Protest in 10 Städten: “Sicherer Hafen BW”

Das Bündnis “Sicherer Hafen Baden-Württemberg” ist am 21.11.2020 landesweit in 10 baden-württembergischen Städten unter dem Motto “Wärme für Alle” auf die Straße gegangen. Die von den lokalen Seebrücken organisierten Veranstaltungen waren dabei vor allem auf den Infektionsschutz bedacht. So gab es Info-, Banner-, Foto- und Kreideaktionen in den Städten.

Henri Dubois von den Seebrücken Baden-Württemberg sagt: “Uns ist es ganz wichtig als solidarische Bewegung, die Solidarisches fordert uns solidarisch zu verhalten. Daher stand der Infektionsschutz bei allen unseren Aktionen an erster Stelle. Wir fordern Solidarität mit allen Menschen, daher leben wir diese auch bei unseren Demonstrationen vor.”

Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, der die Kampagne mit der Seebrücke koordiniert, sagt: “Geflüchtete Menschen an den EU-Außengrenzen harren noch immer in menschenunwürdigen, nicht winterfesten Lagern zum Beispiel auf den griechischen Inseln aus. Corona ist dort nur eine Sorge von vielen. Diesen Menschen muss unbedingt geholfen werden, in dem wir sie menschenwürdig unterbringen. Gleiches gilt natürlich auch für geflüchtete Menschen hier in Baden-Württemberg.”

Das Bündnis, dass für seinen offenen Brief, welcher im Dezember der Landesregierung übergeben werden soll, fast 150 unterstützende Gruppen, Vereine und Initiativen hat, erreichte zudem 1.000 Unterschriften für ihre Online-Petition (http://chng.it/SqC2wLcdcB).

Ines Fischer von den Seebrücken Baden-Württemberg sagt: “Der Landtagswahlkampf läuft gerade erst an, und wir als Bündnis kommen immer besser in Tritt. Wir werden keine Ruhe geben und baden-württembergische Politiker*innen immer wieder dazu auffordern, die Abschottungspolitik des Bundesinnenministeriums, der Bundesregierung und der EU nicht einfach tatenlos hinzunehmen. Denn durch diese Politik kommt es zu den gewaltsamen Push-backs an Land- und Seegrenzen, sowie zu den zahlreichen Toten bei den Überfahrten in der Ägäis, im Mittelmeer oder im Atlantik.”

Das Bündnis “Sicherer Hafen Baden-Württemberg” wird von der Seebrücke und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg koordiniert und fordert die Landesregierung zu einem eigenständigen Landesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen an den Außengrenzen, sowie für die Verbesserung der Bleibeperspektiven im Land lebender geflüchteter Menschen, auf.

Die Aktionen fanden in Bad Waldsee, Esslingen, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Ravensburg, Reutlingen und Stuttgart statt.


Reader: Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit

Die Publikation stellt die europarechtlichen Vorgaben bei der Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Personen im Asylverfahren vor und untersucht die praktische Umsetzung in den Bundesländern. Besonderer Augenmerk liegt auf Geflüchteten mit psychischen Belastungen. Abschließend geben die Autorinnen Handlungsempfehlungen für die Identifizierung und Versorgung von vulnerablen Geflüchteten.

Lisa vom Felde, Lea Flory und Jenny Baron, Juni 2020: Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit am Beispiel von Personen mit Traumafolgestörungen. Status quo in den Bundesländern, Modelle und Herausforderungen


Forderung: Abschiebungsstopp nach Griechenland

Keine Überstellungen von Geflüchteten, die nach der Dublin-III-Verordnung oder weil sie interntional schutzberechtigt sind nach Griechenland abgeschoben werden sollen! Wohlfahrtsverbände und der Flüchtlingsrat in Niedersachsen haben ein gemeinsames Plädoyer verfasst und fordern die Bundesrepublik auf, Abschiebungen zu unterlassen.

„Bund und Länder versprechen einerseits, als Zeichen europäischer Solidarität Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, und versuchen andererseits, eine größere Zahl von Menschen wieder nach Griechenland abzuschieben. Dieses Nebeneinander von Abschiebepolitik und kleineren humanitären Aufnahmen ist ein weiteres Zeichen für die Irrwege deutscher Asyl- und Flüchtlingspolitik.“

Auch uns, den Flüchtlingsrat in BW, erreichen Meldungen, dass Geflüchtete aus Baden-Württemberg nach Griechenland abgeschoben werden. Wir schließen uns den Forderungen aus Niedersachsen an und protestieren gegen diese Abschiebungen.

Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische und der Flüchtlingsrat in Niedersachsen, 26. November 2020: Gemeinsames Plädoyer für einen Abschiebungsstopp nach Griechenland


Vernetzungstreffen in der Flüchtlingsarbeit 2021

Der Flüchtlingsrat möchte auch wieder 2021 regionale Austauschtreffen in Baden-Württemberg veranstalten. Austauschtreffen von und für ehrenamtlich Engagierte bieten wertvollen Raum, sich regional zu vernetzen und Ideen und Projekte zu entwickeln. Gerade in der Corona-Krise und an Orten mit womöglich wenig ehrenamtlich Aktiven sind diese Treffen eine große Bereicherung.

Wenn Sie in Ihrer Region mit uns eine solche Veranstaltung durchführen möchten, schreiben Sie gerne eine E-Mail an info@fluechtlingsrat-bw.de.


EuGH: Flüchtlingsstatus für syrische Kriegsdienstverweigerer

Am 19.11.2020 urteilte der europäische Gerichtshof, dass syrischen Kriegsdienstverweigerern die Flüchtlingseigenschaft zusteht. Das Urteil widerlegt die Einschätzung des BAMF und etlicher deutscher Gerichte, welche diesen Personen nur subsidiären Schutz zuerkannten. Besonders beim Familiennachzug sind subsidiär Geschützte im Vergleich zu anerkannten Flüchtlingen erheblich benachteiltigt, weswegen das Urteil sehr wichtig ist. PRO ASYL, welches das Verfahren aus dem PRO ASYL-Rechtshilfefonds unterstützt hatte, begrüßt das Urteil.

Subsidiär Schutzberechtigten, deren Asylverfahren bereits beendet ist und die nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH eine Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen hätten sollen, sollen sich anwaltlich beraten zu lassen. Es ist nämlich eine Einzelfallfrage, ob ein Asylfolgeantrag erfolgsversprechend sein könnte. Dieser Asylfolgeantrag ist spätestens bis 19.02.2021 zu stellen. Weitere Hinweise zum Vorgehen finden Sie im Beitrag von PRO ASYL. Rechtsanwält*innen in BW können Sie hier finden. Einen kurzen erklärenden Text in arabischer Sprache, basierend auf die ersten beiden Absätze des Artikels von Pro Asyl, finden Sie hier.

PRO ASYL hat auch Musterschriftsätze für den Folgeantrag zur Verfügung gestellt. Es gibt zwei Varianten: Einmal für Personen mit und einmal für Personen ohne anwaltliche Vertretung. Diese sind hier verlinkt.

Übrigens ist das Urteil auch relevant für subsidiär schutzberechtigte Kriegsdienstverweigerer, im Hinblick auf die Zumutbarkeit Pässe bei der syrischen Auslandsvertretung zu beschaffen! Da Ihnen laut dem EuGH die Flüchtlingseigenschaft zusteht, sollten sie nun zumindestens Reiseausweise für Ausländer bekommen können. Auch für Syrer, die ihre Identität im Rahmen der Niederlassungserlaubnis oder der Einbürgerung klären müssen, sollte das Urteil positive Folgen haben, sprich Erleichterungen bei den Nachweisen mit sich bringen.

PRO ASYL, 25.11.2020: Hinweise zu Folgeanträgen von syrischen Kriegsdienstverweigerern

PRO ASYL, 19.11.2020: Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof: Entscheidung zu syrischen Kriegsdienstverweigerern

Constantin Hruschka, 20.11.2020: Am Schutz orientiert. Der EuGH zum Schutz bei Verweigerung des Militärdienstes in Syrien


Forschungsbericht: Körperverletzungen durch Polizist*innen

Die Ruhr Universität Bochum hat im Rahmen des DFG-Forschungsprojekt KviAPol („Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“) Interviews mit Betroffenen mit Migrationshintergrund und People of Colour, Polizist*innen und Beratungsstellen durchgeführt und analysiert. Aus der Sicht der Opfer arbeitet das Forschungsprojekt rechtswidrige polizeiliche Gewaltanwendung auf und thematisiert so Rassismus in der Polizeit.

Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau, Luise Klaus, Tobias Singelnstein, November 2020: Zweiter Zwischenbericht zum Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol). Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung


Online-Seminar: Passbeschaffung und Identitätsklärung am Beispiel Gambia

Diese Veranstaltung führt in die Themenkomplexe Passpflicht, Passbeschaffung und Identitätsklärung ein. Diese sind besonders relevant für Geduldete im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflichten und in Bezug auf rechtliche Möglichkeiten der Aufenthaltsicherung (z.B. Ausbildungsduldung). Da es in Baden-Württemberg viele Gambier*innen gibt, die als Asylsuchende eingereist und nun in Duldung sind, wird im Speziellen auf gambische Dokumente und die gängige Behördenpraxis eingegangen.

Die Infoveranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit.

Referentin: Maren Schulz, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration“ mit Unterstützung der UNO-Flüchtlingshilfe.

Zur Anmeldung


VG Düsseldorf: Keine Durchsuchung zum Zweck der Abschiebung um 4.30 Uhr

Nach dem Aufenthaltsgesetz darf eine Vollstreckungsmaßnahme zur Nachtzeit nur in besonderen Fällen erlaubt werden (§ 58 Abs. 7 AufenthG). Dies könne nicht mit dem Ablauf der gesetzlichen Frist zur freiwilligen Ausreise begründet werden, so das VG Düsseldorf mit dem Beschluss vom 16.11.2020 (Az: 7 I 32/20). Weitere Tatsachen müssten vorliegen, dass die Abschiebung ansonsten nicht erfolgreich durchgeführt werden könnte. Außerdem stellt das Gericht fest, dass „nach den heutigen Lebensgewohnheiten zumindest die Zeit zwischen 21:00 und 6:00 Uhr ganzjährig als Nachtzeit anzusehen sei“ und somit aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur ausnahmsweise in diesem Zeitraum vollzogen werden dürften.

In Baden-Württemberg geht das Innenministerium nach wie vor davon aus, dass „Abschiebungen … möglichst erst nach 4 Uhr durchzuführen“ sind. Diese Uhrzeit widerspricht der vom VG Düsseldorf angenommenen Nachtzeit, währenddessen verfassungsrechtlicher Schutz vor nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen geboten sei.

Justiz-online, November 2020: Durchsuchung zur Durchführung einer Abschiebung um 4.30 Uhr in der Regel unzulässig

Informationen des Innenministeriums Baden-Württemberg über die bestehende Abschiebungspraxis im Land, März 2015.