PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern Abschiebungsstopp für Afghanistan

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern die Bundesregierung auf, jegliche weitere direkte oder indirekte Gespräche mit der afghanischen Regierung sofort einzustellen und einen förmlichen Abschiebungsstopp für das Land Afghanistan zu verhängen.

Obwohl in Afghanistan die Taliban seit fast vier Jahren mit eiserner Hand ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, will die deutsche Bundesregierung den Kontakt zu ihnen suchen, um Abschiebungen in das Land zu ermöglichen.

„Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wirft ein Schlaglicht darauf, was in Afghanistan täglich passiert und was die Bundesregierung ignorieren will: Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abschiebungen in ein Land, in dem Frauen aus der Öffentlichkeit verbannt sind und in dem es zu öffentlichen Auspeitschungen und Hinrichtungen kommt, sind eindeutig völkerrechtswidrig“, so Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

„Die Europäische Menschenrechtskonvention sichert allen Menschen, die sich in Europa aufhalten, das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung zu. Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, deren oberste Repräsentanten wegen ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IstGH) angeklagt sind. Jeglicher Kontakt mit den Taliban ist für sie ein weiterer Schritt in Richtung internationale Anerkennung“, mahnt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Hintergrund

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat am 08.07.2025 Haftbefehle gegen Taliban-Chef Hebatullah Achundsada und den Obersten Richter und Justizminister des Regimes, Abdul Hakim Hakkani, erlassen. Es lägen „hinreichende Verdachtsmomente“ vor, dass beide persönlich für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Afghanistan verantwortlich seien.

Nicht erst die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshof trugen der Gewaltherrschaft der Taliban Rechnung, auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.10.2024 bestätigte, dass die Taliban Frauen* systematisch verfolgen – ihre Situation hat sich seither nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Es darf auf keinen Fall eine konsularische oder diplomatische Anerkennung für die Taliban geben, auch nicht, um Straftäter*innen abzuschieben.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, Abschiebungen nach Afghanistan – beginnend mit Straftätern – forcieren zu wollen. Abschiebungen nach Afghanistan würden jedoch gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung) verstoßen. Das Folterverbot ist absolut und umfasst auch Straftäter*innen (siehe hier für weitere Ausführungen).

Nach derzeit vorliegenden Informationen plant die Bundesregierung erneut eine Abschiebung in Zusammenarbeit mit den Behörden in Katar. Bundesinnenminister Dobrindt fordert gar direkte Verhandlungen mit den Taliban. Aber auch eine über Bande organisierte Abschiebung ist nicht ohne Kooperation mit dem islamistischen Regime der Taliban möglich.

Afghanistan ist überdies von Armut, Hunger und Vertreibung gezeichnet. 2024 benötigten laut UN fast 24 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. 12 Mio. waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, fast 3 Mio. Kinder unterernährt (Amnesty Report 2024/25). Aufgrund der Einstellung amerikanischer Hilfsgelder sind viele Hilfsprogramme in Afghanistan drastisch unterfinanziert, zum Beispiel müssen hunderte Gesundheitsklinken schließen. Die humanitäre Katastrophe droht sich noch auszuweiten, da Pakistan und Iran im vergangenen Jahr ca. 1.5 Millionen Menschen nach Afghanistan abgeschoben haben und auch aktuell verstärkt abschieben.

Nachtrag

Am 18.07.2025 fand die seit der Machtübernahme der Taliban zweite Abschiebung von Deutschland nach Afghanistan statt. „Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Taliban herrschen dort mit brutaler Gewalt wie Auspeitschungen und Hinrichtungen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln. Zudem ist auch die humanitäre Situation in dem Land katastrophal. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Abschiebungen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Das ist in Afghanistan der Fall“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.


Kritik an Frontex: Verharmlosung von Abschiebungen

Frontex, die EU-Grenzschutzagentur, die immer wieder in Pushback-Skandale verwickelt ist, versucht sich nun als Verfasserin von Broschüren für Kinder. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. Die Broschüre „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ soll Kindern erklären, warum Abschiebungen gar nicht so schlimm sind. Deshalb fällt das Wort „Abschiebungen“ einfach nicht in der Broschüre. Es hagelt an Kritik an der Agentur. Zurecht.

Anbei nur ein Ausschnitt der Kritiken. Die Broschüre möchten wir nicht verbreiten, daher ist sie hier nicht verlinkt.



SG Heilbronn: Verpflichtung zur Übernahme obligatorischer Anschlussversicherungbeiträge

Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat mit Beschluss vom 23.06.2025 – S 15 AY 1361/25 ER die Leistungsbehörde vorläufig verpflichtet, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 6 AsylbLG zu übernehmen.

„1.) Ein Empfänger von Grundleistungen nach dem AsylbLG hat nach § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG einen Anspruch auf Übernahme von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung im Rahmen der sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung.

2.) Die Übernahme der Versicherungsbeiträge ist zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich.“

(Amtliche Leitsätze)


Beratungspause: 2. August – 21. September

Bitte beachten Sie: Vom 2. August bis 21. September ist unsere Beratung geschlossen. E-Mails und Anrufe können wir in dieser Zeit leider nicht beantworten.

Unsere Hauptamtlichen-Beratung (hauptamtlichenberatung@fluechtlinsgrat-bw.de) ist bereits ab dem 14. Juli unbesetzt, die Beratung für besonders Schutzbedürftige (partizipation@fluechtlingsrat-bw.de) ab dem 21. Juli.

Wenden Sie sich in dringenden Fällen bitte an andere Beratungsstellen. Eine Übersicht finden Sie unter Kontaktadressen. Pro Asyl, Migrationsberatungen und die Jugendmigrationsdienste können ggf. ebenfalls weiterhelfen.


Arbeitshilfe: (keine) Sozialleistungen für Dublin-Fälle

Die Ampelregierung hatte im Herbst 2024 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den vollständigen Leistungsausschluss für sogenannte Dublin-Fälle vorsieht. Nun erhalten immer mehr Geflüchtete, für deren Asylverfahren ein anderer europäisches Land zuständig ist, keine Sozialleistungen mehr. Das heißt, sie stehen vor dem Nichts: Keine Unterkunft und kein Geld für das Allernötigste wie Essen. Gegen den Leistungsausschluss muss sich jede betroffene Person selbstständig wehren.

Die Arbeitshilfe der Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. gibt einen sehr guten Einblick in das Thema, verschiedene Fallkonstellationen und in die Rechtswege. Unterstützen Sie Betroffene, gegen die Leistungsausschlüsse vorzugehen. Es gibt bereits etliche positive Beschlüsse von Sozialgerichten. Hier finden Sie anwaltliche Hilfe.



Ulm: Vorträge im Rahmen des Festivals gegen Rassismus

Die Situation von Geflüchteten in Deutschland verschärft sich immer weiter. Mit welchen Entwicklungen ist unter der neuen Bundesregierung zu rechnen? Und wie ist die Situation geflüchteter Studierender in Deutschland?

Die studentische Initiative festival contre le racisme (Festival gegen Rassismus) organisiert zu diesen Themen eine Veranstaltung, die sich an Haupt- und Ehrenamtliche sowie geflüchtete Studierende richtet. Es wird folgende zwei Vorträge mit anschließender Diskussion geben:

  • „Das flüchtlingspolitische Programm der neuen Bundesregierung und Einordnung im politischen Kontext“
    Referentin: Dr. Anja Bartel, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
  • „Zur Situation geflüchteter Studierender in Deutschland“
    Johannes Glembek, Bundesverband ausländischer Studierender

Die Veranstaltung findet im Verschwörhaus Ulm, Salon, Weinhof 9, Ulm statt, eine Online-Teilnahme ist ebenfalls möglich. Weitere Informationen sowie den Link zur Anmeldung zur Veranstaltung finden Sie auf der Webseite der Stadt Ulm.


Anerkannte Griechenland

Viele Geflüchtete, die in Griechenland internationalen Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) erhalten, finden dort keine Lebensgrundlage und fliehen weiter innerhalb der EU. In Deutschland stellen etliche einen Asylantrag – wie diese entschieden werden hat sich in den letzten Jahren immer wieder geändert. Alle aktuellen Entwicklungen, inklusive einer kleinen Historie zur Entscheidungspraxis des BAMF finden Sie hier.

2025

  • Zu Beginn des Jahres werden viele Asylanträge weiterhin als unzulässig abgelehnt, mit der Begründung, dass Geflüchteten in Griechenland eine Lebensgrundlage vorfinden würden.
  • Zudem erhalten Asylsuchende mit einer Anerkennung in Griechenland noch während des laufenden Asylverfahrens Hinweisschreiben des BAMF mit Informationen zu einer „freiwilligen Rückkehr“. Dies versunsichert viele und hat nichts mit der Entscheidung über ihren Asylantrag zu tun.
  • April: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dass „alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen international Schutzberechtigten aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen“ drohen (BVerwG, Urteil v. 16.4.25, 1 C 18.24 und G 1 C 19.24). Mit dieser Entscheidung wird es vermutlich noch mehr Unzulässigkeitsentscheidungen und Überstellungen nach Griechenland geben. Trotzdem sollten Geflüchtete, die eine Unzulässigkeitsentscheidung erhalten, sich über ein Klageverfahren informieren. Denn die Lebensbedingungen in Griechenland sind immer noch sehr schlecht (Bericht 04/2025 Pro Asyl).
  • April: Aus einem internen Rundschreiben des BAMF v. 25.4.25 geht hervor: :
    • Grundsätzlich sind Asylanträge von alleinstehenden, nicht-vulnerablen, jungen Männern als unzulässig abzulehnen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
    • Auch Asylanträge von „hinreichend gesunden, arbeitsfähigen, körperlich belastbaren Personen“ können als unzulässig abgelehnt werden (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
    • Ein Entscheidungsstopp gibt es weiterhin bei Asylanträgen, wo das BAMF eine Verelendung in Griechenland annimmt.
  • Mai: Das Bundesinnenministerium kündigt an, dass junge, alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer mit Schutzstatus in Griechenland:
    • bis zur Abschiebung in Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben und nicht mehr in die Landkreise verlegt werden sollen.
    • zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland aufgefordert werden sollen (notfalls Reisekosten über § 1 Abs. 4 S. 7 AsylbLG bereit gestellt werden sollen).
    • Leistungen gekürzt werden müssen. Denjenigen mit Aufenthaltsgestattung nach der Unzulässigkeitsablehnung durch das BAMF nach § 1a Abs. 4 S.2 AsylbLG. Diejenigen, die ausreisepflichtig ohne Duldung sind, sollen gar keine Leistungen mehr bekommen nach § 1 Abs. 4 S.1 Nr.1 AsylbLG. Dagegen muss unbedingt Widerspruch und Eilantrag eingereicht werden, da viele Sozialgerichte einen vollkommenen Leistungsausschluss für rechtswidrig erachten.

2024

  • Mai: Entscheidungsstopp des BAMF für Asylanträge von Personen, bei denen vermutet wird, dass sie ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) in Griechenland nicht befriedigen können und somit eine menschenrechtswidrige Behandlung nach Art. 3 EMRK vorliegt.
  • Der Verwaltungsgerichtshof Hessen entscheidet, dass alleinstehende männliche Anerkannte, die jung, gesund und arbeitsfähig sind, keine unmenschliche Behandlung bei einer Rückkehr nach Griechenland drohe (z.B. VGH Hessen, August 2024, 2 A 1131/24.A und 2 A 489/23.A).
  • Zweites Halbjahr: Das BAMF ändert seine Entscheidungspraxis wonach die Asylanträge der meisten Asylsuchenden mit einer Anerkennung in Griechenland nun (wieder) als unzulässig abgelehnt werden.
  • Juni: Der Europäische Gerichtshof entscheidet (18. Juni 2024, Az.: C-753/22), dass keine Verpflichtung für Mitgliedstaaten (hier: Deutschland) besteht, die in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannte Flüchtlingseigenschaft (hier: Griechenland) automatisch anzuerkennen. D.h. der Asylantrag einer in Griechenland als Flüchtling anerkannten Person darf in Deutschland nach umfänglicher Prüfung abgelehnt werden.

Ab 2022:

  • Asylanträge von Anerkannten aus Griechenland werden nun unterschiedlich entschieden: Das BAMF unterscheidet zwischen Anträgen, bei denen eine menschenunwürdige Behandlung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh vorliegt (hier muss es inhaltlich entscheiden) und Anträge, wo keine menschenunwürdige Behandlung angenommen wird. Diese werden als unzulässig abgelehnt. Die meisten Anträge werden allerdings inhaltlich geprüft.

2019-2022:


Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung

Die medizinische Versorgung für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte bleibt oftmals aufgrund von Sprachbarrieren mit dem medizinischen Personal unzulänglich. Dieser Befund ist das Ergebnis einer neuen Studie, welche sich intensiv mit diesem Thema befasst und zukunftsweisende Schlussfolgerungen liefert.

Die Studie basiert auf einer qualitativen Methode, in welcher Interviews mit Betroffenen und Beteiligten in Baden-Württemberg die Datengrundlage bilden. Unter anderem werden gravierende Unterschiede zwischen Stadt und Land festgemacht. Außerdem berichten einige Mitarbeitenden von Möglichkeiten, wie sie sich in schwierigen Situationen selbst aushelfen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es an der Zeit wäre, konsequente finanzielle und strukturelle Änderungen vorzunehmen, um in Zukunft auch Menschen unabhängig ihrer Sprachkenntnisse eine angemessene Versorgung zu gewährleisten.



Racial Profiling an den Binnengrenzen

Die rechtswidrigen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen führen vermehrt zu racial profiling, sprich die polizeiliche Kontrolle aufgrund äußerlicher Merkmale statt eines konkreten Verdachts. Um gegen diese rassistischen Maßnahmen vorzugehen, werden betroffene Personen als Kläger*innen gesucht.

Eine Initiative von drei Vereinen möchte in einem Eilverfahren und einem Hauptsacheverfahren gegen die rechtswidrigen Grenzkontrollen und dem racial profiling juristisch vorgehen. Dafür suchen sie potentielle Kläger*innen die entweder:

  1. als Person of Colour wahrgenommen werden und somit potenziell von racial profiling betroffen sind.
  2. Und/oder regelmäßig die Grenze zwischen Deutschland und einem Nachbarland überqueren, z. B. weil man in einem Land lebt und in dem anderen arbeitet/studiert.

Sie können sich an laura.kuttler@freiheitsrechte.org wenden, wenn Sie selbst klagen oder eine geeignete Person vermitteln wollen. Weitere Informationen zu dieser Aktion finden Sie auf dem Steckbrief.


Identität als Schlüssel zum Recht

Die Menschenrechte gelten für alle – doch in der Praxis scheitert ihre Umsetzung allzu oft an bürokratischen Hürden, wie etwa der Identitätsklärung.  Gerade Geflüchtete haben es schwer, ihre Identität nachweisen und dadurch ihre grundlegende Rechte wahrnehmen zu können. Welche Barrieren gibt es in der Praxis zur Identitätsklärung? Wie kann man diese weitestgehend beseitigen?

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine ausführliche Analyse zur Beantwortung dieser Fragen veröffentlicht. Die Publikation gibt einen Überblick über den rechtlichen Rahmen der Identitätsklärung und seinem engen Zusammenhang zum Zugang zu Menschenrechten. Die Publikation gibt einen Überblick über den rechtlichen Rahmen von Identitätsklärung, der damit verbundene enge Zusammenhang zum Zugang zu Rechten und die oft drastischen Folgen einer ungeklärten Identität. Zum Schluss befasst sich die Analyse mit Empfehlungen, wie langwierige Identitätsklärungsprozesse verkürzt und bürokratische Sackgassen verlassen werden können.