Immer mehr Abschiebungen von Kindern aus Baden-Württemberg

Seit 2021 steigt die Anzahl der Abschiebungen von Kindern in Baden-Württemberg jährlich stark an. Während im Jahr 2021 180 Minderjährige abgeschoben wurden, waren es 2023 schon 312 Kinder und im Jahr 2025 bis zum 30. September bereits 581.

In der Kleinen Anfrage vom 22.10.2025 (17/9719) wurde die Landesregierung Baden-Württemberg dazu aufgefordert, Details zu Abschiebungen von Kindern aus Baden-Württemberg anzugeben. Antworten zu den gestellten Fragen liefert das Ministerium der Justiz und für Migration in einem Schreiben vom 13. November 2025 (Nr. JUMRV-0141.5-195/3/3). In einer tabellarischen Auflistung wird die Anzahl der jährlich von der jeweiligen Ausländerbehörde abgeschobenen Minderjährigen aufgeführt.

Anzahl der Abschiebungen minderjähriger Personen in Baden-Württemberg

2021: 180

2022: 237

2023: 312

2024: 603

2025 (bis 30. September): 581

Statistisch wird nicht erfasst, ob sich Kinder zum Zeitpunkt der Abschiebung im schulpflichtigen Alter befanden. Zudem wird nicht festgehalten, in wie vielen Fällen Kinder von einem Elternteil getrennt wurden, wenn entweder das Kind oder ein Elternteil abgeschoben wurde. Laut der Aussage des Ministeriums geschieht eine solche Trennung wohl „relativ selten“. Angeblich kommt es nur dann zu Trennungen innerhalb einer Familie, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Abholung zur Abschiebung nicht anzutreffen sind.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg lehnt Abschiebungen grundsätzlich ab. Abschiebungen von besonders vulnerablen Personengruppen wie Kindern sind besonders zu kritisieren und können alle Betroffenen stark (re)traumatisieren.

In dem Artikel Es reicht ein Geräusch, ein Blick, ein Formular – und alles ist wieder da erzählt die Autorin Minire Neziri, wie ihre eigene Abschiebung als 14-Jährige sie bis heute belastet.


Landtag Baden-Württemberg, November 2025: Drucksache 17/9719


Arbeitshilfe: Asylfolgeanträge für Frauen und Mädchen aus Afghanistan

Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil von Oktober 2024 (C-608/22 und C-609/22) alle afghanischen Frauen als soziale Gruppe aufgrund der systematischen Verfolgung durch das Taliban-Regime als verfolgt einstuft, haben Frauen und Mädchen aus Afghanistan Anspruch auf Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Statt subsidiärem Schutz oder Abschiebeverboten kann ihnen nun in einem Folgeantrag der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden. Der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bietet besondere Vorteile beim Familiennachzug und bei der Aufenthaltsverfestigung. Daher kann es für Frauen und Mädchen aus Afghanistan aussichtsreich und sinnvoll sein, die Möglichkeit eines Folgeantrags zu nutzen. In einzelnen Fällen ist dies jedoch weniger empfehlenswert, daher sollte eine rechtliche Beratung herangezogen werden.

Diese Arbeitshilfe erklärt, wie Beratungsstellen afghanische Frauen und Mädchen gezielt bei Folgeanträgen unterstützen können und enthält Informationen zu Asylfolgeanträgen afghanischer Frauen und Mädchen, die mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG oder einer Duldung in Deutschland leben.

Herausgegeben wurde die Arbeitshilfe „Asylfolgeanträge von Frauen und Mädchen aus Afghanistan – Hinweise für die Beratungspraxis“ von der Abteilung FiAM (Flucht, interkulturelle Arbeit, Migration) der Diakonie Hessen, verfasst wurde sie von Maria Bethke, Lina Hüffelmann, Amall Breijawi (Diakonie Hessen) sowie Lea Rosenberg (Parität Hessen).


Abteilung FiAM Flucht, interkulturelle Arbeit, Migration der Diakonie Hessen, November 2025: Asylfolgeanträge von Frauen und Mädchen aus Afghanistan. Hinweise für die Beratungspraxis


VGH Baden-Württemberg: Ausbildung zur Pflegehelfer*in ohne Beschäftigungserlaubnis möglich

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg) hat in einem Beschluss vom 12. November 2025 (VGH 12 S 1888/25) entschieden, dass die Ausbildung zur Altenpflegehelferin in Baden-Württemberg eine schulische Ausbildung ist. Das bedeutet, dass es „für die Ausbildung zur Altenpflegehelferin keiner Beschäftigungserlaubnis bedarf.“ Dies ist auch der Fall, „wenn zwischen dem Auszubildenden und dem Betrieb ein Arbeitsvertrag geschlossen wird und nach diesem ein Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht“, denn: „Praktische Tätigkeiten im Rahmen einer schulischen Berufsausbildung sind keine erlaubnispflichtige Beschäftigung, wenn sie in die schulische Berufsausbildung integriert sind.“

„Daher bedürfen geduldete Ausländer keiner Beschäftigungserlaubnis, um eine schulische Ausbildung zu absolvieren“. Auch Personen, die einem Beschäftigungsverbot unterliegen, dürfen somit die schulische Ausbildung zur Pflegehelfer*in beginnen. Besonders relevant ist dieser Beschluss demnach für Menschen aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat, für Menschen mit einer „Duldung light“ nach § 60b AufenthG und einem entsprechenden Arbeitsverbot (§ 60b Abs. 5 S. 2 AufenthG) sowie für Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16a AufenthG.

Achtung: Der Beginn einer schulischen Ausbildung verhindert leider nicht die Abschiebung. Dennoch kann die Entscheidung im Einzelfall dazu führen, dass Bleiberechtsoptionen zumindest perspektivisch zugänglich werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung könnte zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG in Frage kommen.

Auch das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat in einem Beschluss vom 20.01.2023 (12 B 4654/22) entschieden, dass die Ausbildung zum Pflegefachmann eine schulische Ausbildung ist und daher keine Erwerbstätigkeit darstellt.

Wichtig: Laut einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 8. September 2025 soll eine bundeseinheitliche Pflegefachassistenzausbildung eingeführt werden, welche die Pflegehilfe-Ausbildungen der Länder reformieren würde: Gesetzesentwurf 21/1493. Dies kann dazu führen, dass der Beschluss des VGH Baden-Württemberg zukünftig an Bedeutung verliert.



VGH München: Recht auf Gestattung während des Dublin-Verfahrens

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Urteil am 21. Mai 2025 (Az. 19 B 24.1772) ein wegweisendes Urteil gefällt: In Dublin-Fällen erlischt demnach die Aufenthaltsgestattung entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht mit der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung, sondern der Aufenthalt gilt weiterhin als gestattet. Aufgrund von Unionsrecht (Art. 9 der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU)) ist nämlich die Regelung des § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, wonach die Aufenthaltsgestattung bei Dublin-Fällen mit der Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG erlischt, unionsrechtswidrig und damit unanwendbar.


Factsheet: Umgang mit Wohnsitzauflagen bei Frauenhausaufenthalt

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat ein Factsheet zum Thema „Umgang mit Wohnsitzauflagen bei Frauenhausaufenthalt“ verfasst. Dieses liefert Informationen für die Praxis zu rechtlichen Grundlagen von
Wohnsitzauflagen, Aufhebungen oder Änderungen der Wohnsitzauflage und aufenthalts- und sozialrechtlicher Zuständigkeit bei Frauenhausaufenthalten. Die Informationen sind überwiegend auf die rechtliche Situationen in anderen Bundesländern übertragbar.


Verlängerung der Ukraine-Aufenthaltserlaubnis-Fortgeltungsverordnung

Die Verlängerung der Ukraine-Aufenthaltserlaubnis-Fortgeltungsverordnung ist nunmehr im Bundesgesetzblatt erschienen. Sie sieht vor, dass Aufenthaltserlaubnisse von aus der Ukraine geflüchteten Personen nach § 24 AufenthG regelmäßig bis zum 4. März 2027 automatisch als verlängert gelten, ohne dass dafür ein Antrag gestellt werden muss.

Die Verordnung zur Änderung der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung“ vom 27.11.2025, die am 01.12.2025 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, tritt damit zum 02.12.2025 in Kraft.

Der EU-Rat hatte bereits am 15. Juli 2025 einen neuen Durchführungsbeschluss (2025/1460) verabschiedet, mit welchem der vorübergehende Schutz für Personen aus der Ukraine um ein weiteres Jahr bis zum 4. März 2027 verlängert wurde. Begründet wurde dies mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und damit, dass der vorübergehende Schutz dazu beitrage, die Asylsysteme der Mitgliedstaaten zu entlasten. Bei einer Beendigung des vorübergehenden Schutzes wäre andernfalls ein erheblicher Anstieg von Asylanträgen von den Personen zu erwarten, deren Schutzstatus auslaufe.

Neuerungen im Durchführungsbeschluss des EU-Rat und Umsetzung durch das BMI

Der Durchführungsbeschluss des EU-Rat enthielt einige Neuerungen zum vorübergehenden Schutz, auf die das BMI mit einem Rundschreiben an die Bundesländer vom 11. August 2025 reagierte (siehe Meldung auf asyl.net vom 3.9.2025). Danach ist der vorübergehende Schutz in Deutschland ausgeschlossen, wenn der Antrag nach dem 13. August 2025 gestellt wurde und bereits in einem anderen Mitgliedstaat ein Aufenthaltstitel aufgrund des vorübergehenden Schutzes erteilt wurde. Werde aufgrund des Bestehens eines Aufenthaltstitels zum vorübergehenden Schutz in einem anderen Mitgliedstaat ein entsprechender Antrag in Deutschland abgelehnt, seien die Personen vollziehbar ausreisepflichtig und hätten nur noch Anspruch auf die reduzierten Leistungen nach § 1a Abs. 4 S. 1 AsylbLG.



Menschen auf die Straße zu setzen ist keine Lösung

Auch in Baden-Württemberg wird auf immer härtere Weise gegen Menschen im Dublin-Verfahren vorgegangen. Durch das totale Streichen jeglicher Leistungen – selbst der Unterbringung – sollen die Betroffenen dazu gezwungen werden, Deutschland zu verlassen. Seit Mai dieses Jahres bereitet das Ministerium der Justiz und für Migration dieser Praxis den Weg, welche allerdings reihenweise durch Sozialgerichte gestoppt wird. Nun fordert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Landesregierung dazu auf, endlich einen Schlussstrich unter diese menschenunwürdige Praxis zu ziehen. Als Vorbild könnte Rheinland-Pfalz dienen.

Im Rahmen ihres „Sicherheitspakets“ hatte die Ampel-Regierung im Herbst 2024 die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Menschen völlig von Sozialleistungen auszuschließen, wenn für ihr Asylverfahren nach der Dublin-Verordnung ein anderer europäischer Staat zuständig ist. Durch die vollständige Streichung von Leistungen sollen die Betroffenen dazu gezwungen werden, Deutschland zu verlassen. Nur eine zweiwöchige Übergangsfrist und Ausnahmen bei besonderen Härtefällen sind vorgesehen. Besonders paradox: Die „freiwillige“ Ausreise, zu der die Betroffenen mit der Maßnahme gezwungen werden sollen, ist in der Dublin-Verordnung nicht einmal vorgesehen.

Bereits im Februar dieses Jahres war es in Baden-Württemberg in Folge der Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz zu einem drastischen Fall gekommen. Eine junge Frau wurde durch die Stadt Baden-Baden bei Minustemperaturen auf die Straße gesetzt. Erst nach einer Eilentscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe durfte sie zurück in ihre Unterkunft. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg verurteilt diese menschenunwürdige Praxis aufs Schärfste: „Menschen auszuhungern und auf die Straße zu setzen sind einfach keine legitimen politischen Mittel“, so Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Im Mai 2025 wendete sich das baden-württembergische Ministerium für Justiz und Migration per Schreiben an die unteren Aufnahmebehörden im Bundesland: Menschen im Dublin-Verfahren soll die Aufenthaltsgestattung ungültig gestempelt und statt einer Duldung eine bis dato unbekannte „Dublin-Verfahrensbescheinigung“ ausgestellt werden. Damit wird den Behörden Tür und Tor geöffnet, die Regelung zum totalen Leistungsausschluss flächendeckend anzuwenden. Wenn Betroffene dagegen klagen, kommen Sozialgerichte im Eilverfahren allerdings wenig überraschend reihenweise zu dem Ergebnis, dass der totale Ausschluss von jeglicher Versorgung nicht rechtmäßig ist, sondern gegen verfassungs- und europarechtliche Grundsätze verstößt. Auch der UN-Sozialausschluss hat Deutschland inzwischen wegen Verstoß gegen soziale Menschenrechte gerügt.

„Wir fordern die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, von dieser menschenverachtenden und rechtlich fragwürdigen Praxis Abstand zu nehmen“, so Anja Bartel vom Flüchtlingsrat. „Konkret sollte das Ministerium für Justiz und Migration die Aufnahmebehörden dazu auffordern, von der Anwendung des totalen Leistungsausschlusses für Menschen im Dublin-Verfahren abzusehen“, so Bartel weiter. Vorbild könnte eine entsprechende Regelung in Rheinland-Pfalz sein. Dort hat das zuständige Ministerium die Behörden angewiesen, sich ans Europarecht zu halten und betroffenen Personen bis zur tatsächlichen Ausreise ein Mindestmaß an Leistungen zu gewähren. „Die Regelung in Rheinland-Pfalz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn Verwaltungen rechtswidrige Gesetze zur Anwendung bringen, gefährdet das unseren Rechtstaat“, so Meike Olszak abschließend.