Beiträge

Gesetzliche Änderungen im AsylbLG zur Bezahlkarte

Die Bezahlkarte wurde in das Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen und steht kurz vor dem Inkrafttreten. Die Änderungen finden sich in dem „Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht (DÜV-AnpassG)“. Die GGUA Flüchtlingshilfe hat eine hilfreiche Übersicht zu den Änderungen veröffentlicht, die im Asylbewerberleistungsgesetz durch die Einführung der Bezahlkarte vorgenommen werden.



Handlungsempfehlungen: Förderung junger Geduldeter in Ausbildung und Arbeit

Junge Menschemit mit einer Duldung leben in einer prekären Situation: Sie haben einen unsicheren Aufenthaltsstatus, unzureichende Möglichkeiten physische, psychische und soziokulturelle Angeboten wahrzunehmen und einen eingeschränkten Zugang zu (Aus-)Bildung und Arbeit. Populistische Stimmungsmache stigmatisiert diese Gruppe weiter. Stattdessen braucht es aber gesellschaftliche Teilhabe.

Das Forschungsprojekt “Teilhabe trotz Duldung. Kommunale Gestaltungsräume für geduldete Jugendliche und junge Erwachsene ” untersucht die Lebenslagen junger Geduldeter und entwickelt empirisch fundiert Handlungsempfehlungen für eine Good Practice. Dabei geht es um soziokulturelle, ausbildungs- und arbeitsmarktpolitische Verbesserungen der Teilhabe von jungen Menschen in Duldung.



Pro Asyl: Neues Gutachten: Jesid*innen dürfen nicht in den Irak abgeschoben werden

Mit einem heute [24.04.24] veröffentlichten Gutachten machen PRO ASYL und Wadi e.V. auf die düstere Lage der Jesid*innen im Irak aufmerksam – und fordern zugleich einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp für Jesid*innen. Zudem müssen sie eine dauerhafte und sichere Bleibeperspektive in Deutschland bekommen.

Obwohl der Deutsche Bundestag Anfang 2023 die Verfolgung der Jesid*innen als Völkermord anerkannt hat und obwohl die Lage im Irak nach wie vor sehr unsicher ist, schieben seit einigen Monaten mehrere Bundesländer wieder Jesid*innen in den Irak ab. Und Tausende Jesid*innen fürchten, dass es ihnen bald ebenso ergeht.

„Es ist völlig unverantwortlich, jesidische Männer, Frauen und Kinder in ein Land abzuschieben, in dem sie keine Lebensgrundlage haben und kein sicheres Leben führen können. Abzuschieben in das Land des Völkermords, in dem sie ehemaligen Tätern begegnen und sich ständig bedroht fühlen müssen. Deshalb muss es sofort einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesid*innen geben, damit Tausende Jesid*innen nicht weiter in Angst vor einer Abschiebung leben müssen“, sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Bundesregierung muss Verantwortung übernehmen

PRO ASYL und Wadi fordern die Bundesregierung auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und Klarheit zu schaffen. Ob Jesid*innen abgeschoben werden oder nicht, darf nicht einzelnen Bundesländern überlassen werden.

Spätestens seit dem Völkermord durch die Terrororganisation Islamischer Staat im Jahr 2014 ist das Sinjar-Gebiet im Nordirak, in dem die Jesid*innen seit Jahrhunderten leben, zu einem lebensgefährlichen Brennpunkt geworden, beschreibt das Gutachten „Zehn Jahre nach dem Völkermord: Zur Lage der Jesidinnen und Jesiden im Irak“. Dort kämpfen staatliche und nicht-staatliche Akteure rücksichtslos um Macht und Einfluss.

In dem strategisch wichtigen Grenzgebiet zwischen Irak, Syrien, Türkei und Iran prallen die Interessen aufeinander – und die Jesid*innen stehen mittendrin und zwischen allen Fronten. Rund 200.000 harren noch immer in irakischen Flüchtlingslagern aus ohne Aussicht, sie verlassen zu können. Auch die Rede von einer sogenannten innerirakischen Fluchtalternative geht an der Realität vorbei, weil eine jesidische Familie nicht in einen anderen Landesteil gehen könnte: Dort wäre sie ohne die lebenswichtige Gemeinschaft und ohne Schutz.

Nicht in das Land des Völkermords abschieben

„Menschen, die als Opfer eines Völkermords anerkannt wurden, dürfen nicht in das Land des Völkermords abgeschoben werden. Wenn der Bundestag in Berlin wenige Hundert Meter entfernt vom Holocaust-Denkmal einen Völkermord anerkennt, sollte er die daraus entstehende Verantwortung ernst nehmen. Dies wäre auch ein wichtiges Zeichen für andere europäische Länder. Deutschland muss den Jesid*innen Sicherheit geben, erst recht, nachdem es sie als Opfer eines Völkermords anerkannt hat“, sagt Thomas von der Osten-Sacken, Geschäftsführer von Wadi e.V.

In Deutschland existiert mit rund 250.000 Menschen nicht nur die größte jesidische Diaspora in Europa, sondern nach dem Irak die zweitgrößte weltweit. Sie leben vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Geschätzt sind derzeit 5.000 bis 10.000 irakische Jesid*innen ausreisepflichtig und von Abschiebungen in den Irak bedroht. Denn Mitte 2023 begannen die ersten Bundesländer auf dem Hintergrund einer enger werdenden Kooperation mit dem Irak und Gerichtsurteilen, wonach es im Irak keine gruppenspezifische Verfolgung mehr gebe, Jesid*innen in den Irak abzuschieben.

Gutachten als Entscheidungsgrundlage für Behörden und Gerichte

Das von PRO ASYL und Wadi e.V. in deutscher und englischer Sprache herausgegebene Gutachten stellt die tragische Lage der jesidischen Gemeinschaft im Irak und die Hintergründe dazu dar – kompakt und umfassend samt der innerirakischen Konflikte. Damit wollen die beiden Organisationen eine Informationslücke schließen und eine Grundlage für qualifizierte Entscheidungen schaffen. Denn immer wieder entscheiden Behörden und Gerichte über die Zukunft jesidischer Menschen und lassen dabei die dramatische Situation, in die sie die Menschen schicken, außer Acht.

Im Gutachten geht es auch um die Jesid*innen als Gruppe, deren Lebensgrundlagen systematisch – und darum geht es beim Völkermord – zerstört wurden. Das unterscheidet sie von vielen anderen aus dem Nahen Osten, die vor Krieg und Zerstörung fliehen: Der Islamische Staat wollte nicht nur Jesid*innen vernichten, sondern die jesidische Existenz. So wächst mit jeder Abschiebung die Angst, dass nicht nur Einzelne gewaltsam aus ihrer neuen Heimat gerissen und in eine ungewisse Zukunft geschickt werden, sondern dass auch hier die jesidische kollektive Existenz bedroht ist.

Seit vielen Monaten fordern jesidische und andere Organisationen wie PRO ASYL und Wadi e.V. einen Abschiebestopp für Jesid*innen, unter anderem mit einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten.

Das Gutachten kann in deutscher und englischer Sprache heruntergeladen werden.


Informationen über Aufenthalt & Abschiebung

Abschiebungen und Ankündigungen dieser Termine sorgen häufig für große Verunsicherung und Angst vor einer eigenen Abschiebung. Deshalb erklärt der Bayerische Flüchtlingsrat, wem potentiell eine Abschiebung drohen kann sowie wer nicht gefährdet ist, abgeschoben zu werden.

Der Bayerische Flüchtlingsrat möchte mit diesen Hinweisen über die Rechte von Geflüchteten aufklären und versuchen, ein wenig Angst vor einer Abschiebung zu nehmen. Wichtig ist zu klären, ob jemand überhaupt von einer Abschiebung bedroht ist. Wenn ja, gibt es in manchen Fällen noch rechtliche Möglichkeiten um eine Abschiebung zu verhindern. Dann ist eine Beratung durch Anwält*innen oder Beratungsstellen notwendig.

Die Hinweise liegen auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Georgisch vor. Weitere Übersetzungen in zunächst Kurdisch, Türkisch und Französisch werden folgen.



VGH BW: Verfahrensbeistand für Unbegleitete Minderjährige schon während Altersfeststellung

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat in seinem Beschluss vom 9.4.2024 (Aktenzeichen: 12 S 77/24) die Rechte potenzieller Unbegleiterer Minderjähriger gestärkt.

Der Antragsteller gab nach seiner Einreise in das Bundesgebiet an, Asyl beantragen zu wollen. Daraufhin nahm ihn die Stadt Freiburg vorläufig in Obhut und brachte ihn in einer geeigneten Einrichtung unter, nachdem er angegeben hatte, minderjährig zu sein. Daran zweifelte das Jugendamt der Stadt Freiburg jedoch, weshalb ein Altersfeststellungsverfahren durchgeführt wurde. Die Mitarbeitenden kamen zu dem Ergebnis, dass die Person volljährig sei, woraufhin die vorläufige Inobhutnahme beendet wurde. Dagegen klagte der junge Mann.

Der VGH BW entschied, dass die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme rechtsfehlerhaft war, weil für den Antragsteller kein Verfahrensbeistand bestellt worden sei. Das Gericht begründete seinen Beschluss damit, dass die Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands sich aus der EU-Aufnahmerichtlinie (Art. 24 Absatz Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU) ergebe. Dies gelte für alle Fälle, bei denen ein Asylgesuch im Raum stehe und in denen der betroffene Mensch vertretbar behaupte, er sei minderjährig und dies nicht offensichtlich ausgeschlossen sei.



Esslingen: Populismus in der Flüchtlingspolitik – Wieso Abschreckung nicht funktioniert

Größtmögliche Abschreckung durch Abschottung, Ausgrenzung und Schikane wird immer mehr zur Leitlinie in der aktuellen flüchtlingspolitischen Debatte. Vor sich hergetrieben von der AfD liefern sich die Parteien im Bund und in den Ländern einen Wettkampf mit immer brutaleren Vorschlägen zur Abschreckung geflüchteter Menschen und zur Einschränkung ihrer Lebensmöglichkeiten in Deutschland: Migrationsabkommen mit Autokraten aushandeln, Menschen an den europäischen Außengrenzen einsperren, Bezahlkarten einführen, Sozialleistungen senken, Arbeitszwang verhängen – je drastischer die Mittel, desto populärer. In der Debatte geht es immer mehr um die Eindämmung der wahlweise als „irregulär“ oder „illegal“ bezeichneten Migration. Im Vortrag benennt die Referentin populistische Narrative und dekonstruiert Vorschläge der aktuellen Flüchtlingspolitik.

  • Referentin: Anja Bartel, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Der Vortrag mit anschließender Diskussion findet im Mehrgenerationen- und Bürgerhaus Esslingen-Pliensauvorstadt, Weilstraße 8 statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Offenen Aktionsgruppe Migration & Integration Esslingen, der Caritas Fils-Neckar-Alb und dem Kreis-Diakonieverband Landkreis Esslingen organisiert.


Antiziganismus gegen ukrainische Roma-Geflüchtete in Deutschland

Ukrainische Roma, die seit Februar 2022 vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland geflüchtet sind, erleben direkten, strukturellen und institutionellen Antiziganismus. Dies geht aus einem Monitoringbericht hervor, den die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus MIA am 17.04.2024 in Berlin veröffentlicht hat. „Die alltägliche Diskriminierung zeigt sich an dem fehlenden oder eingeschränkten Zugang dieser Menschen zu menschenwürdigem Wohnraum, zu Bildung, Sozialleistungen und zu weiteren Hilfs- und Dienstleistungen“ bilanziert MIA-Bundesgeschäftsführer Dr. Guillermo Ruiz Torres.

Der Monitoringbericht belegt anhand zahlreicher Vorfälle, die MIA gemeldet oder von ihr recherchiert wurden, unter anderem einen diskriminierenden Umgang der Betroffenen durch Polizeibeamte, Mitarbeitende der Deutschen Bahn, in der Verwaltung, in der Sozialen Arbeit sowie im Bildungssektor. Geflüchtete ukrainische Roma werden in Geflüchtetenunterkünften und Schulen segregiert und müssen zum Teil monatelang auf einen Schulplatz warten.



Fachtagung FGM/C – Handlungsstrategien für Baden-Württemberg

Gemeinsam mit dem EU-kofinanzierten Projekt Join our Chain von TERRE DES FEMMES e. V.,lädt Sie die Zentrale Anlaufstelle FGM/C Baden-Württemberg zur „Fachtagung FGM/C -Handlungsstrategien für Baden-Württemberg“ ein.

Die Tagung richtet sich an Fachkräfte aus sozialen Berufen, politische Vertreter:innen, Mitglieder der Zivilgesellschaft, Betroffene und alle, die sich für das Thema FGM/C engagieren möchten.



Allgemeines zu besonders schutzbedürftigen Geflüchteten

Immer wieder ist von geflüchteten Menschen mit besonderem Schutzbedarf die Rede. Doch welche Personen sind mit diesem Begriff eigentlich gemeint? Wie wird festgestellt, wer als besonders schutzbedürftig gilt? Und welche Rechte ergeben sich daraus für die betroffenen Personen?

I. Definition besonderer Schutzbedarf
II. Identifizierung von besonders schutzbedürftigen geflüchteten Menschen
III. Regelungen in Bezug auf das Asylverfahren
IV. Regelungen in Bezug auf die Unterbringung
V. Regelungen in Bezug auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung
VI. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Definition besonderer Schutzbedarf

Worauf basiert die Einstufung von Personen als besonders schutzbedürftig?

Der Begriff „(besonders) schutzbedürftig“ wird in der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) der Europäischen Union (EU) benutzt, die seit Juli 2015 unmittelbare Rechtswirkung in Deutschland hat.

Hinweis: Der Begriff stellt aufgrund der Nennung in der EU-Aufnahmerichtlinie eine rechtliche Kategorie dar, ist jedoch aus zwei Gründen nicht unumstritten: Die betroffenen Menschen dürfen zum einen nicht auf ihre Schutzbedürftigkeit reduziert werden. Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Situation geflüchteter Menschen allgemein von Vulnerabilität gekennzeichnet ist, unabhängig davon, ob sie als schutzbedürftig im Rechtssinne kategorisiert werden oder nicht.

Artikel 21 der EU-Aufnahmerichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten der EU dazu, die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen. Ziel ist es, Betroffene vor (erneuten) Gewalterfahrungen zu schützen und ihren besonderen Bedarfen Rechnung zu tragen.  

Wer fällt unter die Kategorie besonders schutzbedürftige Personen?

Mit diesem Begriff sind Personen gemeint, die aufgrund bestimmter Merkmale oder Erfahrungen besonders verletzlich sind. Zu diesen Personen zählen laut der Richtlinie (unbegleitete) Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Betroffene von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen schwerer Gewalt erlitten haben. Diese Aufzählung ist abschließend. Auch andere Gruppen, z.B. LSBTI*-Geflüchtete oder allein reisende Frauen, können dazuzählen.

II. Identifizierung von besonders schutzbedürftigen geflüchteten Menschen

Welche Regelungen finden sich in der Aufnahmerichtlinie zur Identifizierung von „schutzbedürftigen“ Menschen?

Um auf die besonderen Bedarfe schutzbedürftiger Personen reagieren zu können, müssen die betreffenden Personen zunächst als solche identifiziert werden. Artikel 22 der EU-Aufnahmerichtlinie legt fest, dass dies innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang des Asylantrags geschehen muss.

Wie sieht die Praxis aus?

In Deutschland gibt es kein einheitliches Verfahren zur Identifikation von Schutzbedürftigen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht in seinem Konzept zur Identifizierung von besonders vulnerablen Personen davon aus, dass die Bundesländer, die für die Aufnahme und Unterbringung von asylsuchenden Menschen zuständig sind, in erster Linie für die Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Personen verantwortlich sind. Je nach Bundesland lassen sich unterschiedliche Praktiken beobachten. Nur in wenigen Bundesländern gibt es systematische Verfahren zur Identifizierung von besonders „schutzbedürftigen“ Personen. Das baden-württembergische Flüchtlingsaufnahmegesetz enthält keine Hinweise auf ein Identifizierungsverfahren.

Häufig erfolgt die Identifikation von Menschen mit besonderem Schutzbedarf in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Dabei hängt es oft vom Zufall ab, ob schutzbedürftige Personen ausfindig gemacht werden. Auch spielt es eine Rolle, wie offensichtlich der Schutzbedarf ist. So ist der Schutzbedarf von außen z.B. bei Alleinerziehenden oder Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, relativ leicht erkennbar, während sich eine Identifikation z.B. bei Menschen, die schwere Gewalt erfahren haben, oder bei Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen oft schwierig gestaltet. Damit auch in solchen Fällen Menschen mit besonderem Schutzbedarf zuverlässig identifiziert werden können, bräuchte es besonders geschultes Personal, welches allerdings vielerorts fehlt.

Hinweis: Ehrenamtlich Engagierte in den Erstaufnahmeeinrichtungen können dazu beitragen, dass Schutzbedarfe frühzeitig erkannt werden, indem sie (vermutlich) „schutzbedürftige“ Menschen an die Unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung in der jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtung verweisen.

Weitere Informationen:

III. Regelungen in Bezug auf das Asylverfahren

Wie werden asylsuchende Menschen mit besonderem Schutzbedarf im Asylverfahren identifiziert?

Im bereits erwähnten Konzept (siehe oben) geht das BAMF davon aus, dass es für den Bereich des Asylverfahrens einen Auftrag zur Identifikation von besonders schutzbedürftigen Personen hat. Das Konzept soll den Entscheider*innen dabei helfen, besondere Schutzbedarfe zu erkennen und die für den jeweiligen Personenkreis festgelegten Verfahrensgarantien zu gewährleisten. Liegen Hinweise der Länder auf einen besonderen Schutzbedarf vor, soll diesen nachgegangen werden. Grundsätzlich sollte die Sachverhaltsaufklärung, auch in Bezug auf den besonderen Schutzbedarf, nach Meinung des BAMF jedoch in der Anhörung zu den Fluchtgründen zu erfolgen.

Wichtig: Asylsuchende mit besonderem Schutzbedarf sollten sich sobald wie möglich an die Sozial- und Verfahrensberatung in der jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtung wenden, damit ihr Schutzbedarf dokumentiert wird und sie sich auf die Anhörung im Asylverfahren vorbereiten können.

Welche Herausforderungen gibt es für „schutzbedürftige“ Menschen im Asylverfahren?

Für viele geflüchtete Menschen mit besonderem Schutzbedarf stellt insbesondere die Anhörung im Asylverfahren, bei der sie die Gründe für ihre Flucht darlegen müssen (>> Das Asylverfahren), eine große Herausforderung dar. So haben z.B. Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) häufig Schwierigkeiten damit, ihre Fluchtgründe häufig plausibel vorzutragen, was eine Ablehnung des Asylantrags nach sich ziehen kann.

Welche Rechte haben besonders „schutzbedürftige“ Personen in Bezug auf das Asylverfahren?  

Die EU-Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32) enthält besondere Verfahrensgarantien für besonders schutzbedürftige Asylsuchende. Sie sollen den Schutzsuchenden die vollumfängliche Darstellung ihrer Fluchtgründe ermöglichen. Es gibt u.a. die folgenden Verfahrensgarantien:  

  • Artikel 31 Absatz 7 der Verfahrensrichtlinie sieht vor, dass die Prüfung des Asylantrags bei „schutzbedürftigen“ Personen vorgezogen werden kann.
  • Auf Wunsch kann die Anhörung durch eine weibliche Anhörerin durchgeführt werden.
  • Für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gibt es gemäß Artikel 25 der Verfahrensrichtlinie spezielle Verfahrensgarantien. Es soll u.a. sobald wie möglich ein*e Vormund*in bestellt werden.
  • Artikel 15 der EU-Verfahrensrichtlinie sieht vor, dass der*die Anhörer*in befähigt sein soll, die Schutzbedürftigkeit der Person zu berücksichtigen. Für schutzbedürftige Personen sollte dementsprechend beantragt werden, dass ein*e Sonderbeauftragte*r des BAMF im Asylverfahren hinzugezogen wird. Das sind speziell geschulte Entscheider*innen, die bei Anhörungen von besonders schutzbedürftigen Personen eingesetzt werden. Im Einzelnen gibt es Sonderbeauftragte für unbegleitete Minderjährige, Folteropfer, traumatisierte Personen und geschlechtsspezifisch Verfolgte sowie Betroffene von Menschenhandel. Einen Rechtsanspruch auf die Beteiligung von Sonderbeauftragten gibt es nur bei unbegleiteten Minderjährigen.

Wichtig: Wenn es Hinweise darauf gibt, dass eine asylsuchende Person einen besonderen Schutzbedarf hat, sollte so früh wie möglich ein*e Sonderbeauftragte*r für die Anhörung beantragt werden. Wenn man weitere Verfahrensgarantien (siehe oben) in Anspruch nehmen möchte, sollte man dies ebenfalls so früh wie möglich angeben. Falls vorhanden, sollten ärztliche Atteste oder Stellungnahmen, z.B. zum Nachweis einer PTBS, oder sonstige Belege für die besondere Vulnerabilität unter Angabe des Aktenzeichens (sofern schon vorhanden) vorgelegt werden. Das BAMF ist unter service@bamf.bund.de zu erreichen.

IV. Regelungen in Bezug auf die Unterbringung

Welche Handlungsmöglichkeiten haben schutzbedürftige geflüchtete Menschen in den unterschiedlichen Unterbringungsphasen?

Für die Aufnahme und Unterbringung von asylsuchenden Menschen sind die Bundesländer zuständig. § 44 Absatz 2a AsylG sieht vor, dass die Bundesländer geeignete Maßnahmen ergreifen sollen, um den Schutz von schutzbedürftigen Personen bei der Unterbringung zu gewährleisten.

In Baden-Württemberg gibt es ein dreigliedriges Unterbringungssystem (>> Unterbringung und Wohnen).

Während der ersten Phase des Aufenthalts in Deutschland werden Asylsuchende in Erstaufnahmestellen untergebracht. Es gilt eine Wohnverpflichtung bis zu 18 Monate, Familien mit minderjährigen Kindern müssen allerdings nach spätestens sechs Monaten verteilt werden.

Wird in der Erstaufnahmeeinrichtung die besondere Schutzbedürftigkeit einer Person festgestellt, kann es sinnvoll sein, darauf hinzuwirken, dass der Mensch möglichst schnell einem Land- oder Stadtkreis zugewiesen wird. Zu diesem Zweck können Fachkräfte der Unabhängigen Sozial- und Verfahrensberatung beim Regierungspräsidium Karlsruhe einen Antrag auf vorzeitige Entlassung aus der Erstaufnahmeeinrichtung stellen (§ 49 Absatz 2 AsylG). Dies ist u.a. aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsversorgung oder aus anderen zwingenden Gründen (z.B. eine Gefährdung des Kindeswohls) möglich.

Für die vorläufige Unterbringung sieht § 8 Absatz 1 FlüAG BW vor, dass besonders schutzbedürftige Personen vorrangig in Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen, wenn solche zur Verfügung stehen. Entsprechende Anträge können bei der zuständigen Aufnahmebehörde, d.h. in der Regel beim Sozialamt, gestellt werden. Leider gibt es nur in wenigen Land- und Stadtkreisen ausreichend Wohnungen. Teilweise gibt es spezielle Unterkünfte für besonders „schutzbedürftige“ Personen, hierzu können die Sozialarbeiter*innen vor Ort in der Regel Auskunft geben.

Hinweis: Auf Initiative von Bundesfamilienministerium und UNICEF wurden „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ erarbeitet, die in Bezug auf LSBTI*-Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen ausdifferenziert wurden. Bei Problemsituationen im Bereich der Unterbringung können ehrenamtlich Engagierte auf diese Mindeststandards verweisen.

Welche Vorgaben gibt es im Hinblick auf Gewaltschutz?

Artikel 18 Absatz 4 der EU-Aufnahmerichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen sollen, um Übergriffe und geschlechtsspezifische Gewalt in den Unterkünften zu verhindern. Einige Bundesländer haben in Anlehnung daran Gewaltschutzkonzepte erlassen, Baden-Württemberg verfügt über kein eigenes Konzept.

Kann ein besonderer Schutzbedarf zur Aufhebung einer Wohnsitzauflage führen?

Geflüchtete Menschen haben häufig eine Wohnsitzauflage (>> Unterbringung und Wohnen). Ein besonderer Schutzbedarf kann einen Umzug an einen anderen Ort notwendig machen, z.B. wenn am gewünschten Wohnort Unterstützung durch Familienangehörige möglich wäre oder dort Netzwerke bestehen, die wichtig für die Personen sind (z.B. bei Menschen mit LSBTI*-Hintergrund). In solchen Fällen kann die Aufhebung/Änderung der Wohnsitzauflage bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden.

Weitere Informationen:

V. Regelungen in Bezug auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung

Artikel 17 und 19 der EU-Aufnahmerichtlinie sehen vor, dass besonders schutzbedürftigen Personen die notwendigen materiellen und medizinischen Leistungen gewährt werden müssen.

Welche Sozialleistungen stehen besonders schutzbedürftigen Personen zur Verfügung?

Während der ersten 36 Monate des Aufenthalts erhalten Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) – das sind u.a. Asylsuchende und Geduldete – Leistungen auf abgesenktem Leistungsniveau (§ 3 AsylbLG); erst nach dreijährigem Aufenthalt in Deutschland werden die Leistungen auf das Niveau das Niveau von SGB II/SGB XII angehoben (>> Sozialleistungen).

Wichtig: Auf Grundlage von § 1a AsylbLG können die Leistungen weiter eingeschränkt werden. In vielen Fällen sind diese Kürzungen, gerade bei schutzbedürftigen Personen verfassungswidrig. Daher ist es häufig sinnvoll, gegen Leistungseinschränkungen Rechtsmittel einzulegen. Ehrenamtlich Engagierte können hier zu Rechtsanwält*innen vermitteln. Einige Anwält*innen übernehmen solche Fälle kostenlos (Zusammenland – Mit Recht zum Recht).

Für bestimmte Gruppen schutzbedürftiger Geflüchteter gibt es die Möglichkeit, Mehrbedarfe geltend zu machen:

  • Schwangeren und Wöchnerinnen ist gemäß § 4 Absatz 2 AsylbLG eine uneingeschränkte medizinische Versorgung zu gewähren. Zudem besteht ab der 13. Schwangerschaftswoche gemäß § 30 Absatz 2 SGB XII für Analogleistungsempfänger*innen ein Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent der jeweiligen Regelbedarfsstufe. Bei Schwangeren, die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG beziehen, kann dieser Mehrbedarf nach Ermessen gemäß § 6 Absatz 1 AsylbLG gewährt werden.
  • Für Kinder unter 18 Jahren können besondere Bedarfe nach § 6 Absatz 1 AsylbLG bewilligt werden. Außerdem kann für bestimmte Leistungen Unterstützung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt werden (§ 3 Absatz 4 AsylbLG) (>> Bildung).
  • Menschen mit Behinderungen können unter bestimmten Voraussetzungen Mehrbedarfe gewährt werden (§ 30 SGB XII und § 42b SGB XII).

Welche Regelungen gibt es in Bezug auf die medizinische und psychotherapeutische Versorgung von besonders schutzbedürftigen Personen?

Viele geflüchtete Menschen mit besonderem Schutzbedarf sind auf eine angemessene medizinische und psychotherapeutische Versorgung angewiesen, u.a. um eine Chronifizierung von Erkrankungen zu vermeiden.

Während des Grundleistungsbezugs in den ersten 36 Monaten des Aufenthalts ist auch die Gesundheitsversorgung eingeschränkt (§ 4 AsylbLG). Darüber hinaus gehende Bedarfe können über § 6 AsylbLG (sonstige Leistungen) nach Ermessen gewährt (>> Gesundheitsversorgung).  Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass die Behörde eine Leistung rechtmäßig verweigern kann, wenn diese zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist.

Befinden sich die betroffenen Personen noch im Asylverfahren, ist außerdem Artikel 19 der EU-Aufnahmerichtlinie zu beachten. Diese europarechtliche Vorschrift sieht für Menschen mit besonderem Schutzbedarf einen Anspruch auf die erforderliche medizinische Behandlung einschließlich psychologischer Behandlung vor. Eine Einschränkung auf Akuterkrankungen oder Schmerzzustände besteht nicht.

Wichtig: Bei Anträgen auf Gesundheitsleistungen sollte insbesondere bei schutzbedürftigen Personen, die Leistungen gemäß § 3 AsylbLG erhalten, eine sehr sorgfältige Begründung verfasst werden, die auch auf § 6 AsylbLG und die Aufnahmerichtlinie verweist. Gegen die Ablehnung einer medizinischen Behandlung kann man sich wehren, indem man Widerspruch und später Klage erhebt. Muss es schnell gehen, kann außerdem bei Gericht Eilrechtsschutz beantragt werden. 

Selbst wenn die besondere Schutzbedürftigkeit einer Person festgestellt wird, gestaltet sich in der Praxis die konkrete Inanspruchnahme der damit verbundenen Rechte häufig als äußerst schwierig. Dies liegt unter anderem an fehlende Kapazitäten, z.B. in Bezug auf Therapieangebote für Menschen mit einer PTBS.

VI. Weiterführende Arbeitshilfen


Stuttgart: Einführung in’s Asyl-und Aufenthaltsrecht

Im Rahmen dieser halbtägigen Fortbildung beschäftigen wir uns mit den Grundlagen des Asyl- und Aufenthaltsrechts. Dabei wird es u.a. um folgende Fragen gehen:

  • Wie läuft das Asylverfahren ab?
  • Welche Anerkennungsformen gibt es?
  • Was passiert nach einer Ablehnung und was ist eine Duldung?

Die kostenlose Fortbildung richtet sich an Engagierte in der Geflüchtetenarbeit, die kein oder wenig Vorwissen im Asyl- und Aufenthaltsrecht haben. Die Veranstaltung wird primär für Mitarbeitende der Malteser organisiert – andere Interessierte können nach vorheriger Anmeldung aber ebenfalls dazu stoßen. Bitte senden Sie dazu eine E-mail an info@fluechtlingsrat-bw.de. Die verbleibenden Plätze sind begrenzt.

Referentin: Lara Kühnle, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, unterstützt durch das Ministerium der Justiz und für Migration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.