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Großdemo für den Frieden

Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der russischen Führung im Herzen Europas wird immer brutaler. Sie droht mit Atomwaffen. Das Leiden der Menschen in der Ukraine wird immer dramatischer. Wir fühlen mit ihnen und stehen an ihrer Seite. Wir halten unsere Türen offen für jede*n, der*die aus Kriegen entkommen kann – unabhängig von Hautfarbe, Staatsangehörigkeit und Identität und ohne rassistische Zurückweisung. Solidarität mit den Ukrainer*innen ist das Gebot der Stunde – und diese tragen wir am Sonntag, den 13. März in Stuttgart auf die Straße.

Gemeinsam mit ihnen streiten wir dafür, dass Putin sofort alle Angriffe einstellt, sich aus der Ukraine zurückzieht und deren territoriale Integrität wieder herstellt. Unser Ziel sind Friedensverhandlungen, die in einem atomwaffenfreien Europa gemeinsamer Sicherheit, des Friedens und der Abrüstung unter Einschluss von Ukraine und Russland münden.

Nicht der Breite der russischen Bevölkerung, sondern der politischen und wirtschaftlichen Führungsriege gilt unsere Forderung, dem Krieg den Geldhahn zuzudrehen. Wir befürworten scharfe wirtschaftliche Sanktionen, die gezielt darauf ausgerichtet sind, die Kanäle zur Finanzierung des Krieges zu kappen.

Die gegenwärtige Krise zeigt, wie dringend wir uns aus der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten befreien müssen, die wir vor allem aus Autokratien beziehen. Wir müssen möglichst schnell raus aus Kohle, Öl und Gas. Mit einem massiven Investitionsprogramm müssen wir in einer ganz neuen Geschwindigkeit als bisher rein in Energieeffizienz, Energiesparen, Erneuerbare Energien und eine Verkehrswende. Für den Frieden, das Weltklima und Millionen neue gute Jobs!

Wir bekennen uns zum Ziel gemeinsamer Sicherheit und fordern eine aktive Friedenspolitik. Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben Deutschlands um 100 Milliarden Euro weist in die falsche Richtung und wir lehnen sie entschieden ab – genauso wie die Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Insbesondere dem Kauf neuer Flugzeuge zum Einsatz von Atombomben stellen wir uns entgegen. Wir benötigen vielmehr Geld für eine sozial-ökologische Transformation und einen leistungsfähigen Sozialstaat. Zudem müssen weit mehr Mittel für Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung und den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen.

Wir treten ein für ein Europa des Friedens, der Solidarität und der Abrüstung. Dafür gehen wir am Sonntag, den 13. März ab 12 Uhr in Berlin, Frankfurt, Leipzig und Stuttgart mit Hunderttausenden auf die Straßen.

Sei dabei! Sag deinen Freund*innen, Bekannten und Arbeitskolleg*innen Bescheid! In Solidarität miteinander halten wir die Corona-Hygieneregeln ein und bitten geimpft, getestet und mit Maske an der Kundgebung teilzunehmen.


Von der Duldung zum Bleiberecht und vom Bleiberecht zum deutschen Pass.

Für Menschen in Duldung ist die Sicherung ihres Aufenthalts zunächst das drängendste Anliegen. Aber wie geht es danach weiter? Wann kann man ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis), wann den deutschen Pass erhalten? Diesen Fragen will die Veranstaltung auf den Grund gehen und dabei auch Raum für den praxisbezogenen Austausch bieten.

Die Teilnahme am Online-Seminar erfolgt am PC. Sie benötigen dazu einen gängigen Internetbrowser, eine stabile Internetverbindung und einen Kopfhörer bzw. Lautsprecher. Das Online-Seminar wird mit Zoom durchgeführt. Anmeldeschluss ist der 22. Mai. Wenn Sie sich mit dem untenstehenden Formular anmelden, erhalten Sie die Zugangsdaten am Tag vor der Veranstaltung per Email.

Für die Teilnahme an kostenlosen Online-Seminaren stellen wir keine Teilnahmebestätigungen aus.

Dieses Online-Seminar wird in Kooperation mit dem Landratsamt Hohenlohekreis und findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium für Justiz und Migration.

Referent: RA Sebastian Röder, Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg

Die Anmeldung ist geschlossen.


Zum internationalen Frauentag: Geflüchtete Frauen brauchen gendersensible Asylverfahren!

Geflüchtete Frauen und Mädchen sind in vielen Regionen der Welt verfolgt, von Gewalt und geschlechtsspezifischer Diskriminierung betroffen. Ein Teil von ihnen sucht Schutz in Deutschland. Zum Internationalen Frauentag am 8. März rufen PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte dazu auf, Asylverfahren endlich geschlechtersensibel zu gestalten und den Schutz von geflüchteten Frauen und Mädchen in Deutschland sicherzustellen.

Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung ist seit 2004 gesetzlich verankert. Gemäß der Istanbul-Konvention haben zudem von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen und Mädchen Anspruch darauf, angemessen untergebracht, medizinisch versorgt und vor weiterer Gewalt geschützt zu werden. In der Praxis kommt es dennoch zu erheblichen Problemen.

„Wenn das BAMF 2020 annähernd 60.000 Asylanträge von Frauen und Mädchen inhaltlich prüft und nur in 1.300 Fällen eine geschlechtsspezifische Verfolgung erkennt, dann stimmt etwas nicht“, sagt Andrea Kothen von PRO ASYL. „Es wird oft nicht genau genug hingeguckt, nicht nachgefragt, nicht geglaubt, oder es werden aufwändige Nachweise verlangt. So fallen viele Frauen durch das Raster.“

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Einführung einer flächendeckenden, behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung und die besondere Unterstützung vulnerabler Personen beschlossen. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist dringend geboten und muss jetzt auch endlich in die Tat umgesetzt werden.

Ein großes Problem ist die fehlende Vorbereitung der Frauen auf die Anhörung. Sie ist nötig, damit die betroffenen Frauen sich öffnen und über sexuelle Gewalterfahrungen oder Traumata sprechen können. Durch beschleunigte Verfahren bleibt zwischen Ankunft und Anhörung kaum Zeit und oftmals keine Gelegenheit für eine Vorbereitung, Beratung oder gar eine kurze Erholungspause nach einer strapaziösen Flucht.

„Geschlechtsspezifische Verfolgung und Gewaltbetroffenheit können so weder hinreichend erkannt und gewürdigt werden noch können die Frauen adäquat unterstützt werden“, sagt Laura Müller vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Beschleunigte Verfahren dürfen nicht auf Kosten der Rechtssicherheit und des Schutzes der Frauen durchgeführt werden.“

Die Erfahrungen mit den Sonderbeauftragten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die eigens für Fälle geschlechtsspezifischer Verfolgung herangezogen werden, sind durchwachsen – zumal diese nicht immer die Anhörung selbst durchführen. Teilweise geben sie lediglich eine Entscheidung nach Akteneinsicht frei.

„Immer noch berichten Frauen von unsensiblen, entwürdigenden Befragungen oder davon, dass Dolmetscher*innen ihre Rolle überschreiten und sich mit eigenen Kommentare in die Anhörung einmischen“, sagt Lena Schmid vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Anlässlich des Frauentags 2022 fordern die Organisationen:

  • Die Bundesregierung muss die versprochene gesetzliche Regelung für eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung zügig auf den Weg bringen und langfristig finanziell absichern.
  • Bei der Terminvergabe für die Anhörung ist gegebenenfalls eine längere Pause einzuräumen, um Nachweise beschaffen oder sich emotional auf die Anhörung vorbereiten zu können.
  • Anhörungen müssen gendersensibel und ausschließlich mit geschulten Dolmetscher*innen gestaltet werden; Sonderbeauftragte müssen bei erkennbarem Bedarf frühzeitig und transparent übernehmen, außerdem auf Wunsch der Betroffenen eingesetzt und im Konfliktfall auch ausgetauscht werden.
  • Das BAMF muss bei der Anhörung durch entsprechende Fragen aktiv prüfen, ob geschlechtsspezifische Asylgründe vorliegen könnten. Die Betroffenen brauchen zuvor klare Informationen über mögliche asylrelevante Umstände.
  • Für die spezifischen medizinischen, psychologischen und sozialen Bedarfe von vulnerablen Geflüchteten muss bei der Aufnahme durch die Behörden eine Anbindung an Fachorganisationen (etwa für Opfer von Menschenhandel) und die Übernahme der notwendigen Kosten sichergestellt werden.

Abschließend weisen die Organisationen darauf hin, dass ein geschlechtersensibles Asylverfahren und gute Aufnahmebedingungen in Deutschland dringend notwendig, aber keineswegs ausreichend sind, solange Geflüchtete auf ihrem Weg nach und in Europa mit unvorstellbarer Gewalt – auch europäischer Grenzwächter – konfrontiert sind. Der ungehinderte Zugang Geflüchteter zu einem fairen, regulären Asylverfahren in der EU bleibt oberste Priorität.

PRO ASYL und Flüchtlingsräte unterstützen die europäische Initiative feministasylum, die sich im Sinne der Istanbul-Konvention mit einer europaweiten Petition für einen solchen ungehinderten Zugang und die konsequente Anerkennung spezifischer Asylgründe von Frauen und Mädchen sowie queerer Personen einsetzt.


Online Veranstaltung: Frauen in Afghanistan

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan scheinen die Menschen im Land immer mehr in Vergessenheit zu geraten, insbesondere die Frauen, welche unter dem Talibanregime besonders leiden. Aisha Khurram, Frauenrechtlerin welche die Machtübernhame selbst miterlebt hat, berichtet von sich und ihrem Engagement für Frauen in Afghanistan, sowie über die besonderen Lebensbedinungen der Frauen im heutigen Afghanistan. Der Vortrag wird auf Englisch (Übersetzung auf Deutsch und Dari) am 10.03.2022, von 18.00 bis 19.30 stattfinden. Organisiert wurde der Vortrag von der Ökumenischen Fachstelle Asyl, Frauen für Frauen e.V und Courage e.V.


Neue Broschüren: Fragen rund um Arbeitsrecht

Welche Rechte haben Fachkräfte aus Drittstaaten und Geflüchtete, die in Deutschland einer Arbeit nachgehen wollen?

Über diese Fragestellung wird in Bezug auf verschiedene Aufenthaltsstatus in den neuen DGB Broschüren, „Fachkräfte aus Drittstaaten“ und „Geflüchtete“ informiert. Die Informationen sind in Englisch, Französisch, Spanisch und Arabisch zu erhalten.


Arbeitshilfe: Aufenthaltsrechtliche Optionen bei und nach Besitz einer Ausbildungsduldung

Inhaber*innen einer Ausbildungsduldung haben bei Erfüllen bestimmter Voraussetzungen nach erfolgreichem Abschluss der qualifizierten Ausbildung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG. Doch es gibt für sie auch andere Wege, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Diese werden in der Arbeitshilfe aufgezeigt. Auch die Frage, wie es nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG weitergehen kann, wird aufgegriffen.

  • Flüchtlingsrat BW, Dezember 2021: Arbeitshilfe: Aufenthaltsrechtliche Optionen bei und nach Besitz einer Ausbildungsduldung

PRO ASYL zum Krieg gegen die Ukraine: Fluchtwege öffnen!

 
PRO ASYL fordert den sofortigen Stopp aller Kampfhandlungen. Alle Beteiligten müssen zurück an den Verhandlungstisch. Die Fortsetzung des Krieges wird zu vielen Toten und vielen Tausend Flüchtlingen führen. Auch Deutschland muss sich darauf einstellen und sich aktiv an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen.

PRO ASYL fordert:

1) Die leidtragende Zivilbevölkerung flieht in die direkten Nachbarstaaten.  Wir fordern deshalb alle östlichen EU-Staaten – Polen, Ungarn, Rumänien und Slowakei – auf, die Grenzen nicht weiter für Flüchtlinge zu verschließen. Das muss auch für die Tausenden Transitflüchtlinge gelten, die bereits vor anderen Konflikten in die Ukraine geflohen sind. Darunter sind Menschen aus Syrien Afghanistan, Tschetschenien und Somalia. Die Fluchtwege müssen für alle offen sein.

Polen hat in eklatanter Verletzung von Menschenrechten die Grenzen für Flüchtlinge dichtgemacht. Jetzt müssen die Grenzzäune zurückgebaut werden. Wenn es um Gefahren für Leib und Leben geht, müssen Menschen Grenzen überschreiten dürfen.

Die osteuropäischen Staaten müssen zurückkehren zur Einhaltung von Menschenrechten, Völkerrecht und Europarecht.

2) Deutschland und die anderen Staaten müssen sich auf das Ankommen einstellen. Auch Deutschland muss sich aktiv an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen.   

3) Zudem muss eine schnelle und unbürokratische Hilfe für Geflüchtete sichergestellt werden. Wo Menschen auf ihrer Flucht stranden, benötigen sie humanitäre Unterstützung: Nahrungsmittel, Unterkünfte, medizinische Versorgung.

4) Die Europäische Union muss einen europäischen Solidarmechanismus installieren, der die Interessen der Schutzsuchenden ins Zentrum rückt. Dazu gehört auch, dass die Schutzsuchenden die Möglichkeit bekommen müssen, zu Familienmitgliedern oder Mitgliedern ihrer Community zu gelangen.

5) Die visafreie Einreise für Menschen aus der Ukraine in die EU darf nicht eingeschränkt werden. Die seit 2017 bestehende Möglichkeit für ukrainische Bürger*innen, ohne Visum in die EU einzureisen, ist gerade jetzt überlebenswichtig. Allerdings besitzen nur die allerwenigsten Ukrainer*innen den dafür geforderten biometrischen Pass. Daher sollte diese formale Hürde umgehend ausgesetzt werden.

6) Der Aufenthalt für ukrainische Staatsangehörige, die bereits in Deutschland sind,  muss unbürokratisch verlängert werden. Das schließt selbstverständlich auch einen Abschiebestopp ein.


Gericht: Hausordnung von Aufnahmeeinrichtungen in wichtigen Punkten rechtswidrig

Verwaltungsgerichtshof entscheidet: Zimmer sind grundrechtlich geschützte Wohnungen

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat heute seine Entscheidung zur Hausordnung in der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg bekanntgegeben und der Klage mehrerer Geflüchteter in wichtigen Punkten stattgegeben. Das Verfahren wird unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, PRO ASYL, der Aktion Bleiberecht und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die in der Hausordnung geregelten Befugnisse des Sicherheitsdienstes, die Zimmer der Geflüchteten jederzeit zu kontrollieren und zu betreten, unwirksam sind. Das Gericht bestätigte, dass die Schlafzimmer in den Unterkünften grundrechtlich geschützte Wohnräume sind.

„Die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt auch in Erstaufnahmeeinrichtungen, und Geflüchtete haben dort ein Recht auf Privatsphäre – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, stellt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit dem Urteil endlich klar“, sagt Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF. „Die Entscheidung macht eine klare Ansage an das Land Baden-Württemberg. Weitreichende Grundrechtseingriffe per Hausordnung regeln – das geht nicht. Das Land muss Einschränkungen gesetzlich festlegen, nur dann sind Grundrechte und Demokratieprinzip gewahrt“.

Der Flüchtlingsrat kritisiert, dass das Land dafür überhaupt Nachhilfe durch ein Gericht braucht: „Es ist bezeichnend, dass ein Gericht die Landespolitik zu einer grundgesetzkonformen Ausgestaltung der Unterbringung von Geflüchteten zwingen muss. Das zeigt, wie es um die Rechte von Schutzsuchenden in Baden-Württemberg bisher bestellt war. Die Landesregierung muss die systematische Entrechtung von Menschen jetzt umgehend beenden. Wir fordern selbstbestimmte Wohnformen, die die Rechte eines jeden Menschen achten und ein Ende der repressiven Massenunterbringung“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Auch die Kläger Emmanuel Annor und Ba Gando erhoffen sich nach dem Urteil eine Verbesserung der Situation in den Unterkünften: „Nach der Flucht brauchen wir einen Ort, an dem wir zur Ruhe kommen können. Bislang hatten wir in der Unterkunft kaum Privatsphäre. Das heutige Urteil macht Hoffnung auf Veränderung und ist für uns ein wichtiges Signal. Es bestärkt uns, weiter für uns und unsere Rechte einzustehen“.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stützt sich mit dieser Entscheidung auf den weiten Wohnungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts. Der Schutz der Wohnung ist eng mit der Menschenwürde verbunden. Geschützt sind nach der Karlsruher Rechtsprechung alle Räume, in denen das Privatleben stattfindet.

„Dieses Urteil ist von bundesweiter Bedeutung, denn es macht klar, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art.13 Grundgesetz auch in Sammelunterkünften gilt. Das gibt geflüchteten Menschen ein Stück Eigenständigkeit und Würde zurück“, sagt Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei PRO ASYL.

Hintergrund

Am 16. Dezember 2020 reichten sechs Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte, der Aktion Bleiberecht Freiburg, PRO ASYL und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen die restriktive Hausordnung ein.

Die in allen Erstaufnahmeeinrichtungen Baden-Württembergs einheitlich ausgestaltete Hausordnung reguliert den Alltag der Bewohner*innen umfassend. Die Türen zu den Schlafräumen sind nicht abschließbar. Der Sicherheitsdienst kontrolliert täglich die Zimmer und darf diese auch nachts und gegen den Willen der Bewohner betreten. Sie dürfen keinen Besuch empfangen. Auf dem gesamten Gelände ist es ihnen verboten, sich politisch zu betätigen. Selbst einfache Haushaltsgegenstände wie eine Packung Reis, einen Gebetsteppich, einen Schraubenzieher oder einen Haarschneider dürfen sie nicht mit in die Einrichtung nehmen. Gegen weitere Regelungen der Hausordnung läuft ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Weiterführende Informationen finden Sie hier:


Dienstanweisungen des BAMF

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erlässt Dienstanweisungen, um die Entscheidungspraxis bundesweit zu vereinheitlichen. Auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hat Pro Asyl erreicht, dass das BAMF seine Dienstanweisungen teilweise zur Veröffentlichung freigegeben hat.


VG KA: Asyl Nigeria wegen Menschenhandel und Zwangsbeschneidung

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG KA) hat einer Mutter und ihrem Sohn die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Die Klägerin ist als Menschenhandelsopfer und ehemalige Prostituierte Teil einer bestimmten sozialen Gruppe, die staatlich nicht ausreichend geschützt ist. Die bisherigen Bemühungen des nigerianischen Staates zur Bekämpfung des Menschenhandels sind nicht hinreichend wirksam. Der Kläger ist ebenfalls Teil einer solchen Gruppe, da ihm eine rituelle Zwangsbeschneidung gegen den Willen seiner Mutter droht. Betont wird die weite Verbreitung der Beschneidung von Männern (min. 80 %) und die Üblichkeit der rituellen Beschneidung durch nicht medizinisch geschulte Beschneider (S. 14). Interner Schutz wird mit Blick auf die individuelle Situation der Familie verneint, da die Klägerin als HIV Erkrankte einen besonderen Bedarf hätte, den sie als stigmatisierte ehemalige Prostituierte nicht erwirtschaften können wird. Die staatliche Versorgung von HIV-Infizierten ist nach wie vor defizitär, was sich durch die Corona-Pandemie verschlechtert hat. Das VG bleibt aber (leider) bei der Auffassung, dass Rückkehrer*innen, selbst wenn sie nicht durch soziale Strukturen abgesichert sind, grundsätzlich keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet werden. Bei der individuellen Prognose sind auch die nötigen Vorsorgeaufwendungen gegen Malaria-Erkrankungen von Kindern zu berücksichtigen.