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Unterbringung und Wohnen

In Baden-Württemberg existieren drei verschiedene Unterbringungsebenen für Geflüchtete: Erstaufnahme, vorläufige Unterbringung und Anschlussunterbringung.

I. Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung
II. Vorläufige Unterbringung
III. Anschlussunterbringung
IV. Sozialarbeiterische Unterstützung
V. Wohnsitzauflagen

I. Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung

Geflüchtete, die in Baden-Württemberg einen Asylantrag stellen, wenden sich in der Regel an eine Erstaufnahmeeinrichtung. Hier wird zunächst geprüft, ob sie in Baden-Württemberg bleiben oder im Rahmen des sog. EASY-Verfahrens (EASY = Erstverteilung der Asylsuchenden) in ein anderes Bundesland verteilt werden. Grundlage dieser Prüfung ist der „Königsteiner Schlüssel“. Dieser berücksichtigt zu zwei Dritteln die Steuereinnahmen eines Bundeslandes und zu einem Drittel dessen Bevölkerungszahl. Asylanträge von Menschen aus bestimmten Herkunftsländern werden allerdings nicht in allen Bundesländern bearbeitet.

Zuständig für den Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtungen sind die jeweiligen Regierungspräsidien. Asylantragsstellende sind verpflichtet, bis zu der Entscheidung über ihren Asylantrag und bei Ablehnung bis zur Abschiebung oder bis zur freiwilligen Ausreise in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. In der Regel darf diese Zeit 18 Monate nicht überschreiten. Bei Personen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ gilt die 18-Monatsfrist nicht. Sie müssen bis zur Entscheidung ihres Asylantrags bzw. bis zu ihrer Ausreise oder Abschiebung in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben. Auch bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten werden Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und Geduldete dazu verpflichtet, länger als 18 Monate in der Erstaufnahme zu wohnen. Eine Ausnahme besteht für minderjährige Kinder, ihre Eltern oder andere Sorgeberechtigte und die volljährigen ledigen Geschwister. Bei diesen darf die Verpflichtung, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, sechs Monate nicht überschreiten. Dies gilt auch für Familien aus sog. sicheren Herkunftsstaaten (§ 47 AsylG).

Während der Zeit in der Erstaufnahme erfolgen in der Regel die Asylantragstellung und Anhörung. Asylsuchende sollten unbedingt so schnell wie möglich nach Ankunft in der Erstaufnahmestelle eine Verfahrensberatung/Anhörungsvorbereitung in Anspruch nehmen, um sich entsprechend auf die Asylantragstellung und insbesondere die Anhörung vorzubereiten (>> Das Asylverfahren). In allen Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg gibt es eine unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung. Diese wird in der Regel von Wohlfahrtsverbänden angeboten, seit August 2019 besteht für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) allerdings die Möglichkeit, die Asylverfahrensberatung selbst durchzuführen.

In der Erstaufnahme erfolgen eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Gesundheitsuntersuchung und ggf. notwendige Impfungen. In den ersten Tagen strömen oft überwältigend viele Informationen und terminliche Verpflichtungen auf die Neuankommenden ein. Umso schwieriger ist es für viele Asylsuchenden, wichtige Vulnerabilitäten zu nennen, z.B. Krankheiten, Lebensmittelunverträglichkeiten, gesundheitliche oder religiöse Belange und geschlechtsspezifische, die sexuelle Identität oder Orientierung betreffende (Schutz-)Bedarfe, die bei der Zimmerverteilung berücksichtigt werden sollten. Für Geflüchtete besteht während des obligatorischen Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung eine räumliche Beschränkung, umgangssprachlich auch Residenzpflicht genannt (§ 56 Absatz 1 AsylG in Verbindung mit § 59a Absatz 1 AsylG). Das bedeutet, dass es Personen mit Wohnpflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung grundsätzlich nicht erlaubt ist, den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde, d.h. den Bereich des jeweiligen Regierungspräsidiums, zu verlassen. Häufig wird die Residenzpflicht irrtümlicherweise für den Bezirk der unteren Ausländerbehörde verhängt, dies ist nicht korrekt. Möchte jemand den jeweiligen Regierungsbezirk verlassen, ist grundsätzlich eine Verlassenserlaubnis notwendig. Zuständig ist gemäß § 57 Absatz 2 das BAMF, wobei die Regierungspräsidien Amtshilfe leisten und die Verlassenserlaubnisse in der Praxis erteilen.

In Erstaufnahmeeinrichtungen werden Asylbewerber*innen grundsätzlich mit Sachleistungen versorgt. Dies gilt insbesondere für den „notwendigen Bedarf“ (zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts). Allerdings wird meistens ein kleiner Geldbetrag für den notwendigen persönlichen Bedarf ausgezahlt (zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, z.B. Freizeitaktivitäten) (>> Sozialleistungen).

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II. Vorläufige Unterbringung

Von der Erstaufnahmeeinrichtung werden geflüchtete Menschen nach einer gewissen Zeit der vorläufigen Unterbringung zugewiesen.

Für die vorläufige Unterbringung ist der jeweilige Stadt- bzw. Landkreis zuständig. Laut § 8 Absatz 1 FlüAG erfolgt die vorläufige Unterbringung in Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünften. Welche Wohnform gewählt wird, hängt von den Bedingungen im jeweiligen Stadt- bzw. Landkreis ab. Die Dauer der Unterbringung in der vorläufigen Unterbringung soll 24 Monate nicht überschreiten, unabhängig davon, ob das Asylverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist oder nicht. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung möglich, diese soll drei Monate nicht überschreiten.

Im FlüAG sind Soll-Standards für die vorläufige Unterbringung festgelegt. Diese sind u.a.:

  • Der Standort soll die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
  • In der vorläufigen Unterbringung sollen mindestens ein Gemeinschaftsraum sowie ein Raum für Kinder zugänglich sein
  • Im Rahmen der Unterbringung soll eine Außenanlage für die Freizeitgestaltung der Bewohner*innen vorhanden sein
  • Grundsätzlich soll die Wohn- und Schlaffläche mindestens 7 qm betragen (vorübergehend 4,5 qm bis zum 31.12.2024)

Bei der vorläufigen Unterbringung handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis, also nicht etwa um ein privates Mietverhältnis. Dementsprechend zahlen die Untergebrachten auch keine Miete, sondern eine Gebühr, wenn sie über ausreichendes Einkommen verfügen. Verdient also eine in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Person selbst Geld, muss sie ggf. die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung dem Land-/Stadtkreis erstatten. Diese Pauschalbeträge werden in Baden-Württemberg in der vorläufigen Unterbringung durch die Landratsämter oder Bürgermeisterämter per Gebührenverordnung oder Satzung festgesetzt (§ 9 Absatz 5 Satz 4 FlüAG). Teilweise fallen so erhebliche Pauschalbeträge an, die Geflüchtete dazu zwingen, (wieder) aufstockende Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Gebührenbescheide sind in der Regel sehr komplex – will man dagegen vorgehen, sollte man eine Rechtsanwältin*einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.

III. Anschlussunterbringung

Im Anschluss an die vorläufige Unterbringung kommen geflüchtete Menschen in die Anschlussunterbringung (§ 18 FlüAG). Für die Anschlussunterbringung ist die jeweilige Gemeinde zuständig, der die Geflüchteten zugeteilt sind. Die Lebensbedingungen in der Anschlussunterbringung sind in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich, es gibt keine verbindlichen Standards. Nur wenn die Gemeinde eine Förderung nach dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ in Anspruch nimmt, muss die Unterkunft den Mindestanforderungen dieses Landesförderprogramms entsprechen. Es kommt vor, dass geflüchtete Menschen in Obdachlosenunterkünften untergebracht werden. Verdient eine in einer Anschlussunterbringung lebende Person selbst Geld, müssen ggf. die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung erstattet werden. Diese – teils erheblichen – Pauschalbeträge werden in der Anschlussunterbringung in Baden-Württemberg per Satzung festgelegt. Grundlage dafür ist die baden-württembergische Gemeindeordnung bzw. das baden-württembergische Kommunalabgabengesetz. Die Gebührenbescheide sind in der Regel sehr komplex – will man dagegen vorgehen, sollte man eine Rechtsanwältin*einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.

IV. Sozialarbeiterische Unterstützung

In der vorläufigen Unterbringung gibt es gemäß § 12 FlüAG Flüchtlingssozialarbeiter*innen, die für die soziale Beratung und Betreuung zuständig sind. Grundsätzlich sollten laut § 12 Satz 2 FlüAG geeignete nichtstaatliche Träger für die Durchführung der Flüchtlingssozialarbeit zuständig sein. Allerdings kann davon abgewichen werden, sofern weiterhin gewährleistet ist, dass die Sozialbetreuung unabhängig von der sonstigen behördlichen Aufgabenerfüllung erfolgt (§ 6 Durchführungsverordnung FlüAG). Daher gibt es in Baden-Württemberg weiterhin Landkreise, in denen die Sozialarbeit durch Mitarbeiter*innen der Landrats-/Bürgermeisterämter wahrgenommen wird. Übergeordnetes Ziel der Flüchtlingssozialarbeit ist die Unterstützung geflüchteter Menschen dabei, ein menschenwürdiges, selbstverantwortliches Leben zu führen (Anlage I zu § 6 Durchführungsverordnung FlüAG). Im FlüAG sind weitere Ziele der Flüchtlingssozialarbeit festgehalten:

  • Hilfestellung, Beratung und Vermittlung von Informationen zum Asylverfahren
  • Angebote für schutzbedürftige Menschen
  • Erarbeitung einer Lebensperspektive
  • Pädagogische und soziale Aktivitäten
  • Gewinnung, Begleitung und Schulung ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen

2017 hat das Land Baden-Württemberg mit den kommunalen Landesverbänden den Pakt für Integration geschlossen. Seitdem gibt es die sog. Integrationsmanager*innen. Dies sind Sozialarbeiter*innen, die für die soziale Beratung und Begleitung von Geflüchteten in der Anschlussunterbringung zuständig sind.

V. Wohnsitzauflagen

Geflüchtete Menschen unterliegen häufig einer sog. Wohnsitzauflage, die festlegt, wo sie ihren Wohnsitz nehmen sollen. Unter bestimmten Umständen kann diese Wohnsitzauflage aufgehoben werden.

Wohnsitzauflage bei Personen mit Aufenthaltsgestattung

Asylbewerber*innen, die nicht mehr in der Erstaufnahme wohnen müssen und sich im Asylverfahren befinden, erhalten in der Regel eine Wohnsitzauflage, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können (§ 60 Absatz 1 AsylG). Dabei besteht die Wohnsitzauflage oftmals für eine spezielle Unterkunft oder einen Wohnort.

Kann eine Person mit Aufenthaltsgestattung ihren Lebensunterhalt nachhaltig selbst sichern, fehlt eine Voraussetzung für den Fortbestand der Wohnsitzauflage. Auf Antrag muss diese deshalb regelmäßig aufgehoben werden. Die Aufhebung der Wohnsitzauflage steht zwar im Ausgangspunkt grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Ist der Lebensunterhalt aber nachhaltig gesichert, gibt es keine rechtfertigenden Gründe mehr für die Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage.

Eine Aufhebung der Wohnsitzauflage ist auch dann möglich, wenn ein Härtefall vorliegt. Die Wohnsitzauflage wird dann anschließend auf den Zuzugsort abgeändert. Ein Härtefall besteht bei Personen mit Aufenthaltsgestattung insbesondere, wenn

  • ein Umzug zu Ehegatte*Ehegattin und/oder einem anderen Wohnort lebenden minderjährigen Kind erfolgen soll oder
  • ein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht (z.B. besondere Betreuungs- oder Pflegesituation, besondere Schutzbedürftigkeit, z.B. aufgrund der sexuellen Orientierung oder häuslicher Gewalt) vorliegt

Wird die Änderung der Wohnsitzauflage zum Zweck des Zusammenseins mit der Kernfamilie beantragt, wird einem gut begründeten Umverteilungsantrag in der Regel stattgegeben. Grundsätzlich sollte dem Antrag aber immer eine ausführliche Darstellung der einzelnen Gründe beigefügt werden.

Bei Umzugswünschen innerhalb von Baden-Württemberg reicht man den Antrag bei der lokalen Ausländerbehörde vor Ort ein. Diese reicht den Antrag dann an die Ausländerbehörde des Zuzugsorts weiter, die über die Aufhebung der Wohnsitzauflage entscheidet. Bei einer länderübergreifenden Verteilung gibt es in den einzelnen Bundesländern teilweise zentrale Behörden, die über die Anträge entscheiden. In Baden-Württemberg entscheidet die Ausländerbehörde des Zuzugsortes in Absprache mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe über die Anträge aus anderen Bundesländern. Wird ein Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung der Wohnsitzauflage abgelehnt, kann Klage beim Verwaltungsgericht eingelegt und ggf. ein Eilantrag erhoben werden. Eines vorherigen Widerspruchs bedarf es nicht.

Wohnsitzauflage bei Personen mit Duldung

Auch Personen mit Duldung können einen Antrag auf Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage stellen, wenn sie ihren Lebensunterhalt sichern können oder familiäre und humanitäre Gründe vorliegen. Im Unterschied zu Personen mit Aufenthaltsgestattung gilt: Möchte man gegen einen abgelehnten Antrag vorgehen, muss man zunächst Widerspruch bei der ablehnenden Behörde einlegen, bevor man Klage beim Verwaltungsgericht einreichen kann.

Wohnsitzauflage bei Schutzberechtigten

Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG für Personen mit Schutzstatus im Asylverfahren ist ausführlich unter >> Wohnsitzauflage dargestellt.

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Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung von geflüchteten Menschen unterscheidet sich je nach Status und Erwerbssituation. Geflüchtete Menschen mit Schutzstatus im Asylverfahren und entsprechendem Aufenthaltstitel erhalten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Asylbewerbungsleistungsgesetz (AsylbLG) regelt die medizinische Versorgung von jenen Geflüchteten, die Asylbewerber*innenleistungen beziehen (>> Soziallleistungen). Der Umfang der Gesundheitsleistungen richtet sich dabei nach der Aufenthaltsdauer der Personen in Deutschland. Zu beachten ist, dass Personen, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des AsylbLG fallen, gesetzlich krankenversichert sind wenn sie arbeiten und über den Arbeitgeber versichert sind.

Im Folgenden werden die gesetzlichen Grundlagen der Gesundheitsversorgung von AsylbLG-Bezieher*innen dargestellt.

I. Gesundheitsversorgung von Personen in den ersten 36 Monaten des Aufenthalts
II. Gesundheitsversorgung von Personen, die länger als 36 Monate da sind
III. Gesundheitsversorgung von Personen mit Leistungseinschränkungen
IV. Psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung
VI. Personen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität

I. Gesundheitsversorgung von Personen in den ersten 36 Monaten des Aufenthalts

AsylbLG-leistungsberechtigte Personen in den ersten 36 Monaten des Aufenthalts beziehen AsylbLG-Leistungen nach § 3 AsylbLG. Bei ihnen sind § 4 und § 6 AsylbLG maßgeblich für die medizinische Versorgung. Umfasst werden folgenden Leistungen:

  • Bei akuten Erkrankungen sowie bei Schmerzzuständen sind (zahn-)ärztliche Versorgung, die Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln und sonstige zur Genesung, Besserung und Linderung von Krankheiten und Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen zu gewähren.
  • Auch chronische Erkrankungen müssen behandelt werden, wenn sie mit Schmerzen verbunden sind bzw. bei unterlassener Behandlung eine akute Verschlechterung droht. Beispiele für solche Erkrankungen sind Diabetes und Bluthochdruck.
  • Die durch die Ständige Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen sowie medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen sind ebenfalls zu gewähren. Diese umfassen z.B. Krebsvorsorgeuntersuchungen (§ 25 Absatz 2 SGB V) und Kinderuntersuchungen (§ 26 SGB V).
  • Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur dann, wenn sie unaufschiebbar ist. Allein medizinische Gründe sind für die Entscheidung über die Notwendigkeit ausschlaggebend.
  • Bei Schwangerschaft und Geburt erhalten Frauen im AsylbLG-Leistungsbezug übliche medizinische Leistungen durch niedergelassene Ärzt*innen sowie im Krankenhaus sämtliche Vorsorgeuntersuchungen für Mutter und Kind, Hebammenhilfe sowie erforderliche Medikamente und Heilmittel.
  • „Sonstige Leistungen […], die im Einzelfall zur Sicherung […] der Gesundheit unerlässlich […]“ sind, können über § 6 AsylbLG bewilligt werden, der eine Auffangfunktion hat. Umfasst sind u.a. folgende Leistungen: Behandlung chronischer Erkrankungen (ohne damit einhergehende Schmerzen), Psychotherapiekosten, Hilfsmittel zur Vermeidung von Krankheitsfolgekosten oder einer erhöhten Unfallgefahr, Pflegesachleistungen sowie Frauenhausaufenthalte.

Wie können medizinischen Versorgungsleistungen in Anspruch genommen werden?

In den ersten 36 Monaten des Aufenthalts muss eine angestrebte Behandlung bei der zuständigen Leistungsbehörde beantragt werden. In Baden-Württemberg sind dies die unteren Aufnahmebehörden. Das sind die Landratsämter und Stadtverwaltungen kreisfreier Städte. Umgangssprachlich werden die Leistungsbehörden meist „Sozialämter“ genannt. Bei der Leistungsgewährung gibt es zwei Vorgehensweisen, die in den Stadt-/Landkreisen zur Anwendung kommen:

  • Die Geflüchteten beantragen im Krankheitsfall einen Einzelkrankenschein beim Sozialamt. Dieses entscheidet über die Bewilligung der Behandlung. Für jede weitere Behandlung wird ein neuer Krankenschein benötigt.
  • Die Geflüchteten erhalten vom Sozialamt alle drei Monate einen oder mehrere Krankenscheine, um damit ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Für eine fachärztliche Behandlung muss ein neuer Krankenschein beim Sozialamt beantragt werden, häufig ist zusätzlich eine Begutachtung durch das Gesundheitsamt nötig.

Das System der Krankenscheine weist erhebliche Nachteile gegenüber der „normalen“ Gesundheitsversorgung auf: Durch den „Umweg“ über das Sozialamt (und in einigen Fällen sogar über das Gesundheitsamt) kommt es zu einer Verzögerung der Behandlung. Außerdem entscheiden Sachbearbeiter*innen der Sozialämter, die in der Regel keine medizinische Ausbildung durchlaufen haben, über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung. Dies führt nicht selten zu Fehlentscheidungen. Erforderliche Behandlungen werden vielfach verweigert, wodurch es zu einer Verschleppung und Verschlimmerung von Erkrankungen kommen kann. Zudem bewerten wir das System der Krankenscheine stigmatisierend, da für Personal sowie Außenstehende der Sonderstatus der geflüchteten Patient*innen offensichtlich ist. Darüber hinaus geht die Vergabepraxis der Krankenscheine mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand und hohen Kosten einher, weshalb mittlerweile auch einige Bundesländer (z.B. Bremen und Hamburg) dazu übergegangen sind, die Gesundheitskarte für alle geflüchteten Menschen unabhängig von der Aufenthaltsdauer in Deutschland einzuführen. Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hat sich deutlich gegen die Einführung der Gesundheitskarte positioniert, sodass nicht damit zu rechnen ist, dass dieses System in absehbarer Zeit auch in Baden-Württemberg eingeführt wird.

Hinweis: Zuzahlungen (z.B. zu Medikamenten) dürfen von AsylbLG-Leistungsberechtigten, die noch nicht 36 Monate in Deutschland sind, nicht verlangt werden, da die Apotheke bzw. das Krankenhaus sämtliche Kosten beim Sozialamt in Rechnung stellen kann.

Was kann man tun, wenn das Sozialamt die Leistungen nicht gewährt?

Es kommt nicht selten vor, dass das Sozialamt ärztliche Hilfe, Medikamente oder Hilfsmittel verweigert. Es lohnt sich in solchen Fällen das Sozialamt zur Prüfung eines möglichen Behandlungsanspruchs nach § 6 AsylbLG aufzufordern. Hierzu sollte ein gut begründeter einzelfallbezogener Antrag verfasst werden, der auch Stellungnahmen von behandelnden Ärzt*innen und ggf. auch Bezugspersonen enthalten kann. Sollte die Leistung auch auf diesem Wege nicht gewährt werden, kann beim Sozialamt Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung eingelegt werden. Hierzu hat man grundsätzlich einen Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung Zeit, bei fehlender oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr. Unterstützung bei der Formulierung eines Widerspruchs bieten Sozialarbeiter*innen vor Ort. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, ist eine Klage vor dem Sozialgericht möglich. In dringenden Fällen kann zusätzlich zu Widerspruch bzw. Klage ein „Eilantrag“ beim zuständigen Sozialgericht gestellt werden, in dem ausführlich erklärt wird, weshalb die Behandlung eilbedürftig ist (z.B. bei drohenden bleibenden Folgeschäden wegen ausbleibender Behandlung). Für die Einreichung von Klage und Eilantrag empfiehlt es sich, juristischen Rat hinzuziehen.

Weitere Informationen:

II. Gesundheitsversorgung von Personen, die länger als 36 Monate da sind

Geflüchtete, die bereits länger als 36 Monate in Deutschland sind, können in der Regel die höheren Sozialleistungen nach § 2 AsylbLG beanspruchen. Auf Personen, die Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehen, wird das SGB XII entsprechend (= analog) angewandt, weshalb die Leistungen auch als Analogleistungen bezeichnet werden. Der Bezug von Analogleistungen hat auch eine umfassendere medizinische Versorgung zur Folge. Von den Analogleistungen ausgenommen sind Personen, die die Dauer des Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (§ 2 Absatz 1 AsylbLG).

Das Spektrum medizinischer Versorgung von Analogleistungsbezieher*innen entspricht zu weiten Teilen dem der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 264 Absatz 2 SGB V). Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG sind zwar keine gesetzlich Krankenversicherten im Sinne des SGB V, sind aber dieser Gruppe weitgehend gleichgestellt.

Die Abrechnung der Behandlungskosten erfolgt wie bei gesetzlich Versicherten über die Krankenkassen. Kostenträger ist jedoch nach wie vor das Sozialamt, von dem sich die Krankenkasse dann nach der Behandlung das Geld zurückholt.

Wie können medizinischen Versorgungsleistungen in Anspruch genommen werden?

Wenn AsylbLG-Leistungsberechtigte bereits länger als 36 Monate in Deutschland sind, werden sie zur Ausübung ihres Krankenkassenwahlrechts aufgefordert und erhalten in der Folge eine Gesundheitskarte. Geschieht dies nicht automatisch, sollte beim Sozialamt die Ausstellung der Gesundheitskarte mit Verweis auf die über 36-monatige Aufenthaltsdauer in Deutschland beantragt werden. Mit der Gesundheitskarte kann ohne Umweg über das Sozialamt eine Arztpraxis aufgesucht werden. Alle Leistungen, die direkt über die Gesundheitskarte abgerechnet werden, werden analog zur gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, sonstige Leistungen (z.B. Kuren oder Heil- und Hilfsmittel) müssen separat beantragt werden.

Weitere Informationen:

III. Gesundheitsversorgung von Personen mit Leistungseinschränkungen

Personen können mit Leistungseinschränkungen (nach § 1a AsylbLG) „bestraft“ werden, wenn sie beispielsweise bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllen (>> Sozialleistungen). Erhält eine Person gekürzte Leistungen, hat sie keinen Zugang zu den Leistungen nach § 6 AsylbLG, was in der Praxis dazu führen kann, dass wichtige Gesundheitsleistungen nicht gewährt werden.

Personen, die schon länger als 36 Monate in Deutschland sind, erhalten keine Analogleistungen und damit keine Gesundheitskarte, wenn davon ausgegangen wird, dass sie ihre Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich verlängern, weil sie z.B. nicht ausreichend an der Beschaffung eines Passes mitwirken. Die medizinische Versorgung richtet sich in diesen Fällen wie bei Personen mit einer Aufenthaltsdauer von bis zu 36 Monaten in Deutschland nach § 4 und § 6 AsylbLG (siehe oben).

IV. Psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung

Viele geflüchtete Menschen haben traumatisierende Erfahrungen gemacht. Bei einem Teil von ihnen resultiert daraus eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Symptome dieser Störung können z.B. sein: Albträume, Flashbacks (d.h. Wiedererleben des traumatischen Ereignisses), Lethargie, Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. In Baden-Württemberg wird die Versorgung traumatisierter Geflüchteter durch neun Psychosoziale Zentren geleistet. Für die Beratungs- und Therapieangebote ist die Beteiligung von Dolmetscher*innen meist unumgänglich. Solange die Person noch nicht länger als 36 Monate in Deutschland ist, können die entstehenden Kosten meist über das Sozialamt abgerechnet werden. Bei Personen mit einer Aufenthaltsdauer von länger als 36 Monaten werden die Kosten für einen Dolmetscher*inneneinsatz dagegen grundsätzlich nicht erstattet. Solche Kosten werden in der Praxis meist von den Psychosozialen Zentren querfinanziert.

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V. Notfälle

Bei Notfällen, d.h. bei einer Erkrankung, deren Entwicklung eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit oder den Tod verursachen kann, sind Ärzt*innen unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Patient*innen zur Vornahme der Behandlung verpflichtet. Die Unterlassung kann strafbar sein. Die Behandlung ist in solchen Notfällen ohne vorherige Beantragung und Kostenklärung beim Sozialamt möglich. Die Kosten werden der ärztlichen Praxis oder dem Krankenhaus, das die Nothilfe geleistet hat, dann im Nachhinein vom Sozialamt erstattet. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in § 6a AsylblG. Voraussetzung für die Kostenerstattung ist, dass das Sozialamt von der behandelnden Einrichtung unverzüglich in Kenntnis gesetzt wird.

VI. Medizinische Versorgung von Personen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität

Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität sind nicht bei den Behörden gemeldet und haben keinen legalen Aufenthaltsstatus. Juristisch gesehen fallen sie unter das AsylblG und haben damit denselben Leistungsanspruch wie andere Leistungsberechtigte auch. Um diese Leistungen in Anspruch nehmen zu können, müssen sich Menschen in der Illegalität jedoch an das Sozialamt wenden. Dieses ist gemäß § 87 AufenthG als öffentliche Stelle zur Meldung der antragstellenden Person an die Ausländerbehörde verpflichtet, die in der Folge aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleiten kann. Die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung ist deshalb oft nur zum „Preis“ eines Abschiebungsrisikos zu haben. Nur in Notfällen greift der sog. „verlängerte Geheimnisschutz“. Demnach dürfen öffentliche Stellen (also auch das Sozialamt) Patient*innendaten, die sie von Schweigepflichtigen (z.B. dem Personal der Krankenhäuser) erhalten haben, grundsätzlich nicht an die Ausländerbehörde übermitteln (Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, Nr. 88.0 ff). Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität können sich an ein Medibüro/Medinetz wenden. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen dieser Stellen vermitteln die Patient*innen an ärztliche Praxen, Psychotherapeut*innen, Hebammen und Physiotherapeut*innen – bei Bedarf in Einzelfällen auch an Kliniken.

Weitere Informationen:


Abschiebung und freiwillige Ausreise

Für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland benötigt man einen Aufenthaltstitel. Wer diesen nicht (oder nicht mehr) besitzt, ist in der Regel ausreisepflichtig. Dies gilt für Personen, die eine Ablehnung im Asylverfahren erhalten haben, gegen die nicht mehr vorgegangen werden kann. Aber auch Personen, die nie einen Asylantrag gestellt haben, können ausreisepflichtig sein.

Ausreisepflicht bedeutet, dass die betroffene Person entweder innerhalb der ihr gewährten Ausreisefrist in ihr Herkunftsland zurückkehren kann („freiwillige Ausreise“) oder in Deutschland bleibt und abgeschoben wird, sobald die Abschiebung möglich ist. Inwiefern die Ausreiseentscheidung somit tatsächlich „freiwillig“ getroffen wird, ist in vielen Fällen fragwürdig.

I. Freiwillige Ausreise
II. Abschiebung
III. Abschiebungshaft
IV. Abschiebungshindernisse
V. Leben als illegalisierte Person

I. Freiwillige Ausreise

Welche Vorteile kann die freiwillige Ausreise gegenüber der Abschiebung haben?

  • Traumatisierende Aspekte einer Abschiebung (unangekündigt, meistens in den sehr frühen Morgenstunden, begleitet von Polizist*innen, unter Umständen Gewaltanwendung durch Zwangsmaßnahmen) können vermieden werden.
  • Im Gegensatz zur Abschiebung ist eine freiwillige Ausreise in engen Grenzen planbar. So können noch letzte Besorgungen gemacht, nahestehende Personen verabschiedet und eventuell auch Fördermittel für den Start im Zielland entgegengenommen werden.
  • Für Ausreisen in viele Länder gibt es Reisekostenbeihilfen und manchmal weitere Unterstützungsleistungen, z. B. mit Geldern der International Organization of Migration (IOM).
  • Es entsteht in der Regel kein Einreise- und Aufenthaltsverbot (sog. Wiedereinreisesperre) gemäß § 11 AufenthG wie bei einer Abschiebung (siehe unten) (§ 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).

Welche Fristen gibt es bei einer freiwilligen Ausreise zu beachten?

Bei abgelehnten Asylsuchenden ergeht im Regelfall mit der asylrechtlichen Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Ausreiseaufforderung zusammen mit einer Abschiebungsandrohung. Da der freiwilligen Ausreise Vorrang gegenüber der Abschiebung zu gewähren ist, enthält die Ausreiseaufforderung eine Frist, innerhalb derer ausgereist werden soll (dies gilt nicht für Dublin-Fälle, >> Das Dublin-Verfahren). Die Ausreisefrist beträgt bei der Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ eine Woche, bei der Ablehnung als „unbegründet“ 30 Tage (>> Ablehnungsformen). Innerhalb dieser Zeit muss gegenüber der Ausländerbehörde die Bereitschaft zur selbstbestimmten Rückkehr signalisiert werden, sodass alles in die Wege geleitet werden kann. Die Ausreise sollte noch innerhalb der gesetzlichen Ausreisefrist erfolgen. Wer sich für eine freiwillige Ausreise entscheidet, sollte sich hierzu von einer unabhängigen Rückkehrberatungsstelle beraten lassen. Ggf. kann mit der zuständigen Ausländerbehörde (in Baden-Württemberg ist das Regierungspräsidium Karlsruhe landesweit für Abschiebungen zuständig) ein von der gesetzlichen Frist abweichender Termin festgesetzt werden, z. B. wenn Kinder kurz vor Vollendung des Schuljahres stehen (§ 59 Absatz 1 Satz 4 AufenthG).

Gibt es keine Abschiebungshindernisse (siehe unten), können abgelehnte Asylsuchende nach dem Ablauf der Ausreisefrist abgeschoben werden. Häufig ist es auch möglich, nach der gestellten Frist freiwillig auszureisen, sofern die Person sich nicht in Abschiebehaft befindet oder die Abschiebung schon vollzogen wird.

Welche Förderprogramme gibt es bei einer freiwilligen Ausreise?

Nach der Entscheidung für eine freiwillige Ausreise wird im Rahmen der Rückkehrberatung in der Regel auch finanzielle Unterstützung beantragt. Es gibt verschiedene Förderprogramme, deren Art und Höhe sich je nach Herkunftsland unterscheiden. Am bekanntesten ist das REAG-GARP-Programm der IOM, das Reisekosten, Reisebeihilfen, medizinische Zusatzkosten und Starthilfen umfasst.

Weitere Informationen:

II. Abschiebung

Wann ist eine Abschiebung möglich?

Ist eine Person vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine Abschiebung theoretisch jederzeit erfolgen. Ein Abschiebungsrisiko besteht insbesondere in folgenden Konstellationen:

  • Wenn gegen einen ablehnenden Bescheid des BAMF keine bzw. nicht fristgerecht Rechtsmittel eingelegt wurden und die Ausreisefrist abgelaufen ist.
  • Wenn ein Eilantrag auf aufschiebende Wirkung vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde.
  • Wenn eine Klage mit aufschiebender Wirkung vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde und keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich sind.
  • Wenn kein Anspruch auf einen anderen Aufenthaltstitel oder eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung geltend gemacht wird.

In der Realität stehen einer Abschiebung allerdings oft Hindernisse entgegen, die zur Erteilung einer Duldung führen (>> Duldung), z.B. fehlende Reisedokumente, eine Krankheit oder familiäre Verbindungen. Eine Abschiebung ist auch vor Ablauf der Duldung möglich, sobald das Abschiebungshindernis entfällt. Besonders gefährdet sind Menschen, deren Duldungsbescheinigung den Zusatz „erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins“ enthält, die sog. auflösende Bedingung.

Nicht immer kommt es zu einer Abschiebung. Es gibt einige aufenthaltsrechtliche Alternativen, den Aufenthalt auch aus einer Duldung heraus zu sichern (>> Bleiberechtsoptionen).

Wie werden Abschiebungen durchgeführt?

Für den Vollzug der Abschiebung sind die Bundesländer zuständig. In Baden-Württemberg werden Abschiebungen vom Regierungspräsidium Karlsruhe durchgeführt. Bei Dublin-Abschiebungen entscheidet dagegen das BAMF, ob die Abschiebung durchgeführt wird. Der Termin der Abschiebung darf gemäß § 59 Absatz 1 Satz 8 AufenthG nicht angekündigt werden. Eine Ausnahme besteht nur für Personen, in deren Duldung keine auflösende Bedingung steht, die über ein Jahr geduldet sind und deren Abschiebung nicht aus eigenem Verschulden ausgesetzt ist. Die Abschiebung soll in diesen Fällen mindestens einen Monat vorher angekündigt werden (§ 60a Absatz 5 Satz 4 und 5 AufenthG).

Einige Ausreisepflichtige werden in Linienflugzeugen abgeschoben, andere im Rahmen von sog. Sammelabschiebungen, für die extra ein Flugzeug gechartert wird. Es gibt auch Abschiebungen über den Landweg. In der Regel werden Abschiebungen von Polizist*innen oder privatem Sicherheitspersonal begleitet. Dabei werden Betroffene je nach Situation von unterschiedlichen Orten abgeholt, z.B. aus ihrer Wohnung, aus der Schule, vom Arbeitsplatz oder auch bei Behördenterminen.

Meistens werden ausreisepflichtige Personen aus ihren Wohnräumen in den frühen Morgenstunden, in der Regel nach 4:00 Uhr, abgeholt. Steht die Polizei vor der Tür und hat keinen richterlichen Beschluss, so darf sie die Wohnräume nur betreten, wenn sie darlegt, dass das Betreten für die Durchführung der Abschiebung erforderlich ist und Tatsachen vorliegen, die nahelegen, dass sich die abzuschiebende Person dort aufhält (§ 58 Absatz 5 AufenthG). Betritt die Polizei die Wohnräume und ist die abzuschiebende Person nicht zu sehen, darf die Polizei die Wohnung nicht nach der Person durchsuchen. Denn das Durchsuchen einer Wohnung ist nicht ohne richterlichen Beschluss möglich, außer es besteht Gefahr im Verzug. Nur weil die abzuschiebende Person nicht aufgefunden wurde, liegt keine Gefahr im Verzug vor und die Wohnung darf nicht durchsucht werden (§ 58 Absatz 8 AufenthG). Sollte es zu einer Durchsuchung von Wohnräumen kommen, muss der Grund genannt werden und ein Protokoll verfasst und auf Wunsch ausgehändigt werden (§ 58 Absatz 9 AufenthG). Hierbei kann es sich sowohl um Privatwohnungen der ausreisepflichtigen Personen oder von anderweitigen Personen als auch um Zimmer in Unterkünften handeln, denn diese gelten ebenso als grundrechtlich geschützte Wohnräume (VGH BW, 12 S 4089/20). Zur Nachtzeit gelten verschärfte Bedingungen (§ 58 Absatz 7 Satz 1 AufenthG, § 36 Absatz 1 Satz 1 PolG-BW).

Hinweis: Bittet die Polizei um Auskunft über die abzuschiebende Person, so besteht keinerlei Auskunftspflicht. Man ist lediglich verpflichtet, Angaben über die eigenen Personalien zu machen (§ 43 PolG-BW). Dies gilt für Freund*innen, Arbeitgeber*innen, Kolleg*innen, Lehrer*innen usw. Staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen und alle, die unter ihrer Anleitung arbeiten (darunter können auch ehrenamtlich Engagierte fallen), machen sich sogar strafbar, wenn sie persönliche Informationen über ihre Klient*innen weitergeben (§ 203 Absatz 1 Nummer 6 StGB).

Meist wird den Betroffenen nur wenig Zeit (oft keine 20 Minuten) eingeräumt, um die wichtigsten Sachen einzupacken. Daher empfiehlt es sich, bei einer drohenden Abschiebung einen „Notfallkoffer“ vorzubereiten (maximal 25 kg, mehr Gepäck kann kostenpflichtig mitgenommen werden) inklusive wichtiger Telefonnummern. Immer wieder werden Mobiltelefone durch die Polizei eingezogen. Eigentlich sollte dies nur im Einzelfall zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung geschehen (§ 33 Absatz 1 Nummer 2 PolG BW). Der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe sind unverzüglich bekanntzugeben. Auf Verlangen ist eine Bescheinigung auszustellen. Auch muss das Mobiltelefon zurückgegeben werden, sobald der Zweck der Beschlagnahme erreicht ist – also spätestens bei Gepäckaufgabe am Flughafen (§ 33 Absätze 3 und 4 PolG BW).

Hinweis: Abgegebene Identitätsnachweise und Reisedokumente werden den Personen nicht direkt ausgehändigt, sondern den zuständigen Behörden des Ziellandes übergeben. Alle anderen Dokumente (z.B. Zeugnisse) sollten von der Polizei im Gepäck der abzuschiebenden Person verstaut werden.

Sind Personen bei einem Abschiebungsversuch nicht auffindbar, besteht unter Umständen die Gefahr, dass ihre Abwesenheit als Untertauchen gewertet wird. In Dublin-Fällen kann sich dadurch die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate verlängern (>> Das Dublin-Verfahren). Zudem kann die Person bei angenommenem Untertauchen zur Fahndung ausgeschrieben (§ 50 Absatz 6 AufenthG) und bei späterem Aufgreifen in Abschiebungshaft genommen werden (§ 62 Absatz 3b Nummer 7 AufenthG). Außerdem können Sozialleistungen gekürzt (§ 1a Absatz 3 AsylbLG) und Arbeitsverbote erlassen werden (§ 60a Absatz 6 Nummer 2 AufenthG).

Welche rechtlichen Folgen hat eine Abschiebung?

Wurde eine Person abgeschoben, so muss ein Einreise- und Aufenthaltsverbot (sog. Wiedereinreisesperre) gemäß § 11 AufenthG angeordnet und befristet werden. Die Befristung ist unterschiedlich lang, meistens beträgt sie 30 Monate und darf in der Regel fünf Jahre nicht überschreiten. Die exakte Länge lässt sich im ablehnenden Bescheid des BAMF finden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot entfaltet seine Wirkung in der Regel erst mit der Abschiebung. Anders ist es bei Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten: Ist deren Asylverfahren bestandskräftig als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, so wird sofort eine Wiedereinreisesperre von zwölf  Monaten wirksam (§ 11 Absatz 7 AufenthG). Dies lässt sich auch nicht durch eine freiwillige Ausreise abwenden.

Die Wiedereinreisesperre wird bei der Abschiebung in behördlichen Datenbanken vermerkt. Sie kann nachträglich unter bestimmten Umständen auf Antrag bei der zuvor zuständigen Ausländerbehörde aufgehoben oder verkürzt werden. Bereits vor Ablauf der Wiedereinreisesperre kann ein Visumsverfahren zur legalen Wiedereinreise begonnen werden (z.B. Vereinbarung eines Termins bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland). Personen mit einer Wiedereinreisesperre müssen bei versuchter Einreise mit einer Zurückweisung an der Grenze rechnen. (Versuchte) Einreise und Aufenthalt trotz Wiedereinreisesperre stellen dabei Straftaten dar (§ 95 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG).

Die Kosten der Abschiebung sind grundsätzlich von den abgeschobenen Personen zu tragen. Deshalb behält die Polizei manchmal bei der Abschiebung mitgeführtes Bargeld ein (§ 66 Absatz 5 AufenthG). Allerdings sollte den abzuschiebenden Personen ein Betrag in Höhe des für sie geltenden monatlichen Sozialhilferegelsatzes belassen werden. Dies dient der Sicherung des Existenzminimums nach der Ankunft im Zielland. Wird Bargeld einbehalten, sollte darüber eine Quittung ausgestellt werden. Zur Kostenerstattung einer vergangenen Abschiebung können Personen auch noch vor einer erneuten Einreise ins Bundesgebiet herangezogen werden.

Weitere Informationen:

III. Abschiebungshaft

Was ist Abschiebungshaft?

Manchmal werden Menschen inhaftiert, um sie abzuschieben. Diese sog. Abschiebungshaft hat nichts mit Strafhaft zu tun. Es handelt sich explizit nicht um eine Strafe für schuldhaft begangenes Unrecht, durch die Abschiebungshaft soll ausschließlich die Abschiebung der betroffenen Person gesichert werden. Bei Abschiebungshaft handelt es sich in der Regel um die sog. Sicherungshaft.

Wann ist Abschiebungshaft zulässig?

Die Inhaftierung ist in der Regel nur zulässig, wenn Fluchtgefahr vorliegt. Fluchtgefahr wird gemäß § 62 Absatz 3a AufenthG beispielsweise vermutet, wenn sich eine Person in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder wenn die Person sich entgegen einer Wiedereinreisesperre und ohne Betretenserlaubnis in Deutschland aufhält. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden.

Haft ist Freiheitsentzug und damit ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Deshalb muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dieser besagt unter anderem, dass es kein milderes, gleich geeignetes Mittel geben darf, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Eine Inhaftierung auf Grundlage von § 62 Absatz 1 AufenthG wäre somit unverhältnismäßig, wenn die Sicherung der Abschiebung ebenso gut durch eine Meldeauflage nach § 61 Absatz 1e AufenthG gewährleistet wäre. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet es auch, die Betroffenen nicht länger als unbedingt erforderlich in Haft zu nehmen.

Wo ist Abschiebungshaft geregelt?

Im Aufenthaltsgesetz ist die Abschiebungshaft in § 62 bis § 62c AufenthG geregelt. Laut § 62a AufenthG darf Abschiebungshaft darf grundsätzlich nicht in Strafvollzugsanstalten vollstreckt werden. In Baden-Württemberg gibt es eine spezielle Abschiebungshaftanstalt in Pforzheim. In dieser werden nur alleinstehende Männer untergebracht, Frauen kommen in eine Einrichtung im rheinland-pfälzischen Ingelheim.

Die Abschiebungshaftbedingungen sind in Baden-Württemberg im Abschiebungshaftvollzugsgesetz und in der dazu gehörigen Verordnung geregelt.

Welche Vorkehrungen sollten im Hinblick auf eine mögliche Abschiebungshaft getroffen werden?

Ehrenamtlich Engagierte und andere Bekannte einer geflüchteten Person können im Hinblick auf Abschiebungshaft eine wichtige Rolle spielen, indem sie als Vertrauenspersonen agieren. Artikel 104 Absatz 4 GG sieht vor, dass bei einer richterlichen Entscheidung über eine Freiheitsentziehung die Vertrauensperson des*der Inhaftierten benachrichtigt werden soll. Um als Vertrauensperson zu gelten, muss gemeinsam mit der von Abschiebungshaft bedrohten Person ein Schreiben aufgesetzt werden, das dann im Falle der Inhaftnahme sofort vorgezeigt werden sollte. Einzelheiten dazu finden sich im Artikel von Frank Gockel.

Ausreisepflichtige Personen, bei denen mit einer Verhaftung gerechnet werden muss, sollten die wichtigsten Telefonnummern von Rechtsanwälten*Rechtsanwältinnen, Familienangehörigen und Vertrauenspersonen immer handschriftlich bei sich führen. Dem Rechtsanwalt*der Rechtsanwältin sollte explizit auch eine Vollmacht in Bezug auf Abschiebehaftsachen erteilt werden.

Bei Inhaftnahme sollen  Betroffene sofort ihren Anwalt*ihre Anwältin und/oder ihre Vertrauensperson benennen und darauf bestehen, dass Kontakt zu ihnen hergestellt wird.

Wie läuft das Verfahren zur Inhaftnahme ab?

1. Haftantrag

Voraussetzung für Abschiebungshaft ist immer das Vorliegen eines Haftantrags nach § 417 FamFG. Dieser kann sowohl von den vier Regierungspräsidien als auch den unteren Ausländerbehörden beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden (§ 6 Absatz 5 Nummer 1 AAZuVO), in der Praxis stellt häufig das Regierungspräsidium Karlsruhe den Antrag. Wird eine Person im Grenzgebiet aufgegriffen, kann auch die Bundespolizei einen Haftantrag ans Amtsgericht stellen (§ 71 Absatz 3 Nr. 3 e)). Der Haftantrag muss begründet werden, unter anderem müssen Angaben zum Haftgrund, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur Haftdauer enthalten sein.

Der Haftantrag muss dem*der Betroffenen in schriftlicher Form ausgehändigt und zumindest mündlich übersetzt werden, falls keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind.

2. In der Regel: Erlass einer richterlichen Anordnung

Der rechtliche Rahmen für Freiheitsentziehung ist u.a. im GG geregelt. Artikel 104 Absatz 2 GG besagt u.a.:

  • dass über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung ein*eine Richter*in entscheiden muss
  • dass unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden muss, wenn eine Person ohne richterliche Anordnung in Haft genommen wird.

Ob bei Abschiebungshaft eine richterliche Anordnung erforderlich ist, richtet sich danach, ob es sich um eine geplante oder ungeplante Festnahme handelt:

  • Bei ungeplanten Festnahmen (z.B. im Grenzgebiet oder bei Verkehrskontrollen) bedarf es im Voraus keiner richterlichen Anordnung, es muss allerdings unverzüglich nach der Inhaftierung eine Anhörung durch das Amtsgericht erfolgen.
  • Vor geplanten Festnahmen muss eine richterliche Anordnung ergehen. Auch in diesem Fall muss unverzüglich eine Anhörung vor dem Amtsgericht erfolgen.

§ 62 Absatz 5 AufenthG bestimmt, dass eine richterliche Anordnung entbehrlich ist, wenn die Voraussetzungen von § 62 Absatz 3 Satz 1 AufenthG (u.a. Vorliegen von Fluchtgefahr) zutreffen, die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte und der begründete Verdacht vorliegt, dass die Person sich der Abschiebungshaft entziehen will. Auf dieser Grundlage werden immer wieder Personen ohne richterliche Anordnung festgenommen und erst nach Inhaftnahme dem*der Richter*in vorgeführt. Handelt es sich um geplante Festnahmen, ist dieses Vorgehen allerdings rechtswidrig, weil die vorherige Einschaltung eines Gerichts möglich gewesen wäre.

3. Anhörung und Haftbeschluss

Über den Haftantrag entscheidet ein*eine Amtsrichter*in. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen. Unter anderem wird untersucht, ob die Wirkungen der Abschiebungshaft in einem angemessenen Verhältnis zu der beabsichtigten Abschiebung stehen. Hierzu muss die betreffende Person angehört werden. Wenn für die Verständigung erforderlich, muss ein*eine Dolmetscher*in hinzugezogen werden. 

Rechtsanwält*innen und Vertrauenspersonen der betroffenen Person haben das Recht, bei der Anhörung vor dem zuständigen Amtsgericht anwesend zu sein.

Nach der Anhörung entscheidet der*die Richter*in über die Abschiebungshaft. Wird sie angeordnet, ergeht ein Haftbeschluss. Der Haftbeschluss muss dem*der Betroffenen in schriftlicher Form ausgehändigt und zumindest mündlich übersetzt werden, falls keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind.

Welche Rechtsmittel sind möglich?

Gegen den Haftbeschluss kann innerhalb eines Monats Haftbeschwerde beim zuständigen Amtsgericht eingelegt werden (§ 63 FamFG). Wenn dieses den Haftbeschluss nicht aufhebt, wird die Beschwerde zur Entscheidung unverzüglich an das Landgericht weitergeleitet.

Beschwerde kann man grundsätzlich selbst oder mithilfe von Vertrauenspersonen und Familienangehörigen einlegen (§ 429 Absatz 2 FamFG), es ist aber sinnvoll, einen Rechtsanwalt*eine Rechtsanwältin zu beauftragen, der*die sich mit Abschiebungshaft auskennt. Leider wird in Abschiebungshaftfällen keine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen vorgenommen (siehe Positionspapier von PRO ASYL und über 50 anderen Organisationen).

Viele Haftbeschwerden sind erfolgreich, da die Amtsgerichte häufig nicht sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen. Allerdings wird über Haftbeschwerden häufig erst nach der erfolgten Abschiebung entschieden – sie führen selten zu einer Entlassung aus der Abschiebungshaft und noch seltener zu einer Wiedereinreise. Aber sie sind die Grundlage für Haftentschädigungen. Daher kann es auch nach erfolgter Abschiebung noch sinnvoll sein, eine Haftbeschwerde einzulegen.

Außerdem kann zu jeder Zeit ein Haftaufhebungsantrag (§ 426 Absatz 2 FamFG) gestellt werden, in dem die Rechtmäßigkeit der Haft geprüft wird.

Wie ist die Situation in der Abschiebungshafteinrichtung in Pforzheim?

In der Abschiebungshaft Pforzheim gibt es eine unabhängige Beratung durch die Caritas und die Diakonie. Der Zugang zur Beratung ist allerdings erschwert, da Inhaftierte oder Angehörige/Unterstützer*innen den Kontakt zunächst telefonisch oder per E-Mail herstellen müssen. Entgegen der Ankündigungen im Koalitionsvertrag der Landesregierung von 2021 gibt es weiterhin kein Beratungsbüro in der Haftanstalt. Eine Kontaktaufnahme mit den Berater*innen kann über 0151 / 18846722 und 01590 / 6392236 bzw. d.keil@caritas-karlsruhe.de und theresa.kraeling@diakonie.ekiba.de erfolgen. Bei der Kontaktaufnahme sollten der vollständige Name, das Herkunftsland und das Geburtsdatum der inhaftierten Person sowie Name und Kontaktdaten der unterstützenden Person übermittelt werden (beim Kontakt per Telefon bitte auf den Anrufbeantworter sprechen!). Weitere Informationen finden sich im Flyer.

Es gibt auch Seelsorger der evangelischen und katholischen Kirche, die für Gespräche bereitstehen und an einen muslimischen Seelsorger vermitteln können. Auch zu ihnen ist der Zugang erschwert, da sie ebenfalls vorab telefonisch kontaktiert werden müssen, bevor sie Inhaftierte besuchen dürfen: 07231 / 455 7868 (katholisch) und 07231 / 4983960 (evangelisch).

Personen in der Abschiebungshaft Pforzheim haben häufig Schwierigkeiten, mit Menschen außerhalb der Einrichtung zu kommunizieren, da Mobiltelefone mit Kamera abgenommen werden und Mobiltelefone ohne Kamera erst beantragt werden müssen. Zur Nutzung der Mobiltelefone braucht man außerdem eine eigene SIM-Karte.

Weitere Informationen:

IV. Abschiebungshindernisse

Wann greift ein Abschiebungshindernis?

Abschiebungshindernisse sind rechtliche und tatsächliche Hindernisse, die einer Abschiebung entgegenstehen. Das kann beispielsweise eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung oder eine Eingabe bei der Härtefallkommission sein. Unter Umständen können auch der Tod eines nahen Angehörigen oder die Geburt eines Kindes, für das der*die Betroffene das Sorge- oder Umgangsrecht innehat und ausüben will, ein Abschiebungshindernis darstellen. Vor allem kann ein Abschiebungshindernis bei schwerer Krankheit vorliegen, die eine Reiseunfähigkeit zur Folge hat oder im Zielstaat nicht angemessen behandelbar ist.

Neu entstehende Abschiebungshindernisse sollten ausreisepflichtige Personen so schnell wie möglich – am besten per Fax – dem Regierungspräsidium Karlsruhe und der zuständigen Ausländerbehörde zur Kenntnis geben. In Dublin-Fällen muss unbedingt zusätzlich das BAMF informiert werden, das hier für die Prüfung von Abschiebungshindernissen zuständig ist. Soweit bzw. sobald dies möglich ist, müssen Nachweise über die jeweiligen Abschiebungshindernisse vorgelegt werden.

Weitere Informationen:

Was gibt es bei krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen zu beachten?

Die gesetzlichen Hürden für krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse sind hoch, da das Gesetz davon ausgeht, dass gesundheitliche Gründe der Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60a Absatz 2c AufenthG). Um sie erfolgreich geltend zu machen, muss der zuständigen Behörde bzw. dem Gericht eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Das bedeutet, dass nur Bescheinigungen von approbierten Ärzt*innen akzeptiert werden. Die Stellungnahme eines psychologischen Psychotherapeuten*einer psychologischen Psychotherapeutin reicht dagegen grundsätzlich nicht aus. Wenn eine solche schon existiert, sollte sie aber trotzdem vorgelegt werden. Die qualifizierte ärztliche Bescheinigung muss auf folgende Punkte eingehen:

  • Tatsächliche Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist
  • Methode der Tatsachenerhebung
  • Fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes
  • Schweregrad der Erkrankung
  • Lateinischer Name oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10
  • Folgen, die sich aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben
  • Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein

Eine solche Bescheinigung darf nicht älter als zwei Wochen sein (§ 60a Absatz 2d AufenthG). Wird das Attest nicht innerhalb von zwei Wochen vorgelegt, darf die Behörde das Vorbringen der Person nicht berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn die Bescheinigung nicht den obenstehenden Kriterien entspricht. Als Ehrenamtliche*r kann man hier unterstützen, indem man den*die Mediziner*in auf die gesetzlichen Vorgaben aufmerksam macht.

Weitere Informationen:

V. Leben als illegalisierte Person

Manche Geflüchtete entscheiden sich aus Angst vor Abschiebung für ein Leben ohne Papiere und tauchen unter. Diese Menschen werden häufig als „illegal“ bezeichnet. Aus unserer Perspektive kann ein Mensch nicht illegal sein. Daher sprechen wir von illegalisierten Personen. Solche Menschen haben mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Weitere Informationen hierzu finden sich im Beratungshandbuch von DRK und Caritas


Aufenthaltsverfestigung

Wer im Asylverfahren Schutz erhält, bekommt in aller Regel eine Aufenthaltserlaubnis. Aufenthaltserlaubnisse sind immer befristet (auch wenn der erteilte Schutzstatus selbst unbefristet ist) und müssen verlängert werden. Nach einer bestimmten Zeit und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen kann ein unbefristeter Aufenthaltstitel, die sog. Niederlassungserlaubnis, erteilt werden. Auch die Einbürgerung, also die Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit, ist ab einem bestimmten Zeitpunkt möglich.

I. Die Niederlassungserlaubnis
II. Die Einbürgerung

I. Die Niederlassungserlaubnis

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 AufenthG (Personen mit Asylberechtigung), § 25 Absatz 2 Satz 1 AufenthG (Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigte) und § 25 Absatz 3 AufenthG (Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG) haben nach einem bestimmten Zeitraum die Möglichkeit, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die sog. Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Diese hat einige Vorteile: Beispielsweise entfällt die Notwendigkeit, den Aufenthaltstitel regelmäßig verlängern zu lassen. Ein unbefristeter Aufenthaltstitel kann außerdem bestimmte Erleichterungen beim Familiennachzug mit sich bringen. So entfallen beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und Personen mit einem Abschiebungsverbot mit Erteilung der Niederlassungserlaubnis die Beschränkungen des § 36a AufenthG bzw. § 29 Absatz 3 Satz 1 AufenthG. Mehr Infos dazu finden sich unter >> Familiennachzug.

Bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis muss zwischen Personen mit Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigten einerseits und Personen mit anderen humanitären Aufenthaltstiteln (z.B. subsidiär Schutzberechtigten) andererseits unterschieden werden:

Die Niederlassungserlaubnis ist als „Belohnung“ für gelungene Integrationsleistungen ausgestaltet. Wer diese nicht erbringt, erhält weiterhin nur eine (dreijährige) Aufenthaltserlaubnis (sofern die Gründe, die zu der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geführt haben, insbesondere der Schutzstatus, fortbestehen).

Welche Voraussetzungen gibt es für Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung?

Konkret hat eine Person mit Flüchtlingseigenschaft/ Asylberechtigung ebenso wie ein „Resettlement-Flüchtling“ (§ 23 Absatz 4 AufenthG) in der Regel unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 Satz 1 AufenthG:

  • Fünf Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
  • Lebensunterhalt des Antragstellers*der Antragstellerin ist überwiegend (> 50 %) gesichert
  • Hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (= A2-Niveau)
  • Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in der BRD (z.B. durch das Bestehen des „Leben in Deutschland“-Tests oder durch einen deutschen Schulabschluss)

Hinweis: Von diesen Voraussetzungen gelten ggf. Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.

Weitere Voraussetzungen sind:

  • Keine Mitteilung des BAMF über (geplanten) Widerruf bzw. (geplante) Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung
  • Die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Absatz 1 AufenthG (z.B. Erfüllung der Passpflicht, geklärte Identität) müssen vorliegen (davon kann im Ermessen abgesehen werden)
  • Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Nummern 4 – 6 AufenthG (z.B. keine Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bundesgebiet und Besitz einer Erwerbstätigkeitserlaubnis)

Besonders gut integrierte Geflüchtete können die Niederlassungserlaubnis unter folgenden (höheren) Voraussetzungen schon früher erhalten (§ 26 Absatz 3 Satz 3 AufenthG):

  • Drei Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
  • Keine Mitteilung des BAMF über (geplanten) Widerruf bzw. (geplante) Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung
  • Beherrschen der deutschen Sprache (C1-Niveau)
  • Lebensunterhalt muss weit überwiegend gesichert sein (in der Praxis wird hier häufig verlangt, dass der Bedarf zu mindestens 80 % unabhängig von öffentlichen Mitteln gedeckt ist). Der Bezug von beispielsweise Kindergeld oder Erziehungsgeld (siehe § 2 Absatz 3 Satz 2 AufenthG) schadet nicht.

Hinweis: Ausnahmen, z.B. wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit oder wegen behinderungsbedingter Unmöglichkeit des Spracherwerbs, sind hier nicht möglich.

Welche Voraussetzungen gibt es für Personen mit anderen (humanitären) Aufenthaltserlaubnissen?

Bei Personen mit einer anderen humanitären Aufenthaltserlaubnis richtet sich die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 AufenthG. Dazu zählen:

  • subsidiär Schutzberechtigte (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG)
  • Personen mit einem nationalem Abschiebungsverbot (§ 25 Absatz 3 Satz 1 AufenthG)
  • Personen, die durch einen Härtefallantrag eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben (§ 23a AufenthG)
  • Besonders gut integrierte Jugendliche und junge Erwachsene (§ 25a AufenthG)
  • Besonders gut integrierte Erwachsene (§ 25b AufenthG)

Die Voraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis sind in § 26 Absatz 4 Satz 1 AufenthG geregelt (hier wird auf § 9 Absatz 2 Satz 1 AufenthG verwiesen):

  • 5 Jahre Besitz der Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
  • Deutschkenntnisse auf B1-Niveau
  • Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in Deutschland (z.B. durch das Bestehen des „Leben in Deutschland“-Tests („Orientierungstest“) oder durch einen deutschen Schulabschluss)
  • gesicherter Lebensunterhalt
  • mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder vergleichbare Altersabsicherung

Hinweis: Von diesen Voraussetzungen gelten ggf. Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.

Weitere Informationen:

II. Die Einbürgerung

Personen mit bestimmten Aufenthaltserlaubnissen oder mit einer Niederlassungserlaubnis können sich unter bestimmten Voraussetzungen einbürgern lassen und erhalten dann einen deutschen Pass.

Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es einen Anspruch auf die Einbürgerung (§ 10 StAG), in manchen Fällen ist die Einbürgerung aber auch nach Ermessen möglich (§ 8 StAG).

Welche Voraussetzungen gelten für die Anspruchseinbürgerung?

Die reguläre Form der Einbürgerung ist die Anspruchseinbürgerung nach (§ 10 StAG). Dafür gelten folgende Voraussetzungen:

  • Fünfjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt (Reduzierung nach Ermessen auf bis zu drei Jahre möglich bei Vorliegen der folgenden drei Voraussetzungen: 1. besondere Integrationsleistungen, insbesondere besonders gute schulische, berufsqualifizierende oder berufliche Leistungen oder bürgerschaftliches Engagement, 2. Lebensunterhaltsicherung für sich und die Angehörigen, 3. C1-Sprachkenntnisse)
  • Innehaben einer Niederlassungserlaubnis, des Daueraufenthalts-EU oder einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis (NICHT: §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5, § 104c AufenthG)
  • Geklärte Identität und Staatsangehörigkeit
  • Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie Abgabe einer Loyalitätserklärung
  • Lebensunterhaltssicherung ohne Inanspruchnahme von SGB II- oder SGB XII-Leistungen (Ausnahmen gelten für bis Juni 1974 bzw. Juni 1990 eingereiste Personen aus der Gast-/Vertragsarbeiter*innengeneration und deren Ehepartner*innen sowie für in Vollzeit arbeitende Personen, die in den letzten 24 Monaten 20 Monate in Vollzeit gearbeitet haben und deren Ehegatt*innen, wenn sie mit der in Vollzeit arbeitenden Person und einem minderjährigen Kind zusammenleben)
  • Keine strafrechtlichen Verurteilungen gemäß § 12a StAG (Ausnahmen: Geldstrafen bis zu 90 Tagessätze, zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen bis zu drei Monate, Erziehungsmaßregeln/Zuchtmittel bei Jugendlichen)
  • B1-Sprachkenntnisse (Nachweise z.B. über erfolgreichen Integrationskurs oder deutschen Schulabschluss), Ausnahmen gelten unter bestimmten Voraussetzungen für Personen aus der Gast-/Vertragsarbeiter*innengeneration und im Ermessen bei Härtefällen
  • Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (z.B. über mit 17 Punkten bestandenem Einbürgerungstest oder mit 17 Punkten bestandenem Test „Leben in Deutschland)
  • Kein Vorliegen eines Ausschlussgrundes (u.a. Missachtung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Person ist mit mehreren Ehepartnerinnen verheiratet, tatsächliche Anhaltspunkte für falsches Bekenntnis oder Unterstützung von terroristischen/extremistischen Organisationen)

Hinweis: Von den Voraussetzungen B1-Sprachkenntnisse und Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland kann abgesehen werden, wenn die Person sie aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.

Seit der Gesetzesänderung vom 27. Juni 2024 ist die Aufgabe (einer) anderen Staatsangehörigkeit(en) vor Einbürgerung nicht mehr erforderlich. Personen, die sich einbürgern lassen, können also ihre bisherige Staatsangehörigkeit behalten.

Wichtig: Menschen, die unverschuldet SGB II/XII-Leistungen beziehen (z.B. Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen, Studierende), sollen künftig auch eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG beantragen. Gemäß § 8 Absatz 2 StAG kann zur Vermeidung einer besonderen Härte u.a. von der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden.

Wann können Ehepartner*innen und minderjährige Kinder miteingebürgert werden?

Ehegatte*Ehegattin und minderjährige Kinder können nach Ermessen miteingebürgert werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Einbürgerung – abgesehen vom fünfjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt – in ihrer eigenen Person erfüllen.

Wann bekommen in Deutschland geborene Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit?

In Deutschland geborene Kinder erhalten von Amts wegen die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Absatz 1 StAG). Wenn beide Eltern Ausländer*innen sind, erwirbt ein Kind ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren seinen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und eine Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufenthaltserlaubnis-EU besitzt (§ 4 Absatz 3 StAG).

Wie läuft das Verfahren zur Einbürgerung ab?

Den Antrag auf Einbürgerung stellt man bei der Einbürgerungsbehörde des jeweiligen Wohnorts. Eine Einbürgerung kostet 255 €, im Falle miteingebürgerter minderjähriger Kinder ohne eigene Einkünfte belaufen sich die Kosten auf 51 € (§ 38 StAG). Die Einbürgerungsurkunde soll bei einer öffentlichen Einbürgerungsfeier übergeben werden.

Weitere Informationen:


Bleiberechtsoptionen

Die Duldung ist ein sehr unsicherer Aufenthaltsstatus (>> Duldung). In bestimmten Fällen kann, insbesondere bei Nachweis bestimmter Integrationsleistungen, ein Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis erfolgen. Die relevantesten Bleiberechtsoptionen sind mitsamt den jeweiligen Voraussetzungen im Folgenden aufgeführt.

I. Die Ausbildungsduldung
II. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG
III. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG
IV. Die Beschäftigungsduldung
V. Das Chancenaufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG
VI. Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende nach § 25a AufenthG
VII. Aufenthaltsrecht bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG
VIII. Der Härtefallantrag
IX. Die Petition

I. Die Ausbildungsduldung

Unter bestimmten Bedingungen haben geduldete Menschen für die Dauer ihrer Ausbildung einen Anspruch auf eine sog. „Ausbildungsduldung“ (§ 60c AufenthG). Wird die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, besteht bei Vorliegen von weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer der beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung für zwei Jahre nach § 19d Absatz 1a AufenthG (siehe unten).

Welche Voraussetzungen müssen für die Ausbildungsduldung vorliegen?

Die Ausbildung muss staatlich anerkannt oder vergleichbar geregelt sein und regulär mindestens zwei Jahre dauern (siehe hierzu die jeweilige Ausbildungsordnung). Aber auch Assistenz- oder Helferausbildungen in Engpassberufen (z.B. Krankenpflegehelfer*in), die gemäß der Ausbildungsordnung weniger als zwei Jahre dauern, sind ausreichend, wenn bereits eine Zusage für die anschließende qualifizierte Ausbildung vorliegt.

Nur Menschen im Status der Duldung können eine Ausbildungsduldung bekommen. Personen mit einer Aufenthaltsgestattung können keine Ausbildungsduldung erhalten. Dennoch können sie bei Erteilung der entsprechenden Beschäftigungserlaubnis eine Ausbildung aufnehmen (>> Arbeit und Ausbildung).

Das Gesetz unterscheidet bei der Ausbildungsduldung zwei verschiedene Konstellationen:

  • Personen, die sich zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung noch im Asylverfahren befinden (Details siehe: Arbeitshilfe Paritätischer Gesamtverband, S. 9), und
  • Personen, die die Ausbildung erst nach Abschluss des Asylverfahrens, also im Status der Duldung, aufnehmen.

Im zweiten Fall kann die Ausbildungsduldung erst nach drei Monaten in einer „normalen“ Duldung nach § 60a AufenthG erteilt werden. In dieser Zeit ist eine Abschiebung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Unternimmt die Ausländerbehörde innerhalb der drei Monate konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung, scheidet die Erteilung einer Ausbildungsduldung aus, auch wenn innerhalb der drei Monate keine Abschiebung erfolgt.

Um die Ausbildungsduldung erhalten zu können, muss die Identitätsklärung grundsätzlich innerhalb folgender Fristen erfolgen bzw. erfolgt sein:

  • bei Einreise in das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 2016: bis zur Beantragung der Ausbildungsduldung
  • bei Einreise in das Bundesgebiet ab dem 1. Januar 2017 und vor dem 1. Januar 2020: bis zur Beantragung der Ausbildungsduldung, spätestens jedoch bis zum 30. Juni 2020
  • bei Einreise in das Bundesgebiet nach dem 31. Dezember 2019: innerhalb der ersten sechs Monate nach der Einreise

Wichtig: Während des Asylverfahrens ist es für Asylsuchende nicht zumutbar, die Botschaft ihres Herkunftslandes aufzusuchen oder andere Behörden ihres Herkunftsstaates zu kontaktieren. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Menschen, die bei Fristablauf noch im Asylverfahren waren, keine negativen Konsequenzen drohen, weil sie sich nicht an eine Behörde ihres Herkunftslandes gewandt haben. Andere Mitwirkungshandlungen, wie beispielsweise das Übersenden von Dokumenten durch Familienangehörige, sind jedoch auch im Asylverfahren zumutbar, weshalb die Nichtwirkung innerhalb der jeweiligen Frist zum Ausschluss von der Ausbildungsduldung führen kann.

Wenn die Person innerhalb der jeweils geltenden Frist alle zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat, gilt die Frist als gewahrt, auch wenn die Identität erst nach dem jeweiligen Datum geklärt werden kann. Hierzu empfiehlt es sich, die Mitwirkung an der Identitätsklärung lückenlos zu dokumentieren und der Ausländerbehörde bzw. dem Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber nachzuweisen. Informationen hierzu finden sich in der Broschüre von BleibDran Thüringen.

Wenn man sich bestmöglich bemüht hat und die Identität dennoch nicht geklärt werden kann, liegt es im Ermessen des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Ausbildungsduldung zu erteilen 60c Absatz 7 AufenthG).

Wann ist man von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen?

Das sind die wichtigsten Ausschlussgründe für die Ausbildungsduldung:

  • Die Person wurde rechtskräftig wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz (z.B. unerlaubter Aufenthalt) außer Betracht bleiben.
  • Staatsangehörige aus sog. sicheren Herkunftsstaaten (EU-Staaten, Ghana, Senegal, Moldau, Gergien, sog. Westbalkanstaaten) sind in der Regel vom Arbeitsmarkt und somit auch von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen (>> Arbeit und Ausbildung).
  • Die Person weist Bezüge zu terroristischen und extremistischen Organisationen auf oder hat eine Ausweisungsverfügung/Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erhalten.
  • Es stehen bereits konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevor, beispielweise wenn eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst oder die Buchung von Transportmitteln eingeleitet wurde (nur relevant bei Personen, die die Ausbildung im Status der Duldung aufgenommen haben).

Wann stellt man den Antrag? Wann wird die Ausbildungsduldung erteilt?

Der Antrag auf Ausbildungsduldung kann bei der lokalen Ausländerbehörde oder direkt beim Regierungspräsidium Karlsruhe frühestens sieben Monate vor Ausbildungsbeginn gestellt werden. Die Ausbildungsduldung wird frühestens sechs Monate vor Ausbildungsbeginn erteilt.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe entscheidet über den Antrag. Erteilt wird die Ausbildungsduldung bei Vorliegen der Voraussetzungen für die gesamte Dauer der Ausbildung. Eine Ablehnung sollte schriftlich erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte ein schriftlicher Bescheid angefordert werden, um dagegen beim zuständigen Verwaltungsgericht klagen zu können.

Wann erlischt die Ausbildungsduldung und was passiert dann?

Eine einmal erteilte Ausbildungsduldung erlischt, wenn die Ausbildung nicht betrieben oder abgebrochen wird. Die Bildungseinrichtung ist verpflichtet, die Ausländerbehörde über den Abbruch unverzüglich, d.h. in der Regel innerhalb von zwei Wochen, zu informieren. Der*die (ehemalige) Auszubildende erhält trotz vorzeitigen Ausbildungsendes einmalig eine Duldung für sechs Monate, damit er*sie sich eine andere Ausbildungsstelle suchen kann.

Wie geht es nach Ausbildungsabschluss weiter?

Wird die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und erfolgt eine Weiterbeschäftigung entsprechend der erworbenen Fachqualifikation im Ausbildungsbetrieb oder einem anderen Unternehmen, erhält die Person bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG (siehe unten). Erfolgt zunächst keine Anschlussbeschäftigung, erhält die Person einmalig für sechs Monate eine Duldung zur Suche nach einem Arbeitsplatz, welcher der beruflichen Qualifikation entspricht. Ist die Suche erfolgreich, wird auch in diesem Fall eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG erteilt.

Weitere Informationen:

II. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG

Für geduldete Menschen in einer Ausbildung gibt es seit 1.3.2024 neben der Ausbildungsduldung (siehe oben) die Option, direkt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG zu erhalten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Wird die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, besteht bei Vorliegen von weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer der beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung für zwei Jahre nach § 16g Absatz 8 AufenthG.

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG vorliegen?

Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG müssen die Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung erfüllt sein (siehe oben).

Zusätzlich dazu müssen in der Regel für die Aufenthaltserlaubnis die Voraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein:

  • Der Lebensunterhalt muss gesichert sein: Der Lebensunterhalt gilt als gesichert, wenn der*die Auszubildende ein Nettoeinkommen in Höhe der Beträge nach § 12 BAföG hat (§ 2 Absatz 3 Satz 5 AufenthG). Je nach Art der Ausbildung sind das 262 bzw. 474 Euro für Auszubildende, die bei ihren Eltern wohnen sowie 632 bzw. 736 Euro für Auszubildende, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Erzielt der*die Auszubildende ein solches Einkommen, z.B. in Form des Azubi-Gehalts, ist ein ergänzender Sozialleistungsbezug (z.B. SGB II) unschädlich. Egal ist die Höhe des Nettoeinkommens, wenn die Person Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III (z.B. Berufsausbildungsbeihilfe) erhält. Die Aufenthaltserlaubnis wird dann auch dann erteilt, wenn die Person gar kein oder ein sehr geringes Einkommen hat, das niedriger als die oben genannten Beträge ist.
  • Die Passpflicht muss erfüllt sein, d.h. die Person benötigt in der Regel einen anerkannten und gültigen Pass. Davon kann abgesehen werden, wenn sie alles Zumutbare und Mögliche getan hat, um die Identität innerhalb der geltenden Fristen (siehe oben) zu klären (§ 16g Absatz 6 AufenthG). In der Regel ist für die Identitätsklärung eine Passvorlage nötig.

Wann ist man von der Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG ausgeschlossen?

Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG gelten dieselben Ausschlussgründe wie für die Ausbildungsduldung (siehe oben).

Zusätzlich dazu darf kein Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) bestehen. Theoretisch könnten dabei auch Verurteilungen unterhalb der Schwelle von 90 bzw. 50 Tagessätzen zum Problem werden. Allerdings lässt sich inzwischen dem Gesetz der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass strafrechtliche Verurteilungen unterhalb dieser Schwellen kein Ausweisungsinteresse mehr darstellen sollen. Es würde auch keinen Sinn machen, weil die Person in diesem Fall ja zumindest eine Ausbildungsduldung erhalten könnte, also trotzdem in Deutschland bleiben würde.

Auch ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG bei Bestehen eines Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG nicht möglich. Dieses Verbot kann u.a. dann erlassen werden, wenn Personen einer ihnen gesetzten Ausreisefrist nicht nachgekommen sind oder wenn ein Asylfolge- oder Zweitantrag wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat.

Wann stellt man den Antrag? Wann wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG erteilt?

Der Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG kann bei der lokalen Ausländerbehörde frühestens sieben Monate vor Ausbildungsbeginn gestellt werden. Die Aufenthaltserlaubnis wird frühestens sechs Monate vor Ausbildungsbeginn erteilt.

Hinweis: Die Erteilung ist nur dann möglich, wenn die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der jeweils zuständigen Stelle zumindest beantragt wurde. Bei rein schulischen Ausbildungen, für die keine solche Eintragung erforderlich ist, reicht die Vorlage des Ausbildungsvertrags mit einer anerkannten Bildungseinrichtung bzw. deren Zustimmung.

Die lokale Ausländerbehörde entscheidet über den Antrag. Erteilt wird die Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen für die gesamte Dauer der Ausbildung. Eine Ablehnung sollte schriftlich erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte ein schriftlicher Bescheid angefordert werden, um dagegen beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage und Eilantrag stellen zu können. Vorsorglich sollte in diesem Fall das Regierungspräsidium Karlsruhe gebeten werden, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung zurückzustellen.

Darf man mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG neben der Ausbildung noch arbeiten?

Ja, gemäß § 16g Absatz 3a AufenthG darf man neben der Ausbildung noch bis zu 20 Stunden arbeiten. Dafür braucht man keine Beschäftigungserlaubnis. Als Selbstständige*r darf man allerdings nicht arbeiten.

Was passiert, wenn die Ausbildung abgebrochen wird?

Wird die Ausbildung vorzeitig beendet oder abgebrochen, wird die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16g Absatz 5 AufenthG einmalig um sechs Monate verlängert, damit der*die Auszubildende sich einen anderen Ausbildungsplatz suchen kann. Diese Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden. Die Bildungseinrichtung ist verpflichtet, die Ausländerbehörde über den Abbruch unverzüglich, d.h. in der Regel innerhalb von zwei Wochen, zu informieren.

Laut § 16g Absatz 7 AufenthG wird die verlängerte Aufenthaltserlaubnis u.a. dann widerrufen, wenn die neue Ausbildung ebenfalls vorzeitig beendet oder abgebrochen wird.

Wie geht es nach Ausbildungsabschluss weiter?

Wird die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und erfolgt eine Weiterbeschäftigung entsprechend der erworbenen Fachqualifikation im Ausbildungsbetrieb oder einem anderen Unternehmen, erhält die Person eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16g Absatz 8 AufenthG. Hierfür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Ausreichender Wohnraum
  • B1-Sprachkenntnisse
  • keine Bezüge zu extremistischen/terroristischen Organisationen
  • keine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu insgesamt über 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz

Eine bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 16g Absatz 8 AufenthG wird widerrufen,

  • wenn das der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugrundeliegende Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person des Ausländers liegen, aufgelöst wird, oder
  • wenn eine Verurteilung oberhalb der Bagatellgrenzen von 50 bzw. 90 Tagessätzen erfolgt, Bezüge zu extremistischen/terroristischen Organisationen bekannt werden oder eine Ausweisungsverfügung oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a verhängt wird.

Erfolgt zunächst keine Anschlussbeschäftigung, wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG einmalig für sechs Monate zur Suche nach einem Arbeitsplatz, der der beruflichen Qualifikation entspricht, verlängert. Ist die Suche erfolgreich, wird auch in diesem Fall eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16g Absatz 8 AufenthG erteilt.

Weitere Informationen:

III. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG eröffnet für geduldete Menschen mit beruflicher Qualifikation die Chance, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Bei Inhaber*innen der Ausbildungsduldung richtet sich die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG. Ist dies nicht der Fall, ist die Gesetzesgrundlage § 19d Absatz 1 AufenthG.

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1 AufenthG vorliegen?

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1 AufenthG steht im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde. Sie kann in folgenden Konstellationen erteilt werden:

  • Eine Person hat in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung, eine staatlich anerkannte Ausbildung in einer Pflegehilfstätigkeit oder ein Hochschulstudium absolviert (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 a) AufenthG).
  • Eine Person hat im Ausland einen Hochschulabschluss erworben und ihr Abschluss wurde entweder in Deutschland anerkannt oder ist mit einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbar (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 b) AufenthG). Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Person seit mindestens zwei Jahren in einem Arbeitsverhältnis steht, das ihrer Qualifikation entspricht.
  • Eine Person hat in Deutschland seit drei Jahren eine qualifizierte Beschäftigung ausgeübt (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 c) AufenthG). Das ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden. Es ist aber nicht erforderlich, dass die Person formal ein Studium oder eine Ausbildung absolviert hat. Zusätzlich muss innerhalb des letzten Jahres vor Beantragung der Aufenthaltserlaubnis der eigene Lebensunterhalt und der Lebensunterhalt im Haushalt lebender Familienangehöriger oder sonstiger Haushaltsangehöriger gesichert gewesen sein.

In allen diesen Konstellationen müssen zudem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • eine der Qualifikation entsprechende Beschäftigung
  • ausreichender Wohnraum
  • keine vorsätzliche Täuschung der Ausländerbehörde über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände
  • kein Hinauszögern/Behindern aufenthaltsbeendender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung
  • keine Bezüge zu extremistischen/terroristischen Organisationen
  • keine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu insgesamt über 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz

Wann kann man nach der Ausbildungsduldung die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG bekommen?

Hat eine Person ihre Ausbildung erfolgreich im Status der Ausbildungsduldung abgeschlossen, hat sie bei Erfüllen der geltenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG. Einige Voraussetzungen, die für die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1 AufenthG gelten, müssen hier nicht vorliegen. So können auch Personen die Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie in der Vergangenheit über ihre Identität getäuscht, die Täuschung aber mittlerweile zugegeben und korrigiert haben. Auch wenn früher behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung herausgezögert/behindert wurden, ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis möglich. Die anderen Bedingungen, wie z.B. relative Straffreiheit und ausreichender Wohnraum, gelten aber unverändert.

Welche Rechte haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG?

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG haben die Berechtigung zur Ausübung der qualifizierten Beschäftigung. Auf Antrag können auch Nebenbeschäftigungen von der Ausländerbehörde erlaubt werden, nach zwei Jahren ist hierfür keine Erlaubnis mehr erforderlich (§ 19d Absatz 2 AufenthG). Unter bestimmten Voraussetzungen besteht Zugang zur berufsbezogenen Sprachförderung. Ein Familiennachzug kann unter Umständen erlaubt werden (Näheres dazu im Leitfaden für Flüchtlinge Niedersachsen).

Weitere Informationen:

IV. Die Beschäftigungsduldung

Personen mit einer Duldung, die schon länger in Deutschland arbeiten, können eventuell eine Beschäftigungsduldung erhalten (§ 60d AufenthG). Im Gegensatz zur Ausbildungsduldung schließt die Beschäftigungsduldung auch den*die Ehe- und Lebenspartner*in sowie die in familiärer Lebensgemeinschaft mit der antragstellenden Person lebenden minderjährigen ledigen Kinder ein. Die Angehörigen müssen allerdings auch einige der Voraussetzungen erfüllen.

Hinweis: Der Begriff „Lebenspartner*in“ bezieht sich auf die förmlich begründete gleichgeschlechtliche Partnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, die nach Einführung der „Ehe für alle“ seit dem 1. Oktober 2017 nicht mehr begründet werden kann.

Welche Voraussetzungen müssen für die Beschäftigungsduldung vorliegen?

Die Beschäftigungsduldung kann nur bei einer Einreise nach Deutschland bis einschließlich 31.12.2022 erteilt werden. Es handelt sich bei der Beschäftigungsduldung also um eine Altfallregelung.

Für die Beschäftigungsduldung müssen die Identitäten der antragstellenden Person und ihres*ihrer Ehe- oder Lebenspartner*in innerhalb einer bestimmten Frist geklärt (worden) sein:

  • Wenn die Person bis einschließlich zum 31. Dezember 2016 eingereist ist, muss die Identität bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung geklärt sein.
  • Wenn die Einreise nach Deutschland zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 31. Dezember 2022 erfolgt ist, muss die Identität bis zum 31. Dezember 2024 geklärt werden ODER in den Fällen, in denen der Antrag vor Ablauf des 31. Dezember 2024 gestellt wird, bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung.

Wichtig: Während des Asylverfahrens ist es für Asylsuchende nicht zumutbar, die Botschaft ihres Herkunftslandes aufzusuchen oder andere Behörden ihres Herkunftsstaates zu kontaktieren. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Menschen, die bei Fristablauf noch im Asylverfahren waren, keine negativen Konsequenzen drohen, weil sie sich nicht an eine Behörde ihres Herkunftslandes gewandt haben. Andere Mitwirkungshandlungen, wie beispielsweise das Übersenden von Dokumenten durch Familienangehörige, sind jedoch auch im Asylverfahren zumutbar, weshalb die Nichtwirkung innerhalb der jeweiligen Frist zum Ausschluss von der Beschäftigungsduldung führen kann.

Wenn die Person innerhalb der jeweils geltenden Frist alle zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat, gilt die Frist als gewahrt, auch wenn die Identität erst nach dem jeweiligen Datum geklärt werden kann. Hierzu empfiehlt es sich, die Mitwirkung an der Identitätsklärung lückenlos zu dokumentieren und der Ausländerbehörde bzw. dem Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber nachzuweisen. Informationen hierzu finden sich in der Broschüre von BleibDran Thüringen.

Wenn man sich bestmöglich bemüht hat und die Identität dennoch nicht geklärt werden kann, liegt es im Ermessen des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Beschäftigungsduldung zu erteilen (§ 60d Absatz 4 AufenthG).

Neben der fristgerechten Klärung der Identitäten gelten für die antragstellende Person und manchmal auch für ihre Angehörigen insbesondere folgende Voraussetzungen:

  • Die antragstellende Person muss seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG sein. Zeiten mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG werden nicht als Vorduldungszeit angerechnet (§ 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG).
  • Die antragstellende Person muss seit mindestens 12 Monaten in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 20 Stunden/Woche sein.
  • Der Lebensunterhalt der antragstellenden Person muss derzeit und in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung gesichert (gewesen) sein.
  • Die antragstellende Person muss mündliche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau vorweisen.
  • Wenn die Ausländerbehörde die antragstellende Person und ihren*ihre Ehe- oder Lebenspartner*in vor Erteilung der Beschäftigungsduldung zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet hat, müssen sie den erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses nachweisen.
  • Die antragstellende Person sowie ihr Ehe- oder Lebenspartner*in dürfen nicht wegen einer in Deutschland begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein. Die einzige Ausnahme sind Verurteilungen zu bis zu 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz (z.B. unerlaubter Aufenthalt).
  • Antragstellende Person und Ehe- oder Lebenspartner*in dürfen keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen haben.
  • Gegen die antragstellende Person darf keine Ausweisungsverfügung bzw. Abschiebungsanordnung nach § 58 AufenthG bestehen.
  • Für Kinder, die mit der antragstellenden Person in familiärer Lebensgemeinschaft leben, gilt, dass der Schulbesuch nachgewiesen werden muss, wenn die Kinder schulpflichtig sind. Die Kinder dürfen auch nicht zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, die nicht zu Bewährung ausgesetzt wurde (§ 54 Absatz 2 Nummer 2 AufenthG), oder wegen bestimmter Drogendelikte verurteilt worden sein.

Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Regel-Anspruch auf die Beschäftigungsduldung. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde die Beschäftigungsduldung dann nur in atypischen Fällen verweigern darf, die sehr selten sind.

Wie ist das Verfahren zur Erteilung der Beschäftigungsduldung?

Die Beschäftigungsduldung kann bei der lokalen Ausländerbehörde oder direkt beim Regierungspräsidium Karlsruhe beantragt werden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe entscheidet über den Antrag. Erteilt wird die Beschäftigungsduldung bei Vorliegen der Voraussetzungen für 30 Monate. Eine Ablehnung sollte schriftlich erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte ein schriftlicher Bescheid angefordert werden, um dagegen beim zuständigen Verwaltungsgericht klagen zu können.

Wie geht es nach 30 Monaten in der Beschäftigungsduldung weiter?

Nach 30 Monaten in der Beschäftigungsduldung soll bei Vorliegen aller Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG erteilt werden. Die für diese Aufenthaltserlaubnis normalerweise üblichen Voraufenthaltszeiten (sechs oder vier Jahre) gelten in dieser Konstellation nicht. Für die Aufenthaltserlaubnis müssen aber alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung weiterhin erfüllt sein (§ 25b Absatz 6 AufenthG). Bestand die Möglichkeit, einen Integrationskurs zu besuchen, müssen außerdem schriftliche Deutschsprachkenntnisse auf A2-Niveau vorliegen.

Wichtig: Eventuell kann schon vor Ablauf der 30 Monate die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beantragt werden, wenn die Voraussetzungen des § 25b Absatz 1 AufenthG erfüllt sind (siehe unten).

Weitere Informationen:

  • Flüchtlingsrat BW, September 2021: Die Beschäftigungsduldung (Achtung: Einige Informationen sind nicht mehr aktuell, z.B. der Stichtag und die nötige wöchentliche Arbeitszeit)

V. Das Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG vorliegen?

Seit 1.1.2023 können geduldete Menschen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG für 18 Monate erhalten, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Zum 31.10.2022 fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet mit Duldung, Gestattung oder Aufenthaltserlaubnis (auch Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG werden berücksichtigt)
  • Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung

Wann ist man von der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG ausgeschlossen?

Die Aufenthaltserlaubnis soll versagt werden, wenn die Person wiederholt vorsätzlich falsche Angaben über die Identität oder Staatsangehörigkeit gemacht hat und dadurch ihre Abschiebung verhindert. Auch Personen, die wegen vorsätzlichen Straftaten zu über 50 Tagessätzen bzw. über 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- und Aufenthaltsrecht verurteilt wurden, sind von der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht schaden nur Jugendstrafen.

Können auch die Angehörigen von Inhaber*innen der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG ein Aufenthaltsrecht erhalten?

Ehe-/Lebenspartner*in und Kinder, die mit der anspruchsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG, auch wenn sie selbst noch keine fünf Jahre in Deutschland leben, sofern sie die anderen Voraussetzungen erfüllen.

Wie geht es nach 18 Monaten mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG weiter?

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG gilt für 18 Monate und kann nicht verlängert werden. Danach ist ein Wechsel in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG bzw. § 25b AufenthG möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen (siehe unten).

Welche Rechte haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG?

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG haben die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit sowie bei freien Plätzen Zugang zu einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Ein Recht auf Nachzug der Familie aus dem Ausland besteht nicht (§ 29 Absatz 3 Satz 3 AufenthG).

Weitere Informationen:

VI. Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende nach § 25a AufenthG

§ 25a AufenthG ist eine altersabhängige Bleiberechtsregelung für Jugendliche und Heranwachsende. Auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG können diese Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten.

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG vorliegen?

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG können junge Menschen im Alter von 14 bis 26 Jahren bekommen.

Wer keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG besitzt, kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erst nach einer zwölfmonatigen Vorduldungszeit bekommen. Während dieser Zeit können Abschiebungen stattfinden. Deshalb sollte in solchen Fällen Beratung durch eine Beratungsstelle oder einen Anwalt*eine Anwältin in Anspruch genommen und überlegt werden, ob ein Härtefallantrag für die Übergangsphase ratsam ist (siehe unten).

Es müssen auch die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • dreijähriger ununterbrochener geduldeter, gestatteter oder erlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet (NICHT: Zeiten mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG)
  • seit drei Jahren erfolgreicher Schulbesuch (erfolgreich ist der Schulbesuch jedenfalls bei regelmäßiger Versetzung in die nächste Klasse) ODER in Deutschland erworbener Schul- oder Berufsabschluss
  • positive Integrationsprognose
  • keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik

Daneben müssen in der Regel auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen, wozu neben der Erfüllung der Passpflicht auch die Lebensunterhaltssicherung, d.h. die Deckung des Bedarfs ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, zählt. Der Bezug öffentlicher Mittel durch den jungen Menschen schadet nicht, solange er sich in einer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet.

Auf die Voraussetzung des erfolgreichen Schulbesuchs bzw. Schul-/Berufsabschlusses verzichtet das Gesetz, wenn die antragstellende Person diese Voraussetzungen wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann (§ 25a Absatz 1 Nummer 2 AufenthG). Der Bezug zwischen Krankheit/Behinderung und dem Unvermögen, die jeweilige Voraussetzung zu erfüllen, muss deutlich gemacht werden.

Keine Aufenthaltserlaubnis wird erteilt, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben der jungen Person oder aufgrund ihrer Täuschung über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist. Aus der Formulierung im Gesetzestext folgt, dass das Fehlverhalten anderer, insbesondere das der Eltern einer minderjährigen Person, dieser nicht zur Last gelegt werden darf.

Liegen alle Erteilungsvoraussetzungen vor, „soll“ dem jungen Menschen die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Das bedeutet: Wenn keine atypischen Gründe vorliegen, muss die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis kann längstens für drei Jahre erteilt werden (§ 26 Absatz 1 AufenthG).

Können auch Familienangehörige der jugendlichen/heranwachsenden Person ein Aufenthaltsrecht erhalten?

Unter bestimmten Voraussetzungen können Familienangehörige eine Aufenthaltserlaubnis von dem jungen Menschen mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG ableiten. Dazu zählen die Eltern bzw. ein personensorgeberechtigter Elternteil sowie (Stief-)Geschwister einer minderjährigen Person mit § 25a AufenthG. Auch minderjährigen ledigen Kindern und dem*der Ehepartner*in der jugendlichen/heranwachsenden Person kann ein Aufenthaltsrecht gewährt werden.

Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht kommt nicht in Frage bei Familienangehörigen, die wegen vorsätzlich begangener Straftaten rechtskräftig verurteilt wurden. Ausnahmen sind Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz (z.B. unerlaubter Aufenthalt).

Wie gestaltet sich der Wechsel von der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu § 25a AufenthG?

Um in Anschluss an die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG (siehe oben) die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG zu erhalten, müssen die normalen Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis vorliegen. In diesem Fall können auch Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG auf die erforderlichen drei Jahre Voraufenthaltszeit angerechnet werden. Der Wechsel zur Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG soll nur bei geklärter Identität der antragstellenden Person möglich sein. Nach Ermessen kann die Aufenthaltserlaubnis auch bei noch ungeklärter Identität erteilt werden, wenn die Person alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat.

Welche Rechte haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 AufenthG?

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 AufenthG haben die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit sowie bei freien Plätzen Zugang zu einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Ein Recht auf Nachzug der Familie aus dem Ausland besteht nur unter den hohen Voraussetzungen des § 29 Absatz 3 Satz 1 AufenthG.

Weitere Informationen:

VII. Aufenthaltsrecht bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG

§ 25b AufenthG ist eine stichtags- und altersunabhängige Bleiberechtsregelung und damit eine Chance für langfristig Geduldete auf einen legalen Aufenthalt. Auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG können diese Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten.

Welche Voraussetzungen müssen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG vorliegen?

Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG müssen „regelmäßig“ folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • sechsjähriger bzw. (beim Zusammenleben mit minderjährigen Kindern) vierjähriger ununterbrochener geduldeter, gestatteter oder erlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet (NICHT: Zeiten mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG)
  • Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
  • Überwiegende Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit oder Positivprognose zukünftiger Lebensunterhaltssicherung (z.B. bei Personen mit einem Beschäftigungsverbot)
  • Mündliche Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2
  • Tatsächlicher Schulbesuch schulpflichtiger Kinder

Die Tatsache, dass diese Voraussetzungen „regelmäßig“ vorliegen müssen, eröffnet den Ausländerbehörden einen gewissen Spielraum. Dieser kann insbesondere in Bezug auf die Voraufenthaltszeit zum Tragen kommen, die „regelmäßig“ sechs Jahre betragen muss. Eine Aufenthaltserlaubnis kann folglich auch bei einem kürzeren Voraufenthalt in Frage kommen, vor allem wenn besondere Integrationsleistungen, etwa ein besseres als das geforderte Sprachniveau oder ein herausragendes soziales Engagement, vorliegen (siehe BVerwG, 18.12.2019, 1 C 34.18). Lebt die antragstellende Person mit minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt, beträgt die geforderte Regelaufenthaltszeit ohnehin nur vier Jahre. Dabei muss die gemeinsame Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind nicht vier Jahre betragen haben. Bekommt etwa ein bislang kinderloses Paar, das seit vier Jahren in Deutschland lebt, ein Kind, reduziert sich die erforderliche Aufenthaltszeit von sechs Jahren auf vier.

In bestimmten Lebenslagen ist ein vorübergehender Sozialleistungsbezug unschädlich:

  • während eines Studiums an einer staatlichen/staatlich anerkannten Hochschule oder einer Ausbildung in anerkannten Lehrberufen oder während staatlich geförderten Berufsvorbereitungsmaßnahmen,
  • bei Familien mit minderjährigen Kindern, die vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind,
  • bei Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, denen eine Arbeitsaufnahme nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II unzumutbar ist,
  • bei Ausländer*innen, die pflegebedürftige nahe Angehörige pflegen.

Auf die Lebensunterhaltssicherung sowie Deutschkenntnisse verzichtet das Gesetz, wenn die antragstellende Person diese Voraussetzungen krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllen kann (§ 25b Absatz 3 AufenthG). Der Bezug zwischen Krankheit/Behinderung/Alter und dem Unvermögen, die jeweiligen Voraussetzungen zu erfüllen, muss deutlich gemacht werden. Der neutrale Begriff des „Alters“ erfasst nicht nur Fälle hohen Alters, sondern auch Konstellationen, in denen die betroffene Person noch zu jung ist, um die Voraussetzung zu erfüllen.

Daneben müssen in der Regel auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen, wozu auch die Erfüllung der Passpflicht zählt.

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG „soll“ erteilt werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, allerdings nur für maximal zwei Jahre.

Wann ist man von der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG ausgeschlossen?

Das Gesetz nennt zwei Fälle, in denen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zwingend zu versagen ist:

  • Die antragstellende Person verhindert/verzögert die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen. Praktische Bedeutung hat hier insbesondere die unterlassene Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Die Mitwirkungspflichtsverletzung muss aktuell sein. Außerdem muss sie alleiniger Grund für das bestehende Ausreisehindernis sein. Allerdings entscheiden Gerichte teilweise, dass auch vergangenes Fehlverhalten eine Aufenthaltserlaubnis sperren kann, wenn ein beträchtlicher Teil der Aufenthaltszeit in Deutschland allein auf diesem Verhalten beruht. Hier wird argumentiert, dass bei einem solchen Verhalten nicht von einer nachhaltigen Integration ausgegangen werden könne.
  • Es besteht ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder 2 AufenthG. Hier geht es u.a. um strafrechtliche Verurteilungen zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe, die einer Aufenthaltserlaubnis zwingend entgegenstehen, solange die Verurteilung nicht aus dem Bundeszentralregister zu löschen ist. Auch weniger schwere Straftaten, die keinen zwingenden Ausschlussgrund darstellen, können nach der Rechtsprechung ggf. der Annahme einer gelungenen Integration entgegenstehen, wenn sie ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG begründen.

Können auch Familienangehörige Person mit § 25b AufenthG ein Aufenthaltsrecht erhalten?

Von einer Person, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG besitzt oder einen Anspruch hierauf hat, können Ehepartner*in sowie minderjährige ledige Kinder, die sich ebenfalls in Deutschland aufhalten, ein Aufenthaltsrecht ableiten und zwar unabhängig von der Voraufenthaltszeit in Deutschland. Ansonsten müssen sie aber grundsätzlich dieselben Voraussetzungen erfüllen, wie der*die sog. Stammberechtigte, also die Person mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG. Es gelten aber auch dieselben Ausnahmen im Falle einer Krankheit, Behinderung oder altersbedingter Unfähigkeit, die Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung und des Sprachniveaus zu erfüllen.

Wie gestaltet sich der Wechsel von der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu § 25b AufenthG?

Um in Anschluss an die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG (siehe oben) die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu erhalten, müssen die Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis vorliegen. In diesem Fall werden auch Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG auf die erforderlichen sechs bzw. vier Jahre Voraufenthaltszeit angerechnet. Der Wechsel zur Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG soll nur bei geklärter Identität der antragstellenden Person möglich sein. Nach Ermessen kann die Aufenthaltserlaubnis auch bei noch ungeklärter Identität erteilt werden, wenn die Person alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat.

Welche Rechte haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG?

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG haben die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit sowie einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 1 Nummer 1 c) AufenthG). Ein Recht auf Nachzug der Familie aus dem Ausland besteht nur unter den hohen Voraussetzungen des § 29 Absatz 3 Satz 1 AufenthG.

Weitere Informationen:

VIII. Der Härtefallantrag

Im wahrsten Sinne des Wortes als letzter „Rettungsanker“ zu verstehen ist die Einreichung eines Härtefallantrags bei der Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg.

Was ist die Härtefallkommission?

Die Härtefallkommission ist beim Justizministerium Baden-Württemberg angesiedelt und setzt sich aus insgesamt zwölf verschiedenen gesellschaftlichen Akteur*innen (Ministerium für Justiz und Migration, Person islamischen Glaubens, Liga der freien Wohlfahrtspflege, Landeskirchen, Flüchtlingsrat BW, Städtetag und Landkreistag) zusammen.

Wo wird der Härtefallantrag gestellt und welche Bestandteile hat so ein Antrag?

Das Härtefallverfahren beruht auf § 23a AufenthG und ist in der baden-württembergischen Härtefallkommissionsverordnung (HärtefallKomVO) geregelt.

Der Härtefallantrag wird bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission gestellt. Der Antrag kann von der betroffenen Person selbst gestellt werden, er kann aber auch von einer anderen Person (NICHT: der Anwalt*die Anwältin) gestellt werden, etwa einer Person, die den geflüchteten Menschen gut kennt (z.B. ein*e ehrenamtliche*r Unterstützer*in). Wird der Härtefallantrag von einer anderen Person eingereicht, muss die betroffene Person eine Vertretungsvollmacht unterzeichnen.

Der Antrag sollte die folgenden Bestandteile enthalten:

Im Härtefallantrag sollten die Integrationsleistungen und -aussichten der Person in Deutschland im Vordergrund stehen. Neben der Erwerbstätigkeit sind auch die Sprachkenntnisse, das soziale Engagement oder der Schulbesuch schulpflichtiger Kinder relevant. Der Härtefallantrag sollte also nicht schwerpunktmäßig mit der Situation im Herkunftsland begründet werden.

Bevor ein Härtefallantrag gestellt wird, ist es empfehlenswert, sich den aktuellen Tätigkeitsbericht der Härtefallkommission durchzulesen, der jährlich auf der Homepage des Justizministeriums veröffentlicht wird. Der Bericht enthält neben einer allgemeinen Bewertung des Berichtsjahrs auch konkrete Einzelfälle, mit denen sich die Kommission beschäftigt hat. Auf diese Weise kann man ein Gefühl dafür bekommen, wann ein Härtefallantrag Aussicht auf Erfolg haben könnte und wann nicht.

Wie läuft das Härtefallverfahren ab?

Das Härtefallverfahren ist mehrstufig aufgebaut. Zunächst führt der Vorsitzende eine Art Vorprüfung durch und „sortiert“ unzulässige Anträge „aus“. Dazu gehört etwa der Fall, dass noch ein gerichtliches oder behördliches Verfahren oder ein Petitionsverfahren anhängig ist (§ 4 HärtefallKomVO).

Die zulässigen Fälle diskutiert die Kommission dann in regelmäßigen Sitzungen, in denen entschieden wird, ob ein Härtefall bejaht wird.

Die Härtefallkommissionsverordnung nennt bestimmte Fälle, in denen die Annahme eines Härtefalls in der Regel ausgeschlossen ist, z.B. wenn gravierende Ausweisungsgründe vorliegen, die häufig bei (schweren) strafrechtlichen Verurteilungen gegeben sind. Unterhalb dieser Schwelle liegende Straftaten schlagen in jedem Fall auch negativ zu Buche, schließen die Annahme eines Härtefalls aber auch nicht automatisch aus. In jedem Fall sollte man Straftaten im Härtefallantrag offenlegen, denn die Härtefallkommission wird diese Informationen ohnehin bei den zuständigen Stellen abfragen. Ausgeschlossen ist die Annahme eines Härtefalls in der Regel auch dann, wenn der Lebensunterhalt bislang überwiegend durch öffentliche Mittel bestritten wurde, obwohl die antragstellende Person zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt und in der Lage war. War die Person vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, wird eine Prognose angestellt, ob sie voraussichtlich zukünftig ohne öffentliche Mittel auskommen wird. Davon kann etwa ausgegangen werden, wenn die Person einen Arbeitsvertrag vorlegen kann, dessen Umsetzung derzeit allein an dem Ausschluss vom Arbeitsmarkt scheitert, der mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aber entfiele. Schließlich scheidet die Annahme eines Härtefalls in der Regel aus, wenn ein Rückführungstermin bereits konkret feststeht. Da dieser der antragstellenden Person nicht mitgeteilt werden darf, sollte der Härtefallantrag nicht „auf den letzten Drücker“ gestellt werden.

Geht die Kommission von einem Härtefall aus, richtet sie ein Gesuch an das Justizministerium, der antragstellenden Person eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG zu erteilen. Diesem Gesuch wird in vielen, aber nicht allen Fällen, stattgegeben, ggf. verbunden mit einer Auflage, z.B. der Beschaffung eines Passes innerhalb einer bestimmten Frist. Sowohl die positive als auch die negative Entscheidung über die Härtefalleingabe werden der antragstellenden Person schriftlich mitgeteilt, allerdings ohne Begründung. Gegen eine Ablehnung des Härtefallantrags sind keine Rechtsmittel möglich.

Darf man abgeschoben werden, solange der Härtefallantrag läuft?

Solange sich die Kommission mit einem Härtefallantrag befasst, dürfen aufenthaltsbeendende Maßnahmen grundsätzlich nicht vorgenommen werden, es sei denn, es wurden schon Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet (§ 5 HärtefallKomVO). Gewährleistet wird der „Abschiebestopp“ dadurch, dass das Justizministerium gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung der Kommission anordnet. Zur Sicherheit sollte die den Härtefallantrag einreichende Person das Regierungspräsidium Karlsruhe eigenständig über die Einreichung des Härtefallantrags informieren.

Kann ein Härtefallantrag zur Überbrückung der Vorduldungszeit eingereicht werden?

Bei manchen Bleiberechtsoptionen muss zunächst eine längere Vorduldungszeit erfüllt werden, z.B. bei der Beschäftigungsduldung (siehe oben) oder bei § 25a AufenthG (siehe oben). Hier kann es manchmal sinnvoll sein, einen Härtefallantrag zur Überbrückung der Vorduldungszeit zu stellen.

So gilt seit 2020: In Fällen, in denen sämtliche Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung vorliegen bis auf die zwölf Monate Duldungszeit, empfiehlt das Justizministerium, einen Härtefallantrag zu stellen. Sobald die Vorduldungszeit erreicht ist, kann eine Beschäftigungsduldung beantragt werden. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Person vor dem 1. März 2016 eingereist ist. Aus dem Anschreiben muss in diesen Fällen deutlich hervorgehen, dass alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung (bis auf die zwölf Monate Duldung) vorliegen.

Welche Rechte haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG?

Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG haben die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit sowie bei freien Plätzen Zugang zu einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Ein Familiennachzug kann unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden.

Weitere Informationen:

IX. Die Petition

Schließlich kann zu Gunsten einer Person auch eine Petition eingereicht werden. Ganz allgemein ist eine Petition ein Ersuchen an eine zuständige Stelle. Gemäß Artikel 17 Grundgesetz hat jede*r Bürger*in das Recht, sich mit Bitten oder Beschwerden an die Behörden zu wenden. Ob man sich an den Petitionsausschuss des Bundestages oder den des Landtages wendet, hängt von dem mit der Petition verfolgten Ziel ab.

In Bezug auf ausreisepflichtige Personen kann eine Petition z.B. hilfreich sein, wenn man nicht mehr allzu viel Zeit überbrücken muss, um bestimmte Voraussetzungen für eine Bleiberechtsoption zu erfüllen.


Widerruf und Rücknahme des Schutzstatus

Ein Schutzstatus, den man im Asylverfahren erhalten hat, gilt grundsätzlich ohne zeitliche Befristung; das gilt für den Flüchtlingsschutz, den subsidiären Schutz und das Abschiebungsverbot gleichermaßen. Zeitlich befristet ist lediglich die darauf aufbauende Aufenthaltserlaubnis, die aber solange verlängert werden muss, wie der Schutzstatus besteht. Beseitigt werden kann der Schutzstatus zum einen durch einen sogenannten Widerruf, der dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes nicht mehr vorliegen, weil sich die Situation im Herkunftsland geändert hat. Davon zu unterscheiden ist die sog. Rücknahme des Schutzes, wenn sich nach Schutzgewährung herausstellt, dass der Schutz gar nicht hätte zuerkannt werden dürfen, beispielsweise, weil die betroffene Person unrichtige Angaben gemacht hat.

I. Das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren
II. Vorgehen bei Widerruf oder Rücknahme
III. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren

Wo ist das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren geregelt?
Der Widerruf der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft ist in § 73 Absatz 1 AsylG geregelt, der Widerruf des subsidiären Schutzes in § 73 Absatz 2 AsylG und Widerruf und Rücknahme eines gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG festgestellten (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbotes in § 73 Absatz 6 AsylG. Regelungen zur Rücknahme von Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutz finden sich in § 73 Absatz 4 und 5 AsylG.

Liegen Gründe für ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren vor?

Ein Schutzstatus wird nicht „einfach so von heute auf morgen“ widerrufen bzw. zurückgenommen. Ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren kommt nur in Frage, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Kenntnis von Umständen oder Tatsachen erhält, die einen Widerruf oder eine Rücknahme rechtfertigen könnten (§ 73b Absatz 1 AsylG).  Dann prüft das BAMF, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Widerruf/eine Rücknahme vorliegen. Soweit dies erforderlich ist, kann die betroffene Person nach § 73b Absatz 5 AsylG dazu verpflichtet werden, an diesem Prozedere mitzuwirken. Wenn es nicht nötig ist, dass die Person bei diesem Verfahrensschritt mitwirkt, kann es sein, dass sie gar nichts davon mitbekommt. Wird in diesem Verfahrensschritt festgestellt, dass es keine Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme gibt, ist das Verfahren schon an dieser Stelle beendet und der Schutzstatus bleibt bestehen. Wenn das BAMF nach diesem Verfahrensschritt zu dem Schluss kommt, dass Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme vorliegen, wird die betroffene Person informiert und das eigentliche Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren eingeleitet.

Das Verfahren wurde eingeleitet, was passiert nun?

Wenn das BAMF im Rahmen der Überprüfung zu dem Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für den Schutzstatus nicht (mehr) vorliegen, wird ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet. Das BAMF informiert zunächst die betroffene Person über die Einleitung des Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens (§ 73b Absatz 6 AsylG). Die Person hat dann einen Monat Zeit, um schriftlich alle Gründe vorzutragen, die dafür sprechen, dass der Schutzstatus nicht widerrufen werden soll.

Wichtig: Die Stellungnahme muss gut vorbereitet werden, am besten mit anwaltlicher Unterstützung oder zusammen mit einer kompetenten Beratungsstelle. Dazu gehört in jedem Fall, Dokumente wie das Anhörungsprotokoll und den Bescheid aus dem Asylverfahren sowie ggf. die Gerichtsentscheidung genau zu studieren, um sich die damaligen Entscheidungsgründe zu vergegenwärtigen. Außerdem sollten unbedingt neue Beweise/Entwicklungen, die eine Gefährdung im Herkunftsland belegen, eingereicht werden. Auch Themen, die im ursprünglichen Asylverfahren keine Rolle gespielt haben, können von Bedeutung sein – beispielsweise gesundheitliche Probleme. Es ist nämlich möglich, dass sich zwar die „alten“ Gründe erledigt haben, es aber inzwischen andere Gefahren im Herkunftsland gibt, die eine Beibehaltung des Schutzstatus, zumindest aber die Zuerkennung eines niedrigeren Schutzstatus rechtfertigen. Es ist also denkbar und gar nicht so selten, dass eine Person mit Flüchtlingseigenschaft zum subsidiären Schutz „herabgestuft“ wird oder ein vormals subsidiär Schutzberechtigter nunmehr ein Abschiebungsverbot erhält (§ 73b Absatz 2 AsylG). Widerruf oder Rücknahme werden der betroffenen Person bzw. ihrer anwaltlichen Vertretung stets per Bescheid zugestellt, der innerhalb der gesetzlichen Fristen mit Rechtsmitteln vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angegriffen werden kann.

II. Vorgehen bei Widerruf oder Rücknahme

Wenn der Schutzstatus widerrufen/zurückgenommen wird, kann dagegen geklagt werden. Diese Klage hat in den meisten Fällen aufschiebende Wirkung (Ausnahme: Wenn der Schutzstatus widerrufen wurde, weil Ausschlussgründe eingetreten sind, schwere Straftaten begangen wurden oder die Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (§ 75 Absatz 2 AsylG)).

Während des Klageverfahrens hat die schutzberechtigte Person deshalb weiterhin Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Erst wenn Widerruf bzw. Rücknahme rechtskräftig wird, kann die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis entweder nachträglich befristen, widerrufen oder einfach auslaufen lassen. Beruht der Widerruf/die Rücknahme auf einer von der Person ausgehenden Gefahr, wird das zuständige Regierungspräsidium regelmäßig zusätzlich eine Ausweisungsentscheidung treffen, gegen die man sich ebenfalls vor Gericht wehren kann.

Wenn die schutzberechtigte Person zum Zeitpunkt des Widerrufs/der Rücknahme bereits eine Niederlassungserlaubnis besitzt, hat die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob diese ebenfalls widerrufen wird oder nicht. Hierbei spielt in der Praxis die Bewertung der Integrationsleistungen und des bisherigen Verhaltens der betroffenen Person eine wichtige Rolle. Ein Widerruf der Niederlassungserlaubnis ist aber nur bei (ehemaligen) Personen mit Flüchtlingseigenschaft/subsidiär Schutzberechtigten möglich. Wurde ein Abschiebungsverbot widerrufen oder zurückgenommen, kann die Niederlassungserlaubnis nicht durch Widerruf, sondern nur durch eine Ausweisung beseitigt werden, wenn die betroffene Person „gefährlich“ ist.

III. Weiterführende Arbeitshilfen


Duldung

Personen, die ausreisepflichtig sind, ihre Ausreisepflicht aber nicht freiwillig erfüllen, erhalten häufig eine Duldung. Dem Namen und Zweck nach soll die Duldung eigentlich keine dauerhafte Aufenthaltsperspektive eröffnen. Fakt ist aber, dass Menschen teilweise Jahre mit einer Duldung in Deutschland leben. Für die Betroffenen ist dies eine sehr unangenehme Zeit, weil sie in einem permanenten Zustand der Unsicherheit leben und die Duldung – im Vergleich zu einer Aufenthaltserlaubnis – viel weniger Rechte vermittelt. Fakt ist aber auch, dass in dieser Zeit die Grundlage dafür gelegt werden kann, schlussendlich doch ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, ohne zuvor Deutschland verlassen zu müssen.

I. Die Duldung nach § 60a AufenthG
II. Die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG)

I. Die Duldung nach § 60a AufenthG

Die „normale“ Form der Duldung ist in § 60a AufenthG geregelt. Duldung bedeutet die „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ (§ 60a AufenthG). Der Staat „duldet“ die Betroffenen entweder deshalb, weil ihre Abschiebung derzeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Hierzu zählen Gründe, wie beispielsweise eine Reiseunfähigkeit oder ein fehlender Pass, wenn der (vermeintliche) Herkunftsstaat diesen für die Abschiebung verlangt. Der Staat kann aber auch aus sonstigen Gründen (vorläufig) auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht mit Zwangsmitteln verzichten. Die betroffene Person hat solange einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung und ein Dokument, das diesen Zustand bescheinigt (§ 60a Absatz 4 AufenthG). Die Duldung erkennt man an einem grünen Falt-Papier, das mit einem roten Querbalken versehen ist.

Wichtig: Sobald das Abschiebehindernis, also der Duldungsgrund, entfällt, muss mit einer Abschiebung gerechnet werden, auch wenn das auf der Duldungsbescheinigung vermerkte Gültigkeitsdatum noch nicht erreicht ist. Besonders gefährdet sind Personen mit dem Zusatz „erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins“ in ihrer Duldungsbescheinigung.

Hinweis: Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) und Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG) sind Sonderformen der Duldung nach § 60a AufenthG. Da sie perspektivisch den Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis ermöglichen sollen, sind sie unter >> Bleiberechtsoptionen dargestellt.

Weitere Informationen:

II. Die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG)

Was ist eine Duldung nach § 60b AufenthG?

Seit August 2019 gibt es eine Spezialduldung: die Duldung nach § 60b AufenthG. Diese ist daran erkennbar, dass sie den Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ enthält. Oft wird sie umgangssprachlich als „Duldung light“ bezeichnet. Diese Duldung gilt für vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die nicht abgeschoben werden können, weil sie über ihre Identität täuschen, falsche Angaben machen oder sich nicht in zumutbarer Weise um einen Pass bemühen. Im Gegensatz zu sonstigen Duldungen beinhaltet diese Duldung automatische Sanktionen, etwa ein Verbot der Erwerbstätigkeit oder eine Wohnsitzauflage. Die Aufenthaltszeiten mit dieser Duldung werden außerdem nicht als „Vorduldungszeiten“ angerechnet, die man für andere Bleiberechtsoptionen, etwa § 25a und § 25b AufenthG, oder für die Ausbildungs- oder auch die Beschäftigungsduldung benötigt.

Wann darf eine Duldung nach § 60b AufenthG ausgestellt werden?

Eine Duldung nach § 60b AufenthG darf nur ausgestellt werden, wenn die Abschiebung aus selbst zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden kann (Identitätstäuschung, falsche Angaben, fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung). Liegen zusätzlich andere Gründe vor, die eine Abschiebung unmöglich machen (z.B. Krankheit), ist die Erteilung einer Duldung nach der ganz überwiegenden Meinung ausgeschlossen. Nach Auffassung des für das Thema Aufenthaltsrecht in Baden-Württemberg zuständigen Justizministeriums soll eine „Duldung light“ aber auch in diesen Fällen erteilt werden dürfen. Im Zweifel muss man die Frage durch ein Gericht klären lassen.

Eine weitere Voraussetzung für die Duldung nach § 60b AufenthG ist, dass die Ausländerbehörden die Betroffenen zuvor über ihre „besondere Passbeschaffungspflicht“ belehrt haben müssen. Die Erteilung einer „Duldung light“ kommt erst in Betracht, wenn eine bestehende Duldung verlängert oder eine Duldung aus einem anderen Grund erteilt wird (§ 105 Absatz 1 AufenthG). Anders ausgedrückt: Die erste Duldung, die eine Person erhält, darf keine „Duldung light“ sein. Nicht erteilt werden, darf die „Duldung light“ in folgenden Fällen:

  • Ausreisepflichtige Personen, die eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung besitzen oder diese beantragt haben und die Voraussetzungen dafür erfüllen (§ 105 Absatz 3 AufenthG)
  • Ausreisepflichtige Personen, die sich noch in einem Asylverfahren befinden
  • Minderjährige, da sie rechtlich nicht verfahrensfähig sind

Es spricht viel dafür, dass die „Duldung light“ begründet werden muss. Die Erteilung einer „normalen“ Duldung bedarf zwar keiner Begründung (§ 77 AufenthG), weil diese für die betroffene Person nur positiv ist, da ihre Abschiebung ausgesetzt wird. Bei der „Duldung light“ ist das aufgrund der damit automatisch verbundenen Nachteile aber anders. Fehlt eine Begründung, sollte diese eingefordert werden.

Gegen die rechtswidrige Erteilung einer Duldung nach § 60b AufenthG kann man sich vor Gericht wehren; die Einschaltung eines Anwalts*einer Anwältin ist dafür nicht notwendig, häufig aber sinnvoll.

In welchen Fällen muss die Duldung nach § 60b AufenthG aufgehoben werden?

Unter bestimmten Bedingungen muss die „Duldung light“ aufgehoben, also wieder in eine „normale“ Duldung umgewandelt werden. Praktisch geschieht dies durch Streichung des Zusatzes „Duldung für Person mit ungeklärter Identität“. Wurde die Duldung wegen Verletzung der Passbeschaffungspflicht erteilt, ist dieser Verstoß geheilt, wenn die erforderlichen Passbeschaffungshandlungen vorgenommen werden, also nicht erst wenn der Pass tatsächlich vorliegt.

Im Ermessen können die Ausländerbehörden eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung verlangen, wenn sie die Nachweise der Bemühungen nicht für ausreichend halten. Bevor man eine solche Versicherung abgibt, sollte man sich über strafrechtliche Konsequenzen von unvollständigen oder unrichtigen eidesstattlichen Versicherungen informieren und sich von einem Anwalt*einer Anwältin oder Beratungsstelle beraten lassen.

Wurde die „Duldung light“ wegen einer Falschangabe oder Täuschung erteilt, reicht die Berichtigung der Angaben nicht für eine Heilung, weil dadurch eine Abschiebung nicht automatisch möglich wird. In diesen Fällen muss der Zusatz erst gestrichen werden, wenn die Abschiebung auch tatsächlich durchgeführt werden kann. Auch hier gilt aber richtigerweise, dass die „Duldung light“ aufzuheben ist, wenn die Abschiebung unabhängig von der Täuschung oder Falschangabe scheitert.

Weitere Informationen:


Familiennachzug

Eine der drängendsten Fragen geflüchteter Menschen ist häufig, ob sie ihre Familienangehörigen „nachholen“ können. Solange das Asylverfahren noch läuft, ist ein Familiennachzug aus dem Ausland grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme stellt die Familienzusammenführung über die Dublin-III-Verordnung dar. Dafür müssen sich die Familienangehörigen aber bereits innerhalb des „Dublin-Raums“, z.B. in Griechenland, befinden und selbst einen Asylantrag gestellt haben (>> Das Dublin-Verfahren).

I. Voraussetzungen für den Familiennachzug
II. Wie gestaltet sich das Familiennachzugsverfahren?
III. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Voraussetzungen für den Familiennachzug

Der Familiennachzug ist grundsätzlich erst nach einer positiven Entscheidung über den Asylantrag möglich. Ob die Möglichkeit eines Familiennachzugs besteht, hängt davon ab, wie erfolgreich das Asylverfahren ausgegangen ist. Sehr gut sind die Chancen von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. Allerdings ist auch der Verwandtschaftsgrad maßgeblich dafür, ob ein Familiennachzug möglich ist. Gute Chancen haben Angehörige der sog. Kernfamilie (Ehepartner*in, minderjährige ledige Kinder und Eltern von unbegleiteten Minderjährigen).

Welche allgemeinen Voraussetzungen müssen erfüllt werden?

Damit Angehörige von Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, müssen zunächst einige allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Lebensunterhalt muss für die Person mit Schutzstatus und ihre Angehörigen gesichert sein. Das ist dann der Fall, wenn der Regelbedarf inklusive Krankenversicherung ohne öffentliche Mittel gesichert ist. Unschädlich ist gemäß § 2 Absatz 3 Satz 2 sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Bezug folgender Leistungen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungsgeld, Elterngeld, Leistungen der Ausbildungsförderung nach SGB III, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Wohngeld.
  • Es muss ausreichender Wohnraum für die stammberechtigte Person und die Angehörigen bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn für jedes Familienmitglied über sechs Jahre 12 m² und für jedes Familienmitglied unter sechs Jahren 10 m² zur Verfügung stehen werden (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, Nummer 2.4).
  • Die nachzugswilligen Angehörigen müssen einen Pass haben und ihre Identität muss geklärt sein. In seltenen Ausnahmefällen werden deutsche Passersatzpapiere für die Einreise ausgestellt.
  • Bezüglich der stammberechtigten Person darf kein Ausweisungsinteresse bestehen, z.B. wegen einer Straftat (§ 53 und § 54 AufenthG).
  • Die nachzugswillige Person muss mit einem Visum zum Familiennachzug eingereist sein und im Visumsverfahren die notwendigen Angaben gemacht haben.

Hinweis: Dies sind die allgemeinen Voraussetzungen, in einigen Fällen kann es zu Ausnahmen von einzelnen Voraussetzungen kommen. Je nachdem, welches Familienmitglied nachziehen möchte und welchen Schutzstatus die stammberechtigte Person hat, gelten auch weitere Voraussetzungen.

Wann ist der Ehegatt*innennachzug von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?

Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch auf Nachzug ihres Ehegattens*ihrer Ehegattin. Dabei gelten die Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung in der Regel nicht, wenn der Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Asylberechtigung bzw. der Flüchtlingseigenschaft beantragt wurde (§ 29 Absatz 2 AufenthG). Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt des Erhalts des positiven Bescheids vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), nicht etwa der spätere Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis.

Wichtig: Mit dem Antrag auf Familiennachzug ist der Visumsantrag gemeint. Eine wirksame Antragstellung liegt nur vor, wenn innerhalb der Dreimonatsfrist ein Visumsantrag bei der Auslandsvertretung gestellt wurde, der alle erforderlichen Angaben enthält (Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg, 19.1.2022, Aktenzeichen: 3 M 185/20). Weder die Abgabe einer fristwahrenden Anzeige über das Internetportal des Auswärtigen Amtes noch die Anzeige bei der Ausländerbehörde sind folglich ausreichend. In der Praxis sollte direkt bei der Auslandsvertretung ein Visumsantrag (idealerweise per Fax) gestellt werden. Zusätzlich dazu kann die fristwahrende Anzeige über das Online-Portal als PDF-Datei ausgegeben, gespeichert und den nachzugswilligen Angehörigen für den Vorsprachetermin übermittelt werden.

Wird der Antrag auf Familiennachzug erst nach Ablauf der Drei-Monatsfrist gestellt, steht es im Ermessen der zuständigen Behörden, ob von den Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung abgesehen wird.

Weitere bei Asylberechtigten und Personen mit Flüchtlingseigenschaft geltende Voraussetzungen für den Ehegatt*innennachzug sind u.a. gemäß § 30 AufenthG:

  • Die Ehe muss am Ort der Eheschließung rechtsgültig geschlossen worden sein. Eine religiös geschlossene Ehe muss nach dem Recht des Heimatlandes staatlich anerkannt sein, um einen Nachzugsanspruch zu begründen.
  • Beide Ehegatt*innen müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben. Bei Vorliegen einer besonderen Härte kann von dieser Voraussetzung abgesehen werden.
  • Wenn die Ehe im Herkunftsland noch nicht bestanden hat, muss die nachziehende Person Deutschsprachkenntnisse auf dem Niveau A1 vorweisen.

Wann ist der Kindernachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?

Für ein minderjähriges (d.h. unter 18 Jahren) und unverheiratetes Kind, besteht ein Nachzugsanspruch, wenn beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben (§ 32 AufenthG).

Voraussetzung für die Erteilung eines Visums zum Kindernachzug ist außerdem, dass der Elternteil, zu dem der Nachzug angestrebt wird, im Besitz des Sorgerechts ist. Hat der andere Elternteil, der im Heimatland verbleibt, nach dortiger Rechtslage ebenfalls die elterliche Sorge inne, muss dieser Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes in Deutschland geben bzw. muss eine rechtsverbindliche Entscheidung der zuständigen Stelle vorgelegt werden (§ 32 Absatz 4 AufenthG).

Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das Kind minderjährig ist. Die deutsche Rechtspraxis stellte hier lange Zeit auf den Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung ab. Sprich, dass das Kind minderjährig ist, wenn nach der Anerkennung der Antrag auf Nachzug gestellt wird. Nach dieser Rechtsauffassung verloren Kinder, die während des Asylverfahrens ihrer Eltern volljährig wurden, ihren Anspruch auf ein Visum nach § 32 AufenthG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in seiner Entscheidung vom 1.8.2022 (C-279/20) allerdings klar, dass ein Kind auch dann als minderjährig zu behandeln ist, wenn es zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils/der Eltern minderjährig war, aber vor dessen/deren Anerkennung volljährig geworden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachzugsantrag des Kindes innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anerkennung des Elternteils als Person mit Flüchtlingseigenschaft gestellt wird. Das EuGH-Urteil bezieht sich jedoch nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine gleiche Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.

Wann ist der Eltern- und Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?

Unbegleitete minderjährige Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch darauf, dass ihren Eltern ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird (§ 36 Absatz 1 AufenthG).

Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das in Deutschland lebende unbegleitete Kind minderjährig ist. Der EuGH hat hier gleich mehrfach entschieden (EuGH, Urteil vom 1.8.2022, C-273/20, C-355/20), dass es auch beim Elternnachzug zum anerkannten minderjährigen Personen mit Flüchtlingseigenschaft drauf ankommt, dass das Kind bei seiner Asylantragstellung in Deutschland minderjährig war. Bei einer danach eintretenden Volljährigkeit geht das Recht auf Elternnachzug also nicht verloren; rechtlich bleibt die Person also minderjährig. Nur so werde verhindert, dass äußere Umstände, die die betreffenden Personen selbst nicht in der Hand haben, wie etwa langwierige Asyl- oder Visumsverfahren, zum Verlust des Nachzugsrechts führen. Die EuGH-Urteile beziehen sich nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine analoge Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.

Wichtig: Auch hier besteht der Nachzugsanspruch aber nur, wenn das Visum auf Elternnachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt wird. Diese Voraussetzung lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen, sondern ist vom EuGH „beschlossen worden“ worden, damit das Elternnachzugsrecht nicht „ewig“ geltend gemacht werden kann, der Aufnahmestaat also eine gewisse Planungssicherheit hat.

Auf Nachweise zur Lebensunterhaltssicherung und zum ausreichenden Wohnraum verzichtet das Gesetz beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten vollständig.

Ist der Nachzug beider Elternteile gewünscht, sollten die Eltern das Visum zusammen beantragen. Beantragt ein Elternteil das Visum nämlich erst später, nachdem der andere personenberechtigte Elternteil bereits eingereist ist, ist der*die Minderjährige nicht mehr unbegleitet, wenn über das Visum des zurückgelassenen Elternteils entschieden wird.

Außerdem sollte vorsorglich auch für andere nachzugswillige minderjährige Kinder, also die Geschwister des*der unbegleiteten Minderjährigen, ein Visumsantrag gestellt werden. Diese haben zwar eigentlich keinen Anspruch auf ein Visum (da sie im Verhältnis zum*zur unbegleiteten Minderjährigen weder Elternteile noch Ehegatte*Ehegattin sind) und die Eltern selbst (zunächst) nur über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. Da es aber durchaus die rechtlich gut begründbare Möglichkeit eines Visums auch für die Geschwister der unbegleiteten minderjährigen Person gibt, sollte man in jedem Fall – notfalls gerichtlich beim Verwaltungsgericht (VG) in Berlin, das für Visumsangelegenheiten zuständig ist – versuchen, ein Visum zu erhalten. In der Praxis werden die Anträge auf Geschwisternachzug häufig wegen mangelnder Lebensunterhaltssicherung und fehlendem Wohnraum abgelehnt. Ist dies der Fall, kann ein schrittweiser Nachzug der Angehörigen (sog. Kaskadennachzug) erwogen werden. Dies bedeutet, dass zunächst nur ein Elternteil zur unbegleiteten, minderjährigen Person nach Deutschland reist, dieser hier im Rahmen eines eigenen Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht erwirbt, das wiederum den Familiennachzug ermöglicht und dadurch die im Ausland verbliebenen Angehörigen nachgeholt werden können.

Wann ist der Familiennachzug bei subsidiärem Schutz möglich?

Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf den Familiennachzug von Ehegatt*innen, minderjährigen ledigen Kinder oder, bei unbegleiteten Minderjährigen, den Nachzug der Eltern. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten kann jedoch gemäß § 36a AufenthG im Ermessenswege zugelassen werden. Monatlich können bis zu 1.000 Visa für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden. Ausgewählt werden diese Personen in einem internen Prozess vom Bundesverwaltungsamt. Der Familiennachzug wird aber auch hier bei den Auslandsvertretungen beantragt.

Eine Dreimonatsfrist für den Visumsantrag sieht das Gesetz nicht vor. Bei bevorstehender Volljährigkeit eines Kindes gilt allerdings Folgendes:

  • Beim Kindernachzug muss die Minderjährigkeit bei Beantragung des Visums bei der zuständigen Auslandsvertretung bestehen. Daher sollte bereits vor Eintritt der Volljährigkeit ein formloser Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs bei der zuständigen Auslandsvertretung gestellt werden. Denn nur so geht die später eintretende Volljährigkeit, die z.B. der Wartezeit auf einen Termin zur Vorsprache in der Auslandsvertretung geschuldet ist, nicht zu Lasten der antragstellenden Person.
  • Beim Elternnachzug kommt es darauf an, dass das subsidiär schutzberechtigte Kind noch minderjährig ist, wenn seinen Eltern das Visum erteilt wird. Steht die Volljährigkeit der*des unbegleiteten Minderjährigen bevor, sollte daher bei der Beantragung eines Termins bei der zuständigen Auslandsvertretung auf die bald eintretende Volljährigkeit hingewiesen werden.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag sind in erster Linie humanitäre Gründe. Einige Beispiele für solche humanitären Gründe benennt § 36a Absatz 2 AufenthG:

  • Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ist seit langer Zeit nicht möglich.
  • Ein minderjähriges lediges Kind ist betroffen.
  • Leib, Leben oder Freiheit des Familienangehörigen sind im Aufenthaltsstaat gefährdet.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte oder der*die Familienangehörige ist schwerwiegend erkrankt, pflegebedürftig oder schwer behindert.

Wenn ein solcher humanitärer Grund vorliegt, wird ein Visum in der Regel trotzdem nicht erteilt, wenn einer der in § 36a Absatz 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe vorliegt:

  • Die Ehe wurde erst nach der Flucht geschlossen.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte wurde in Deutschland rechtskräftig wegen einer bestimmten vorsätzlichen Straftat (siehe § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG) verurteilt.
  • Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels an den*die subsidiär Schutzberechtigte*n ist nicht zu erwarten.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte hat eine Grenzübertrittsbescheinigung beantragt.

Liegt ein humanitärer Grund vor und greift kein Ausschlussgrund, sind zusätzlich Integrationskriterien zu berücksichtigen (§ 36a Absatz 2 Satz 4 AufenthG). Dabei werden sowohl Integrationsleistungen auf Seiten der nachzugswilligen Familienangehörigen als auch auf Seiten der Person in Deutschland berücksichtigt. Bei den Familienangehörigen sind z.B. Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Bei der subsidiär schutzberechtigten Person kommen in Betracht:

  • die eigenständige Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnraum auch für den*die nachziehenden Familienangehörigen
  • besondere Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache
  • gesellschaftliches Engagement
  • ehrenamtliche Tätigkeit
  • das nachhaltige Bemühen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
  • die Absolvierung einer Berufsausbildung

Im Bereich Integrationsleistungen wirken sich auch strafrechtliche Verurteilungen unterhalb der in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Schwellen tendenziell negativ aus.

Gemäß § 79 Absatz 3 AufenthG wird die Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis ausgesetzt, wenn gegen den Stammberechtigten ein Strafverfahren wegen einer oder mehrerer in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Straftaten eingeleitet wurde.

Dokumente, die humanitäre Kriterien und Integrationsleistungen belegen, sollten bei subsidiär Schutzberechtigten gemeinsam mit anderen notwendigen Unterlagen (z.B. Pass oder Personenstandsurkunden) beim Botschaftstermin vorgelegt werden. Aspekte, die die nachzugswilligen Personen betreffen, werden von der Botschaft selbst geprüft, die für die subsidiär schutzberechtigte Person zuständige Ausländerbehörde prüft dann die sogenannten inlandsbezogenen Sachverhalte. Beim Bundesverwaltungsamt laufen die Informationen dann zusammen. Es nimmt dann eine Gewichtung der Kriterien vor und wählt Personen aus, die in diesem Monat das Visum erhalten sollen. Entsprechend der Auswahlentscheidung weist es die Botschaft an, Visa zu erteilen. Wer nicht ausgewählt wurde, erhält keine ablehnende Entscheidung, sondern muss hoffen, in einem anderen Monat berücksichtigt zu werden.

Wann ist der Nachzug von Angehörigen außerhalb der sog. Kernfamilie möglich?

Andere Familienangehörige (z.B. Geschwister, Großeltern, Eltern von volljährigen Personen) können unter engen Voraussetzungen ein Visum zum Familiennachzug erhalten. Dies geht jedoch nur dann, wenn der Familiennachzug zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich ist (§ 36 Absatz 2 AufenthG). Voraussetzung ist ein besonderes Angewiesensein auf familiäre Hilfe. Hiervon können Fälle erfasst sein, in denen ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds durch die Herstellung der familiären Gemeinschaft zwingend angewiesen ist und die Lebenshilfe zumutbar auch nur in Deutschland erbracht werden kann.

Die Umstände, die die außergewöhnliche Härte begründen, müssen sich stets aus den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ergeben (z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, psychische Probleme). Umstände die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland ergeben, werden regelmäßig nicht zur Begründung einer außergewöhnlichen Härte akzeptiert.

Wichtig: Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 2 AufenthG müssen der Lebensunterhalt für die in Deutschland lebende Person und die nachzugswilligen Menschen gesichert sein und ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden.

II. Wie gestaltet sich das Familiennachzugsverfahren?

Für den Familiennachzug ist in der Regel die persönliche Vorsprache der Nachzuziehenden bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung im jeweiligen Land erforderlich (Ausnahme siehe hier). Die Terminvereinbarung ist von Botschaft zu Botschaft unterschiedlich. Im Einzelfall sollte man sich deshalb die aktuellen Informationen und Hinweise auf der Homepage der jeweils zuständigen Auslandsvertretung ansehen. Die Wartezeiten auf den Termin zur persönlichen Vorsprache sind teilweise sehr lang.

Bei der persönlichen Vorsprache müssen die Familienangehörigen alle erforderlichen Unterlagen, wie z.B. den Nachweis über die Wahrung der Drei-Monatsfrist (falls erforderlich), die Aufenthaltserlaubnis der stammberechtigten Person, die ausgefüllten Visumsantragsformulare, Nachweise über die familiäre Beziehung (z.B. Heiratsurkunde, Familienstammbuch) und einen Reisepass, in den das Visum eingetragen werden kann, vorlegen. Teilweise ist es sehr schwer, diese Unterlagen zu beschaffen.

Die Erteilung des Visums zum Familiennachzug bedarf der Zustimmung der deutschen Ausländerbehörde am beabsichtigten Aufenthaltsort. Zu diesem Zweck übermittelt die Auslandsvertretung die ihr vorliegenden Angaben der antragstellenden Person sowie ihrer in Deutschland lebenden Bezugsperson an die Ausländerbehörde am Wohnort des in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigten Familienmitglieds und bittet unter Nennung des beantragten Aufenthaltszwecks um Stellungnahme. Die Ausländerbehörde prüft dann, ob aus ihrer Sicht die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und gibt eine Rückmeldung an die Auslandsvertretung. Hierbei handelt es sich um ein verwaltungsinternes Verfahren.

Die abschließende Entscheidung über den Visumantrag teilt allein die Auslandsvertretung der antragstellenden Person in Form eines Bescheids mit.

Gegen eine ablehnende Entscheidung kann bei der Auslandsvertretung remonstriert werden. Die Remonstration ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich auf die Möglichkeit der Klage verweist. In diesem Fall muss direkt Klage beim VG Berlin erhoben werden.

Ergeht der Ablehnungsbescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Frist für die Remonstration ein Jahr nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides. Ist der Ablehnungsbescheid dagegen mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht ausschließlich auf die Möglichkeit einer Klage hinweist, beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides.

Wurde remonstriert und kommt die Auslandsvertretung nach erneuter Prüfung zum Ergebnis, dass das Visum nicht erteilt werden kann, erlässt sie einen sog. Remonstrationsbescheid. Gegen diesen Bescheid kann die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim VG Berlin erheben.

Ist die Entscheidung der Auslandsvertretung positiv, wird den nachzugswilligen Personen das Visum erteilt. Die Kosten für die Flüge sind von den Familienangehörigen zu tragen.

Nach der Einreise sollten die Personen sich zügig bei der Ausländerbehörde melden und einen Antrag auf Verlängerung des – in der Regel nur für drei Monate erteilten – Visums stellen. Außerdem sollten sie sich baldmöglichst beraten lassen, ob für sie eine Asylantragstellung sinnvoll ist (>> Familienasyl).

III. Weiterführende Arbeitshilfen


Ablehnungsformen

Nach der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müssen Geflüchtete teilweise recht lange warten, bis ihnen die Entscheidung des BAMF über ihren Antrag mitgeteilt wird. Diese Entscheidung wird immer schriftlich mitgeteilt. So wie es unterschiedliche Anerkennungsformen gibt, gibt es auch unterschiedliche Ablehnungsformen. Je nach Ablehnungsform müssen unterschiedliche Fristen und Vorgehensweisen beachtet werden. Grundsätzlich besteht bei einer Ablehnung immer die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Behörde vor einem Verwaltungsgericht zu klagen.

I. Unterschiedliche Ablehnungsformen
II. Rechtsmittel gegen die Ablehnung
III. Kosten des Verfahrens

IV. Fristen und Adresswechsel
V. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Unterschiedliche Ablehnungsformen

Ablehnung als „unbegründet

Der Antrag kann als „unbegründet“ abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel unter Ziffer 1 „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird abgelehnt.“ Häufig wird hier von einer „einfachen“ Ablehnung gesprochen. Gegen den Bescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage erhoben werden (§ 74 Absatz 1 AsylG). Für die Begründung der Klage hat man jedoch einen Monat Zeit (§ 74 Absatz 2 Satz 1 AsylG). Die Klage hat aufschiebende Wirkung (§ 75 Absatz 1 AsylG). Das bedeutet unter anderem, dass die betroffene Person ihre Aufenthaltsgestattung behält und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens vor Abschiebung geschützt ist. Bis das Verwaltungsgericht (in der Regel auf Grundlage einer mündlichen Verhandlung) über die Klage entscheidet, vergehen in der Regel Monate, nicht selten auch Jahre. Wird ein Asylantrag als unbegründet abgelehnt, besteht außerdem die Möglichkeit zur „freiwilligen Ausreise“ innerhalb eines Monats. Die Ausreisefrist beginnt erst, wenn die Entscheidung des BAMF unanfechtbar ist – wenn Klage erhoben wurde also mit dem endgültigen Abschluss des Gerichtsverfahren (§ 38 Absatz 1 Satz 2 AsylG) (>> Abschiebung und freiwillige Ausreise).

Ablehnung als „offensichtlich unbegründet

Der Antrag kann als „offensichtlich unbegründet“ (§ 29a, § 30 AsylG) abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel unter Ziffer 1 „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.“ Häufig wird hier von einer „o.u.-Ablehnung“ gesprochen.

Das BAMF lehnt Asylanträge in der Regel als offensichtlich unbegründet ab, wenn die betroffene Person die Staatsangehörigkeit eines sog. sicheren Herkunftsstaats hat. Die „o.u.“-Ablehnung beruht in diesem Fall auf § 29a AsylG. Welche Herkunftsstaaten als sicher gelten, ergibt sich abschließend aus dem Gesetz (§ 29a AsylG in Verbindung mit Anlage II). Derzeit werden als sicher eingestuft: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Moldau Montenegro, Serbien, Georgien, Ghana und Senegal. Entsprechend können Staaten, die nicht im Gesetz aufgeführt sind, keine sicheren Herkunftsstaaten sein, wie beispielsweise Afghanistan, Tunesien, Marokko und Algerien.

Darüber hinaus kann das BAMF aber auch Asylanträge von Personen, die nicht aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, als offensichtlich unbegründet ablehnen. Die Gründe hierfür finden sich in § 30 Absatz 1 Nummer 1 bis 9 AsylG. So kann ein ohnehin unbegründeter Asylantrag etwa als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn eine Person nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind (§ 30 Absatz 1 Nummer 1 AsylG), im Asylverfahren über ihre Identität täuscht oder diesbezügliche Angaben verweigert (§ 30 Absatz 1 Nummer 3 AsylG) oder aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen wurde bzw. es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt (§ 30 Absatz 1 Nummer 7 AsylG). Seit 27.2.2024 werden auch Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt, wenn ein einen Folge- oder Zweitantrag (>> Asylfolgeantrag) durchgeführt wurde und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde, ohne dass ein Schutzstatus erteilt wurde. Ob ein Asylantrag auf Grundlage von § 29a AsylG oder § 30 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, ergibt sich aus der Begründung der Ablehnung.

Wichtig: Bei einer „o.u.-Ablehnung“ beträgt die Klagefrist nur eine Woche, außerdem hat die Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Absatz 1 AsylG). Entsprechend kann die Person abgeschoben werden, bevor über die Klage entschieden wurde. Es besteht jedoch die Möglichkeit, mit einem zusätzlich zur Klage eingelegten Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung anordnen zu lassen. Auch für diesen Eilantrag hat man nur eine Woche ab Zustellung des Bescheids Zeit. Wurde der Eilantrag fristgerecht gestellt, ist eine Abschiebung kraft Gesetzes bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag verboten (§ 36 Absatz 3 Satz 8 AsylG).

Wird ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, besteht die Möglichkeit zur „freiwilligen Ausreise“ lediglich innerhalb der Frist von einer Woche, die spätestens mit einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts über einen gestellten Eilantrag beginnt.

Ablehnung als „unzulässig“ (Dublin-Fall)

Der Antrag kann als „unzulässig“ (§ 29 AsylG) abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel „Der Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt.“ Ein Asylantrag kann aus unterschiedlichen Gründen als unzulässig abgelehnt werden. Praktisch häufig ist die Ablehnung als unzulässig, weil ein sogenannter Dublin-Fall vorliegt, also ein anderer Staat, der die Dublin-III-Verordnung anwendet, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Ablehnung bedeutet also nicht, dass der Person nicht grundsätzlich ein Schutzstatus erteilt werden kann, sondern dass die inhaltliche Prüfung des Asylantrags einem anderen Staat obliegt, an den die Person zuständigkeitshalber überstellt wird. Dies hat im Regelfall auch zur Folge, dass Deutschland nicht die Abschiebung in das Herkunftsland der antragstellenden Person anordnen darf, sondern nur in den zuständigen „Dublin-Staat“.

Die Frist für eine Klage gegen einen solchen „Dublin-Bescheid“ beträgt eine Woche, außerdem hat die Klage keine aufschiebende Wirkung, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung – wie im Regelfall – mit einer Abschiebungsanordnung verbunden ist. Entsprechend kann die Person abgeschoben werden, bevor über die Klage entschieden wurde. Wie bei der „o.u.-Ablehnung kann aber bei Gericht ein Eilantrag eingereicht werden. Auch für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche (§ 34a Absatz 2 Satz 1 AsylG).

Wichtig: Ein Eilantrag sollte nur nach sachkundiger Beratung gestellt werden, weil dieser in Dublin-Fällen bewirkt, dass die Überstellungsfrist von sechs Monaten neu zu laufen beginnt, wenn der Eilantrag abgelehnt wird. Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise haben Menschen mit einer Ablehnung als unzulässig aufgrund von Dublin grundsätzlich nicht; das Gesetz sieht hier stets eine Abschiebung in den zuständigen Staat vor (Ausnahmen in Einzelfällen möglich). Mehr dazu findet sich unter >> Das Dublin-Verfahren.

Ablehnung als „unzulässig“ (Anerkanntenfall)

Außerdem kann ein in Deutschland gestellter Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt werden, wenn die Person in einem anderen EU-Staat bereits einen Schutzstatus, also die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutz, erhalten hat. Dahinter steht der Gedanke, dass Deutschland die bereits anerkannte Person nicht noch einmal anerkennen kann. Aufgrund der Unzulässigkeitsentscheidung ist Deutschland allerdings nur berechtigt, die Person zurück in den Staat abzuschieben, der den Schutz gewährt hat; eine Abschiebung in das Herkunftsland ist dagegen aufgrund des durch den anderen EU-Staat gewährten Schutzstatus grundsätzlich nicht möglich. Anders sieht es aus, wenn die Person in dem anderen EU-Staat unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müsste, denn dann ist die Rückkehr dorthin letztlich genauso unzumutbar wie eine Rückkehr ins Herkunftsland. In einem solchen Fall darf Deutschland nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Asylantrag nicht als unzulässig ablehnen, sondern muss ein neues Asylverfahren durchführen. Das BAMF sieht sich dann aber auch nicht an die Entscheidung aus dem anderen EU-Staat gebunden – mit der Folge, dass es im Einzelfall auch einen schlechteren Schutzstatus oder gar keinen Schutzstatus gewährt. Im letztgenannten Fall droht es dann auch die Abschiebung in das Herkunftsland an. Ob diese Praxis des BAMF rechtmäßig ist, wird in den kommenden Jahren vom EuGH entschieden werden, dem diese Frage vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.

Lehnt das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, kann auch gegen diese Entscheidung geklagt werden. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss für wirksamen Abschiebungsschutz ggf. zusätzlich ein Eilantrag gestellt werden. Für beide gilt eine Frist von einer Woche (§ 36 Absatz 3 Satz 1, § 74 Absatz 1 AsylG). Lehnt das BAMF den Asylantrag dagegen ausnahmsweise als unbegründet ab, gilt das oben zur Ablehnung als unbegründet Gesagte.

II. Rechtsmittel gegen die Ablehnung

Wie wird eine Klage eingereicht?

Wird ein Asylantrag abgelehnt, besteht immer die Möglichkeit, die behördliche Entscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht in Form einer Klage überprüfen zu lassen. In Baden-Württemberg gibt es in der ersten Instanz vier Verwaltungsgerichte (Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen, Stuttgart). Welches Gericht zuständig ist, ergibt sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auch noch in zweiter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) vorgehen, der seinen Sitz in Mannheim hat.

Ob der Gang vor Gericht sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls und in erster Linie eine Entscheidung der antragstellenden Person. Rechtsanwält*innen oder kompetente Geflüchtetenberatungsstellen können bei dieser Entscheidung unterstützen. Um wirksam Klage einzureichen, braucht man grundsätzlich keinen Rechtsbeistand, die Klage muss jedoch in Schriftform (notfalls per Fax) eingereicht werden (§ 81 Absatz 1 VwGO). Wenn die Zeit drängt, kann die Klage also auch eigenständig eingereicht werden, um die Frist einzuhalten.

Wichtig: Da die asylantragstellende Person Kläger*in ist, muss die Klage ihre*seine Unterschrift tragen. Die Klage muss nicht sofort begründet werden. Muster für die Klage gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen. Alternativ kann die Klage auch am Sitz des zuständigen Verwaltungsgerichts zu Protokoll gegeben werden. Die Verwaltungsgerichte haben hierfür Rechtsantragsstellen eingerichtet. Die antragstellende Person sollte hierfür mindestens den BAMF-Bescheid mitbringen, gegen den sie vorgehen will. Nähere Informationen finden sich auf den Webseiten der jeweiligen Verwaltungsgerichte (KarlsruheSigmaringenStuttgartFreiburg).

Wie wird ein Eilantrag eingereicht?

Da die Klage bei als „offensichtlich unbegründet“ und „unzulässig“ abgelehnten Asylanträgen im Regelfall keine aufschiebende Wirkung hat und somit nicht vor Abschiebung schützt, ist stets zu überlegen, ob zusätzlich ein Eilantrag bei Gericht gestellt werden sollte. Für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche ab Zustellung des negativen Bescheids, wie sich auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt. Über den Eilantrag entscheidet das Gericht üblicherweise innerhalb weniger Wochen. Der Eilantrag muss deshalb sogleich umfassend begründet werden. Die Entscheidung über den Eilantrag wird auf Grundlage der Akten durch die*den Richter*in getroffen. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Bis eine Entscheidung über den Eilantrag getroffen wird, besteht Abschiebungsschutz.

Hat der Eilantrag Erfolg, ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung an. Die antragstellende Person ist dann bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Klage vor Abschiebung geschützt. Wird der Eilantrag abgelehnt, kann diese Entscheidung nicht mit weiteren Rechtsmitteln angegriffen werden, sie ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Die Abschiebung der betroffenen Person darf dann grundsätzlich vollzogen werden. Treten allerdings nach der gerichtlichen Entscheidung neue Umstände ein (Krankheit, neues Attest, Schwangerschaft etc.), die eine Abschiebung nunmehr unzulässig machen würden, kann bei Gericht ein Antrag auf Abänderung der im Eilverfahren getroffenen Entscheidung gemäß § 80 Absatz 7 VwGO gestellt werden; ist dieser erfolgreich, ordnet das Gericht doch noch die aufschiebende Wirkung der Klage an. Muster für den Eilantrag gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen.

Wichtig: Das Stellen eines Eilantrags führt bei Dublin-Fällen in der Regel dazu, dass die Überstellungsfrist von sechs Monaten neu zu laufen beginnt. Daher sollte der Eilantrag in diesen Fällen nicht leichtfertig und nur von Asylrechtsspezialist*innen gestellt werden. Mehr dazu findet sich beim Punkt >> Das Dublin-Verfahren.

III. Kosten des Verfahrens

Wird ein Rechtsanwalt*eine Rechtsanwältin beauftragt, trägt die Kosten hierfür (zunächst) die geflüchtete Person, da sie den Auftrag erteilt. Grundlage ist der zwischen Anwalt*Anwältin und geflüchteter Person geschlossene Beratungsvertrag, der unterschiedlich ausgestaltet sein kann. In der Regel wird eine Vorschusszahlung vereinbart. Häufig wird hinsichtlich des Restbetrags eine Vereinbarung getroffen, dass dieser in Raten abbezahlt werden kann. Hat die Klage Erfolg, werden der geflüchteten Person die Verfahrenskosten, wozu auch die Kosten für den Rechtsanwalt*die Rechtsanwältin in Höhe der gesetzlichen Gebühren zählen, von der Gegenseite, also dem BAMF erstattet. Es gilt der Grundsatz, dass die unterlegene Partei zahlt. Außerdem besteht die Möglichkeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Voraussetzung ist neben der finanziellen Bedürftigkeit der Klägerin*des Klägers, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Unter Umständen kann über uns auch einen Antrag auf Bezuschussung der Kosten für den Rechtsanwalt*die Rechtsanwältin beim Rechtshilfefonds von PRO ASYL eingereicht werden.

Weitere Informationen:

IV. Fristen und Adresswechsel

Da die Rechtsbehelfsfristen im Asylverfahren sehr knapp bemessen sind, ist nach Erhalt des BAMF-Bescheids Eile geboten. Wie viel Zeit für eine Klage (und einen eventuellen Eilantrag) zur Verfügung steht, hängt von der Art der Ablehnung ab. Die einzuhaltende Frist ergibt sich ebenso wie das zuständige Verwaltungsgericht aus der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids. Die Frist beginnt mit ordnungsgemäßer Zustellung.

Wichtig: Asylbewerber*innen sind während des gesamten Asylverfahrens dazu verpflichtet, den zuständigen Behörden ihre aktuelle Anschrift mitzuteilen (§ 10 Absatz 1 AsylG). Ändert sich also während des Asylverfahrens die Adresse, muss die neue Anschrift unverzüglich dem BAMF, der Ausländerbehörde und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch dem Gericht mitgeteilt werden. Unverzüglich ist die Mitteilung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn der Anschriftenwechsel den im Gesetz genannten Stellen binnen zwei Wochen, gerechnet ab dem tatsächlichen Umzugstag, angezeigt wird. Man kann und darf sich hier nicht darauf verlassen, dass die Behörden die neue Anschrift untereinander austauschen, selbst wenn der Umzug z.B. von der Ausländerbehörde veranlasst wurde. Wird etwa der ablehnende Bescheid an die alte Adresse verschickt, weil die neue Adresse dem BAMF nicht unverzüglich mitgeteilt wurde, läuft man Gefahr, die Klagefrist zu versäumen. Denn die Frist beginnt nach ordnungsgemäßer Zustellung an die dem BAMF bekannte Adresse. Die Mitteilung der neuen Anschrift sollte, wenn möglich, per Fax oder E-Mail erfolgen und stets das Aktenzeichen des BAMF enthalten. Auf diese Weise hat man einen Nachweis, dass die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde. Ein Muster für die Mitteilung der neuen Adresse gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen unter „Asylverfahren“.

V. Weiterführende Arbeitshilfen


Anerkennungsformen

Nach der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommen Geflüchtete einen Brief in einem gelben Umschlag vom BAMF, in dem die Entscheidung über den Asylantrag mitgeteilt wird. Auf diesen sog. Bescheid muss teilweise Monate gewartet werden. Sowohl bei positiven als auch bei negativen Entscheidungen gibt es verschiedene Varianten, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen haben. In diesem Beitrag geht es um die positiven Entscheidungen, die unterschiedlichen Anerkennungsformen: Es gibt vier unterschiedliche Schutzformen.

I. Die vier Anerkennungsformen
II. Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis
III. Rechte und Pflichten nach der Anerkennung
IV. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Die vier Anerkennungsformen

Die Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft

Die erste Variante einer positiven Entscheidung ist die Anerkennung als Asylberechtigte*r gemäß Artikel 16a Grundgesetz und/oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 – § 3e AsylG). In diesen Fällen hat das BAMF festgestellt, dass die asylsuchende Person deshalb gefährdet ist, weil ihr in ihrem Herkunftsland Verfolgung droht. Dabei sind die Hürden für die Asylberechtigung höher als für die Flüchtlingseigenschaft: Die Asylberechtigung setzt zum einen Verfolgung durch den Staat voraus, zum anderen ist sie ausgeschlossen, wenn die Einreise nach Deutschland über einen sogenannten sicheren Drittstaat erfolgt ist. Da das Gesetz alle Nachbarländer Deutschlands als sichere Drittstaaten einstuft, ist die Anerkennung als Asylberechtigte*r bei einer Einreise auf dem Landweg in aller Regel ausgeschlossen. Demgegenüber kann die Flüchtlingseigenschaft auch aufgrund von Verfolgung durch nichtstaatliche Akteur*innen und auch bei Einreise über einen sicheren Drittstaat gewährt werden.

Voraussetzung sowohl für die Asylberechtigung als auch die Flüchtlingseigenschaft ist, dass der Person die Verfolgung wegen ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht. Im Gesetzestext ist bis heute der Begriff „Rasse“ als weiterer Grund angeführt (Hinweis: Allein rassistische Theorien gehen jedoch von der Annahme aus, dass es unterschiedliche menschliche „Rassen“ gibt. Wir halten den Begriff daher für höchst problematisch und distanzieren uns klar von ihm und dahinterstehenden Konzepten. Er wird an dieser Stelle ausschließlich genannt, um auf den rechtlichen Kontext hinzuweisen. In rechtlicher Hinsicht wird der Begriff genutzt, um rassifizierten Menschen Schutz vor Verfolgung zu bieten. Weitere Informationen zum Stand der Diskussion hält das Deutsche Institut für Menschenrechte bereit). Es muss sich also um diskriminierende Verfolgung handeln, die das Wesensmerkmal der Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung ist. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen sowohl der Asylberechtigung als auch der Flüchtlingseigenschaft vor, erhält die Person beide Schutzstatus.

Der subsidiäre Schutz

Liegen die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung nicht vor, prüft das BAMF, ob der subsidiäre Schutz erteilt werden kann. Der in § 4 AsylG geregelte subsidiäre Schutz ist Bestandteil des Asylantrags und muss somit nicht gesondert beantragt werden. Subsidiär ist dieser Schutz, weil er nur hilfsweise für den Fall gewährt wird, dass die Voraussetzungen des „besseren“ Schutzstatus nicht vorliegen. Der subsidiäre Schutz hat gewissermaßen eine Auffangfunktion und soll Schutzlücken schließen, die etwa in Fällen bestehen, in denen zwar keine diskriminierende Verfolgung besteht, im Herkunftsland aber gleichwohl eine unmittelbare Gefahr besteht, die vom Staat oder privaten Akteur*innen ausgeht. Diese Gefahr beschreibt das Gesetz mit dem Begriff des „ernsthaften Schadens“, der der Person im Herkunftsland drohen muss. Mit der „Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe“, „Folter oder unmenschlicher/erniedrigender Behandlung“ und der „Bedrohung des Lebens durch Krieg oder Bürgerkrieg“ zählt § 4 Absatz 1 AsylG die verschiedenen Konstellationen abschließend auf.

 Das nationale Abschiebungsverbot

Wird auch kein subsidiärer Schutz gewährt, prüft das BAMF von Amts wegen stets, ob ein sogenanntes nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Dieses ist nicht Bestandteil des Asylantrags, sondern wird nur anlässlich des Asylantrags geprüft. Bei einem nationalen Abschiebungsverbot wird geprüft, ob der betroffenen Person eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, wenn sie ausreisen muss oder abgeschoben werden soll. Es handelt sich hierbei um sogenannte zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote.

So darf eine Person nicht abgeschoben werden, wenn ihr dadurch die Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechte droht. BAMF und Gerichte gehen teilweise von einem Abschiebungsverbot aus, wenn die Lebensbedingungen für einzelne Schutzsuchende aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen im Herkunftsland einer Verletzung von Artikel 3 EMRK gleichkommen. Unter solchen Umständen könnte dann auch vom vorrangigen subsidiären Schutz auszugehen sein, wobei die Abgrenzung umstritten ist.

Eine Person darf auch nicht abgeschoben werden, wenn ihr im Falle einer Abschiebung erhebliche Gesundheitsgefahren drohen (§ 60 Absatz 7 AufenthG). Dies gilt jedoch nur für lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheiten, die sich durch die Abschiebung akut zu verschlechtern drohen.

II. Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis

Spricht das BAMF im Asylverfahren einen Schutz zu, wird der antragstellenden Person dies in einem Bescheid mitgeteilt. Der Bescheid mit der positiven Entscheidung des BAMF ist noch nicht die Aufenthaltserlaubnis, sondern nur Voraussetzung dafür, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen darf. Zwar gilt der Aufenthalt der anerkannten Person häufig schon mit dem positiven Bescheid als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG), jedoch vergehen regelmäßig Wochen oder Monate, bis man die Aufenthaltserlaubnis in den Händen hält. Die Entscheidung des BAMF und die anschließend erteilte Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde – dies ist das Landratsamt bzw. in den Stadtkreisen und großen Kreisstädten die Stadtverwaltung – sind unbedingt auseinander zu halten. Die Unterscheidung ist insbesondere beim (privilegierten) Familiennachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung wichtig. Die dort einzuhaltende Drei-Monatsfrist (§ 29 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) wird nämlich durch die Bekanntgabe des BAMF-Bescheids, mit dem die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, in Gang gesetzt – und eben nicht erst durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Mehr Informationen dazu unter >> Familiennachzug.

Immer wieder kommt es vor, dass Personen mit Schutzstatus die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verwehrt wird, weil sie die Passpflicht nicht erfüllen. Da Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung Anspruch auf einen blauen Flüchtlingspass haben, betrifft dieses Problem vor allem Personen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot. Von ihnen wird in der Regel erwartet, dass sie die Passpflicht durch die Beschaffung eines Reisepasses ihres Herkunftslandes erfüllen. Allerdings darf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht abhängig gemacht werden. Das geht aus dem Wortlaut des § 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG hervor: Demnach ist bei Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 24 (Schutz nach der Massenzustromrichtlinie) oder § 25 Absatz 1 bis 3 AufenthG (Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, Subsidiärer Schutz) von den Regelerteilungsvoraussetzungen (zu denen die Passpflicht gehört) zwingend abzusehen. Die Ausnahme gilt auch bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (§ 8 Absatz 1 AufenthG).

III. Rechte und Pflichten nach der Anerkennung

Welche Rechte und Pflichten im Anschluss an das Asylverfahren bestehen, hängt von dem Schutzstatus ab, den das BAMF gewährt hat.

Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft

Mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung sind grundsätzlich identische Rechte und Pflichten verbunden. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen der Asylberechtigung vor, sollte die Person vorsorglich dennoch darauf achten, dass in dem Bescheid zusätzlich auch die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, deren Voraussetzungen dann ebenfalls erfüllt sein werden. Während die Asylberechtigung nämlich auf nationales, also deutsches Recht zurückgeht, ist für die Flüchtlingseigenschaft europäisches Recht maßgeblich, über dessen Auslegung der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entscheidet. Um von einer etwaigen günstigen Entscheidung des EuGHs profitieren zu können, muss man aber eine Flüchtlingseigenschaft haben. Ein aktuelles Beispiel liefert die Rechtsprechung des EuGH zum Familiennachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft (>> Familiennachzug). Es erscheint zweifelhaft, ob sich auf diese Rechtsprechung auch eine Person berufen kann, die „nur“ eine Asylberechtigung hat. Darauf kommt es jedoch nicht an, wenn man beide Schutzstatus besitzt.

Sowohl Asylberechtigung als auch Flüchtlingseigenschaft vermitteln einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 1 AufenthG) die für drei Jahre erteilt wird (§ 26 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).

Zwischen der Anerkennung durch das BAMF und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis liegt häufig ein relativ langer Zeitraum. Der Aufenthalt gilt aber kraft Gesetzes bereits ab der Anerkennung als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG). Personen sind also bereits mit der Anerkennung so zu behandeln, als hätten Sie die Aufenthaltserlaubnis schon in den Händen. In der Praxis wird für diesen Übergangszeitraum meist eine Bescheinigung über die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis oder eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

Nach Ablauf der drei Jahre wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere drei Jahre verlängert (§ 8 Absatz 1 AufenthG), sofern der Schutzstatus weiterhin besteht und nicht schon die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis erfüllt sind. Dabei muss die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – und das gilt für jeden anderen Aufenthaltstitel auch – immer rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch gilt, bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gilt der Aufenthaltstitel und damit verbundene Rechte, etwa die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, als fortbestehend (§ 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Es besteht ein Anspruch auf die Ausstellung einer Bescheinigung darüber, die sog. Fiktionsbescheinigung (§ 81 Absatz 5 AufenthG).

Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, d.h. sowohl zu einer abhängigen Beschäftigung als auch zu einer selbstständigen Tätigkeit (§ 25 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 Satz 2 und § 2 Absatz 2 AufenthG). Es besteht ein Anspruch – und häufig auch die Pflicht – zur Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 1 Nr. 1 c, § 44a Absatz 1 AufenthG). Der Teilnahmeanspruch erlischt – sofern man keine „Entschuldigungsgründe“ hat – ein Jahr nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (§ 44 Absatz 2 AufenthG), Details siehe unter >> Sprachförderung.

Sozialrechtlich sind Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt. Sie scheiden mit rechtskräftiger Anerkennung aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes aus und fallen in die „normalen“ sozialrechtlichen Sicherungssysteme. Kann der Lebensunterhalt also nicht (vollständig) aus eigener Kraft gesichert werden, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Absatz 1 SGB II), bei Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII. Für einen nahtlosen Leistungsbezug sollte nach der Anerkennung unverzüglich ein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden (Jobcenter/Sozialamt). Es besteht ebenfalls Zugang zu BAföG und Leistungen der Berufs- und Ausbildungsförderung, wenn die persönlichen Voraussetzungen (z.B. Altersgrenze) erfüllt sind.

Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung steht das Recht auf Familiennachzug uneingeschränkt zu (>> Familiennachzug).

Als Person mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung besteht der Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Geflüchtete, den sog. „blauen Pass“ (Artikel 28 Genfer Flüchtlingskonvention = GFK, § 2 Absatz 1 AsylG). Dieser ermöglicht das Reisen nach Maßgabe der jeweiligen Visabestimmungen der Ziel- und Durchreisestaaten. Eine Reise in den Herkunftsstaat ist aber nicht zulässig, was auch ausdrücklich im Reiseausweis vermerkt wird. Reisen in das Herkunftsland gefährden den Status als Person mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. Hiervon ist also dringend abzuraten. Aus demselben Grund ist Vorsicht bei der Nutzung und Verlängerung des eigenen Nationalpasses geboten, der der*dem Besitzer*in spätestens nach der Anerkennung wieder auszuhändigen ist.

Der subsidiäre Schutz

Die Rechte und Pflichten beim subsidiären Schutz entsprechen in vielerlei Hinsicht denen bei der Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. In einigen Punkten sind die Rechtspositionen beim subsidiären Schutz aber deutlich schwächer. Dies ist ein Grund, warum eine Klage gegen die Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft sinnvoll sein kann.

So besteht ebenfalls ein strikter Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG), die ebenfalls automatisch, d.h. ohne gesonderte Erlaubnis durch die Ausländerbehörde, zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Allerdings wird die Aufenthaltserlaubnis bei erstmaliger Erteilung nur für ein Jahr, bei Verlängerung dann für zwei weitere Jahre erteilt (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat auch, wer gegen den BAMF-Bescheid klagt, um die Flüchtlingseigenschaft zu erhalten. Die Ausländerbehörde darf die Aufenthaltserlaubnis also nicht – wie es bisweilen in der Praxis zu beobachten ist – unter Hinweis auf das teilweise noch bei Gericht laufende Klageverfahren verweigern. Der subsidiäre Schutzstatus kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht wieder verloren gehen; dort kann man sich also nur „verbessern“.

Ebenso wenig darf die Ausländerbehörde die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für eine Person mit subsidiärem Schutz verweigern mit der Begründung, dass kein Pass vorliegt. Subsidiär Schutzberechtigte sind zwar möglicherweise verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden. Denn das Gesetz  regelt unmissverständlich, dass bei der der Erteilung von Aufenthaltstiteln wie dem subsidiären Schutz von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgesehen wird (§ 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG) . Zu diesen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gehört auch die Erfüllung der Passpflicht. Damit sich die Personen nicht wegen passlosen Aufenthalts strafbar machen, ist der Aufenthaltstitel zwingend als Ausweisersatz auszustellen (§ 48 Absatz 4 AufenthG), mit dem wiederum die Passpflicht für den Aufenthalt in Deutschland erfüllt wird.

Einer der gravierendsten Nachteile gegenüber Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung besteht derzeit noch beim Familiennachzug. Dieser ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich, und zwar für maximal 1.000 Personen im Monat (>> Familiennachzug).

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Deutschland subsidiär Schutzberechtigten nicht automatisch ein Reisedokument ausstellt. Sie werden grundsätzlich darauf verwiesen, bei ihrer „Heimatbotschaft“ die Verlängerung bzw. Ausstellung des Reisepasses zu beantragen. Nur wenn sie dort keinen Nationalpass erhalten können, z.B. weil ihnen die Beantragung nicht zumutbar ist, wird ein „Reiseausweis für Ausländer“, der umgangssprachlich „grauer Pass“ genannt wird, ausgestellt (§ 5 und § 6 AufenthV sowie Artikel 25 Absatz 2 der Qualifikationsrichtlinie). Für eritreische Staatsangehörige beispielsweise hat das Bundesverwaltungsgericht am 11.10.2022 entschieden, dass sie Anspruch auf einen Reiseausweis für Ausländer haben, weil es ihnen nicht zumutbar ist, eine „Reueerklärung“ zu unterzeichnen (Az. 1 C 9.21). Die Ausstellung des Reiseausweises dürfe dem Urteil entsprechend nicht mit der Begründung verweigert werden, die Person könne einen Pass ihres Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat (hier: Eritrea) die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer „Reueerklärung“ knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und die betroffene Person plausibel darlegt, dass sie die Erklärung nicht abgeben will.

Schließlich sind die Voraussetzungen, unter denen subsidiär Schutzberechtigte eine Niederlassungserlaubnis erhalten, strenger als bei Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung (>> Aufenthaltsverfestigung).

Das nationale Abschiebungsverbot

Der schwächste Schutz, der im Asylverfahren gewährt werden kann, ist das nationale zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot. Mit ihm gehen die wenigsten Rechte einher. Zwar wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn das BAMF ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot feststellt. Es besteht aber kein strikter Rechtsanspruch, denn das Gesetz sagt nicht, dass die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen „ist“, sondern dass sie erteilt werden „soll“ (§ 25 Absatz 3 Satz 1 AufenthG) und zwar mindestens für ein Jahr (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Nach einer Gesetzesänderung vor einiger Zeit sind auch Personen mit Abschiebungsverbot zu jeder Form der Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 4a Absatz 1 AufenthG), es bedarf also keiner Erlaubnis durch die Ausländerbehörde. Ein Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs besteht aber nach wie vor nicht. Im Rahmen verfügbarer Kapazitäten können betroffene Personen vom BAMF auf Antrag im Ermessenswege zugelassen werden und sind bei der Auswahl vorrangig zu berücksichtigen (>> Sprachförderung). Auch in anderen Bereichen, etwa beim Zugang zu BAföG, bestehen im Detail Nachteile gegenüber den zuvor genannten Gruppen.

Wie bei subsidiär Schutzberechtigten darf die Ausländerbehörde auch die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nicht mit der Begründung verweigern, dass kein Pass vorliegt. Menschen mit Abschiebungsverbot sind zwar in der Regel verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden, weil auch die Erfüllung der Passpflicht keine Erteilungs-/Verlängerungsvoraussetzung ist. Zur Vermeidung einer Strafbarkeit wegen passlosen Aufenthalts in Deutschland sieht das Gesetz auch hier die obligatorische Ausstellung eines Ausweisersatzes vor.

IV. Weiterführende Arbeitshilfen

  • Informationsverbund Asyl und Migration, Oktober 2022: Schutzformen