Beiträge

Neue Arbeitshilfe zum Leben in der Erstaufnahme

Der Flüchtlingsrat hat eine neue Arbeitshilfe zu rechtlichen Rahmenbedingungen des Lebens in Erstaufnahmeeinrichtungen veröffentlicht. Aufnahmeeinrichtungen sind seit jeher fester Bestandteil des deutschen Asylsystems und für viele Asylsuchende die erste Station in Deutschland. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen für das Leben in der Aufnahmeeinrichtung laufend geändert. Ein Beispiel hierfür liefert die Höchstaufenthaltszeit in der Aufnahmeeinrichtung: Betrug diese Anfang 2015 für sämtliche Asylsuchenden „nur“ drei Monate, liegt sie mittlerweile bei regelmäßig 18 Monaten; in bestimmten Konstellationen besteht sogar überhaupt kein zeitliches Limit mehr. Für nicht wenige Asylsuchende hat sich die Aufnahmeeinrichtung damit von einer Durchlauf- zu einer Endstation entwickelt. Hinzu kommt, dass Aufnahmeeinrichtungen nicht selten in unattraktiven Randlagen oder auf der „grünen Wiese in der Pampa“ und damit häufig außerhalb des Fokus flüchtlingssolidarischer Arbeit liegen. Dabei sind gerade die in Aufnahmeeinrichtungen wohnenden Menschen in besonderem Maße auf Unterstützung angewiesen und zwar auch und gerade durch Ehrenamtliche, nicht zuletzt weil diese aufgrund ihrer institutionellen und finanziellen Unabhängigkeit andere Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten mitbringen. Es sind auch häufig sie, die Praktikumsplätze vermitteln oder Kontakt zu Arbeitgeber*innen herstellen und damit die Saat für eine gelingende Integration sowie mögliche vom Ausgang des Asylverfahrens unabhängige Bleibeperspektiven pflanzen. Ohne solche „Vermittlungsaktivitäten“ läuft die Lockerung des bis 2019 für in der Erstaufnahme wohnende Menschen noch bestehenden generellen Erwerbstätigkeitsverbots aber weitgehend leer. Diese Arbeitshilfe ist deshalb auch als Ermutigung zu verstehen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnenden Menschen bei der Einforderung bzw. Durchsetzung von Rechten und Wahrnehmung von Möglichkeiten zu unterstützen.

Arbeitshilfe „Leben in der Erstaufnahmeeinrichtung – Rechtliche Rahmenbedingungen“


EuGH: Familienasyl auch bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten möglich

Unterschiedliche Staatsangehörigkeiten der Familienmitglieder sind kein Grund für die Ablehnung eines Antrags auf Familienasyl. Das hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 09.11.2021 – C-91/20 in der Sache LW gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden. Im vorliegenden Fall ging es darum, ob das Kind eines anerkannten Flüchtlings aus Syrien und einer tunesischen Mutter den Schutzstatus des Vaters ableiten könne, oder ob das BAMF im Recht war, als es unter Hinweis auf die Möglichkeit effektiven Schutzes in Tunesien den Antrag ablehnte. Der EuGH entschied, dass eine Ablehnung nur dann zulässig wäre, wenn die betroffene Person ohne Schutzstatus eine günstigere Rechtsstellung hätte als mit. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn das Kind eines anerkannten Flüchtlings die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.


Übersicht der aktuellen Afghanistan-Rechtsprechung

Mit dem Abzug der internationalen Streitkräfte und der Machtübernahme der Taliban hat sich die Lage in Afghanistan erheblich verändert. In vielen Asylverfahren stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die aktuellen Entwicklungen auf den Schutzstatus hier lebender afghanischer Asylsuchender haben. Der Informationsverbund Asyl und Migration hat deshalb eine Übersicht der aktuellen Rechtsprechung zu diesem Thema veröffentlicht.

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1328 Abschiebungen aus Baden-Württemberg 2021

Die Anzahl der Abschiebungen aus Baden-Württemberg ist im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr nur minimal zurückgegangen. Insgesamt wurden 1328 Personen abgeschoben, im Vorjahr waren es 1362 gewesen. Zielland Nummer eins ist Italien, wohin 139 Personen abgeschoben wurde. Abgesehen von 15 Abschiebungen italienischer Staatsangehöriger handelt es sich hierbei überwiegend um Dublin-Überstellungen bzw. Personen mit Schutzstatus in Italien. Die Anzahl der Abschiebungen in die Westbalkanstaaten ist zurückgegangen. Georgien ist mit konstanter Abschiebungsanzahl weiterhin auf Platz zwei der Liste der Zielländer. Nach Afghanistan gab es vor dem im August beschlossenen Abschiebungsstopp 14 Abschiebungen aus Baden-Württemberg, die letzte davon im Juni. Nach Gambia wurden 28 Personen abgeschoben, das ist exakt die gleiche Zahl wie 2020.

ZiellandAbschiebungen
Italien139
Georgien130
Kosovo82
Albanien71
Rumänien64
Pakistan58
Serbien55
Türkei53
Frankreich51
Nordmazedonien49
Spanien48
Nigeria47
Tunesien46
Polen36
Russische Föderation31
Schweiz31
Bosnien-Herzegowina29
Gambia28
Österreich28
Bulgarien25
Litauen25
Niederlande23
Schweden23
Sri Lanka20
Ghana15
Afghanistan14
Algerien14
Griechenland13
Armenien10
Kroatien7
Portugal7
Ungarn7
Montenegro5
Slowenien4
Ukraine3
USA3
Ägypten2
Algerien2
Belgien2
Dänemark2
Ecuador2
Guinea2
Iran2
Kirgisistan2
Kolumbien2
Lettland2
Norwegen2
Somalia2
Aserbaidschan1
Brasilien1
Chile1
Finnland1
Irak1
Jordanien1
Luxemburg1
Moldawien1
Senegal1
Slowakei1
Gesamt1328
HerkunftslandAbschiebungen
Georgien140
Kosovo91
Nigeria80
Albanien73
Gambia73
Türkei61
Pakistan60
Rumänien59
Tunesien57
Serbien56
Syrien50
Nordmazedonien49
Algerien48
Afghanistan43
Russische Föderation43
Irak41
Bosnien-Herzegowina29
Polen28
Sri Lanka25
Somalia24
Ghana16
Italien15
Bulgarien13
Litauen12
Armenien11
Frankreich11
Marokko11
Togo10
Eritrea9
Iran9
Guinea7
Kamerun7
Montenegro5
Portugal5
Senegal5
Kroatien4
Niederlande4
Unbekannt4
Ungarn4
Algerien3
Griechenland3
Ukraine3
USA3
Ägypten2
Ecuador2
Kirgisistan2
Kolumbien2
Argentinien1
Aserbaidschan1
Äthopien1
Brasilien1
Chile1
China1
Elfenbeinküste1
Indien1
Jordanien1
Lettland1
Moldawien1
Österreich1
Schweden1
Slowakei1
Slowenien1
Spanien1
Gesamt1328

Aktualisierte Broschüren für Geflüchtete und Unterstützer*innen wieder verfügbar

Mit den neu aktualisierten Broschüren des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und der Werkstatt PARITÄT erhalten Geflüchtete und Unterstützer*innen einen Überblick über die Rechte und Möglichkeiten von Personen mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung.

Die Flyer „Basisinformationen Aufenthaltsgestattung“ und „Basisinformationen Duldung“ informieren Betroffene zu den Themen Unterbringung, Bildung, Arbeit, Sozialleistungen, Familie und aufenthaltsrechtliche Perspektiven. Im aktualisierten Flyer zur Duldung werden zudem unterschiedliche Duldungsformen, insbesondere die neue „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ thematisiert.

Der Flyer „Wie bekomme ich eine Arbeitserlaubnis?“ vertieft die Informationen zum Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung.

Der Flyer „Basisinformationen Ausbildungsduldung“ gibt einen Überblick über die Möglichkeiten einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung sowie über die praktischen Hürden und das Verfahren der Antragsstellung.

Vier weitere Flyer informieren über aufenthaltsrechtliche Perspektiven von Geduldeten: Bleiberechtregelungen nach „§ 25a AufenthG“ für junge Geduldete und „§ 25b AufenthG“ für langjährig Geduldete, zur Aufenthaltserlaubnis nach „§ 19d AufenthG für qualifizierte Geduldete sowie zum „Härtefallantrag“.

Die Flyer sind auch alle hier bestellbar!

Die Flyer wurden im Rahmen des Projekts NIFA – Netzwerk zur Integration von Flüchtlingen in Arbeit erstellt und veröffentlicht. Das Projekt NIFA ist eines der vier IvAF-Netzwerke in Baden-Württemberg und wird im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund im Handlungsschwerpunkt „Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den ESF gefördert.


Menschen mit Fluchtgeschichte für Projekt gesucht

Der von Geflüchteten gegründete Verein Pyramidea e.V. möchte Menschen mit Fluchtbiografie dazu ausbilden mit Hilfe eines selbst entwickelten Planspiels das Thema Flucht anderen Menschen näher zu bringen und Ressentiments abzubauen. Menschen mit Fluchtgeschichte sollen hier bei als Multplikatori*innen dabei unterstützt werden selbst aktiv zu sein.

Gesucht werden Menschen mit Fluchthintergrund ab 18 Jahren, für einen Start bis Ende 2022.

Bei Interesse oder Fragen kann man sich gerne an Anja Wilhelm (anja.wilhelm@pyramidea.de) wenden.

Weitere Informationen und den digitalen Flyer für das Projekt gibt es auf der Homepage

Pyramidea e.V., Reinsburgstraße 82, 70178 Stuttgart


Das Projekt Fugeezipation wird im Rahmen des Programms Vielfalt gefällt! – Orte der Toleranz von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert.


Handreichung „Einbürgerung von Schutzberechtigten“

Viele geflüchtete Menschen leben bereits seit einigen Jahren mit Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie sich einbürgern lassen und erhalten dann einen deutschen Pass. Mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehen umfassende Rechte einher (zum Beispiel Freizügigkeit in der EU, Wahlrecht und ein möglicher konsularischer Schutz im Ausland). Die Handreichung zeigt auf, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit schutzberechtigte Personen eingebürgert werden können. Sie kann kostenfrei als PDF-Datei heruntergeladen und in gedruckter Form bestellt werden.

Diese Publikation entstand im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge 2021“, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen mit Unterstützung der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.


Libyen: Flüchtende protestieren gegen Unmenschlichkeit und organisieren sich

Am ersten Oktober stürmten Polizei- und Militäreinheiten den von Flüchtenden bewohnten Ort Gargaresh in Libyen. Viele wurden brutal verhaftet und in Arbeitslager gebracht. Seit diesen Angriffen haben sich Fliehende aus vielen verschiedenen Herkunftsländern in Libyen zusammengeschlossen und protestieren vor dem Gelände des UNHCR. Die Situation spitzt sich weiter zu und einige der Flüchtenden werfen dem UNHCR Untätigkeit vor.

Diese Forderungen haben die Flüchtenden aufgestellt:

  • Evakuierungen in sichere Länder, in denen unsere Rechte geschützt werden.
  • Gerechtigkeit und Gleichbereichtigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden, die beim UNHCR in Libyen registriert sind.
  • Die Abschaffung der Finanzierung der libyschen Küstenwache, die ständig und gewaltsam Flüchtlunge, die vor der libyschen Hölle fliehen, abgefangen und nach Liybien gebracht hat, wo sie von uns alle Gräultaten getroffen werden
  • Die Schließung aller Haftanstalten in ganz Libyen, die vollständig von den italienischen und europäischen Behörden finanziert werden.
  • Die Behörden sollten die Täter vor Gericht bringen, die unsere Brüder und Schwestern in und außerhalb der Haftanstalten erschossen haben.
  • Die libyschen Behörden sollen die willkürliche Inhaftierung von besorgniserregenden Personen im Büro des UNHCR einstellen.
  • Aufruf an Libyen, die Verfassung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Hier können Sie die Proteste der Flüchtenden nachverfolgen:

Möchten Sie ihre Forderungen unterstützen, unterzeichnen Sie gerne ihr Manifest.

Im selben Zeitraum wurde beim Internationalen Strafgerichtshof Anzeige gegen Libyen gestellt:

Das European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR), die Lawyers for Justice in Libya (LFJL) und die International Federation for Human Rights (FIDH) haben zusammen mit 14 Überlebenden im November 2021 Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Libyen gestellt. Sie werfen Libyen vor, dass dort systematisch Versklavung, willkürliche Inhaftierung und sexuelle Gewalt gegen Fliehende ausgeübt wird

Weitere aktuelle Meldungen und Informationen aus dem zentralen Mittelmeer und Libyen gibt es auf dem Twitter-Account des Alarm Phones und der Website von Alarm Phones.


Online-Veranstaltung: Nach der Flucht: Das Verorten GEMEINSAM gestalten

Das Versagen der europäischen Migrationspolitik zeigen aktuell die unhaltbaren Zustände an den Grenzen zu Belarus wie am Ärmelkanal.
Auch in Aktionen einer europäischen Organisation wie Frontex, die zusieht, wie an den Außengrenzen der Europäischen Union schutzsuchende Menschen gewaltsam zurückgetrieben werden und ihnen damit das Recht, Asyl zu beantragen, von Europa schlicht verweigert wird.

Welche neue gemeinsame Politik braucht es da auf europäischer Ebene, damit die Rechtstaatlichkeit und der Schutz der Menschenrechte keine leeren Worte bleiben?
Was für eine Gesellschaft braucht es, damit die geflüchteten Menschen sich im neuen Land gut verorten können und hier ein neues Zuhause finden?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Online-Tagung der Evangelischen Akademie Bad-Boll, die der Flüchtlingsrat BW mit ausrichtet. Informationen zum Programm, zu den Referierenden, den Workshops und zur Anmeldung finden sie hier.


Petitionsübergabe: Aufnahme und Bleibeperspektiven für Menschen aus Afghanistan

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat dem für Migrationsfragen zuständigen Justizministerium eine Petition unter dem Motto „Solidarität mit Afghan*innen: Humanitäre Aufnahme und sichere Bleibeperspektiven jetzt!“ überreicht. Die Petition wurde von 10 334 Personen unterzeichnet und fordert die Landesregierung auf, sich für sichere und legale Fluchtwege aus Afghanistan einzusetzen, ein Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan aufzulegen und aufenthaltsrechtliche Sicherheit für hier lebende afghanische Staatsangehörige zu schaffen.

„Immer noch werden wir regelmäßig von gefährdeten Menschen aus Afghanistan kontaktiert, und auch von hier lebenden Afghan*innen, die sich um ihre Angehörigen sorgen“, erklärte Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. „Der bisherige Bundesinnenminister Seehofer hat seit dem Sommer Vorstöße für Landesaufnahmeprogramme blockiert, doch nach dem Regierungswechsel in Berlin braucht es dringend neue Anläufe. Unsere Landesregierung muss gerade für Personen mit familiären Bezügen zu Baden-Württemberg eine Aufnahme ermöglichen. Gleichzeitig braucht es umgehend eine aufenthaltsrechtliche Sicherheit für die zahlreichen Menschen aus Afghanistan, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die lediglich geduldet und somit ausreisepflichtig sind, obwohl Abschiebungen nach Afghanistan in absehbarer Zeit nicht mehr stattfinden werden“, so Meike Olszak.

Aus Sicht des Flüchtlingsrats wird es weiteren Druck aus der Zivilgesellschaft brauchen, um zu verhindern, dass die politisch Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene das Thema „aussitzen“. „Auch wenn Afghanistan in den letzten Monaten weitgehend aus den Nachrichten verschwunden ist, ist die Not weiterhin groß. Aber auch die Solidarität mit der afghanischen Bevölkerung ist groß, wie die Resonanz auf unsere Petition zeigt. Deshalb rufen wir alle, die die Anliegen dieser Petition unterstützen, dazu auf, weiterhin dranzubleiben, sich an Aktionen zu beteiligen und sich an politische Entscheidungsträger*innen zu wenden, damit diese Forderungen endlich umgesetzt werden!“, so Meike Olszak abschließend.

Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg übergibt die Petition an den Pressesprecher des Justizministeriums.