aus den ihnen zugewiesenen Unterkünften ausziehen können, würde Kommunen entlasten. Nötig sind zudem der zügige Ausbau von Kita- und Schulplätzen und die Digitalisierung der Behörden.

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder appellieren an alle Politiker*innen in Bund und Ländern, sich an einem menschenrechtlichen Kompass zu orientieren: “Stoppen Sie diese irrwitzigen Debatten! Und vor allem: Hören Sie auf, den rechten Diskurs zu führen, der Geflüchtete zu Sündenböcken für verfehlte Sozialpolitik macht.”


VG Freiburg: Dublin-Zuständigkeit nach Erteilung eines Visums durch einen Mitgliedstaat

Nach der Dublin-III-Verordnung ist häufig der Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung eines Asylantrags zuständig, der die Einreise in den Dublin-Raum ermöglicht oder nicht verhindert hat. Als Folge dieses sogenannten Verantwortungsprinzips begründet ein Visum grundsätzlich die Zuständigkeit des Ausstellerstaats, wenn die betroffene Person einen Asylantrag stellt (Art. 12 Dublin-III-VO). Auch bereits abgelaufene Visa sind zuständigkeitsbegründend, sofern das Visum im Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind (Art. 14 Abs. 4 Dublin-III-VO).

Mit Beschluss vom 28.8.2023 (Az: 13 K 2194/23) hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden, dass für die Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO nicht nur der Besitz des abgelaufenen Visums Voraussetzung ist. Der Antragssteller muss darüber hinaus gerade mit Hilfe des abgelaufenen Visums in einen Dublinanwender-Staat eingereist sein. So begründet etwa ein seit kurzem abgelaufenes polnisches Visum, das eine Person bei ihrer Flucht über das Mittelmeer nach Italien mit sich führt, keine Zuständigkeit Polens, falls die Person später in Italien einen Asylantrag stellt.



Tübingen: Vortrag „Europa macht dicht – mit tödlichen Folgen“

Medico International lädt zu dem Vortrag „Europa macht dicht – mit tödlichen Folgen“ mit Dr. Kerem Schamberger ein. Der Vortrag thematisiert die Auswirkungen der Reform der europäischen Asylpolitik (sog. GEAS-Reform) sowie welche Verantwortung Deutschland hat im Zusammenhang mit dem Sterben von Migrierenden an den europäischen Außengrenzen. In einer anschließenden gemeinsamen Diskussion sollen gemeinsame Ideen entwickelt werden, wie eine humane Migrations- und Flüchtlingspolitik aussehen kann.

Durch die Reform der europäischen Asylpolitik wird die Abschottungspolitik weiter vorangetrieben und Migrierenden wird es immer mehr erschwert, nach Europa zu gelangen. Mit der Zustimmung der Errichtung von neuen Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen und der Billigung von brutalen Pushbacks schaffen die EU-Innenminister*innen mit dem Einverständnis der deutschen Regierung das Recht auf Asyl ab.

Veranstalter*in: Gruppe medico international Tübingen

Ort: VHS Tübingen, Katharinenstraße 18, großer Saal


Pro Asyl: Leistungskürzungen für Geflüchtete

Kein Ende der Debatte: Merz, Dürr, Söder und Co. wollen die Sozialleistungen für Geflüchtete kürzen. Doch das verbieten sowohl der menschliche Anstand als auch die Verfassung. Die aktuellen Äußerungen dagegen zeugen von Empathielosigkeit und völliger Unkenntnis der Lebensrealität von geflüchteten Menschen

Die Debatte über die Forderung nach Sachleistungen und nach Leistungskürzungen für Geflüchtete reißt nicht ab. Vor allem aus der Bundes-FDP kommt die Forderung nach Bezahlkarten, um den Menschen Bargeld zu entziehen, CSU-Chef Söder hat eine solche Bezahlkarte für Bayern angekündigt. Dass CDU-Chef Friedrich Merz mit falschen Behauptungen über die angebliche Vorzugsbehandlung von Geflüchteten bei Zahnärzten versucht hat, in der Öffentlichkeit zu punkten, fiel noch weitgehend auf ihn selbst zurück. Inzwischen hat er sich offenbar über die Rechtslage informieren lassen und fordert jetzt, den Zeitraum der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gekürzten Leistungen von derzeit 18 Monaten erheblich auszudehnen.

All diese Äußerungen passen in eine in Wahlkampfzeiten aufgeheizte Flucht- und Migrationsdebatte und sind offenbar dem sinnlosen Versuch geschuldet, die potenzielle AFD-Wählerschaft mit nach rechtsaußen driftenden, populistischen Parolen einzufangen. Dabei entbehren die Forderungen nach Leistungskürzungen jeglicher Vernunft, Empathie und Mitmenschlichkeit und sind ein Angriff auf Artikel eins unserer Verfassung: die Menschenwürde.

Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum

Aus der Verbindung von Artikel 1 (Menschenwürde) mit Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip) ergibt sich das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum – so hat es das Bundesverfassungsgericht 2012 festgehalten. Damals verurteilte das Bundesverfassungsgericht die Grundleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz als »evident unzureichend« und hob sie auf annähernd das damalige »Hartz-IV«-Niveau an. In diesem Zusammenhang machte das Verfassungsgericht auch klar, dass der vollständige Entzug von Bargeld nicht mit der Verfassung vereinbar ist – ein Vorschlag, den ausgerechnet der Bundesjustizminister ernsthaft vorbrachte. Zuletzt verurteilte das höchste deutsche Gericht eine erst 2019 eingeführte 10-prozentige Kürzung der Grundleistungen für alleinstehende Geflüchtete, die in »Gemeinschaftsunterkünften« leben müssen, als verfassungswidrig. Weitere Verfahren gegen Asylbewerberleistungen sind vor dem Bundesverfassungsgericht noch anhängig. Eine erneute oder weitergehende Kürzung der Sozialleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz dürfte einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht Stand halten.

Sachleistungen sind inakzeptabel

An Bedürftige Sachleistungen auszugeben anstelle von Bargeld, ist in mehrfacher Hinsicht inakzeptabel: Zum einen entmündigt und diskriminiert es die Betroffenen und zum anderen stellt es de facto eine Leistungskürzung dar, weil Sachleistungen nie den individuellen Bedarf decken können, wie PRO ASYL und der Berliner Flüchtlingsrat 2022 umfassend analysiert haben.  Bereits jetzt erhalten Geflüchtete vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder neben einem Platz im Mehrbettzimmer, Essen in der Kantine, Hygienepakete und Kleidung aus der Kleiderkammer zumeist sehr wenig Bargeld. Sachleistungen sind überdies durch den Verwaltungsaufwand deutlich teurer als die Gewährung von Geldleistungen. (Siehe auch unsere News Warum Sachleistungen eine schlechte Idee sind).

Kürzungen führen nicht zu weniger Asylsuchenden

Vor diesem Hintergrund ist auch die von Söder, Dürr, Merz und Co. vorgebrachte Behauptung, die Zahl der Zufluchtsuchenden in Deutschland würden sich verringern, wenn man die Lebensbedingungen Geflüchteter hier nur noch miserabler gestaltet, falsch und als Begründung unzulässig:

Menschen fliehen vor Krisen, Krieg oder Verfolgung, allen voran aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Keiner dieser Menschen bliebe in seiner Not, weil er wüsste, dass die Sozialleistungen in Deutschland reduziert wären. Und auch mit Blick auf das Zielland hängt die Frage, wo die Menschen Schutz suchen, nicht primär von der Frage ab, ob es dort Gutscheine oder Bezahlkarten zum Überleben gibt. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen, wie z.B. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge »Warum Deutschland?« spielen dagegen vor allem der Aufenthaltsort von Freund*innen, Familie oder Community, die Sprache, aber auch die mutmaßlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine größere Rolle. Sozial- und asylpolitische Regelungen hingegen sind oft wenig bekannt und wirken sich nur bedingt auf solche Entscheidungen aus.

Im Übrigen setzt das Bundesverfassungsgericht auch mit Blick auf das vorgebliche »Ziel« eine klare Grenze: »Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren«, beschied das höchste deutsche Gericht 2012. Mit anderen Worten: Sozialleistungen dürfen gar nicht gekürzt werden, um Menschen von der Zuflucht nach Deutschland abzuhalten.

Menschenwürde statt Degradierung 

Richtig ist, dass die Sozialleistungssysteme in den EU-Staaten unterschiedlich ausgeprägt sind. Deshalb suchen auch solche Menschen in Deutschland Schutz, die etwa schon in Italien oder Griechenland Asyl gesucht haben, aber ohne Dach über dem Kopf und ohne Nahrungsversorgung auf der Straße leben mussten. Aus diesem Grund verhindern deutsche Gerichte zum Teil ihre Rückschiebung in andere Staaten Europas, besonders wenn es sich um kranke oder besonders verletzliche Menschen handelt.

Wir können stolz darauf sein, dass unsere Verfassung und unsere Gesetze es nicht zulassen, dass Geflüchtete hier einfach auf die Straße gesetzt und dem Hunger oder der Ausbeutung durch Kriminelle überlassen werden. Die einzige Lösung für die soziale Schieflage liegt in einem solidarischen und menschenwürdigen Europa – und nicht in einem Wettstreit der Staaten um die mieseste Behandlung von schutzsuchenden Menschen.

Das Argument, verhindern zu wollen, dass Menschen von ihrer Sozialhilfe Geld an ihre Familien oder Schlepper in der Heimat schicken, zeugt davon, dass diejenigen, die das behaupten, keine Vorstellung davon haben, wie weit man als erwachsener Mensch mit 182 Euro Bargeld im Monat kommt. Realistisch wird es, der in Not zurückgebliebenen Familie Geld zukommen zu lassen, wenn Menschen hier ausreichend Geld verdienen können – aber nicht vorher. Nach der jetzt bereits vorhandenen Sachleistungspraxis und den geltenden Regelsätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die Behauptung relevanter Geldtransfers schlicht realitätsfern.

Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Das Asylbewerberleistungsgesetz war von Anfang an als Instrument zur Abschreckung von Geflüchteten gedacht. Seit seinem Bestehen wenden sich sämtliche Fachverbände gegen die diskriminierende Ungleichbehandlung – bis heute. 2023, im 30. Jahr seines Bestehens, fordern über 200 Organisationen, darunter bundesweite Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände, gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft und die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.



Aktionsnacht vor der Ausländerbehörde Stuttgart

Die prekäre Situation bei der Ausländerbehörde Stuttgart ist längst vielen Personen bekannt. Wir als Träger, Stiftungen, Vereine und ehrenamtlich Engagierte setzen uns täglich mit dieser Problematik auseinander, doch meistens erfolglos.

Daher starten wir nun einen Aufruf für Menschenrechte und Solidarität! Nur damit können wir die Zukunft beeinflussen und Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen.

Daher soll vom 8. auf den 9. Oktober die erste Aktionsnacht vor der Ausländerbehörde in der Eberhardtsstraße 39 in Stuttgart stattfinden. Alle sich solidarisch zeigenden Personen sollten sich dabei ab 22 Uhr vor der Ausländerbehörde versammeln und die wartenden Menschen vor Ort mit Kaffee, Tee, Kuchen und Klappstühlen versorgen. Zusätzlich bieten wir ein niederschwelliges Beratungsangebot und Anschluss an verschiedene Einrichtungen, die den Prozess erleichtern können.

Wir brauchen euch!

Organisiert wird die Aktion von Kubus e.V. mit der Unterstützung von der TGBW, ADGW, Seebrücke, dem Flüchtlingsrat und vielen weiteren!


BMI-Länderschreiben: Unzumutbarkeit Passbeschaffung Eritrea

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 11. Oktober 2022 (Az. 1C 9/21) eine grundsätzliche Entscheidung zur Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer sogenannten „Reueerklärung“ bei Eritreer*innen mit subsidiärem Schutz getroffen. Um eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, veröffentlichte das Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) folgende Handlungsempfehlungen:

1. Die Passbeantragung ist nicht zumutbar, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung an die Unterzeichnung eines Reueerklärung knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verknüpft ist und die beantragende Person ausdrücklich und plausibel darlegt, dass sie diese Erklärung nicht abgebеn will. Dies gilt unabhängig von Alter, Aufenthaltszweck und aufenthalts-/asylrechtlichen Status. Wir können also davon ausgehen, dass auch keine geduldeten Personen, eine Reueerklärung mehr unterzeichnen müssen, wenn sie dies nicht wollen.

2. Behörden sollen außerdem darauf verzichten, eritreische Staatsangehörige mit Schutzstatus zur Vorsprache bei der eritreischen Botschaft aufzufordern, bei denen üblicherweise eine Reueerklärung verlangt wird. Dies gilt für Personen im dienstpflichtigen Alter (Frauen: 18 bis 47 Jahre und Männer: 18 bis 57 Jahre). Dies entspricht dem Erlass des Justizministeriums Baden-Württemberg vom Januar 2023. Allerdings vertritt das Innenministerium BW in Einbürgerungsverfahren die Auffassung, dass eritreische Staatsangehörige, das Verlangen der Auslandsvertretung zur Abgabe der Reueerklärung im Einzelfall glaubhaft machen müssen und deshalb bei der Botschaft vorsprechen sollen. Dies hat schon zu etlichen Verwirrungen gesorgt. Wir hoffen nun, dass das Länderschreiben des BMI auch in BW zu einer einheitlichen Rechtsanwendung führt.

Das Justizministerium BW hat das Länderschreiben bereits im August unverzüglich ohne Ergänzungen an die nachgeordneten Ausländerbehörden weitergegeben.



Aufenthaltserlaubnis für Personen mit abgeschlossenen Helferausbildungen

Personen, die in Deutschland eine staatlich anerkannte Ausbildung in einer Pflegehilfstätigkeit oder eine im Ausland gleichwertige Ausbildung abgeschlossen haben, können ab dem 1.3.2024 eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. In Baden-Württemberg erhalten alle infrage kommenden geduldeten Personen bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Ermessensduldung, sodass keine Abschiebung mehr vollzogen werden kann.

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz erhalten Ausländer*innen erstmals die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen auch wenn sie „nur“ eine Helferausbildung abgeschlossen haben. Geduldete Personen sollen dann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG erhalten. In der Vergangenheit zwangen sich viele Geduldete, eine an die Helferausbildung anschließende qualifizierte Pflegeausbildung abzusolvieren. Denn nur dann konnten sie eine Ausbildungsduldung bekommen und waren vor Abschiebung geschützt. Konnten sie die qualifizierte Ausbildung nicht abschließen, waren sie akut von Abschiebung bedroht, obwohl sie als Pflegehilfskräfte arbeiteten. Dies ändert sich nun zum 1.3.2024. Auch Personen, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis haben (z.B. § 16a AufenthG: Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung) oder im Ausland eine gleichwertige Berufsausbildung abgeschlossen haben und über ein Visum einreisen möchten, können ab dem 1.3.2024 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 22a BeschV erhalten.

Da die entsprechenden Aufenthaltserlaubnisse erstmals am 1.3.2024 erteilt werden können und bis dahin theoretisch noch Abschiebungen stattfinden können, hat Baden-Württemberg einen Vorgriffserlass erlassen:

Geduldete, die in Deutschland eine anerkannte Helferausbildung oder eine im Ausland gleichwertige Ausbildung abgeschlossen haben und die als Pflegehilftskraft arbeiten, bekommen ab sofort eine Ermessensduldung vom Regierungspräsidium Karlsruhe.

Ausschlussgründe sind im Bundesgebiet begangene vorsätzliche Straftaten, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländer*innen begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.



BZL Berlin: Geflüchtete mit Behinderungen dürfen nicht entmenschlicht werden!

Das Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. (BZL) stellt fest, dass sowohl die aktuelle politische Debatte als auch der öffentliche Diskurs über Asyl- und Migrationspolitik sich auf europäischer und nationaler Ebene zuspitzt. Vor allem geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind strukturell benachteiligt und erfahren dadurch eine massive Einschränkung ihrer Menschenrechte sowie eine verheerende Entmenschlichung. Vor diesem Hintergrund fordert das BZL klare Maßnahmen von Bund und Ländern.

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen sowie psychischen Beeinträchtigungen sowie deren pflegende Angehörige werden in der aktuellen Migrationspolitik übersehen oder gar vergessen. Gerade diese Gruppe ist von besonders schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen betroffen, denn sie sind einer eklatanten Unterversorgung ausgesetzt und sind häufig jahrelang in nicht barrierefreien Sammelunterkünften untergebracht. Der Zugang zu Hilfs- und Heilmitteln wie etwa Rollstühlen und Psychotherapie, Pflege- und Assistenzleistungen ist erschwert. Auch im Asylverfahren, bei der Erlangung von Aufenthaltserlaubnissen und -titeln werden behinderte Menschen und ihre pflegenden Angehörigen strukturell benachteiligt.

So hat das BZL kürzlich zum dritten Mal in diesem Jahr im Rahmen seiner spezialisierten Beratungstätigkeit von einem Todesfall erfahren, der bei einer bedarfsgerechten Versorgung und Unterbringung hätte verhindert werden können. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.

Vor diesem Hintergrund setzt das BZL ein klares Signal für die Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechtsnormen und humanitären Mindeststandards. Auch der Fachausschuss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) hat dies im vergangenen August getan und abermals verdeutlicht, Behinderung und Flucht sind als Querschnitts- und Menschenrechtsthema zu verankern!

Darüber hinaus, mahnt der Ausschuss vor allem die verschärfte Situation von geflüchteten Frauen und Kindern mit Behinderungen an und empfiehlt, einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Teilhabeleistungen, Bildung, Kultur- und Freizeitaktivitäten sowie den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu gewährleisten. Dadurch sollen die eigens gesetzten Verpflichtungen der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) erfüllt werden und ein bundesweit einheitliches Identifizierungsverfahren geschaffen werden, sodass Menschen mit Behinderungen in der Statistik- und Datensammlung berücksichtigt werden.

Aus diesem Grund setzt sich das BZL für einen konkreten Maßnahmenkatalog inkl. Monitoring ein und fordert eine verbindliche ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Dabei sollen NGOs an der Schnittstelle von Behinderung, Migration und Flucht gebührend aktiv beteiligt werden.

Hier geht’s zur gesamten Pressemitteilung vom BZL.


Blue Eyes? Brown Eyes? Diversity Workshop zu Rassismus und Antidiskriminierung

Die Evangelische Akademie Bad Boll lädt zu einem Experiment ein: Lässt sich Unterdrückung und Rassismus nachempfinden? Nach der Ermordung von Martin Luther King entwickelte die Antirassismus-Aktivistin Jane Elliott einen Workshop, um die Macht dieser Mechanismen begreifbar zu machen. Auch wir werden uns darauf einlassen und eindrückliche Erfahrungen sammeln. Die sorgfältige Reflexion und ein Transfer auf politische und soziale Bildung mit jungen Menschen schließen sich an.



Freiburg: Lesung „Das Schimmern der See“

Der Verein Südwind Freiburg lädt zur Graphic-Novel Lesung mit dem Autor und Zeichner Adrian Pourviseh am Samstag, den 07. Oktober um 20 Uhr im Jos Fritz Café (Wilhelmstraße 15/1) ein. In seinem Debüt „Das Schimmern der See“ erzählt Adrian Pourviseh seine Erlebnisse auf einer Seenotrettungsmission im August 2021. Der Augenzeugenbericht erscheint als Graphic Novel im avant Verlag.

Der Eintritt für die Veranstaltung erfolgt auf Spendenbasis. Die Spenden gehen an R42 Sail And Rescue, eine Freiburger Search & Rescue NGO, die mit ihrem Segelschiff Imara im zentralen Mittelmeer zwischen Sizilien und Libyen Monitoring- und Ersthilfeeinsätze durchführt.