Das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin urteilte am 24.01.2023 – 1 A 1110/21 SN folgendes:
1. Stellt eine Person einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, so ist der Antrag sachdienlich so auszulegen, dass die Person auch ein sog. Chancen-Aufenthaltsrecht gemäß § 104c AufenthG beantragt. Das Gleiche gilt, wenn vor Inkrafttreten des § 104c AufenthG explizit nur eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG beantragt wurde.
2. § 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis versagt werden soll, wenn die betroffene Person wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat, findet nur bei aktivem Handeln Anwendung. Kommt die betroffene Person nur Aufforderungen zur Vorlage eines Pass(ersatzes) oder zur Vorsprache bei den Behörden des Heimatlandes nicht nach, rechtfertigt dies als passives Verhalten in Form mangelnder Mitwirkung nicht den Ausschluss vom Chancen-Aufenthaltsrecht.
3. Die Regelung des § 104c Abs. 1 S. 1 AufenthG ist eine Soll-Vorschrift („Einem geduldeten Ausländer soll […] eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn […]“), sodass die Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in der Regel zu erteilen ist und nur bei Vorliegen atypischer Umstände ein Ermessen der Behörde besteht. Die mangelnde Mitwirkung bei Identitätsklärung oder Beschaffung eines Pass(ersatzes) begründet grundsätzlich keinen atypischen Fall, sodass auch in diesen Fällen kein Ermessen der Behörde, sondern ein Anspruch auf Erteilung besteht.
(Leitsätze von asyl.net)