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531 Abschiebungen im dritten Quartal 2023

Im dritten Quartal des Jahres wurden insgesamt 531Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Mit Abstand betraf es am meisten Menschen mit gambischer Staatsangehörigkeit (107 – davon 100 (!) nach Gambia). An zweiter Stelle kamen Menschen nordmazedonischer Staatsangehörigkeit (54 – davon alle nach Nordmazedonien). An dritter Stelle wurden Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit abgeschoben (45 – davon 24 in die Türkei). Die Differenz lässt sich damit erklären, dass nicht alle Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Vermutlich gingen die anderen Abschiebungen in europäische Länder als sog. Dublin-Verfahren oder Anerkannte.

In der Tabelle wird zwischen Ziel- und Herkunftsland unterschieden. Anhand der Zahlen zu den Zielländern wird ersichtlich wie viele Personen in ein bestimmtes Land abgeschoben worden sind. Die Zahlen zu Herkunftsländern geben die Anzahl der Personen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit an, die abgeschoben worden sind.

ZiellandAbschiebungen
Ägypten1
Albanien3
Algerien16
Belgien4
Bosnien-Herzegowina18
Bulgarien8
China3
Dänemark1
Frankreich14
Gambia100
Georgien20
Ghana4
Griechenland7
Guinea3
Indien2
Irak6
Italien11
Jordanien1
Kamerun2
Kasachstan1
Kosovo12
Kroatien10
Lettland2
Malta2
Marokko1
Montenegro2
Niederlande4
Nigeria38
Nordmazedonien54
Österreich41
Pakistan7
Polen12
Portugal3
Rumänien16
Schweden1
Schweiz7
Serbien37
Slowakische Republik2
Slowenien2
Spanien12
Sri Lanka2
Tschechische Republik2
Tunesien7
Türkei24
Ungarn3
USA1
Venezuela1
Vietnam1
Gesamtergebnis531
HerkunftslandAbschiebungen
Afghanistan26
Ägypten1
Albanien3
Algerien24
Bosnien-Herzegowina18
Bulgarien2
China3
Gambia107
Georgien20
Ghana4
Guinea3
Guinea-Bissau1
Indien10
Irak12
Italien1
Jordanien1
Kamerun2
Kasachstan2
Kosovo12
Kroatien3
Lettland2
Libanon1
Marokko5
Montenegro2
Niederlande1
Nigeria41
Nordmazedonien54
Pakistan9
Polen9
Portugal1
Rumänien13
Russische Föderation6
Serbien37
Slowakische Republik2
Slowenien1
Somalia4
Spanien1
Sri Lanka2
Staatenlos1
Syrien12
Tschechische Republik1
Tunesien13
Türkei45
Unbekannt6
Ungarn2
USA1
Venezuela1
Vietnam1
Weißrussland2
Gesamtergebnis531

Ampel-Regierung opfert Grundrechte in aufgeheizter Abschiebungsdebatte

Am heutigen Mittwoch soll im Kabinett der von Nancy Faeser vorgeschlagene Entwurf zum „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ beschlossen werden. Diese rechtsstaatlich fragwürdigen Verschärfungen rund um Abschiebungen sind jedoch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit, die dem Rechtspopulismus weiter Vorschub leisten. Zudem werden die Kommunen so nicht entlastet. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Ausweitung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage und der Abschiebehaft auf bis zu sechs Monate vor. Außerdem sollen mit der Abschiebung beauftragte Personen quasi jedes Zimmer – auch nachts – in einer Geflüchtetenunterkunft betreten dürfen, traumatisierende nächtliche und überfallartige Abschiebungen sollen forciert werden. Zudem sollen durch neue Regelungen massenhaft und ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung Handys ausgelesen werden können.

„Die Bundesregierung opfert mit dem Abschiebungsgesetz die Grundrechte der Betroffenen dem aktuellen rechtspopulistischen Diskurs. Verschärfte Abschiebungsregeln werden kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden, aber sie führen zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte. Schon jetzt ist jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig, schon jetzt werden Familien getrennt und Kinder nachts aus dem Schlaf gerissen. Dabei ist schon lange klar: Abschiebungen lösen weder die Probleme der Kommunen noch die Herausforderungen bei der Aufnahme fliehender Menschen“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. Die von Nancy Faeser vorgeschlagenen Maßnahmen greifen unter anderen in das Recht auf Freiheit (Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz), das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz) – das auch für Zimmer in Geflüchtetenunterkünften gilt – sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre (Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz) ein.

Mit diesem Abschiebungs-Verschlimmerungsgesetz wird so getan, als würden noch härtere Abschiebungen zur Entlastung von Kommunen führen. Dabei bekommen aktuell 71 Prozent der Menschen, deren Asylgründe vom BAMF geprüft werden, Schutz in Deutschland. Die Quote liegt damit auf Rekordniveau und beweist, dass der allergrößte Teil der Menschen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen, sehr gute Asylgründe hat. Deshalb sollte der Fokus auf ihrer Aufnahme und nicht auf Abschiebungen liegen. Auch die öffentliche Debatte über ausreisepflichtige Personen ist oft verzerrt: Ende 2022 lebten knapp 250.000 Menschen mit einer Duldung in Deutschland und waren ausreisepflichtig. Viele der Ausreisepflichtigen können jedoch überhaupt nicht abgeschoben werden, auch wenn unterschiedliche Politiker*innen das immer wieder suggerieren: Rund 3.000 Geduldete können wegen schwerwiegender medizinischer Gründe nicht abgeschoben werden. In 25.000 Fällen wurden Duldungen wegen familiärer Bindungen erteilt, die eine Abschiebung nicht zulassen. Auch Menschen in einer Berufsausbildung bleiben in Deutschland bislang in der Duldung, sind damit weiterhin ausreisepflichtig und Teil der Statistik: Ende 2022 waren das 6.000 Auszubildende. Zudem wird nur etwa neun Prozent der geduldeten Menschen vorgeworfen, ihre eigene Abschiebung zu verhindern, weshalb sie eine sogenannte Duldung Light haben.

PRO ASYL fordert alle demokratischen Parteien im Bundestag auf, Ziel und Mittel des Abschiebegesetzes zu hinterfragen, die flüchtlingsfeindliche Debatte zu beenden und stattdessen echte Lösungen zur Entlastung von Kommunen zu verfolgen. Rund 136.000 Geduldete könnten zum Beispiel von einer großzügigen Anwendung des Chancen-Aufenthaltsrechts profitieren, was die Zahl der Ausreisepflichtigen verringert.


LSG NRW: SGB-II-Leistungen für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat in einem Eilverfahren eine positive Entscheidung getroffen zu der Frage, ob aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige mit Fiktionsbescheinigung Anspruch auf SGB-II-Leistungen haben (LSG NRW, Beschluss vom 19. Oktober, L 6 AS 873/23 B ER). Leistungen nach SGB II werden oft von Jobcentern verweigert, weil:

  • Die Personen keine oder keine ausreichende Beschäftigungserlaubnis in ihrer Fiktionsbescheinigung hätten und deshalb nach § 8 Abs. 2 SGB II ausländerrechtlich nicht erwerbsfähig seien.
  • Die Personen keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten – sie würden sich nur kurzfristig hier aufhalten.
  • Die Personen keinen Aufenthaltstitel hätten und deswegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungen erhalten sollten.

Dies alles sieht das LSG NRW anders: Der Betroffene ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Zudem darf der rechtmäßige Aufenthalt mit einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG als Aufenthaltsrecht gewertet werden, mit dem SGB-II-Leistungen ermöglicht sind (es besteht voraussichtlich kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 SGB II).

Auch in Baden-Württemberg haben etliche Drittstaatsangehörige mit Fiktionsbescheinigung, die aus der Ukraine geflohen sind, Probleme, bei den Jobcentern ihren Anspruch auf SGB-II-Leistungen durchzusetzen.



Bundesregierung intensiviert Abschiebungen in den Irak

Die verschärfte Abschiebepolitik der Bundesregierung weitet sich auf ausreisepflichtige Iraker*innen aus. Grund dafür scheint eine gesteigerte Rücknahmebereitschaft des Iraks zu sein.

Seit vielen Jahren gibt es kaum Abschiebungen in den Irak. Nach den Beschlüssen der Konferenz der Innenminister*innen (IMK) von 2006, 2007 und 2018 waren Abschiebungen nur von Gefährdern und Straftätern möglich. Doch nun steigt die Zahl von nicht-straffälligen Iraker*innen, deren Duldungen nicht mehr verlängert werden und die in Abschiebehaft genommen werden. Hintergrund dafür ist eine verstärkte Kooperation zwischen Deutschland und dem Irak sowie eine damit einhergehende erhöhte Rücknahmebereitschaft des Iraks.

So genügt den irakischen Behörden bereits eine nachgewiesene Staatsangehörigkeit mittels eines Passersatzpapieres, um einer Abschiebung zuzustimmen. Passersatzpapiere werden u.a. ausgestellt, wenn Personen zu Sammelanhörungen vor irakischen Vertreter*innen geladen werden und ihre Identität bestätigt wird.

Zurzeit leben ca. 28.000 geduldete Iraker*innen in Deutschland. Darunter auch Menschen mit einer Ausbildungsduldung oder mit einer Duldung aus rechtlichen oder humanitären Gründen, welche nicht abgeschoben werden können.

Sollten Abschiebungen in den Irak zukünftig jegliche ausreisepflichtige irakische Person betreffen können, so ist das dramatisch – denn im Irak geschehen nach wie vor zahlreiche Menschenrechtsverletzungen.

In Baden-Württemberg erhielt der Flüchtlingsrat mündlich die Information, dass prioritär Personen mit Straftaten oder sog. Gefährder abgeschoben werden würden. Da aber zukünftig alle geduldeten Iraker*innen abgeschoben werden könnten, raten wir dringend, Bleiberechtsoptionen für diese Personen zu prüfen und in die Wege zu leiten.


Weiterführende Informationen:


Spenden für Alarm Phone

Alarm Phone ist eine selbstorganisierte Hotline für Menschen in Seenot an Europas Außengrenzen. Die Hotline wird von hunderten Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern betrieben und richtet sich an Menschen auf der Flucht und ist rund um die Uhr das gesamte Jahr über erreichbar.

Sie haben bereits mehr als 7000 Boote und Gruppen von Menschen in Not unterstützt. Darüber hinaus knüpft Alarm Phone internationale Netzwerke und recherchiert ausgiebig zu Fluchtrouten und Rechtsnormen in der Seenotrettung. So hat seit  

Damit die NGO weiterhin ihre Arbeit fortsetzen kann, wird Geld für Satellitentelefone und die hohe Telefonrechnung benötigt. Denn jeder Anruf kostet zwischen einem und acht Euro pro Minute.

Hier finden Sie den Spendenanruf von Alarm Phone.


Online Workshop: Rassismuskritische Ansätze für die ehrenamtliche Geflüchtetenarbeit

Ehrenamtlich tätige Personen leisten einen unverzichtbaren Beitrag in der Gesellschaft. Häufig stoßen sie dabei an Grenzen. Grenzen des Systems (Gesetze, Bürokratie), aber auch an eigene Grenzen. Manchmal wird festgestellt, dass geflüchtete Personen andere Prioritäten haben, als die ehrenamtlich tätigen Personen es vielleicht erwarten oder sich wünschen würden. Daraus kann Frust und Hilflosigkeit erwachsen. Der Workshop soll neben einem kurzen Input zur rassimuskritischen Haltung einen Raum öffnen für Verständnisfragen und Austausch.

Annagreta König Dansokho ist Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Psychotraumatologie, Sexualtherapie, Antidiskriminierungsberatung, Islamic Counsling und Supervisorin mit jahrelanger Erfahrung in der Arbeit mit geflüchteten Menschen.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch.

Die Anmeldung ist geschlossen.


Asperg: Kundgebung gegen Rassismus

Seit mehreren Monaten gibt es eine Bürgerinitiative in Tamm und Asperg gegen den geplanten Bau einer Landeserstaufnahme-Einrichtung (LEA) für geflüchtete Menschen. Dieser Protest hat eindeutig rassistische Züge: Es wird bewusst Angst vor geflüchteten Menschen geschürt. Deshalb ruft das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS) am 22. Oktober auf, sich gegen Rassismus in Asperg und für Solidarität mit Geflüchteten einzusetzen.  


Gegen den Populismus: Wie viele ausreisepflichtige Geflüchtete gibt es wirklich?

Eine oft genannte Behauptung ist, dass „300.000 vollziehbar ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber“ aus Deutschland ausreisen müssten. Dies stelle einen Beleg für „Asylmissbrauch“ und die die Effektivität von Abschiebungen dar. Diese pauschale Aussage hält einer tiefgehenden Betrachtung nicht Stand. Berlin hilft hat die Zahlen ausführlich analysiert, die wichtigsten Ergebnisse haben wir zusammengefasst.

Auf was bezieht sich die Zahl von 300.000 Personen?

Laut Plenarprotokoll des Bundestages 20/124 gab es Ende August 2023 261.925 ausreisepflichtige Personen in Deutschland. Die tatsächliche Zahl der ausreisepflichtigen Menschen ist also bereits niedriger als die angegebenen 300.000. Ausreisepflichtig sind Menschen, die keinen Aufenthaltstitel (mehr) haben.

Können alle diese 261.925 ausreisepflichtige Personen abgeschoben werden?

Nein, das ist nicht in allen Fällen möglich. Oft besteht ein Abschiebungshindernis, z.B. aufgrund einer Erkrankung oder wegen Passlosigkeit. In diesem Fall ist die Abschiebung dann vorübergehend ausgesetzt, solange das Abschiebungshindernis besteht. Die betroffenen Menschen haben dann Anspruch auf eine sog. Duldung. Von den 261.925 vollziehbar ausreisepflichtigen Personen Ende August hatten laut Plenarprotokoll des Bundestages 210.528 Menschen eine Duldung. Somit bleiben nur 51.397 Ausreisepflichtige übrig, bei denen eine Abschiebung überhaupt möglich gewesen wäre.

Haben alle der Personen, die man abschieben könnte, eine Ablehnung im Asylverfahren erhalten?

Nein. Berlin hilft verweist hier auf Zahlen von Ende Juni 2023 aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke. Von insgesamt 279.098 ausreisepflichtigen Personen hatten zu diesem Stichtag nur 132.035 Personen, also knapp die Hälfte, einen abgelehnten Asylantrag. Davon waren nur 13.784 Personen ohne Duldung.

In die Betrachtung muss auch einbezogen werden, dass das Ausländerzentralregister (AZR) nicht durchgängig konsistente Daten liefert. So wird beispielsweise der Umstand, dass eine Person aus einem Asylverfahren kommt lebenslang gespeichert. Aus diesem Grund werden auch Personen als abgelehnte Asylbewerber*innen geführt, die mittlerweile aufgrund zwischenzeitlich erfolgter EU-Beitritte ihrer Herkunftsländer als EU-Bürger*innen in Deutschland leben.

Fazit: Statt von „300.000 ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern“ müsste man korrekterweise von „13.784 ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern ohne Duldung“ sprechen.  Dieses Beispiel zeigt anschaulich, dass Populist*innen Tatsachen verfälschen und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gegenüber geflüchteten Menschen schüren.



BW: Abschiebekosten von über 8,8 Mio. Euro seit 2020

Eine am 13. September beantwortete Anfrage der AfD an das Justizministerium ergab, dass im Zeitraum 1.1.2020 bis 31.8.2023 5.639 Menschen abgeschoben wurden. Laut der Anfrage haben Abschiebungen im Zeitraum 1.1.2020 bis 19.9.2023 über 8,8 Mio. Euro an Kosten verursacht. Rund 1,7 Mio. Euro davon haben die abzuschiebenden/abgeschobenen Personen zurückgezahlt.

Die hohen Kosten, die durch Abschiebungen verursacht werden, könnten aus unserer Sicht besser dazu verwendet werden, um menschenwürdige Unterkünfte zu bauen oder den Menschen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern, z.B. über mehr/bessere Sprachkurse und Unterstützung bei der Arbeitssuche.



Georgien und Moldau sind nicht sicher!

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern die Bundesländer auf, sich am 20.10.2023 im Bundesrat gegen den Gesetzentwurf zur Einstufung Georgiens und Moldaus als “sichere” Herkunftsländer auszusprechen und sich stattdessen einer rationalen, faktenbasierten und lösungsorientierten Migrationspolitik zuzuwenden.

“Die Wahlen in Hessen und Bayern haben klar gezeigt: Je mehr SPD und Grüne sich rechts anbiedern, desto weiter verschiebt sich der gesamte Diskurs nach rechts – und gewählt wird dann dennoch das rechtsradikale Original. Wir brauchen endlich eine rationale und faktenbasierte Debatte über Flucht und Migration”, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte lehnen das Konzept der sicheren Herkunftsländer grundsätzlich ab. Im konkreten Fall von Moldau und Georgien gibt es zudem etliche tatsächliche Gründe, die der Einstufung als “sicher” entgegenstehen. Denn zu einer solchen Einstufung gelten klare gesetzliche Vorgaben: Staaten dürfen nur dann als “sichere Herkunftsstaaten” gelten, wenn „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen“ Sicherheit vor Verfolgung besteht. Dies ist weder in Georgien noch in Moldau gegeben. PRO ASYL hat dazu eine ausführliche Stellungnahme verfasst.

In beiden Ländern gibt es abtrünnige Regionen, die von Russland und nicht von der jeweiligen Regierung kontrolliert werden: In Georgien die Regionen Abchasien und Südossetien und in der Republik Moldau die Region Transnistrien. Außerdem geht der Gesetzentwurf nicht auf die Gefahr des zunehmenden russischen Einflusses auf Politik und Gesellschaft auch außerhalb der abtrünnigen Gebiete ein und auch nicht auf die geänderte geopolitische Gefahrenlage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Weiterhin sind nachweislich nicht alle Personen- und Bevölkerungsgruppen sicher. In Georgien gilt das speziell für die Gruppe der LGTBIQ*-Personen, in Moldau insbesondere für die Gruppe der Rom*nja. Beide Gruppen sind von Diskriminierung, Ausschlüssen und sogar von Angriffen betroffen. Auch Presse- und Medienvertreter*innen sowie Kunst- und Kulturschaffende geraten in jüngster Zeit zunehmend unter Druck. In Belgien wurde im Juli dieses Jahres das Land Georgien nach nicht einmal drei Monaten wieder von der Liste der sicheren Herkunftsländer genommen, insbesondere wegen der gefährlichen Situation für LGTBIQ*-Personen.

Der Gesetzentwurf wird als Maßnahme zur Entlastung von kommunalen Strukturen vermarktet. Dabei handelt es sich in Wahrheit bei diesen beiden Ländern nur um eine kleine Gruppe Asylsuchender, denen durch die Einstufung als “sicheres Herkunftsland” ihr Recht auf eine individuelle Überprüfung ihrer Asylanträge verweigert wird. Das wird nicht zu einer Entlastung der Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten führen. Was die Kommunen hingegen brauchen, ist eine rationale und faktenbasierte Debatte über echte Maßnahmen, die ihnen helfen – zum Beispiel eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung mit einer Pro-Kopf-Pauschale je aufgenommener Person, eine Digitalisierungsoffensive und die Aufhebung der Arbeitsverbote, von denen Tausende Geduldete betroffen sind.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern Bund und Länder auf, eine Migrationspolitik zu verfolgen, die tatsächlich die Kommunen bei der Aufnahme sowie die Menschen beim Ankommen unterstützt, statt weiter rechte Stimmungsmache zu befördern.