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Karlsruhe: Eindrücke aus Warschau und von der polnisch-belarusischen Grenze

Im Café Palaver (Steinstr. 23, Karlsruhe) wird Kerem Schamberger von seinen Eindrücken über die (rassistische) Ungleichbehandlung von Menschen auf der Flucht berichten. Gemeinsam mit seiner Kollegin Karoline Schaefer war er in Polen, in Warschau, Krakau und Orten an der polnisch-belarusischen und der polnisch-ukrainischen Grenze. In medico international schreibt er darüber.


Checkliste: Kinderschutz in temporären Unterkünften

Die „Checkliste für die temporäre Unterbringung von Kindern und Familien“ listet Vorgaben auf, um den Schutz von Kindern in Notunterkünften zu gewährleisten. Sie richtet sich zwar hauptsächlich an Betreiber*innen und Hauptamtliche, könnte aber auch für Ehrenamtliche interessant sein, die sich auf politischer Ebene für den Schutz von Kindern einsetzen möchten.

Die Checkliste basiert auf dem „Kinderrechte-Check für geflüchtete Kinder“ von Save the Children. Sie sollte nicht auf längerfristige Unterbringungen angewandt werden, da sie wichtige Punkte zu Kindeswohl und Kinderrechte (z.B. Zugang zu Bildung) ausklammert.


VG Mainz: Für Einbürgerung erforderliche Identitätsklärung auch mittels Zeugenaussagen möglich

Die Ein­bür­ge­rung eines Aus­län­ders in den deut­schen Staats­ver­band setzt unter an­de­rem vor­aus, dass seine Iden­ti­tät und Staats­an­ge­hö­rig­keit ge­klärt sind. Nach einem Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Mainz vom 25.03.2022 (Az.: 4 K 476/21.MZ) kön­nen sich hier­für Be­le­ge bei einem Feh­len amt­li­cher (Aus­weis-) Doku­men­te im Ein­zel­fall auch aus den Er­klä­run­gen und Iden­ti­täts­un­ter­la­gen von Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen im Aus­land er­ge­ben.


Der Kläger ist nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger. Er reiste 2011 in das Bundesgebiet ein. Im Herbst 2019 stellte der Kläger einen Antrag auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Er legte dazu einen 2021 von der somalischen Botschaft in Berlin ausgestellten Pass vor. Die Behörde lehnte den Einbürgerungsantrag mit der Begründung ab, es fehle an einer zweifelsfreien Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Klägers, weil nach Januar 1991 ausgestellte Pässe von Deutschland nicht anerkannt werden.
Gegen die Ablehnung wandte sich der Kläger mit einem Widerspruch. Er reichte eine notarielle Erklärung seines Bruders, der als früherer Asylsuchender somalischer Herkunft nunmehr die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, sowie eine Kopie dessen amerikanischen Passes ein. Unter Beifügung von Kopien eines 1973 in Mogadischu ausgestellten Identitätsdokuments und seines schwedischen Passes legte er außerdem eine Erklärung seines Onkels mütterlicherseits vor, wonach dieser schwedischer Staatsangehöriger sei und ursprünglich aus Somalia stamme. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Das VG (Az.: 4 K 476/21.MZ) hat der anschließenden Klage des Mannes stattgegeben und die Behörde verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Es bestehe ein Anspruch des Klägers auf Einbürgerung, weil neben den sonstigen Voraussetzungen hierfür nach Überzeugung des Gerichts auch von einer Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit seiner Person auszugehen sei.
Allerdings bleibt die Klärung der Identität immer eine Einzelfallprüfung, in der die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es kommt in jedem Fall das gestufte Modell zur Prüfung der Identität zur Anwendung, wie es vom Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil dargelegt wurde (Urteil des BVerwGs vom 23.09.2020 – 1C 36.19).



EuGH: Kontrollen an Binnengrenzen nur bei ernsthafter Bedrohung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26.04.2022 (C-368/20 u. C-369/20) entschieden, dass die Binnengrenzkontrollen innerhalb der EU europarechtswidrig sind. Grenzkontrollen dürfen nur über die Fristen des Schengener Grenzkodex (sechs Monate) hinaus verlängert werden, wenn eine neue Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt. Eine weitere Verlängerung der Kontrollen über sechs Monate hinaus mit derselben Begründung oder einfach ohne Begründung ist nicht zulässig. Nun müssen Dänemark, Deutschland, Frankreich, Österreich und Schweden die seit 2015 durchgeführten Kontrollen an den Binnengrenzen umgehend einstellen.

„Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass eine Person nicht unter Androhung einer Sanktion verpflichtet werden kann, bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat einen Reisepass oder einen Personalausweis vorzuzeigen, wenn die Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegen den Schengener Grenzkodex verstößt.“ Dies dürfte besonders geflüchtete Personen betreffen.


BVerwG: Maßstab Gefahrenprognose bei Rückkehr

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG Az: 1 C 10.21) hat mit Urteil vom 21. April 2022 im Falle eines afghanischen Asylsuchenden den Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose weiter definiert. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW) hatte dem Afghanen am 17. Dezember 2020 ein Abschiebungsverbot zugesprochen (A 11 S 2042/20). Dagegen war das BAMF in Berufung gegangen.

Nun stellt das BVerwG fest, dass es für die Gefahrenprognose grundsätzlich ist, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den VGH BW zurückverwiesen. Der von diesem für die Gefahrenprognose zugrunde gelegte Maßstab, nach dem auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen eine „nachhaltige“ und nicht nur vorübergehende Existenzsicherung erforderlich ist, steht mit Art. 3 EMRK und mit dem Erfordernis einer „schnell“ oder „alsbald“ nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang. Die Gefahr eines Art. 3 EMRK-widrigen Zustands ist nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Sie muss vielmehr in dem Sinne konkret sein, dass die drohende menschenrechtswidrige Beeinträchtigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser – in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhaltensweisen des Ausländers – gerechtfertigt ist.

Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Der Rechtsstreit war an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die zu den vorstehenden Maßstäben unzureichende tatrichterliche Würdigung nachzuholen.


VG Sigmaringen: Eritreer erhält Niederlassungserlaubnis

Das Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen hat mit Urteil vom 16.02.2022 (5 K 4651/20) im Falle eines Eritreers mit Flüchtlingseigenschaft entschieden, dass trotz fehlenden Passes die Niederlassungserlaubnis zu erteilen ist. Denn „die Aufforderung der Ausländerbehörde, sich zur Passbeschaffung in den Einfluss- und Machtbereich desjenigen Staates zu begeben, dessen Verfolgung der Kläger fürchtet, widerspricht der Schutzfunktion der ihm zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und ist bereits deshalb für die mit der Maßnahme verfolgten Zwecke nicht zumutbar… Insoweit ist bei einem Flüchtling im Regelfall von einer generellen Unzumutbarkeit der Passbeantragung auszugehen.“

Laut dem VG lägen zudem keine begründete Zweifel an der Identität des Klägers vor, sodass das Ermessen nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG, wonach von den Regelerteilungsvoraussetzungen (hier: Identitätsklärung) abgesehen werden kann, hier auf Null reduziert ist.


Auftakt im Prozess um Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gambia

Am Montag, 25. April um 9 Uhr, beginnt vor dem Oberlandesgericht Celle ein Strafprozess, in dem es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Morde) in Gambia in der Zeit des mittlerweile im Exil lebenden ehemaligen Staatspräsidenten Yahya Jammeh geht. Angeklagt ist ein Mann, der daran beteiligt gewesen sein soll und 2021 in Hannover festgenommen worden ist. Es handelt sich um das weltweit erste Strafverfahren gegen ein mutmaßliches Mitglied ehemaliger gambischer Spezialkräfte im Ausland. Unter Zugrundelegung des Völkerstrafgesetzbuches können diese Taten auch vor deutschen Gerichten verhandelt werden.   Für die Angehörigen der Opfer und die Zivilgesellschaft in Gambia ist dies ein sehr wichtiger Prozess.
Mehrere internationale NGOs (u.a. Human Rights Watch, the International Commission of Jurists, TRIAL International, Reporters Without Borders) begleiten den Prozess eng und haben den Kontext dieses Strafprozesses in einer FAQ-Übersicht näher beschrieben:
(…)“Under Yahya Jammeh’s 22-year rule, there was a policy of systematic oppression of any of his real or perceived opponents in an effort to maintain his political power. The government targeted journalists; human rights defenders; student leaders; religious leaders; political opposition members; judiciary officials; lesbian, gay, bisexual, and transgender (LGBT) people; and security force personnel, among others. This resulted in serious human rights violations, including torture, extrajudicial killings, enforced disappearance, and sexual violence.“(…)

Die bis ins Jahr 2023 anberaumten weiteren Termine des Strafprozesses lassen sich einer Übersicht des Oberlandesgerichts Celle entnehmen.


Stuttgart: Fachtag Menschenhandel und Arbeitsausbeutung

Im Haus der Wirtschaft in Stuttgart findet einen Fachtag Gemeinsam gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung statt. In den Praxisforen werden folgende interessante Fragen zum Thema bearbeitet: Wo treffen wir in unserem Alltag Betroffene von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung an? Wie können wir sie erkennen und was können wir dann tun? Wie können die Ratsuchenden bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt werden?
Anmeldung bis zum 23. Mai unter:
fachtag.menschenhandel-arbeitsausbeutung@faire-mobilitaet-mannheim.de
Das Programm und weitere Informationen finden Sie hier.


Online-Seminar: Kinder und Jugendliche als Opfer von Menschenhandel

Die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung  ECPAT Deutschland e.V. bietet ein kostenfreies Online-Seminar zur Identifizierung von und dem Umgang mit betroffenen Kindern an.

Menschenhandel, auch mit Kindern, ist eines der am schnellsten wachsenden Delikte weltweit. Kinder und Jugendliche, die von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung betroffen sind, geben sich aus verschiedenen Gründen selten von sich aus als Betroffene zu erkennen. Das Online-Seminar richtet sich an Praktiker*innen unterschiedlicher Berufsgruppen und vermittelt grundlegendes Wissen zu Handel mit Kindern und den Betroffenen. Sie lernen, welche Anzeichen es für Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gibt und wie Sie Betroffene erkennen und unterstützen können.

Referentin: Andrea Hitzke
Anmeldung und weitere Informationen


Kinderhandel und Ausbeutung im Migrations- und Asylkontext

Die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung  ECPAT Deutschland e.V. bietet ein ein kostenfreies Online-Seminar an, das zusätzlich zu der Einführung in das Thema Handel mit Kindern auch besondere Vulnerabilitäten sowie rechtliche Bestimmungen im Migrations- und Asylkontext beleuchten.
Menschenhandel, auch mit Kindern, spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle im Migrations- und
Asylkontext. Kinder und Jugendliche, die von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung betroffen
sind, geben sich aus verschiedenen Gründen selten von sich aus als Betroffene zu erkennen. Das
Online-Seminar vermittelt grundlegendes Wissen zu Handel mit Kindern und den Betroffenen. Sie
lernen, welche Anzeichen es für Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gibt und
wie Sie Betroffene erkennen können.
Referent*innen: Andrea Hitzke und Tobias Hinz
Anmeldung und weitere Informationen.