Flüchtlingsrat enttäuscht: Neuer Erlass läuft weitgehend leer

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bewertet die neuen Anwendungshinweise zu § 25b AufenthG kritisch. Der Erlass ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, er kommt jedoch viel zu spät und enttäuscht auch inhaltlich.

Die Anwendungshinweise soll(t)en zu einer häufigeren Verkürzung der für ein Bleiberecht nach § 25b AufenthG regelmäßig erforderlichen Voraufenthaltszeit von acht bzw. sechs Jahren führen. Ein entsprechender gesetzlicher Spielraum besteht seit Inkrafttreten der Vorschrift im August 2015. Dieser blieb jedoch in der ausländerbehördlichen Praxis unverständlicherweise jahrelang ungenutzt. Die vom Flüchtlingsrat seit langem geforderten und im Koalitionsvertrag versprochenen Anwendungshinweise werden nun eine derart kurze Halbwertzeit haben, dass ihr praktischer Wert gegen Null geht. In wenigen Monaten wird die nach § 25b AufenthG erforderliche Voraufenthaltszeit durch das Chancenaufenthaltsrechtsgesetz ohnehin auf sechs bzw. vier Jahre abgesenkt. Dann soll der Erlass schon wieder Makulatur sein, worauf das federführende Justizministerium in seinem Begleitschreiben spürbar genüsslich hinweist. Die neuen Anwendungshinweise, für deren Erlass die Landesregierung über ein Jahr gebraucht hat, werden also schon in wenigen Monaten wieder nutzlos sein. „Die Landesregierung lässt sich dafür feiern, ein längst überfälliges Vorhaben endlich umgesetzt zu haben – und torpediert dessen Zweck mit dem Begleitschreiben gleich wieder“, so Meike Olszak, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Besonders eklatant ist die zeitliche Verschleppung auch deshalb, weil der Erlass in großen Teilen von den Anwendungshinweisen aus Nordrhein-Westfalen kopiert wurde, die schon deutlich früher erlassen wurden.

Auch inhaltlich bleiben die baden-württembergischen Anwendungshinweise hinter den Erwartungen sowie hinter bereits erlassenen Hinweisen in anderen Bundesländern zurück. Im Vergleich zu den nordrhein-westfälischen Hinweisen lässt der Erlass aus Baden-Württemberg den Ausländerbehörden an entscheidenden Stellen Ermessensspielräume bei der Verkürzung der Aufenthaltszeiten. Laut nordrhein-westfälischem Erlass muss die Ausländerbehörde die Voraufenthaltszeit zwingend um zwei Jahre verkürzen, wenn die betroffene Person ein B2 Sprachniveau nachweisen kann. Die baden-württembergischen Hinweise überlassen diese Absenkung der Aufenthaltszeit bei entsprechender sprachlicher Qualifikation hingegen dem Ermessen der Ausländerbehörde. Zu bemängeln ist auch, dass die nun erlassenen Hinweise entgegen der Versprechungen im Koalitionsvertrag nicht alle vorhandenen Spielräume nutzen. Der Erlass enthält zwar Vorgaben, welche besonderen Integrationsleistungen eine Absenkung der Aufenthaltszeit um zwei Jahre rechtfertigt. Er schafft es aber nicht, den Ausländerbehörden verständlich darzulegen, dass auch Integrationsleistungen, die diesen Vorgaben nicht ausnahmslos entsprechen, in der Gesamtschau aller Integrationsleistungen ein Absenken der Aufenthaltszeit begründen können. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Ausländerbehörden diese Leistungen nicht entsprechend würdigen. „Es ist für uns nicht verständlich, warum die Landesregierung ein Jahr damit vergeudet hat, die bereits bestehenden Anwendungshinweise aus NRW größtenteils zu kopieren, um dann einen Erlass zu präsentieren, der an entscheidenden Stellen die vorhandenen Spielräume nicht ausschöpft und daneben auch noch schwer verständlich ist. Während es die Ministerialverwaltung damit einmal mehr geschafft hat, den augenscheinlich so verhassten Spurwechsel so schwer wie möglich zu machen, müssen sich die Grünen die Frage gefallen lassen, wie sie eine humane Migrationspolitik fordern und sich gleichzeitig so vom CDU-geführten Justizministerium am Nasenring durch die Manege führen lassen können.“ so Sebastian Röder vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg abschließend.


Informationsflyer für Geflüchtete und freiwillige Helfer*innen

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Deutschland hat verschiedene Materialien erstellt, um Geflüchtete insbesondere aus der Ukraine und ehrenamtliche Helfer*innen zu unterstützen. Sie stehen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch online zur Verfügung.


Neues Beratungsangebot des BumF e.V. mit ukrainischer Übersetzung

Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) bietet ab Mitte August eine kostenlose Beratung mit ukrainischer Übersetzung an. Mit besonderem Augenmerk auf die ukrainischen geflüchteten Kinder und Jugendliche haben zwei neue Projekte begonnen, deren Ziel ist, die Beratung der geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine in Deutschland zu unterstützen.

  • Das erste Projekt richtet sich an Fachkräfte und Ehrenamtliche, die sich um ukrainische Kinder und Jugendliche kümmern. Das Team vom BumF berät sowohl schriftlich als auch mündlich in zwanzigminütigen Beratungslots mit Dolmetscher*in.
  • Schriftliche Anfragen (auch auf Ukrainisisch) können an beratung@b-umf.de geschickt werden. Eine Buchung von Beratungsterminen mit ukrainischer Übersetzung ist ebenfalls möglich. Das Team vom BumF bittet darum, ihnen vorab die Fragen zuzuschicken, um eine möglichst kompetente Beratung zu ermöglichen.
  • Das zweite Projekt richtet sich an Fachkräfte aus öffentlicher und freier Jugendhilfe bundesweit. Sie können zur Situation unbegleiteter Minderjähriger sowie Minderjähriger in Familienbegleitung aus der Ukraine beraten.
  • Das Projekt verbindet die Einzelfallberatung von Fachkräften, die den ukrainischen Kinder, Jugendlichen und Familien helfen, mit der Erarbeitung von Arbeitshilfen für Fachkräfte einerseits und dem Transfer der Bedarfe von jungen ukrainischen Geflüchteten wie Fachkräften in Politik und Fachöffentlichkeit.


Sigmaringen: Workshop „Zweiklassengesellschaft?“

Tausende Ukrainer*innen fliehen vor dem Krieg in ihrem Heimatland und werden mit offenen Armen empfangen. Sie erhalten schnell eine Aufenthaltserlaubnis mit vielen Privilegien, es gibt spezielle Freizeit- und Beratungsangebote für sie und sogar die Sendung mit der Maus ist nun auf Ukrainisch verfügbar. Das ist toll. Aber warum geht das nicht für alle Geflüchtete? Es ist ungerecht, dass nicht alle Geflüchteten die gleiche Unterstützung erfahren. Liegt es vielleicht an der Nähe zu Europa, an der hellen Hautfarbe oder am Feindbild Russland, dass Ukrainer*innen so viel besser aufgenommen werden? In diesem Workshop beschäftigen wir uns mit Ungleichbehandlung. Wir diskutieren sowohl Gründe und Folgen von Ungleichbehandlung, als auch wie man ihr entgegentreten, Brücken bauen und eine Zweiklassengesellschaft vermeiden kann. Politische, gesellschaftliche und persönliche Ebenen verschränken sich und es ist wichtig, sich im Engagement für Geflüchtete – egal woher sie kommen – zu positionieren.

Referentin: J. Khatib-Saleh (Empowerment Trainerin)

Ort: Landratsamt Sigmaringen (Raum: AB), Leopoldstraße 4, 72488 Sigmaringen

Der kostenlose Workshop richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Region Sigmaringen. Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt. Ggf. wird es eine Warteliste geben.

Wir bitten um Anmeldung bis zum 23. September 2022 telefonisch (07571-1026336) oder per E-mail (sanja.muehlhauser@lrasig.de).

Bitte bringen Sie bei Bedarf ggf. einen Mund-Nasen-Schutz mit.

Den Workshop veranstalten in Kooperation der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und das Landratsamt Sigmaringen/Fachbereich Recht und Ordnung. Er findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.


Ravensburg: Workshop „Zweiklassengesellschaft?“

Tausende Ukrainer*innen fliehen vor dem Krieg in ihrem Heimatland und werden mit offenen Armen empfangen. Sie erhalten schnell eine Aufenthaltserlaubnis mit vielen Privilegien, es gibt spezielle Freizeit- und Beratungsangebote für sie und sogar die Sendung mit der Maus ist nun auf Ukrainisch verfügbar. Das ist toll. Aber warum geht das nicht für alle Geflüchtete? Es ist ungerecht, dass nicht alle Geflüchteten die gleiche Unterstützung erfahren. Liegt es vielleicht an der Nähe zu Europa, an der hellen Hautfarbe oder am Feindbild Russland, dass Ukrainer*innen so viel besser aufgenommen werden? In diesem Workshop beschäftigen wir uns mit Ungleichbehandlung. Wir diskutieren sowohl Gründe und Folgen von Ungleichbehandlung, als auch wie man ihr entgegentreten, Brücken bauen und eine Zweiklassengesellschaft vermeiden kann. Politische, gesellschaftliche und persönliche Ebenen verschränken sich und es ist wichtig, sich im Engagement für Geflüchtete – egal woher sie kommen – zu positionieren.

Referentin: J. Khatib-Saleh (Empowerment Trainerin)

Ort: Kreativzentrum Ravensburg in der Kapuzinerstr. 27, 88212 Ravensburg

Der kostenlose Workshop richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Region Ravensburg. Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt. Ggf. wird es eine Warteliste geben.

Wir bitten um Anmeldung bis zum 23. September 2022 telefonisch (0751 – 85 9863) oder per E-mail (e.militz@rv.de).

Bitte bringen Sie bei Bedarf ggf. einen Mund-Nasen-Schutz mit.

Den Workshop veranstalten in Kooperation der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und das Amt für Migration und Integration des Landkreises Ravensburg. Er findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.


Broschüre: Die Situation geflüchteter junger Menschen in Deutschland

Der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF) verschafft sich mithilfe einer Online-Umfrage unter Fachkräften der Kinder-und Jugendhilfe jährlich einen Überblick über die Situation von jungen Geflüchteten in Deutschland. In der nun vorliegenden Auswertung für 2021 wird neben der Situation der unbegleiteten Minderjährigen und jungen Erwachsenen auch auf die Situation von Jugendlichen in Familienbegleitung eingegangen.


Solidarität mit Afghanistan: Kundgebung in Stuttgart

Ein breites Bündnis ziviligesellschaftlicher Initiativen und Organisationen ruft unter dem Motto „Solidarität mit Afghanistan“ zur Kundgebung am Samstag, dem 13.08.2022, von 14-16 Uhr am Schlossplatz in Stuttgart auf. Seit der Machtübernahme der Taliban vor genau einem Jahr ist die Lage für viele Menschen dort verheerend. Sadiq Zartila, Mitglied im Sprecher*innenrat des Flüchtlingsrats Baden-Württmeberg, schreibt für das Bündnis der Kundgebung:

„Durch den überstürzten Abzug des westlichen Militärs aus Afghanistan ist die Macht im Land wieder in die Hände der Terrororganisation Taliban gefallen. Mein Heimatland Afghanistan ist dadurch zum wiederholten Male zum Zentrum des internationalen Terrorismus geworden. Alle Ansätze einer demokratischen Entwicklung, die in den letzten 20 Jahren so mühsam erkämpft und erarbeitet wurden, sind zerstört, liberale und fortschrittliche Menschen werden verfolgt und ermordet, das Land steht wieder am Abgrund.

Die Wirtschaft des Landes liegt brach, selbstverständliche und notwendige Infrastruktur funktioniert nicht mehr. Hausdurchsuchungen und brutale Gewalt gegen Zivilisten schürt Angst und zwingt Millionen Menschen, aus dem Land zu fliehen. Nach Einschätzung der Welthungerhilfe WHO hungern 20 Millionen Afghanen, das ist die Hälfte der Bevölkerung. Frauen haben nahezu keine Rechte mehr, sie dürfen keiner Arbeit nachgehen, Mädchen dürfen nicht zur Schule. Tagtäglich verletzten die Milizen der Taliban die Menschenrechte der Bevölkerung und üben Terror aus.

Wir sind in großer Sorge um die Menschen im kommenden Winter und um die Zukunft des Landes. So wie die Situation sich entwickelt, bahnt sich neben der katastrophalen Lage der Menschenrechte auch eine humanitäre Katastrophe am Hindukusch an, dort wo Deutschland unsere deutsche Demokratie verteidigen wollte.

Es ist dringend notwendig, dass die Bundesrepublik gemeinsam mit der EU die Not in Afghanistan abwendet und sich für ein freies, unabhängiges und neutrales Afghanistan einsetzt, in dem die grundlegenden Menschenrechte gelten.

Der Bundestag setzte am 8. Juli 2022 mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Enquete-Kommission ein, welche die Umstände des Abzugs der Bundeswehrtruppen aus Afghanistan im August 2021 aufklären soll. Der Auftrag der Kommission umfasst 38 Punkte. Im Ergebnis soll ein Gesamtbild entstehen zum Entscheidungsverhalten der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr und anderer NATO-Kräfte und Diplomaten sowie der Evakuierung von Menschen im Zusammenhang mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Zuge des Doha-Abkommens. Der Untersuchungsausschuss soll zudem Empfehlungen geben, wie Fehler zukünftig vermieden werden können.

Wir haben in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen:

  • Was unternimmt die Bundesregierung gegen die kommende humanitäre Katastrophe in Afghanistan?
  • Wie nützlich ist die Arbeit der Enquete-Kommission für den Friedensprozess in Afghanistan?
  • Wie sieht das nachhaltige Engagement der Bundesrepublik in Afghanistan aus?
  • Inwieweit hat die Bundesrepublik die gesetzten Ziele – Aufbau der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan – nach dem 11. September 2001 in Afghanistan erreicht oder warum nicht erreicht?
  • Internationale Terroristen sammeln sich erneut in Afghanistan, weil sie die Unterstützung der Taliban genießen, wie geht die Bundesregierung und die EU mit dieser Tatsache um?
  • Die Taliban finanzieren sich durch den Anbau und Vertrieb von Opium und vergiften dadurch das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt, wie ist die Haltung der Bundesrepublik dazu?
  • Wie unterstützt die Bundesrepublik die fortschrittlichen und demokratischen Kräfte in Afghanistan?
  • Viele Intellektuelle und Menschenrechtler*innen, die sehr gefährdet sind, insbesondere die Frauenaktivistinnen befinden sich immer noch im Land. Wie sollen diese Menschen geschützt werden?
  • Im Land befinden sich immer noch die ehemaligen Ortskräfte und deren Familien, was passiert mit diesem Personenkreis?

Bitte unterstützt die fortschrittlichen Kräfte für ein neutrales und unabhängiges Afghanistan!
Afghanistan braucht Solidarität und Beistand, und kein Mitleid!“


EuGH: Geburt in Deutschland begründet Recht auf deutsches Asylverfahren

Mit Urteil vom 01.08.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass ein Kind, das im Bundesgebiet auf die Welt kommt, Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hat. Der Antrag auf internationalen Schutz des Kindes darf nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt werden, dass dessen Eltern bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist (Az: C-720/20).

Im konkreten Fall ging es um eine in Deutschland geborene russische Minderjährige. Deren Eltern und Geschwister wurden in Polen als Flüchtlinge anerkannt, reisten dann aber im Dezember 2012 nach Deutschland weiter. Hier lehnte das BAMF ihren Asylantrag aufgrund der Anerkennung in Polen als unzulässig ab und drohten ihnen die Abschiebung an. Das Paar bekam dann ein weiteres Kind, für das ein Asylantrag in Deutschland gestellt wurde. Das BAMF lehnte den Asylantrag ab, da es Art. 20 Abs. 3 Dublin-III Verordnung analog für auf nachgeborene Kinder von in einem anderen Mitgliedstaat Anerkannten anwendbar hielt und verwies auf Polen. Das Verwaltungsgericht Cottbus legte den Streit dem EuGH zur Klärung vor. Dieser entschied nun, dass Art. 20 Abs. 3 Dublin-III Verordnung nur für Dublin-Fälle gilt und nicht analog auf Anerkannte übertragbar sei. Das Kind sei weder über Polen nach Deutschland eingereist noch habe es dort einen Asylantrag gestellt. Deutschland ist deshalb für das Asylverfahren des in Deutschland geborenen Kindes zuständig und muss darüber auch inhaltlich entscheiden.

Das bedeutet in der Praxis, dass nachgeborene Kinder von in anderen Mitgliedstaaten anerkannten Geflüchteten im Asylverfahren in Deutschland entweder einen Schutzstatus bekommen oder eine Ablehnung mit einer Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland. Familien mit nachgeborenen Kindern sind zukünftig nicht mehr von einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat bedroht, da das nachgeborene Kind dorthin nicht abgeschoben und eine Trennung der Familie nicht hingenommen werden darf. Welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven die Familie in Deutschland hat, sollte sie am besten mit einer Beratungsstelle und/oder Anwält*in besprechen.

Weitere Informationen sind der Pressemitteilung des EuGH und einem Artikel auf migazin.de zu entnehmen.


VGH Baden-Württemberg: Aus der Ukraine Geflüchtete haben Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung

In zwei Entscheidungen vom 2. August 2022 (Az: VGH 11 S 1469/22, VGH 11 S 1470/22) hat der VGH Baden-Württemberg klargestellt, dass Menschen, die einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG stellen, Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ haben. Abgesehen von einer erkennungsdienstlichen Behandlung setzt dieser Anspruch einzig und allein voraus, dass sich die betreffende Person rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine Aufenthaltserlaubnis nach der Massenzustromrichtlinie beantragt. Ersteres ist aufgrund von § 2 Abs. 1 der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung bei allen Personen der Fall, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben. Das Gericht betont ausdrücklich, dass dies auch dann gilt, wenn es sich nicht – wie in diesen Verfahren – um ukrainische Staatsangehörige handelt. Mehr als die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis aus einem rechtmäßigen Aufenthalt heraus setzt der Eintritt der Fiktionswirkung und der damit einhergehende Anspruch auf die Fiktionsbescheinigung nicht voraus. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die Person voraussichtlich Anspruch auf die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis hat. Die Vorinstanz, das VG Stuttgart, hatte dies noch anders gesehen. Auf diese – für Fachleute überraschende – Entscheidung hatte das Justizministerium in einem an die Ausländerbehörden gerichteten Schreiben vom 29. Juli 2022 Bezug genommen, dabei die Tatsache, dass gegen die Entscheidung des VG Stuttgart Beschwerde eingelegt worden war, aber unerwähnt gelassen. Der Flüchtlingsrat fordert das Justizministerium zur sofortigen Änderung des voreilig in die Welt gesetzten Schreibens und Umsetzung der Rechtsauffassung des ranghöchsten baden-württembergischen Verwaltungsgerichts auf.


Landesregierung schiebt weiter mit Bulgaria Air ab

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die Landesregierung trotz Bekanntwerden der Verbindungen vom Bulgaria Air zum Milieu der organisierten Kriminalität weiterhin an der Durchführung von Sammelabschiebungen mit dieser Fluggesellschaft festhält. Am vergangenen Montag, 1. August wurden trotz der jüngsten Enthüllungen erneut 49 Personen im Begleitung von privaten „Sicherheitskräften“ mit einem Charter-Flug von Bulgaria Air vom Baden-Airpark nach Nordmazedonien abgeschoben.

Eine Woche zuvor hatte der Flüchtlingsrat auf die Recherchen der Initiative „No Border Assembly“ hingewiesen, denen zufolge Bulgaria Air im Besitz einer Holding-Gesellschaft ist, deren Besitzer wiederum von verschiedenen Quellen als wichtige Akteure des organisierten Verbrechens in Bulgarien bezeichnet werden.
„Selbst wenn es der Landesregierung davor nicht bekannt gewesen sein wollte, mit wem sie seit 2009 zusammenarbeitet, wäre es jetzt das Mindeste, nach den aktuellen Enthüllungen die Zusammenarbeit einzustellen und zu überprüfen“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. „Dass die Landesregierung nicht einmal dazu bereit ist, ist ein weiterer Beweis, dass ihr jedes Mittel Recht ist, um möglichst viele Abschiebungen durchzuführen. Zu den zahlreichen Fällen von Abschiebungen von Menschen, die kurz vor einem Bleiberecht stehen und den rechtswidrigen Inhaftierungen in Abschiebungshaft kommt nun eben auch noch eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, hinter dem Kriminelle stehen. Daran wird deutlich, dass die Lippenbekenntnisse in der Öffentlichkeit und die schöne Prosa im Koalitionsvertrag tatsächlich nichts Wert sind.“ so Seán McGinley abschließend.