SG Kassel: Keine Leistungskürzung bei fehlenden Mitwirkungspflichten bei Somalia

Das Sozialgericht Kassel hat am 27.08.2021 (Az: S 11 AY 17/21 ER) im Eilverfahren entschieden, dass dem somalischen Kläger die Sozialleistungen nicht gekürzt werden dürfen. Der Betroffene weigerte sich, die für die Ausstellung eines somalischen Passes erforderliche Freiwilligkeitserklärung zur Ausreise zu unterschreiben. Daraufhin wurden seine Leistungen nach §1a Abs. 3 AsylbLG mit der Begründung gekürzt, die Abschiebung sei aus selbst zu vertretenden Gründen nicht durchführbar. Das sieht das SG Kassel anders, denn „zum einen ist die fehlende Passbeschaffung subjektiv nicht vorwerfbar, weil die dem tatsächlichen Willen entgegenstehende Erklärung zur freiwilligen Ausreise aus Deutschland nicht abverlangt werden kann und zum anderen Absicht und gegenwärtige Möglichkeit einer Abschiebung nach Somalia überhaupt zweifelhaft sind.“

Zudem merkt das Gericht an, dass es grundsätzliche verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG gebe. Entsprechende Vorlagen liegen bereits beim Bundesverfassungsgericht.

Das SG Kassel bestätigt damit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (U.v. 30.10.2013 – B 7 AY 7/12 R) zur Unzumutbarkeit der Unterzeichnung einer Erklärung entgegen des eigenen Willens. Dies sieht das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 10.11.2009 – 1 C 19.08) anders, weswegen zwar keine Leistungseinschränkungen erfolgen dürfen, aber z.B. ein Arbeitsverbot oder eine sog. Duldung Light verhängt werden können.

Wichtig ist allerdings, dass dem SG Kassel keine Erkenntnisse vorliegen, dass derzeit Abschiebungen nach Somalia möglich seien. Dies stellt auch die Praxis der Verhängung von Arbeitsverboten und einer sog. Duldung Light in Frage.


Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg

Die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg wurde evaluiert. Die Evaluation wird allerdings (noch) nicht veröffentlicht, sondern in einer nicht-öffentlichen Sitzung diskutiert. Dies wirft Fragen auf. Die Initiative LEA Watch richtet sich mit einem Offenen Brief an die Stadt Freiburg. Kritisiert wird darüber hinaus, dass bei Begehungen der LEA nicht die Sichtweisen von Geflüchteten und anderer Initiativen erfragt wurden. Der Eindruck entsteht, dass die Evaluation sich nur aus den einseitigen Informationen des Regierungspräsidiums speist. Die Initiative fordert, dass die Stadt ihre kommunalpolitischen Handlungsspielräume nutzt und sich mit den Zuständen in der LEA auseinandersetzt sowie Verantwortung übernimmt.

Der Brief gibt außerdem einen Überblick über die Bedingungen der Unterbringung in der LEA Freiburg.


Asylfolgeanträge von Afghan*innen

Wer einen Asylfolgeantrag stellen möchte, sollte sich zuerst beraten lassen, denn das macht nicht in allen Fällen Sinn. Auch sollte man wissen, dass das BAMF nur bedingt über (Folge)Asylanträge entscheidet. D.h. die allermeisten Anträge werden erstmal liegen gelassen. Indizien, die für einen Asylfolgeantrag sprechen, finden sich in der Ablehnung des vorherigen Asylverfahrens. Wurde dieses aufgrund einer „inländischen Fluchtalternative“ trotz Verfolgung durch die Taliban abgelehnt, spricht das für einen Asylfolgeantrag. Auch in diesen Fällen sollte Beratung aufgesucht werden.

Weitere detaillierte Informationen über den Zeitpunkt der Folgeantragsstellung und Hinweise für verschiedene Personengruppen finden sich hier:



Keine Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsfirmen

Das kommerzielle Sicherheitsgewerbe bietet Dienstleistungen u.a. in Erstaufnahmeeinrichtungen an. Hier setzt deren Personal grundrechtsverletzende Hausordnungen um und Geflüchtete sind ihnen ausgeliefert. Auf Bundesebene gab es seitens der vorigen Regierung Bestrebungen zur Ausweitung der Befugnisse privater Sicherheitsdienstanbieter (vertagtes Sicherheitsdienstleistungsgesetz). Im Raum stehen unter anderem Vorschläge, wonach private Sicherheitsdienstleister hoheitliche Aufgaben übernehmen und unter anderem Personenkontrollen durchführen oder auch Platzverweise erteilen dürften. Ein bundesweites Bündnis, zu dem auch die Landesflüchtlingsräte gehören, kritisiert dieses Vorhaben.


Tag des Flüchtlings: Lesung „Schreiben ohne Grenzen“

Auf der Suche nach einer transnationalen Sprache, die uns befreit und uns zu uns selbst führt.“

Zum diesjährigen Tag des Flüchtlings lädt der Flüchtlingsrat gemeinsam mit DaMigra e.V. zu einer digitalen Lesung und Abschlussveranstaltung der Schreibwerkstatt des Mutmacher*innen Projektes ein.

Ziel der Schreibwerkstatt „Schreiben ohne Grenzen“ ist es Frauen mit Flucht und Migrationsgeschichte die Ressource des Schreibens näherzubringen und sie somit zu empowern ihre Themen und Erlebnisse mitzuteilen und an der Kulturschaffung im Exil teilzuhaben.

Am 1. Oktober ab 18:30 Uhr präsentieren Tara Bonyad, Dima Sehwail und Benafsha Behishty Rahmani Auszüge aus ihren Werken. In diesem Rahmen soll den Frauen aus Palästina, Afghanistan und dem Iran Gehör für ihre Stimme und Belange verschafft werden.

Wählen Sie sich gerne über folgende Zugangsdaten ein:

https://zoom.us/j/92449604418?pwd=Y1ZOb09ObWU2U1NYVFlrdTdPMng5dz09

Meeting-ID: 924 4960 4418
Kenncode: 803481


Die Lesung wird über Zoom stattfinden – die entsprechenden Datenschutzhinweise finden Sie hier.


Online-Veranstaltung für Afghan*innen in Deutschland

In der spannenden Informationsveranstaltung geht es um viele brennende Fragen von Afghan*innen rund um Folgeanträge, Familiennachzug und die Ausreise aus Afghanistan. Es wird eine Übersetzung auf dari geben und es bietet sich an, die Veranstaltung gemeinsam mit Betroffenen anzuschauen. Organisiert wird die Veranstaltung von dem Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., den niedersächsischen IvAF-Netzwerke AZF3, Netwin 3 und TAF und FairBleib Südniedersachsen-Harz.

Zugang: online unter https://t1p.de/z1al, Meeting-ID: 946 9539 6662, Kenncode: YE3Nz8

Referentinnen:

  • RA’in Claire Deery (Fachanewältin für Migrationsrecht)
  • Annika Hesselmann (Flüchtlingsrat Niedersachsen, Familienzusammenführung)
  • Maryam Mohammadi (Flüchtlingsrat Niedersachsen, Ausreisemöglichkeiten)

    Weitere Informationen:

Online-Seminar: Das AsylbLG: Wem steht wieviel zu?

Personen im Asylverfahren (mit einer Aufenthaltsgestattung) und nach abgelehntem Asylverfahren (mit einer Duldung) erhalten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In diesem online-Seminar schauen wir uns die Grundlagen des Asylbewerberleistungsgesetzes an. Insbesondere geht es um die Leistungshöhe und die gängigsten Leistungskürzungen. Die Veranstaltung richtet sich an Personen ohne Vorkenntnisse im Asylbewerberleistungsgesetz, die sich immer wieder fragen bzw. gefragt werden, wieviel monatliche Leistungen einer gestatteten/geduldeten Person eigentlich zustehen.

Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit

Referentin: Maren Schulz (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor dem Seminar.

Zur Anmeldung.

Dieses Online-Seminar wird in Kooperation mit Landratsamt Hohenlohekreis durchgeführt und findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.


Studie: „Bedeutet unser Leben nichts?“

Neu ankommende Geflüchtete werden in Deutschland in umzäunten Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, in für mehrere hundert Menschen konzipierten Massenunterkünften, die den ersten Eindruck und das beginnende Leben in Deutschland wesentlich prägen. Die Isolation dort behindert das Ankommen und die Integration. Es fehlt der Zugang zu Beratung oder Rechtsbeistand – viele der Betroffenen stehen sowohl im Asylverfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Unterstützung da. Und Großunterkünfte für Flüchtlinge sind stigmatisierende Zeichen der Ausgrenzung, werden häufig zum Ziel von Hasskampagnen.

Eine neue Studie lässt nun die Betroffenen selbst ausführlich zu Wort kommen. Dr. Nikolai Huke von der Universität Kiel hat mit Bewohner*innen vor allem von Erstaufnahmeeinrichtungen gesprochen. Die Interviews machen nachvollziehbar, wie sich das alltägliche Leben dort gestaltet und zeigen auf berührende Weise die kleinen und großen Herausforderungen und Belastungen. Dies ist auch deshalb ein wichtiger Beitrag, weil der Zivilgesellschaft der ungehinderte Zugang in die Erstaufnahmelager und damit ein kritischer Blick auf deren innere Verhältnisse mancherorts verwehrt wird. Die Äußerungen der Betroffenen führen einmal mehr zu der Erkenntnis, dass die Bedingungen dort weder dem Wohl der betroffenen Menschen noch der Gesellschaft dienlich sind.

Pro Asyl (Hrsg.) 2021: „Bedeutet unser Leben nichts?“


Neuer Bericht zur Situation geflüchteter Frauen und Mädchen

Geflüchtete Frauen und Mädchen sind oft Gewalt ausgesetzt und haben schwierigeren Zugang zu Unterstützung bei Gewaltvorfällen – und das nicht allein im Herkunftsland. Ihre Lebenswirklichkeit ist an vielen Stationen ihres Lebens, in vielerlei Hinsicht und durch verschiedene Täter*innen von Gewaltverhältnissen geprägt. Dies betrifft häufig auch den monate- oder jahrelangen Fluchtweg und endet nicht mit der Ankunft in Deutschland.

Im Februar 2018 trat die Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft. Diese sogenannte „Istanbul-Konvention“ hat den Zweck, Frauen vor Gewalt zu schützen, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, zu verfolgen und zu beseitigen, Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu fördern sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen.

Ein aktueller Bericht geht nun der Frage nach, inwieweit die zentrale Verpflichtung der Istanbul-Konvention, der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt und ihre Bekämpfung, in Bezug auf geflüchtete Menschen in Deutschland umgesetzt ist, und zeigt auf, wo noch Verbesserungen notwendig sind. Verfasserinnen dieses Berichts sind Expertinnen von Flüchtlingsräten aus den Bundesländern Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, von PRO ASYL und der Universität Göttingen.


„Wir schaffen das!“ … seit 6 Jahren! Und wie geht es weiter?

Mit diesem Fachtag lädt die Evangelische Erwachsenenbildung Ortenau ein zum Austausch über Erfahrungen, Positionierungen und (Heraus-)Forderungen im Prozess der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund und bietet einen fundierten Überblick zu den entsprechenden aktuellen politischen Entwicklungen.

Geplant sind folgende Inhalte:
Aktuelle Entwicklungen der europäischen Migrationspolitik und Informationen zur Lage an den EU-Außengrenzen bzw. landespolitische Entwicklungen
Aufenthaltsverfestigung: Der Weg von der Aufenthaltserlaubnis zur Niederlassungserlaubnis
Trauma und Ehrenamtliche

Das Angebot richtet sich sowohl an ehrenamtliche Engagierte als auch an Fachkräfte aus den Bereichen Flüchtlingssozialarbeit und weiteren Unterstützungssystemen für geflüchtete Menschen.

Referent*innen:
Jürgen Blechinger, Jurist im Bereich Flucht, Migration und Interkulturelle Kompetenz, Referent für Flucht und Migration/Stabsstelle Migration, Diakonisches Werk Baden
Giles Stacey, Diakonisches Werk Offenburg
Lea Gräß, Caritas Ulm

Termin: Sa. 02.10.2021, 10:30 Uhr

Ort: Grimmelshausen-Gymnasium, Gymnasiumstr. 9, Offenburg

Anmeldung sind über die Homepage der Evangelischen Erwachsenenbildung möglich.