Afghanische Botschaft: Keine Annahme von neuen Anträgen auf Pässe und Tazkiras

Bundesinnenministerium zur Verbalnote der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Deutschland

Das Bundesinnenministerium (BMI) hat allen zuständigen Landesstellen gegenüber per E-Mail am 02.09.2022 die letzte Verbalnote der afghanischen Botschaft in Deutschland vom 28. Juli zugesendet und folgende Erklärung abgegeben:

„Mit anliegender Verbalnote informiert die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin darüber, dass derzeit die Botschaft und die Generalkonsulate der Islamischen Republik Afghanistan in Deutschland grundsätzlich keine neuen Passanträge annehmen können.

Aufgrund dieser Informationen der afghanischen Botschaft ist die Beschaffung neuer Reisepässe derzeit auf absehbare Zeit nicht möglich und daher nicht zumutbar.

Sofern Bescheinigungen über die Nichtausstellung von neuen Pässen den Antragsteller*innen erteilt werden, sind diese für die Prüfung der Zumutbarkeit der Passbeschaffung heranzuziehen.

In den Fällen, in denen eine Verlängerung des afghanischen Passes nicht in Betracht kommt und auch kein Ausnahmefall einer Passausstellung gegeben ist, sind die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eines Passersatzes, wie die Ausstellung eines Ausweisersatzes oder Reiseausweises für Ausländer, zu nutzen.“

Diese Anweisungen sind begrüßenswert und überfällig. Die gleichen Erklärungen wurden seitens der Botschaft wiederholt seit Ende letzten Jahres herausgegeben und bereits im Februar urteilte das Verwaltungsgericht Trier, die Passbeschaffung für Afghan*innen sei unzumutbar.

Bislang haben die Ausländerbehörden in aller Regel restriktiv über Anträge von Afghan*innen auf die Ausstellung eines Reisepasses für Ausländer entschieden. Die neue Mitteilung aus dem BMI sorgt hoffentlich für ein Umdenken in der Praxis der Behörden.

  • Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Deutschland, Juli 2022: Verbalnote


BMI: Auch nach Weiterwanderung aus anderem EU-Staat Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG

In der Beratung kommt immer wieder die Frage auf, ob aus der Ukraine geflohene Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat den vorübergehenden Schutz erhalten haben, danach auch nach Deutschland umziehen können und hier (auch) den vorübergehenden Schutz beanspruchen können. In einem Rundschreiben vom 8. August stellt das BMI Folgendes klar:

  • Auch Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat vorübergehenden Schutz haben, haben nach einer Weiterwanderung nach Deutschland Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Wenn umgekehrt Personen, die vorübergehenden Schutz in Deutschland genießen, in einem anderen Mitgliedsstaat vorübergehenden Schutz beantragen, erlischt zwar der vorübergehende Schutz selbst in Deutschland nicht automatisch, aber die Aufenthaltserlaubnis erlischt gemäß § 51 Absatz 1 Nummer 6 AufenthG sofort (und nicht erst nach sechs Monaten), da damit ein „dauerhafter Fortzugswille“ zum Ausdruck gebracht worden sei und es sich nicht nur um eine vorübergehende Ausreise handele.
  • Wenn eine Person, die in Deutschland vorübergehenden Schutz genießt, dauerhaft in die Ukraine zurückkehrt, droht ebenfalls das Erlöschen des Aufenthaltstitels. Bei einer von vornherein nur vorübergehend geplanten Reise in die Ukraine erlischt der Titel hingegen erst nach sechs Monaten Abwesenheit aus Deutschland (§ 51 Absatz 1 Nrummer 7 AufenthG). Man kann bei der ABH auch eine längere Frist als sechs Monate beantragen.


Praktikant*in ab Mitte Oktober gesucht

Wir suchen ab Mitte Oktober ein*e Praktikant*in für den maximalen Zeitraum von drei Monaten. Für ein Vollzeitpraktikum zahlen wir eine Aufwandsentschädigung von 400 €. Teilzeitpraktika sind nach Absprache mit geringerer Aufwandsentschädigung möglich.

Das Praktikum umfasst folgende Tätigkeiten:

  • Einblick in die Arbeit des Flüchtlingsrats (Fortbildungen, Fachtagungen, Beratung, Vernetzungsveranstaltungen etc.)
  • Länderspezifische Recherchen und Öffentlichkeitsarbeit
  • Unterstützung in IT-Fragen, Büromanagement und -verwaltung
  • Mitarbeit beim Verfassen unserer Publikationen (Newsletter, Magazin „Perspektive“, verschiedene Flyer etc.)
  • ggf. Unterstützung als Übersetzer*in

Wir freuen uns besonders über Bewerbungen von Menschen mit Fluchthintergrund.

Wenn Sie Interesse haben, schreiben Sie uns gerne unter info@fluechtlingsrat-bw.de.


Freiburg: Grenzen überwunden – auf Barrieren gestoßen: Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung

Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung haben das Recht auf besonderen Schutz. Was heißt das genau und wie wird der Anspruch auf Schutz umgesetzt? Wer ist genau gemeint, wenn man von Geflüchteten mit einer Behinderung spricht? Und vor allem: Wie könnte eine gute Unterstützung dieser Zielgruppe aussehen? Diese und weitere Fragen werden in der Fortbildung thematisiert.

Neben rechtlichen Fragestellungen spielt auch die Einstellung zum Thema Flucht und Behinderung in der Fortbildung eine wichtige Rolle. Auch Fallbeispiele und ein Film, in dem Betroffene sich zu Wort melden, sind Teil der Fortbildung.

Referentinnen: Kawther Ali (Leiterin des mehrsprachigem Treffpunkts für Frauen zum Thema Behinderung) und Maria Stehle (Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche)

AKTUELLER HINWEIS: Die Fortbildung findet statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, bei Interesse können Sie einfach dazukommen.

Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit. Die kostenlose Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch, statt.


Flüchtlingstag am 20.6.: „Asylrecht ist existenziell gefährdet“

Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni mahnt PRO ASYL die Bundesregierung, eine aktive Rolle beim Flüchtlingsschutz in Europa einzunehmen. Die systematische Entrechtung durch de facto Haftlager an den Außengrenzen muss verhindert werden. Die Bundesregierung muss den Plänen kommende Woche entgegentreten.

PRO ASYL sieht das Asylrecht existenziell in Gefahr – weltweit und in Europa. Der Vorstoß Großbritanniens, Flüchtlinge ohne Prüfung ihres Asylantrags nach Ruanda abzuschieben, ist nur ein Beispiel dafür. Auch in den EU-Staaten weigern sich einige Länder, individuelles Asyl zu gewähren, andere weisen Flüchtlinge systematisch zurück, was gegen europäisches und internationales Recht verstößt, ohne dass sie Konsequenzen fürchten müssen.

Die aktuellen EU-Vorhaben lassen nun befürchten, dass auch auf EU-Ebene Rechtsakte so konstruiert werden, dass sie menschenrechtswidriges Vorgehen scheinbar legitimieren. Die Bundesregierung hat versprochen „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen (zu) beenden“ (S. 141 Koalitionsvertrag). Deshalb muss sie die Entrechtung in De-Facto-Haftlagern an der EU-Grenze verhindern.

Haft darf nicht zum Standard für Flüchtlinge an Europas Grenzen zu werden

Die EU-Innenminister*innen haben sich am 10. Juni ohne deutschen Widerstand grundsätzlich darauf verständigt, ein Screening an den EU-Außengrenzen umzusetzen. Der strittige Punkt der fiktiven „Nicht-Einreise“ wird aber noch diskutiert.
Wie Berichten zu entnehmen ist, soll zeitnah im Rat eine endgültige Entscheidung darüber fallen, ob schutzsuchende Menschen während des Screeningverfahrens  als eingereist gelten oder nicht. Eine solche Fiktion der Nicht-Einreise trifft auf erhebliche Bedenken. Insbesondere ist zu erwarten, dass eine solche Fiktion letztlich nur durch freiheitsbeschränkende bzw. ‑entziehende Maßnahmen durchgesetzt werden kann. Dies könnte zu systematischer De-Facto- Haft an den Außengrenzen führen. In Griechenland lässt sich dieser Ansatz schon jetzt beobachten.

PRO ASYL erwartet von der Bundesregierung und insbesondere von Innenministerin Nancy Faeser in enger Abstimmung mit der Außenministerin ein klares Dagegenhalten. Andernfalls drohen die Zustände, die aus den Lagern auf den griechischen Inseln bekannt sind, in weiteren EU-Staaten Wirklichkeit zu werden.

„Von der Innenministerin und der Außenministerin hören wir bislang kein Wort der Verurteilung der Zonen der Rechtlosigkeit an Europas Grenzen. Wir erwarten, dass die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag auf europäischer Ebene vertreten werden und sich die Bundesregierung ohne Wenn und Aber für faire Asylverfahren einsetzt.  Noch kann verhindert werden, dass systematische Inhaftierung durch die verpflichtende Fiktion der Nichteinreise verhindert werden“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

PRO ASYL appelliert eindringlich an die Bundesregierung, dass Deutschland in den Verhandlungen in der kommenden Woche seine bedeutende Rolle nutzt und eine verpflichtende Anwendung der Fiktion der Nicht-Einreise verhindert.

Langzeitgeduldete in Deutschland brauchen endlich Perspektiven

Auch in Deutschland werden vorgesehene Verbesserungen – etwa beim Bleiberecht – flankiert durch Verschärfungen. PRO ASYL begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht Kettenduldungen beenden will und seit fünf Jahren in Deutschland geduldeten Menschen endlich Sicherheit und Perspektive geben will. Dass aber gleichzeitig ausreisepflichtige Straftäter*innen länger in Abschiebungshaft genommen werden sollen, ist unverhältnismäßig. Denn es gibt keinerlei belastbare Untersuchungen, dass die Länder besondere Probleme hätten, Straftäter*innen abzuschieben und dass eine verlängerte Abschiebungshaft irgendetwas verbessern würde. Zudem ist rund die Hälfte  aller Abschiebehäftlinge zu Unrecht in Haft.

„Der jüngst vorgestellte Gesetzentwurf des Innenministeriums zum Chancen-Aufenthaltsrecht erweckt den Eindruck, dass die alte, schwarz-rot-restriktive Linie fortgeführt wird. Unzureichenden Verbesserungen stehen neue Restriktionen gegenüber“, kritisiert Burkhardt. Der vorliegende Entwurf des Bundesinnenministeriums ist deutlich restriktiver als der Koalitionsvertrag und sieht u.a. weitergehende Ausschlussgründe vor. Angesichts des späten Gesetzgebungsverfahrens fordert PRO ASYL, dass die Frist vom 1. Januar 2022 – bis zu dem die Menschen bereits fünf Jahre in Deutschland sein müssen – mindestens bis zum in Krafttreten der Regelung verlängert wird. Geeignet wäre eine komplette Entfristung, um dauerhaft Kettenduldungen zu beenden.

Ausführliche Stellungnahme von PRO ASYL zum Gesetzentwurf siehe hier.

Hintergrund zur Fiktion der Nicht-Einreise

Laut den Vorschlägen der Kommission würde sich eine Fiktion der Nicht-Einreise auch durch das auf drei Monate ausgeweitete Asylgrenzverfahren ziehen. Faire Asylverfahren sind unter haftähnlichen Bedingungen an den Außengrenzen nicht möglich, da insbesondere die notwendige unabhängige rechtliche Unterstützung nicht gewährleistet ist.
Die Fiktion der Nicht-Einreise und die durch sie zu erwartende Konsequenz der Inhaftierung während Screening‑, Asylgrenz‑, und Abschiebungsgrenzverfahren (insgesamt rund sechs Monate) an den Außengrenzen hat PRO ASYL von Beginn an als eines der Kernprobleme des Entwurfes des New Pact on Migration and Asylum kritisiert (siehe Stellungnahme zum Pakt).


Factsheet FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting)

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat ein factsheet zum Themenkomplex „Betroffenheit von FGM/C als Schutzgrund – Was tun, wenn das BAMF einen Nachweis verlangt?“ veröffentlicht. Kurz und bündig wird auf wenigen Seiten darauf eingegangen, wann Nachweise erforderlich und empfehlenswert sind, was Nachweise oder Atteste beinhalten müssen und welche Aufenthaltsrechte sich aus der Betroffenheit von FGM/C oder der Bedrohung ergeben. Teilweise enthält das Factsheet Niedersachsen-spezifische Information, größtenteils ist es aber auch für Engagierte in Baden-Württemberg hilfreich


Seebrücken-Aktionswochen unter dem Thema „Alles ist möglich“ vom 24.06 bis 27.07.

Die aktuellen politischen Entwicklungen, das Kriegsgeschehen und die humanitäre Katastrophe, die sich in der Ukraine ereignet, sind besorgniserregend. Die Hilfsbereitschaft gegenüber geflüchteten Menschen aus der Ukraine ist überwältigend. Zahlreiche Beschränkungen bei sozialen Leistungen, beim Zugang zum Gesundheitswesen und zum Arbeitsmarkt, bei Sprachkursen und Wohnsitzauflagen usw. wurden für Schutzsuchende aus der Ukraine aufgehoben. Während hier wenigstens partielle Verbesserungen eingeführt wurden, die seit Jahren überfällig sind, sieht es an den anderen europäischen Außengrenzen ganz anders aus.

Anna Mayer von der Seebrücke Baden-Württemberg sagt dazu: „An den Außengrenzen Europas geht die Abschottung ungehindert weiter. Menschen, die fliehen und auch diejenigen, die ihnen solidarisch zur Seite stehen, werden vor Gericht gestellt, verurteilt und kriminalisiert. Weiter sterben und ertrinken Menschen. Das wollen wir nicht hinnehmen!“

Die Aktionswochen der Seebrücke Baden-Württemberg, die vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt werden, rufen zu Solidarität mit Menschen aus allen Kriegs- und Krisengebieten auf. Auf vielen verschiedenen Veranstaltungen im Ländle fordern die Engagierten in den Aktionswochen darum eine solidarische Aufnahme von geflüchteten Menschen unabhängig von Religion und Herkunft, mit gleichem Zugang zur Unterstützung beim Bleiberecht, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Wohnraum. Die beschlossenen Besserstellungen für Schutzsuchende aus der Ukraine sind richtig, jetzt steht die diskriminierungsfreie Teilhabe für alle an.

„Bei 3.231 Toten und Vermissten auf dem Mittelmeer und im Nordatlantik allein im Jahr 2021 sind sichere Fluchtwege für alle heute nötiger den je. Die Kriminalisierung der Seenotrettung und der geflüchteten Menschen, die in rechtsstaatlich fragwürdigen Schauprozessen verurteilt werden, müssen endlich beendet werden“ so Ulrich Bamann von der Seebrücke Baden-Württemberg.

Im Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg ist seit Mai 2021 ein Landesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen an den Außengrenzen festgeschrieben, das bisher nicht einmal im Ansatz umgesetzt wurde. Das Gleiche gilt für die ebenfalls dort angekündigten Verbesserungen beim Bleiberecht, der Gesundheitsversorgung und beim Antidiskriminierungsgesetz.

Der Flüchtlingsrat, die Seebrücke, der Paritätische und LAKA führen gegenwärtig eine Postkartenaktion dazu durch und fordern mit allen, die sich im Rahmen der Aktionswochen engagieren: Jetzt möglich machen!

Die Aktionen sind abrufbar unter: https://www.sichererhafen-baden-wuerttemberg.com/.


Rechtsprechungs-Überblick zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Dublin-Überstellungen

Die Versorgung Schutzsuchender aus der Ukraine stellt die angrenzenden Staaten zurzeit vor große Herausforderungen. Das hat auch Auswirkungen auf Dublin-Verfahren von Personen, die in diese Länder überstellt werden sollen. Einige osteuropäische Staaten lehnen folglich die (Rück-)Übernahme von Personen ab, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens überstellt werden sollen. Ob Dublin-Bescheide deshalb rechtswidrig sind, ist unter Verwaltungsgerichten umstritten. Die Übersicht des Informationsverbunds Asyl & Migration stellt die derzeitige Sachlage und Rechtsprechung zu den einzelnen Ländern zusammen und gibt Hinweise für die Beratungspraxis.


Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL fordern die Gleichbehandlung aller Geflüchteten aus der Ukraine

Anlässlich der Innenminister*innenkonferenz vom 1.-3. Juni 2022 in Würzburg fordern die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL sowie viele weitere Organisationen und Initiativen eine bundesweite Regelung, die den Schutz von allen aus der Ukraine geflüchteten Menschen garantiert und einen sofortigen Stopp der Diskriminierung von Drittstaater*innen und Staatenlosen aus der Ukraine.

Seit dem militärischen Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine sind bereits über sechs Millionen Menschen von dort geflohen, größtenteils in die Anrainerstaaten, viele hunderttausend Menschen sind aber auch in die Bundesrepublik geflüchtet.

Ukrainer*innen erhalten in Deutschland gemäß der EU-Richtlinie 2001/55/EG zur Gewährung vorübergehenden Schutzes und gemäß EU-Ratsbeschluss vom 4. März 2022 unbürokratischen Zugang zu Aufenthaltstitel, Arbeitserlaubnis und Sozialleistungen. Sie bekommen so ein wichtiges Stück Sicherheit in der ihr Leben bestimmenden Katastrophe des Krieges.

Doch andere Kriegsflüchtlinge, die in der Ukraine gelebt, studiert oder gearbeitet haben und sogar Staatenlose, die ihr gesamtes Leben dort verbracht haben, werden größtenteils schlechter gestellt, obwohl sie vor dem gleichen Krieg, vor der gleichen Gewalt geflohen sind: Nicht-ukrainische Drittstaater*innen mit befristetem Aufenthaltsrecht in der Ukraine sind einem Rundschreiben des BMI zufolge bisher von dem Recht auf temporären Schutz als Kriegsvertriebene nach § 24 AufenthG ausgenommen, wenn angenommen wird, dass eine „sichere und dauerhafte Rückkehrmöglichkeit“ ins Herkunftsland besteht.

Anstatt den Fokus auf den bisherigen Lebensmittelpunkt in der Ukraine zu legen, soll also die vermeintliche Rückkehrmöglichkeit ins ursprüngliche Herkunftsland ausschlaggebend sein – und das, obwohl nach den Leitlinien der EU-Kommission für alle EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, Menschen, die eine „sinnvollere Verbindung zur Ukraine haben als zu ihrem Herkunftsland“, ebenso den Schutz für Kriegsvertriebene zu gewähren.

Zwar ist allen Menschen aus der Ukraine laut der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung erst einmal der Aufenthalt bis zum 31. August im Bundesgebiet erlaubt. Das soll ihnen die Möglichkeit eröffnen, entweder den vorübergehenden Schutz zu beantragen oder die Voraussetzungen für andere aufenthaltsrechtliche Zwecke zu erfüllen. Letzteres ist jedoch in der Kürze der Zeit für viele Geflüchtete kaum möglich. Langfristig besteht die Gefahr, dass die Menschen dauerhaft in prekäre Lebenslagen geraten.

Drittstaatsangehörige und Staatenlose können aufgrund der unklaren Rechtslage und des damit einhergehenden restriktiven Verwaltungshandelns in Deutschland kaum Perspektiven im Hinblick auf Arbeit, Wohnung, Erwerb von Deutschkenntnissen, Ausbildung und Studium entwickeln. Sie haben kaum Möglichkeiten, hier anzukommen, sich zu orientieren, die Erlebnisse des Krieges und der Flucht zu überwinden und sich gesellschaftlich zu beteiligen – und dies, obwohl sie genauso von Krieg und Flucht betroffen und womöglich sogar traumatisiert sind, wie ukrainische Staatsangehörige“, so Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL, kritisiert: „Alle Menschen, die aus der Ukraine vor Krieg und Gewalt fliehen mussten, haben ihren Lebensmittelpunkt verloren, aber nicht alle werden in Deutschland gleich behandelt. Drittstaatsangehörige und Staatenlose werden trotz vorläufig legalem Aufenthalt von Ausländerbehörden zum Teil unter Druck gesetzt auszureisen. Anträge auf den vorübergehenden Schutz werden oft nicht einmal angenommen. Das zeigt: für alle aus der Ukraine geflüchtete Menschen braucht es richtige Sicherheit und Perspektive durch einen Aufenthaltstitel.“

Wir fordern von Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine bundesweite Regelung für ein zweijähriges Aufenthaltsrecht für alle aus der Ukraine Geflüchteten, um für alle Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands fliehen mussten, tatsächlichen Schutz und Perspektiven zu schaffen.

Außerdem fordern wir die Länder auf, schon jetzt alle rechtlichen Spielräume zu nutzen und auch den aus der Ukraine Geflüchteten ohne ukrainische Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.