Sie haben rechtliche Fragen oder brauchen einen Rat? Wir bieten Ihnen eine Beratung per Telefon und E-Mail an, eine persönliche Beratung vor Ort ist leider nicht möglich. Rufen Sie uns bei Bedarf daher an oder schreiben Sie uns jederzeit eine Nachricht.
Bitte geben Sie Ihre Telefonnummer für Rückfragen an. Bitte teilen Sie uns auch mit, ob Sie Mitglied des Flüchtlingrats sind. Weitere Infos zu unserer Beratung finden Sie hier.
Bitte beachten Sie bei E-Mailanfragen, dass wir für die Bearbeitung Ihrer Anfrage keine personenbezogenen Daten der Geflüchteten (Name, Aktenzeichen, Adresse, Geburtsdatum, etc.) benötigen. Im Sinne des Datenschutzes bitten wir Sie darum, diese Informationen nicht anzugeben bzw. zu schwärzen.
Die Bedarfe von Geflüchteten mit Behinderung werden noch immer nur sehr unzureichend berücksichtigt. Daher ist der aktualisierte „Leitfaden zur Beratung von Menschen mit einer Behinderung im Kontext von Migration und Flucht“ ein wertvoller Ratgeber für die praktische Beratung. Der Leitfaden wurde von Dr. Barbara Weiser (Caritas Osnabrück) und Maren Gag (passage gGmbH) erstellt und gibt wertvolle Hinweise, zu welchen Leistungen, die für Menschen mit einer Behinderung von Bedeutung sein können, Geflüchtete Zugang haben.
Gemeinsame Stellungnahme des Paritätischen Baden-Württemberg, des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg, des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen und der Seebrücke Baden-Württemberg.
Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 14
Der Europäische Rat hat am 4. März 2022 den erforderlichen Beschluss zur Aufnahme von Vertriebenen nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 getroffen. Die Richtlinie ist am gleichen Tag in Kraft getreten. Die Schutzsuchenden aus der Ukraine erhalten somit sofortigen Schutz für voraussichtlich drei Jahre, Zugang zur Gesundheitsversorgung, Leistungen zum Lebensunterhalt, Zugang zu Arbeit, Bildung sowie zu Integrationsangeboten ohne zuvor ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Die weltweite Solidarität und die Aufnahmebereitschaft von Opfern des Ukraine-Krieges sind überwältigend. All dies begrüßen wir sehr!
Die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie ist erstmalig für ukrainische Geflüchtete aktiviert worden, obwohl es schon in der (jüngsten) Vergangenheit Anlässe gegeben hätte. Die Benachteiligung von Drittstaatler*innen und Minderheiten aus der Ukraine sowie der Flüchtlinge an den anderen EU-Außengrenzen und in Deutschland verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz uns ist deshalb diskriminierend. Jeder Mensch hat das Recht, vor Verfolgung Asyl zu suchen und geschützt zu werden.
Ungleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen und Minderheiten aus der Ukraine beenden!
Wir sind bestürzt über die Nachrichten, die uns von der ukrainisch-polnischen Grenze erreichen, denen zufolge nicht allen Menschen gleichermaßen Schutz gewährt und u.a. nach Herkunft und Nationalpass unterschieden wird. Wer jetzt aus der Ukraine flieht, muss Zuflucht bei uns finden. Es kann nicht sein, dass Drittstaatsangehörige, die vor Krieg Schutz suchen, an Grenzen abgewiesen werden oder binnen kürzester Zeit entscheiden müssen, ob sie einen Asylantrag stellen oder ausreisen. Es häufen sich Berichte, dass u.a. an der polnischen Grenze Personen aus Afghanistan, Jemen, Syrien, (Nord-) Afrikanischen Ländern, Indien und anderen Drittstaaten, die sich aus der Ukraine retten wollen, völkerrechtswidrigen Pushbacks ausgesetzt sind.
Auch die Diskriminierung von ukrainischen Rom*nja, die sich auf der Flucht befinden, verurteilen wir aufs Schärfste. Ukrainische Rom*nja sind immer wieder von Diskriminierung und gewalttätigen, teilweise tödlichen Übergriffen betroffen. Die Stigmatisierung der Rom*nja, die unmittelbar aus einem Kriegsgebiet flüchten führt dazu, dass sie aus der Menge der Flüchtenden herausgepickt und ihnen eine Gleichbehandlung abgesprochen wird. Das Absprechen legitimer Fluchtgründe zeigt einmal mehr den allgegenwärtigen und wirkmächtigen Antiziganismus auf.
Die demselben Krieg entfliehenden Menschen in ihren rechtlichen Möglichkeiten nach Hautfarbe und Herkunft ungleich zu behandeln, ist ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Konvention gegen Rassismus (ICERD) sowie gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie. Das Gebot der Gleichbehandlung bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine muss selbstverständlich werden.
Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen gleich behandeln!
Seit vielen Jahren sterben tagtäglich Menschen an den EU-Außengrenzen, weil ihnen durch militärische Einheiten und mit brutaler Gewalt der Zutritt in die EU verweigert wird. Sie erfrieren in Wäldern, ertrinken auf gefährlichen Überfahrten im Mittelmeer oder harren seit Jahren unter unmenschlichen Bedingungen in sogenannten EU-Hotspots aus. Diese Menschen dürfen nicht vergessen werden! Denn auch sie haben das Recht auf humanitäre Hilfe, auf Schutz, Sicherheit und Solidarität und sollten zügig und unbürokratisch aufgenommen werden.
Das Recht auf Asyl ist ein universelles Menschenrecht! Die EU, die Bundesregierung und die Baden-Württembergische Landesregierung dürfen hier nicht weiter unterschiedliche Maßstäbe ansetzen, abhängig davon, woher Menschen kommen, wie alt diese sind, welche Religion und Hautfarbe oder welche sexuelle Orientierung sie haben. Wir fordern, Solidarität und gleiche Rechte für alle von Krieg und Verfolgung bedrohten Menschen.
Diskriminierung von Russinnen, Russen und Menschen mit russischer Migrationsbiographie beenden!
Russ*innen sowie Menschen mit russischer Migrationsbiographie werden vermehrt mit Verweis auf das Handeln der russischen Regierung ausgegrenzt oder gar angegriffen. Sie dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt und stigmatisiert werden. Die Vorfälle zeigen, dass der gesellschaftlich tief verwurzelte antislawische Rassismus schnell aktiviert werden kann und wirkmächtig ist. Wir verwehren uns gegen jede Form von Ausgrenzung und Rassismus gegenüber unseren Mitbürger*innen aus Russland oder mit russischer Migrationsbiographie.
Es ist inakzeptabel, dass Empathie und Hilfsbereitschaft von der Herkunft eines Menschen abhängig gemacht ist, in Kriegs- wie auch in Friedenszeiten! Menschlichkeit und Menschenrechte sind universell.
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat in einem Schreiben vom 14. März 2022 wichtige Hinweise zur Umsetzung des vorübergehenden Schutzes für Geflüchtete aus der Ukraine gegeben.
Hier eine Zusammenfassung mit den wichtigsten praxisrelevanten Punkten:
Einbezogen in die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG werden:
o Ukrainische Staatsangehörige sowie nicht-ukrainische Staatsangehörige mit einem internationalen oder gleichwertigem nationalen Schutzstatus in der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten und ab diesem Datum geflüchtet sind,
o Deren Familienangehörige, wenn die familiäre Gemeinschaft bereits in der Ukraine bestand (das sind Ehegatt*innen, nicht-verheiratete Partner*innen in dauerhafter Beziehung, minderjährige ledige Kinder und Stiefkinder sowie andere enge Verwandte in einem schon vorher bestehenden Abhängigkeitsverhältnis, das durch Unterhaltsgewährung oder durch Pflege und Betreuung zum Ausdruck kommt).
o Nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die sich vor dem 24. Februar 2022 mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine aufgehalten haben und die nicht „sicher und dauerhaft“ in ihr ursprüngliches Herkunftsland zurückkehren können. Das Kriterium, ob eine „sichere und dauerhafte“ Rückkehr ins ursprüngliche Herkunftsland nicht möglich ist, soll sein, ob ohne den § 24 zumindest eine Duldung in Deutschland erteilt werden _müsste_.
o Nicht ukrainische Drittstaatsangehörige, die sich vor dem 24. Februar 2022 mit einem befristeten Aufenthaltstitel rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben und die nicht „sicher und dauerhaft“ in ihr ursprüngliches Herkunftsland zurückkehren können. Es muss sich um einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt gehandelt haben, der für mehr als 90 Tage vorgesehen war. Ausdrücklich einbezogen in den § 24 werden damit auch Studierende und Menschen, die für die Arbeit in der Ukraine waren – allerdings immer unter der Bedingung, dass sie nicht ins ursprüngliche Herkunftsland zurückkehren können. Hier gibt es weiterhin Unklarheiten, wie die Ausländerbehörden dies prüfen werden.
o Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar bereits in Deutschland waren und hier einen anderen Aufenthaltstitel hatten (z. B. als Studierende in Deutschland, Fachkraft, Familienangehörige), werden ebenfalls in den § 24 einbezogen, wenn der ursprüngliche Aufenthaltstitel nicht verlängert werden kann (z. B. Scheitern des Studiums, Trennung).
o Ukrainische Staatsangehörige und andere Drittstaatsangehörige, die „nicht lange“ vor dem 24. Februar schon in der EU waren (z. B. als Tourist*innen) unter den oben genannten Bedingungen.
Für einen Familiennachzug zu Menschen mit § 24 ist der gesicherte Lebensunterhalt keine Voraussetzung. Die nachgezogenen Familienmitglieder erhalten dann auch § 24.
Ein Antrag auf § 24 ist bei der örtlichen Ausländerbehörde zu stellen; die Aufenthaltserlaubnis wird nicht automatisch ohne Antrag erteilt. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss die ABH nach Antragstellung eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG ausstellen.
Es besteht Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Dieser besteht auch schon vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und auch schon, bevor der Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bei der ABH gestellt wurde. Das Nachsuchen um Leistungen beim Sozialamt gilt als Schutzgesuch (nicht: Asylantrag!), und damit beginnt der Anspruch auf Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG.
Es kann statt der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 auch unmittelbar eine andere Aufenthaltserlaubnis beantragt werden, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind (z. B. als Fachkraft, für das Studium usw.).
Nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis § 24 AufenthG ist der Spurwechsel in grundsätzlich jede andere Aufenthaltserlaubnis möglich. Das BMI schreibt dazu, es gebe dafür „keine Beschränkungen“. Dies entspricht jedoch nicht der Rechtslage, denn gem. § 19f Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sind einige Aufenthaltserlaubnisse für den Spurwechsel gesetzlich gesperrt (u. a. § 16b Abs. 1 und 5 – Studium, § 17 Abs. 2 – Studienbewerbung, § 18 Abs. 2 – Blaue Karte, § 18d – Forschung).
Die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 wird gebührenfrei und immer bis zum 4. März 2024 erteilt. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG ebenfalls gebührenfrei ausgestellt werden.
In die Aufenthaltserlaubnis muss die ABH eintragen: „Erwerbstätigkeit erlaubt“. Es muss kein zusätzlicher Antrag auf Beschäftigungserlaubnis gestellt werden.
Auch mit der Fiktionsbescheinigung ist bereits jede Erwerbstätigkeit erlaubt. Auch dies muss in die Fiktionsbescheinigung eingetragen werden.
Die Änderung bzw. Streichung einer möglichen Wohnsitzauflage richtet sich analog nach § 12a Abs. 5 AufenthG (Streichung bei versicherungspflichtiger Beschäftigung eines Familienmitglieds mit mind. 15 Wochenstunden und 785 Euro Nettoeinkommen / bei Ausbildung oder Studium eines Familienmitglieds / wenn Angehörige an einem anderen Ort wohnen / Änderung in weiteren Härtefällen).
Mit § 24 ist die Zulassung zum Integrationskurs möglich. Dies soll auch schon mit der Fiktionsbescheinigung gelten.
Die Untersuchung geht der Frage nach, mit welchen Problemen bisexuelle Geflüchtete im Asylverfahren konfrontiert sind. Im Laufe der Untersuchung werden immer wieder Strategien aufgezeigt, die es ermöglichen sollen, der Vielfalt sexueller Orientierungen im Asylverfahren angemessen Rechnung zu tragen.
Die Broschüre kann hier kostenlos runtergeladen werden.
In seiner neuen Publikation analysiert das Deutsche Institut für Menschenrechte die Schutzpflichten Deutschlands für besonders schutzbedürftige Afghan*innen auf Basis der bestehenden Grund- und Menschenrechte. Es kommt zu dem Schluss, dass Deutschland neben ehemaligen Ortskräften weiteren besonders schutzbedürftigen Menschen aus Afghanistan bis auf Weiteres Schutz zu gewähren habe.
Die Publikation steht kostenlos online zur Verfügung oder kann in print bestellt werden.
Gemeinsam mit der Referentin Vera Sompon von Sompon Socialservices Baden-Württemberg e.V. wollen wir reflektieren und uns austauschen, wie wir unsere ehrenamtliche Geflüchtetenarbeit rassismuskritisch gestalten können. Von zentraler Bedeutung ist die Selbstreflektion: Mit welcher Brille helfen wir, warum helfen wir und inwiefern können wir überhaupt helfen? Wir sprechen darüber, was Rassismus eigentlich ist, wie wir uns für rassismuskritisches Denken öffnen, eigene Denkmuster hinterfragen und ein solidarisches Miteinander leben können. Dabei wollen wir uns auch darüber austauschen, wie wir fragwürdige Herangehensweisen bei anderen Engagierten ansprechen und konstruktiv kritisieren können.
Dies und mehr ist Inhalt der Austauschrunde, die vom Flüchtlingsrat angeboten wird.
Die Veranstaltung richtet sich an Ehrenamtliche und wird als gemeinsames interaktives Gespräch gestaltet, das auf einer aktiven Teilnahme basiert. Die Anzahl der Teilnehmenden ist begrenzt.
Nach Ihrer erfolgreichen Anmeldung bekommen Sie den Link für die Zoom Veranstaltung einen Tag vor der Veranstaltung zugeschickt.
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.
Mit den neu aktualisierten Broschüren des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und der Werkstatt PARITÄT erhalten Geflüchtete und Unterstützer*innen einen Überblick über die Rechte und Möglichkeiten von Personen mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung.
Die Flyer „Basisinformationen Aufenthaltsgestattung“ und „Basisinformationen Duldung“ informieren Betroffene zu den Themen Unterbringung, Bildung, Arbeit, Sozialleistungen, Familie und aufenthaltsrechtliche Perspektiven. Im aktualisierten Flyer zur Duldung werden zudem unterschiedliche Duldungsformen, insbesondere die neue „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ thematisiert.
Der Flyer „Wie bekomme ich eine Arbeitserlaubnis?“ vertieft die Informationen zum Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung.
Der Flyer „Basisinformationen Ausbildungsduldung“ gibt einen Überblick über die Möglichkeiten einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung sowie über die praktischen Hürden und das Verfahren der Antragsstellung.
Vier weitere Flyer informieren über aufenthaltsrechtliche Perspektiven von Geduldeten: Bleiberechtregelungen nach „§ 25a AufenthG“ für junge Geduldete und „§ 25b AufenthG“ für langjährig Geduldete, zur Aufenthaltserlaubnis nach „§ 19d AufenthG“ für qualifizierte Geduldete sowie zum „Härtefallantrag“.
Die Flyer wurden im Rahmen des Projekts NIFA – Netzwerk zur Integration von Flüchtlingen in Arbeit erstellt und veröffentlicht. Das Projekt NIFA ist eines der vier IvAF-Netzwerke in Baden-Württemberg und wird im Rahmen der ESF-Integrationsrichtlinie Bund im Handlungsschwerpunkt „Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den ESF gefördert.
Die Seebrücken Baden-Württemberg rufen gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat am 20. November zu einem landesweiten Aktionstag unter dem Motto „Menschenrechte wahren – Koalitionsvertrag umsetzen“ auf. Nach den Landtagswahlen wurde ein Landesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen an den Außengrenzen im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU festgeschrieben. Umgesetzt wurde bisher nichts.
„Immer mehr Menschen stecken an den Außengrenzen Europas fest. Menschen in Not werden zunehmend als politisches Druckmittel eingesetzt, während ihre individuellen Fluchtgründe und -erfahrungen keine Rolle mehr spielen und vor allem auch nicht gehört werden sollen“, so Ulrich Bamann von den Seebrücken Baden-Württemberg. An der Grenze zwischen Belarus und Polen finden massive Menschenrechtsverletzungen statt, die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention werden vor den Augen Europas in den Schmutz getreten. In Griechenland werden Lager von der Europäischen Union gebaut, die mit europäischen Standards nicht vereinbar sind. In Libyen tobt ein Krieg gegen geflüchtete Menschen, die dort unter unwürdigsten Bedingungen gefängnisartig einkaserniert sind. „Die Europäische Union schottet sich immer weiter ab, es entstehen Ghettos an den Toren Europas, die mit europäischen Mitteln finanziert werden. Menschen, die die bosnisch-kroatische Grenze überqueren wollen, werden illegal zurückgeprügelt. Das können und wollen wir nicht hinnehmen“, so Ines Fischer von der Seebrücke Baden-Württemberg.
Der baden-württembergische Koalitionsvertrag enthält explizit die Aussage, dass ein Landesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen an den Außengrenzen umgesetzt werden soll. Bisher wurden jedoch keine Bemühungen aufgenommen, um dieses Versprechen in die Tat umzusetzen. „Wir fordern ein schnelles und konsequentes Handeln der Landesregierung. An jedem Tag, der vergeht, sterben Menschen oder werden gezwungen unter menschenfeindlichen Bedingungen in Lagern zu leben. Vor diesem Hintergrund darf gerade dieser Punkt im Koalitionsvertrag nicht nur ein leeres Versprechen bleiben oder unendlich lange hinausgezögert werden“ so Anna Maier von den Seebrücken Baden-Württemberg: „Wir fordern die Landesregierung eindringlich dazu auf, endlich aktiv zu werden!“:
Die Seebrücke Baden-Württemberg veranstaltet ihren Aktionstag im Rahmen der Kampagne „Sicherer Hafen Baden-Württemberg“, die im Jahr 2020 ins Leben gerufen wurde. Die Kampagne, deren wesentliches Ziel unter anderem die Umsetzung eines Landesaufnahmeprogrammes ist, wird von 180 Organisationen in Baden-Württemberg unterstützt. Im Januar 2021 überreichten Vertreter*innen einen offenen Brief im Staatsministerium, der außerdem die Forderung enthielt, langjährig geduldete Menschen aus Baden-Württemberg nicht mehr abzuschieben, sondern ihnen endlich ein Bleiberecht zu verschaffen. Alle Aktionen sind zu finden unter www.sichererhafen-baden-wuerttemberg.com
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat in einem Rundschreiben vom 15. November mitgeteilt, dass für asylsuchende Menschen aus Afghanistan mit einer Aufenthaltsgestattung nun für Maßnahmen „im Zuständigkeitsbereich des BMAS“ eine „gute Bleibeperspektive“ angenommen wird. Daher haben sie (ebenso wie Asylsuchende aus Syrien, Eritrea und Somalia) ab jetzt einen Zugang zur berufsbezogenen Deutschsprachförderung (DeuFöV) und wohl auch zu frühzeitigen Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration gem. § 39a SGB III (z.B. Förderung aus dem Vermittlungsbudget, Aktivierung und berufliche Eingliederung durch die Arbeitsagentur) ab dem 1. Tag der Einreise.
Die Annahme der „guten Bleibeperspektive“ beschränkt sich demnach jedoch auf den „Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“. Das Bundesministerium des Inneren nimmt demgegenüber für seinen Zuständigkeitsbereich offenbar weiterhin keine „gute Bleibeperspektive“ an, sodass die Zulassung zu den Integrationskursen für afghanische Asylsuchende bis auf weiteres nur möglich bleibt, wenn sie vor dem 1. August 2019 eingereist und mindestens arbeitsuchend gemeldet sind.
Innerhalben weniger Wochen ist die Situation in Afghanistan weitgehend aus den Nachrichten verschwunden. Während die Taliban weiter ihre Macht ausbauen, sind seit dem Abzug der NATO Truppen, ausländischer Diplomat*innen und Journalist*innen die Menschen vor Ort den Taliban ausgeliefert. Menschen die das Land verlassen wollen, sind darauf angewiesen, in Nachbarstaaten wie beispielsweise in den Iran zu fliehen. Doch diese Flucht ist oft lebensgefährlich, die Grenzen werden für viele verschlossen und in den Nachbarstaaten sind afghanische Geflüchtete oftmals massiver Ausbeutung und Willkür ausgesetzt. Um (legal) nach Europa reisen zu können, müssen Afghan*innen in den Nachbarstaaten europäische Vertretungen aufsuchen und dort ihre Schutzbedürftigkeit vorweisen. Es ist also faktisch kaum machbar.
Nach 20 Jahren Besetzung und Krieg ist Afghanistan ein zerstörtes Land. Während die Bundeswehr schon den nächsten Zapfenstreich plant, sind es die Menschen in Afghanistan die unter der jahrzehntelangen Besatzung und jetzt den Taliban leiden.
Auch wenn das mediale Interesse nachgelassen hat, erreichen uns seit Wochen viele, viele Mails und Anrufe von Menschen die uns ihr oder das Schicksal ihrer Familien und Bekannten mitteilen und um Hilfe bitten. Gerade weil seit Wochen das Schicksal der Menschen ignoriert wird und Europa sich weiter abschottet, wollen wir zumindest den Menschen die sich an uns wenden eine Stimme geben und ihre ganz persönlichen Schicksale bekannt machen.
Originale, anonymisierte Anfragen, die wir bekommen haben:
„Meine Geschwister sind in Afghanistan in Gefahr
sie brauchen Hilfe bitte helfen Sie
Freiheit, das ist ein Fremdwort für die Menschen dort. (…) Ich lebe heute in einem der sichersten Länder der Welt. (Deutschland) Dafür bin ich auch sehr dankbar.
Aber trotz dieser Sicherheit, lebe ich und meine Familie in totaler Angst. Angst davor meine Kinder in Afghanistan umzubringen.
Ja, meine 3 Kinder sind noch mit ihren Familien in Afghanistan.
Alle drei waren aktiv und haben gearbeitet und waren eine Bereicherung für die Menschen in Afghanistan.
Die haben ihr Hab und Gut in Bildung investiert, doch heute wird ihr Wissen zu ihrem Feind.
Seit Tagen befinden sich meine Kinder und ihre Kinder in der schlimmsten Zeit ihres Lebens. Sie stehen kurz vor ihrem Tod.
Die waren in Kunduz und jetzt sind sie in Kabul und können weder raus noch zurück.
Als die deutsche Bundeswehr in Afghanistan war, hatten die deutschen Soldaten in Kunduz einen sehr engen Kontakt zu unserer Familie.
Und auch das ist der Grund, warum sich heute meine Kinder vor den Taliban verstecken müssen.
Wir bitten Sie darum, dass Sie meine Kinder in Sicherheit bringen, damit sie nicht sterben.
Diese Zeilen hier, schreib ich Ihnen aus Hilflosigkeit, Verzweiflung, weinenden Augen, gebrochenem Herz und mit meiner letzten Hoffnung.
Der unendliche Krieg in Afghanistan hat uns geographisch getrennt.
Sie werden uns ein Leben Schenken und andere Leben retten, wenn Sie meinen Kindern das Leben retten.“
„Sie finden sie und ihre Familie und ich weiß, dass sie ihre drei Kinder töten werden.“
„Derzeit arbeitet Asal* seit mehr als vier Jahren mit WOW (women for afghan women) zusammen. Die Taliban haben das ganze Land unter ihre Kontrolle gebracht, das Leben und das Leben aller ihrer Familienmitglieder sind in Gefahr, weil sie für eine Frauenrechtsorganisation arbeitet.
Eine der Aktivitäten ihres Büros bestand darin, Frauen zu betreuen und zu schützen, die gewalttätig wurden, und sie hat mehrere Fälle von Frauen, die von ihren Männern schwerer Gewalt ausgesetzt waren, persönlich zum Women’s Advocacy Center, Follow-ups gebracht und ihre Verwaltungsarbeit abgeschlossen, um lassen sich scheiden und bestrafen ihren Ehemann.
Deshalb machen ihre Ehemänner sie für den Verlust ihrer Frauen und andere Unglücke verantwortlich. Diese Leute beschwerten sich beim Taliban-Gericht über Asal. Die Taliban betraten die Einrichtung, in der sie arbeitete, und sammelten alle Informationen über ihre Identität.
Sie haben sogar ein Bild von Asal dabei. Sie hat mehrere Drohungen und telefonische Warnungen von den Taliban und diesen Leuten erhalten. Sie griffen sogar ihr Haus in Kunduz an und griffen es an und plünderten ihr gesamtes Eigentum. Die Taliban gingen sogar zum Haus unserer Verwandten und nahmen sie mit. Asal kann also nicht in diesem Land bleiben und derzeit gibt es selbst in Kabul keinen sicheren Ort für sie. Sie finden sie und ihre Familie und ich weiß, dass sie ihre drei Kinder töten werden.“
*Name geändert
„Mein Vater wurde trotz seines hohen Alters sehr geschlagen und verletzt von der Taliban Polizei.“
„Meine Familie lebt in Herat in Afghanistan. Ich habe jetzt erfahren, dass es meiner Familie sehr schlecht geht, sie werden schwerst Bedroht und mein Vater wurde trotz seines hohen Alters sehr geschlagen und verletzt von der Taliban Polizei. Dieser Übergriff war am Tag und ganz öffentlich. Meine 2 Schwestern (12 Jahre und 9 Jahre alt) sind noch minderjährig und durften die Schule besuchen. Das ist für diese Gegend nicht selbstverständlich Ich mache mir große Sorgen, was mit ihnen und meinem 16 Jahre alten Bruder geschieht, wenn die Taliban sie zuhause aufsuchen. Alle können das Haus nicht mehr verlassen, weil der Volksstamm Hassara besonders auffällig ist ( Optisch Erkennbar), nur mein Vater ging zur Arbeit. Das kann er jetzt auch nicht mehr. ? Es ist mir schon bewußt, dass Sie diese Tage viele solche Nachrichten erhalten. Aber nicht doch noch ein bißchen Hoffnung zu haben, heißt den Glauben zu verlieren und jeder einzelne Fall ist ein persönliches Schicksal.
Ich bitte Sie dringend mir zu helfen“
Dies sind nur wenige Beispiele für die Zuschriften, die uns seit fast zwei Monaten mehrmals am Tag erreichen. Hinter jedem Politikum, hinter jedem Krieg und jeder Abschottung stehen Schicksale und ganze Existenzen von Menschen und ihren Geschichten. Pro Asyl hat ebenfalls beispielhafte einige #StimmenAusKabul veröffentlicht. Im Gespräch mit der Kontext-Wochenzeitung hat Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg davon berichtet, wie es ist, täglich mit diesen Anfragen verzweifelter Menschen zu tun zu haben. Leider müssen wir diesen Menschen in der Regel sagen, dass es keine realistische Chance gibt, sie in Sicherheit zu bringen. Denn die Bundesregierung und alle anderen westlichen Staaten haben ihre Evakuierungsflüge beendet. Bundesinnenminister Seehofer hat sein Veto gegen das von Thüringen geplante Landesaufnahmeprogramm für Afghan*innen eingelegt. Wenigstens hat die Thüringische Landesregierung es versucht – das ist mehr, als man für unsere Landesregierung in Baden-Württemberg sagen kann.
Diese politische Blockade kann nur durch Druck aus der Bevölkerung aufgebrochen werden. Der neu zu bildenden Bundesregierung muss klar werden, wie viele Menschen in diesem Land von ihr erwarten, alles dafür zu tun um gefährdete Menschen aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen – und dass die Hauptsorge eben nicht – wie etwa der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet behauptete – darin besteht, dass sich „2015 sich nicht wiederholen“ dürfe. Deshalb ruft der Flüchtlingsrat für Samstag, den 2. Oktober gemeinsam mit der afghanischen Community, dem AK Asyl und dem Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung zu einer Kundgebung um 14 Uhr auf dem Marienplatz in Stuttgart auf. Eine zahlreiche Beteiligung wäre ein starkes Signal der Solidarität an die afghanische Community und auch ein deutliches Zeichen in Richtung der politisch Verantwortlichen, dass entschlossenes Handeln zu Gunsten der gefährdeten Afghan*innen längst überfällig ist!
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