Pro Asyl: EuGH: Deutschland verhinderte rechtswidrig Familiennachzug

Gute Nachricht für zerrissene Familien: Der Europäische Gerichtshof hat heute der europarechtswidrigen Praxis deutscher Behörden, einem volljährig gewordenen Kind die Zusammenführung mit den Eltern zu verwehren, eine klare Absage erteilt. Entscheidend für das Recht auf Familiennachzug sei, dass das Kind minderjährig war, als der Asylantrag gestellt wurde.

In gleich zwei heute ergangenen Urteilen gegen Deutschland stellt der Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) unmissverständlich fest, dass die bisherige deutsche Praxis beim Familiennachzug von bzw. zu Kindern „weder mit den Zielen der Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung noch mit den Anforderungen im Einklang stünde, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben“.

Für Deutschland bedeutet dies eine 180-Grad-Wende, denn bislang verweigert das Auswärtige Amt trotz eines gleichlautenden Urteils des EuGH von 2018 die Familienzusammenführung, sobald die Kinder volljährig geworden sind – obwohl dies zum Beispiel an den langen Asylverfahren oder den langen Verfahren zum Familiennachzug liegt. Nach dieser Logik büßen die Familien dafür, dass die deutsche Bürokratie so langsam arbeitet. Damit ist nun Schluss: Laut dem EuGH kann der Anspruch auf Familiennachzug für Flüchtlinge durch die eintretende Volljährigkeit der Kinder nicht verloren gehen.

„Viele durch die Flucht zerrissenen Familien können nach den Urteilen aufatmen: ihr Anspruch auf Familiennachzug besteht weiter, auch wenn ein Kind volljährig wird. Es ist aber ein Skandal, dass Deutschland diese Familien vier weitere Jahre hingehalten hat, obwohl die Rechtslage bereits nach dem Urteil des EuGHs von 2018 eindeutig war. Den Familien wurde so wertvolle Zeit geraubt. Die neue Bundesregierung muss dies jetzt zügig gesetzlich anpassen und auch weitere notwendige Schritte zur Beschleunigung des Familiennachzugs gehen. Denn angesichts der weiterhin zähen Verfahren zum Familiennachzug wird für viele in Deutschland anerkannte Flüchtlinge die Frage offen bleiben, wann sie ihre engsten Angehörige in die Arme schließen können“, so Wiebke Judith, Teamleitung Recht & Advocacy bei PRO ASYL.

Die Urteile beziehen sich auf zwei Fallkonstellationen: In einem Fall geht es um die Situation, wenn Eltern zu ihrem in Deutschland lebenden Kind nachziehen möchten, das hier eine Flüchtlingsanerkennung erhalten hat. In dem anderen Fall geht es um den Nachzug von Kindern zu ihren in Deutschland lebenden und als Flüchtling anerkannten Eltern.

Bisherige deutsche Rechtsauffassung

Die deutsche Regierung vertritt bislang die Auffassung, dass es beim Familiennachzug auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem das nachziehende Familienmitglied den Visumantrag gestellt hat oder zu dem das Visum erteilt wurde. Ist das Kind zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Jahre oder älter, wurde ihm das Recht abgesprochen, zu seinen Eltern einzureisen, oder den Eltern das Recht abgesprochen, zu ihrem Kind einzureisen.

Diese Rechtsauffassung nahm in den letzten Jahren unzähligen Familien die Möglichkeit in Deutschland zusammen zu leben, obwohl bei mindestens einem Familienmitglied eine Flüchtlingsanerkennung vorlag. Und das meist unverschuldet, denn häufig werden die Kinder während der langen Visaverfahren und zum Teil der sich anschließenden Klageverfahren volljährig. Davon betroffene Familien, die ohnehin durch die langen Verfahren litten, wurden obendrein damit bestraft, dass ihnen dann auch noch das Recht auf Familienleben genommen wird.

Außerdem öffnete diese Rechtsauslegung Tür und Tor für Ungleichbehandlung: Wenn eine Behörde einen Antrag schneller bearbeitet und einen anderen schlicht einfach liegen lässt, hat sie die Macht darüber zu entscheiden, dass die eine Familie zusammenleben darf, während einer anderen Familie dieses Recht vorenthalten wird. Für die Betroffenen blieb daher bisher völlig unvorhersehbar, ob sie das Recht auf Familienzusammenführung in Anspruch nehmen können, was die Rechtssicherheit beeinträchtigte. Das sieht auch der EuGH in seinen Urteilen heute so und fügt außerdem an: „Die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte hätten dann nämlich keine Veranlassung, die Anträge der Eltern Minderjähriger mit der Dringlichkeit, die geboten ist, um der Schutzbedürftigkeit der Minderjährigen Rechnung zu tragen, vorrangig zu bearbeiten, und könnten somit in einer Weise handeln, die das Recht auf Familienleben sowohl eines Elternteils mit seinem minderjährigen Kind als auch des Kindes mit einem Familienangehörigen gefährden würde.“

Eigentlich hatte der EuGH bereits im April 2018 anhand eines Falls aus den Niederlanden, bei dem es um den Nachzug eines Kindes zu einem als Flüchtling anerkannten Vater ging, bereits deutlich gemacht, dass es auf den Zeitpunkt der Asylantragsstellung des anerkannten Flüchtlings ankommt. Urteile des EuGHs gelten verbindlich für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und geben vor, wie Unionsrecht auszulegen ist. Die deutsche Regierung ignorierte dieses Urteil aber bislang und behauptete, die Rechtslage in den Niederlanden sei mit der in Deutschland nicht zu vergleichen.

Zu den Urteilen

In dem Urteil zu der Rechtssache 279/20 geht es um eine junge Syrerin, die zu ihrem Vater ziehen möchte. Als der Vater seinen Asylantrag in Deutschland stellte, war sie noch 17 Jahre alt, als ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und er den Antrag auf Familienzusammenführung endlich stellen konnte, war sie bereits 18 Jahre alt. Das Bundesverwaltungsgericht legte den Fall dem EuGH vor, mit der Frage, ob es nach der EU-Richtlinie beim Kindernachzug zu Flüchtlingen für die Minderjährigkeit des nachzugswilligen Kindes auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung des Flüchtlings (hier also des Vaters) ankommt. Zudem wollte das Bundesverwaltungsgericht vom EuGH wissen, welche Anforderungen an das Bestehen von tatsächlichen familiären Bindungen zwischen dem inzwischen volljährig gewordenen Kind und dem Flüchtling zu stellen sind. Die Schlussanträge des Generalanwalt Collins vom 16.12.2021 hatten bereits mutmachende Signale für eine Stärkung des Rechts auf Familiennachzug gegeben. Heute ist die Klägerin 23 Jahre alt und wartet seit dem Tod ihrer Mutter in der Türkei auf den Familiennachzug zu ihrem Vater.

In der Entscheidung zu den verbundenen Rechtssachen C‑273/20 und C‑355/20 geht es um syrische Kinder, die als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland kamen und hier als Flüchtlinge anerkannt wurden. Die daraufhin gestellten Visa-Anträge der Eltern zur Familienzusammenführung wurden abgelehnt, weil die Kinder zwischenzeitlichvolljährig geworden waren. Unter Berufung auf die o.g. EuGH-Entscheidung im Jahr 2018 verpflichtete das angerufene Verwaltungsgericht Berlin mit Urteilen vom 01. Februar 2019 sowie vom 30. Januar 2019 die Bundesrepublik Deutschland jeweils zur Erteilung der beantragten Visa an die Eltern. Gegen diese Entscheidungen legte die Bundesrepublik Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht ein, das dem EuGH diese Konstellation noch einmal vorlegte. Heute sind die Kläger*innen 23 Jahre alt und warten weiterhin auf ihre Eltern.


Russland: Aufnahme gefährdeter Personen

Schon im Mai hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, dass Russ*innen, die in ihrem Heimatland einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, aufgenommen werden. Zu solch gefährdeten Personen zählen beispielsweise Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Kulturschaffende. Die Aufnahmen erfolgen über die Visavergabe nach § 22 Abs. 2 AufenthG. Natürlich kommen auch Visa zum Zweck der Erwerbstätigkeit in Frage. Über den § 22 AufenthG konnten bereits einige Russ*innen einreisen.


Pro Asyl: Chancen-Aufenthaltsrecht: Zu viele Hürden für eine dauerhafte Perspektive

PRO ASYL begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Chancen-Aufenthaltsrecht Langzeitgeduldeten eine Perspektive geben und Kettenduldungen vermeiden will. Doch Nachbesserungen sind nötig, sonst droht zum Beispiel eine Art Bleiberechtslotterie. 

„Um einen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Migrationspolitik zu vollziehen, muss der Entwurf der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren deutlich nachgebessert und präzisiert werden“, sagt Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL.

Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL sind unter anderem folgende Nachjustierungen essentiell für eine erfolgreiche Regelung:

Problematischer Stichtag 1. Januar 2022
Im Kabinettsentwurf ist weiterhin der 1. Januar 2022 als Stichtag für das Chancen-Aufenthaltsrecht vorgesehen. Da sich der Gesetzgebungsprozess aber unter anderem durch den Krieg in der Ukraine verzögerte, ist dieser Stichtag nicht mehr angebracht. Denn bei Inkrafttreten des Gesetzes werden mehr Menschen mindestens fünf Jahre lang in Deutschland leben als am 1. Januar 2022. Diese werden jedoch nicht vom Chancenaufenthaltsrecht profitieren dürfen. Noch besser wäre es, das Gesetz ganz zu entfristen, also keinen Stichtag festzulegen, um auch künftig Ketten-Duldungen zu vermeiden.

„Identitätsklärung“ – drohender Flickenteppich bei der Umsetzung 
Eine große Hürde bei der Identitätsklärung ist oft die Beschaffung eines Passes. Und so droht auch mit dem aktuellen Gesetzentwurf die Gefahr, dass praktische Probleme wie die Weigerung einer Botschaft, einen Pass auszustellen, bestehen bleiben und verhindern, dass die Menschen von der neuen Regelung profitieren.
Der Hinweis im Gesetzentwurf, dass „die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen“ soll, ist sicherlich als Präzisierung und Nachschärfung gedacht. Aus Sicht von PRO ASYL wird das aber nicht die notwendige Klarheit schaffen. „Die Gefahr ist sehr groß, dass sich ohne Präzisierungen im Gesetzgebungsverfahren völlig divergierende Praktiken bei den Ausländerbehörden entwickeln – eine Art Bleiberechtslotterie“, warnt Karl Kopp. PRO ASYL fordert deshalb, dass die Identitätsklärung durch „Versicherung an Eides“ statt, die der Koalitionsvertrag vorsieht, schon jetzt umgesetzt wird.

Drohender Rückfall in die Duldung nach einem Jahr
Sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der einjährigen Aufenthaltsdauer nicht erfüllt sind, „fallen die Betroffenen in den Status der Duldung zurück, da es sich beim Chancen-Aufenthaltsrecht um eine einmalige Sonderregelung handelt…“, heißt es im Kabinettsentwurf.
PRO ASYL befürchtet, dass es vielen Begünstigten des Chancen-Aufenthaltsrechts nicht gelingen wird, innerhalb eines Jahres sämtliche Anforderungen zu erfüllen. Angesichts der sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage ist es zum Beispiel sehr fraglich, ob Betroffene es schaffen, ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst zu sichern.

Vorgriffsregelung in den Bundesländern notwendig 
Bis das Chancenaufenthaltsrecht wirklich in Kraft tritt, sollte das Bundesinnenministerium zudem alle Bundesländer dazu auffordern, entsprechende Vorgriffsregelungen zu erlassen. Denn sonst können derzeit Schutzsuchende abgeschoben werden, die mit dem neuen Gesetz in Deutschland bleiben und sich ein Zukunft aufbauen könnten. Die Verzögerungen dürfen nicht zulasten der Betroffenen gehen.


Pro Asyl: Europäischer Gerichtshof verurteilt Litauen

Der Europäische Gerichtshof sendet ein klares Stoppsignal an die Staaten, die Pushbacks und andere Völkerrechtsbrüche legalisieren wollen.

PRO ASYL begrüßt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit seinem Urteil vom 30. Juni 2022 der fortschreitenden Erosion der Flüchtlingsrechte Einhalt gebietet. Die Gesetzesverschärfungen Litauens im Zuge der Fluchtbewegung über Belarus sind ein klarer Verstoß gegen die Verfahrens- und Aufnahmerichtlinie und die Charta der Grundrechte der EU. Der EuGH macht deutlich: Der Zugang zum Recht auf Asyl gilt auch in Krisenzeiten.

Der EuGH verurteilte die durch Gesetzesänderungen kodifizierten Völkerrechtsbrüche Litauens: Pushbacks sind illegal, die Verweigerung von Asyl und die pauschale Inhaftierung von Schutzsuchenden sind nicht im Einklang mit Unionsrecht! Auch bei dem Vorliegen von „außergewöhnlichen Umständen“ oder einem „massiven Zustrom“ von Schutzsuchenden, darf das grundsätzliche Recht auf Zugang zu einem Asylverfahren nicht ausgehebelt werden. Das schließt auch das Verbot der Zurückweisung und das Verbot der willkürlichen und systematischen Inhaftierung von Geflüchteten mit ein.

„Im Jahr 2022 ist die Feststellung dieser völkerrechtlichen Selbstverständlichkeiten bitter nötig. Der Gerichtshof hat damit den EU-Staaten einige rote Linien aufgezeigt. Ein guter Tag für den geschundenen Flüchtlings- und Menschenrechtsschutz in Europa und ein klares Stoppsignal für die EU-Staaten, die Pushbacks, systematische Inhaftierungen und andere Völkerrechtsbrüche `legalisieren´ wollen“, so Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung von PRO ASYL.

Hintergrund       

Seit Sommer 2021 kamen tausende Flüchtlinge über Belarus an die EU-Außengrenze Litauens, wurden dort aber zurückgewiesen. Nach der Ausrufung eines Notstands aufgrund eines „Massenzustroms“ änderte das litauische Parlament ab Juli 2021 die Asylgesetzgebung mehrmals. Durch die Gesetzesverschärfungen wurden die Rechte von Schutzsuchenden, einschließlich des Verbots der Zurückweisung, des Rechts auf Asylantragstellung und das Recht auf Schutz vor willkürlicher Inhaftierung, massiv eingeschränkt. Die problematischen Bestimmungen schreiben die Verweigerung des Zugangs zu Asylverfahren für Personen, die irregulär ins Land gekommen sind, vor, und eine pauschale Politik der automatischen und daher willkürlichen Inhaftierung von Asylsuchenden.

Das Oberverwaltungsgericht Litauen wollte im Rahmen eines Eilvorabentscheidungsverfahrens vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob einige dieser von Litauen angewandten Vorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Die Schlussanträge des Generalanwalts Nicholas Emiliou vom 2. Juni 2022 finden Sie hier.


Ukraine: Studiengebühren entfallen teilweise

Viele Studierende sind aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflüchtet. Der Landtag von Baden-Württemberg hat das Landeshochschulgebührengesetz mit Wirkung zum 24. Februar 2022 geändert: Studierende ukrainischer Staatsangehörigkeit sowie Angehörige aus Drittstaaten, die jeweils einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG haben, sind für ein grundständiges oder Bachelor- oder Masterstudium an einer staatlichen Hochschule in Baden-Württemberg von der Gebührenpflicht für Internationale Studierende ausgenommen. Die Regelung gilt befristet bis zum Februar 2025. Drittstaatsangehörige können nur unter bestimmten Umständen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG bekommen und sollten sich daher am besten an eine Beratungsstelle wenden.

Studierende ohne eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG profitieren nicht von dieser Regelung. Für ukrainische Studierende hat das Land Baden-Württemberg für das Sommersemester 2022 und das Wintersemester 2022/23 deshalb ergänzend ein Gebührenstipendium aufgelegt. Damit kann über die Hochschulen ein Antrag auf Stundung oder Erlass der Gebühren gestellt werden. Laut Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BW ist Voraussetzung, „dass die Studierenden nach Aufnahme des Studiums unverschuldet nicht in der Lage sind, die Studiengebühren zu bezahlen, weil etwa die Finanzierung im Zusammenhang mit Krieg und Flucht Familienangehöriger ausfällt. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.“

Die Studiengebühren für Internationale Studierende über 1.500 € pro Semester wurden 2017 eingeführt. Schon damals hat dies der Flüchtlingsrat kritisiert, denn sie reproduzieren Ungerechtigkeiten, schaffen enorme individuelle Belastungen und machen Bildung von der Größe des Portemonnaies abhängig.


Flucht aus der Ukraine: Stipendium für Studierende in Subsahara-Afrika

Viele drittstaatsangehörige Studierende, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, erleben große aufenthaltsrechtliche Unsicherheit. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat nun ein Förderprogramm aufgelegt für Studierende, die aus der Subsahara-Afrika Region stammen und ihr Masterstudium in der Ukraine nicht mehr fortsetzen können. Es ist allerdings nur für diejenigen interessant, die sich vorstellen können zurückzukehren. Denn das Studium wird lediglich im Heimatland oder in der Subsahara-Afrika Region gefördert.


Pressemitteilung: NO LAGER – BREAK ISOLATION

Mehr als 300 Menschen aus über 60 Städten und mehr als 50 selbstorganisierte und antirassistische Gruppen und Initiativen haben sich vom 10.-12. Juni 2022 in Göttingen zur NO LAGER – BREAK ISOLATION! Konferenz getroffen, um sich zu Erfahrungen, Herausforderungen, Strategien und Aktionen gegen Lager und gegen die rassistische Abschiebepraxis in der Bundesrepublik auszutauschen. Die zentrale Botschaft: Wir sind bereit, gegen das Lagersystem und für Wohnungen für Alle zu kämpfen. Gegen jede Abschiebung und für das Recht zu kommen, zu gehen und zu bleiben.

Ziel der Konferenz war es, nach fast 2 ½ Jahren Corona-Pandemie wieder zusammen zu kommen, antirassistische Kämpfe zu verbinden, sich zu vernetzen und einen Ausdruck für gemeinsame Aktionen und Strategien zu suchen. Dazu gab es Workshops und Arbeitsgruppen für die Abschaffung aller Lager, Anti-Abschiebekämpfe und die Vernetzung von Selbstorganisation von Geflüchteten und Migrant:innen.

Dabei steht fest: Vor dem Hintergrund rassistischer Kontinuitäten, der Ausgrenzung und Ungleichbehandlung von Geflüchteten in der Bundesrepublik, der weiterhin tödlichen Abschottungspolitik EUropas, vom Mittelmeer, über Belarus bis nach Suhl, das Problem heißt Rassismus.

Der Umgang mit geflüchteten Ukrainer*innen zeigt, dass eine andere Aufnahmepolitik möglich ist. No Lager ist nicht nur die Kritik an einer Unterbringungsform, sondern steht sinnbildlich für den Protest gegen Lagerstrukturen – gegen eine Politik, die geprägt ist von Abschottung und Abschreckung.

„Überall in Deutschland widersetzen wir uns bereits dieser rassistischen Ausgrenzung. Wir verhindern Abschiebungen, organisieren Schlafplätze und machen politisch Druck auf die Verantwortlichen. Allein, dass wir uns heute mit über 300 Leuten aus dem gesamten Bundesgebiet treffen, zeigt, dass es uns gibt,“ sagt Emmanuel aus Freiburg in seiner Eröffnungsrede.

„Wir sind hier zusammengekommen, um Lösungen und Strategien für das Problem des grassierenden Rassismus zu finden. Rassismus in Deutschland und EUropa hat System und das bundesdeutsche Lagersystem hat eine lange und brutale Geschichte. Doch wir werden nicht müde, gegen diesen Rassismus und für gleiche Rechte zu kämpfen.“ erklärt Behnam Blumengarten zur Situation in bundesdeutschen Lagern und kündigt an: „Wir sehen uns zu den Gedenkveranstaltungen und der Demonstration am 27. August 2022 anlässlich des 30. Jahrestages der rassistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen. We’ll come united!“

Mehr Informationen zur bundesweiten antirassistischen Lager-Watch-Vernetzung:https://lager-watch.org/


PRO ASYL: Einigung im Rat der EU-Innenminister*innen

Die EU-Innenminister:innen haben sich heute in Brüssel laut Medienberichten sowohl auf einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus für aus Seenot gerettete Menschen, als auch auf grundlegende Positionen zur Screeningverordnung und der Eurodac-Verordnung, der Datenbank zur Identifikation von Schutzsuchenden, geeinigt. Beide Rechtsakte sind Teil des umstrittenen Migrations- und Asylpakets, den die Europäische Kommission im September 2020 vorgestellt hat. Wie der französische Innenminister Gérald Darmanin bei Twitter verkündet, wurde zudem eine Einigung über die Schengen-Reform gefunden. Diese sieht verschärfte Grenzmaßnahmen vor, wenn es zu einer „Instrumentalisierung“ von Migration kommt.

PRO ASYL begrüßt zwar jeden Schritt, der es Schutzsuchenden ermöglicht, aus den schlechten Lebensbedingungen in Ersteinreiseländern wie Griechenland in andere Mitgliedstaaten zu kommen. Doch gleichzeitig macht dieser mühsam errungene Solidaritätsmechanismus, der auf freiwilliger Basis entweder Aufnahme oder finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten vorsieht, die doppelten Standards bei der Aufnahme unterschiedlicher Schutzbedürftiger besonders deutlich.

„Während die EU bei der Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge gezeigt hat was möglich ist wenn der politische Wille da ist, macht die Einigung beim heutigen Rat der Innenminister:innen einmal mehr deutlich: von einer Gleichbehandlung aller Schutzsuchenden ist die EU weit entfernt. Anstatt allen die Möglichkeit einzuräumen, in dem Land ihrer Wahl Schutz zu suchen, muss für Geflüchtete, die nicht aus der Ukraine kommen, bereits eine mögliche Verteilung auf andere Mitgliedstaaten als die Ersteinreiseländer hart erkämpft werden. Eine Abschaffung des Dublin-Systems, um schutzsuchende Menschen zu ihren Communities reisen zu lassen und Mitgliedstaaten mit Außengrenzen zu entlasten? Fehlanzeige“, kommentiert Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL.

Dass sich die Innenminister:innen gleichzeitig auf eine grundlegende Position zur vorgeschlagenen Screening-Verordnung geeinigt haben, könnte die Situation von Schutzsuchenden an den Außengrenzen zukünftig weiter verschärfen. Denn über die im Vorschlag enthaltene Fiktion der Nicht-Einreise könnte Haft zur Standardmaßnahme für Schutzsuchenden werden. Rechtsstaatliche Asylverfahren sind unter solchen Bedingungen an den Außengrenzen nicht möglich, wie PRO ASYL mehrfach angemahnt hat, seit die Reformvorschläge der Kommission für das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf dem Tisch liegen.

Doch damit nicht genug. Die Innenminister:innen haben sich auch auf eine Reform des Schengener Grenzkodex geeinigt, durch die bei vermeintlicher Instrumentalisierung von fliehenden Menschen die Grenzsicherung verschärft werden soll und der Zugang zu Asyl an den Grenzen erschwert wird. „Der heutige Beschluss für eine Reform des Schengener Grenzkodex ist eine Steilvorlage für Mitgliedstaaten, die ihre illegalen Pushbacks europäisch legitimieren wollen. Anstatt diese menschenrechtswidrigen und oft brutalen Zurückweisungen auf den Tisch zu bringen, werden Mitgliedstaaten wie Polen, die weiterhin an der Grenze zu Belarus hart gegen Schutzsuchende vorgehen, in ihrer flüchtlingsfeindlichen Politik durch den heutigen Beschluss sogar unterstützt“, sagt Judith.

Auch wenn das Europäische Parlament bei den Verordnungen noch mitsprechen wird, so sind diese Vorstöße der EU-Innenminister*innen ein fatales Zeichen für den Schutz von Menschenrechten an Europas Außengrenzen. PRO ASYL fordert das Europäische Parlament dazu auf, sich solchen Verschärfungen zu widersetzen und die Entwürfe in dieser Form abzulehnen.


Checkliste: Ärztliche Stellungnahmen und Atteste im Kontext von Abschiebungen

Geflüchtete, die erkrankt und von Abschiebungen bedroht sind, müssen stets aktuelle medizinische Atteste vorlegen. Diese bilden oftmals die Grundlage dafür, ob eine Abschiebung vollzogen werden kann oder nicht. Im Aufenthaltsgesetz hat der Gesetzgeber einige sehr spezielle Kriterien formuliert, welche diese Atteste beinhalten müssen. Deshalb hat der Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.) eine Checkliste erstellt, die Ärzt*innen eine Hilfestellung bieten und die wichtigsten Fehler vermeiden helfen.


Checkliste: Kinderschutz in temporären Unterkünften

Die „Checkliste für die temporäre Unterbringung von Kindern und Familien“ listet Vorgaben auf, um den Schutz von Kindern in Notunterkünften zu gewährleisten. Sie richtet sich zwar hauptsächlich an Betreiber*innen und Hauptamtliche, könnte aber auch für Ehrenamtliche interessant sein, die sich auf politischer Ebene für den Schutz von Kindern einsetzen möchten.

Die Checkliste basiert auf dem „Kinderrechte-Check für geflüchtete Kinder“ von Save the Children. Sie sollte nicht auf längerfristige Unterbringungen angewandt werden, da sie wichtige Punkte zu Kindeswohl und Kinderrechte (z.B. Zugang zu Bildung) ausklammert.