Beiträge

Die Duldung für „Personen mit ungeklärter Identität“

Der Paritätische Gesamtverband hat zwei wichtige Orientierungshilfen zur Duldung für „Personen mit ungeklärter Identität“ herausgebracht. Erstens, Erläuterungen für die Beratungspraxis zu den Anwendungshinweisen, die das Bundesinnenministerium im April veröffentlicht hatte und an denen sich die Behörden orientieren werden. Zweitens, eine Literatur- und Rechtsprechungsübersicht zu Fragen der Mitwirkungspflichten, Hinweispflichten und der Kausalität von selbstverschuldeten Abschiebungshindernissen.


Hinweise für Rechtsanwält*innen

Begleitung von Mandant*innen in Erstaufnahmeeinrichtungen

Der Ausschuss Migrationsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer hat wichtige Hinweise für Rechtsanwält*innen erstellt, in denen die Problematiken des Zugangs zu und der tatsächlichen Vertretung von Mandant*innen sowie der Durchführung der „unabhängigen“ behördlichen Asylverfahrensberatung durch das BAMF in Erstaufnahmeeinrichtungen thematisiert werden.

So hat das „Bundesamt nach Unionsrecht zwar eine Informationspflicht gegenüber dem Asylantragsteller hinsichtlich seiner Rechte, Pflichten und den Ablauf des Asylverfahrens (Art. 8 Abs. 1 RL 2013/32/EU)… Eine „individuelle Verfahrensberatung“ (§12aSatz 4 AsylG) durch die Asylbehörde ist jedoch unzulässig. Vielmehr haben die Behörden sicherzustellen, dass Asylantragstellende in allen Phasen des Verfahrens effektiv Gelegenheit erhalten, anwaltlich beraten zu werden (Art. 22 Abs. 1 RL 2013/32/EU).“


Handyauslesung durch das BAMF bei Asylsuchenden

Drei Geflüchtete haben Klage eingereicht

Seit 2017 sammelt das BAMF routinemäßig Daten aus elektronischen Geräten von Asylsuchenden, die im Asylverfahren keinen Pass vorlegen können. Das soll helfen die Identität der Geflüchteten zu klären. Dieses Vorgehen wird vielfach kritisiert  und nun unterstützt die Gesellschaft für Freiheitsrechte drei Geflüchtete, deren Daten ausgelesen worden sind, um eine gerichtliche Überprüfung der staatlichen Praxis herbeizuführen.

Das Problem bei der Auslesung von Datenträgern ist einerseits, dass das damit verfolgte Ziel der Bundesregierung, nämlich „Asylmissbrauch“ und „Identitätstäuschungen“ aufzudecken und vorzubeugen, in keinster Weise erreicht wird. Das Verfahren ist fehleranfällig, kostenintensiv und nutzlos, da Daten nur in etwa einem Drittel aller Fälle zu Rate gezogen werden und in nur zwei Prozent Abweichungen zu den Angaben der Asylsuchenden festgestellt worden sind (Zahlen von 2018).

Andererseits greift das Vorgehen zutiefst in die Privatsphäre von Betroffenen ein, da sich auf ihren Datenträgern, insbesondere Smartphoness, oft sehr sensible und intime Informationen befinden. Davon macht sich das BAMF Ländervorwahlen von Anrufen, Nachrichten und Internetseiten, login-Namen und Lokationsdaten der Datenträger zu Nutze, und analysiert den Sprachgebrauch auf der Basis von Nachrichten. Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeitsrechte aller Menschen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte zielt auf eine gerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Grundlage durch das Bundesverfassungsgericht ab, die letztendlich allen Betroffenen zugute kommen kann.


Von Politik zweiter Klasse – Niemand darf zurückgelassen werden!

Pressemitteilung von PRO ASYL, den Landesflüchtlingsräten und der Seebrücke

Die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und die Seebrücken-Bewegung haben am Montag, 11. Mai, in einer Pressekonferenz dargelegt, dass es gerade jetzt gilt, niemanden zurückzulassen und Lager zu schließen – ob in Moria oder Halberstadt. Vertreter*innen der Organisationen berichteten von Problemlagen, Maßnahmen und Perspektiven.

Während Menschen weltweit mit den Maßnahmen durch die Covid-19-Pandemie zu kämpfen haben, sind besonders jene, die erzwungenermaßen in Campstrukturen untergebracht sind, enormen Gefahren ausgesetzt. Schutzsuchende leben teils zu tausenden in Lagern, in denen Infektionsschutz und persönliche Bedarfsdeckung zwangsläufig nicht möglich sind. Mit Blick auf die Elendslager in Moria auf Lesvos oder weiteren Inseln, auf das Leid der Menschen in den Folterlagern Libyens, dem Schicksal der Menschen auf der Balkanroute und auch in Massenunterkünften in Deutschland lässt sich feststellen: Schutzsuchende werden dem Virus schutzlos ausgesetzt oder mit freiheitsentziehenden Maßnahmen belegt.

„Wir beobachten derzeit eine bewusste Gefährdung der Gesundheit, nämlich dass eine Durchseuchung in Kauf genommen wird,“ so Helen Deffner vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt. Zu Hunderten werden Geflüchtete auf engstem Raum untergebracht und dadurch zwangsläufig dem gefährlichen Virus ausgesetzt. „Das Corona-Virus macht noch einmal deutlich: Es ist längst an der Zeit, dass die Landesregierungen Konzepte für die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen erarbeiten und ausbauen und nicht weiter auf Massenunterbringung setzen. Es bedarf jetzt eines Richtungswechsels: Abkehr von Sammelunterkünften hin zu Wohnungen!“

Den erhobenen Forderungen bezüglich einer Auflösung der Lager wird auch nach Wochen nicht nachgekommen.

PRO-ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt wirft den Regierungen vor „alle Warnungen in den Wind geschlagen zu haben, als noch ausreichend Zeit war, Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Coronapandemie zu ergreifen.“ PRO ASYL hat bereits am 19. März ein umfassendes Konzept vorgelegt. Die Bundesregierung und die Länderregierungen haben überwiegend die Augen und Ohren geschlossen und mit Alibihandlungen reagiert.

Dies gilt ebenso für Massenlager an den europäischen Außengrenzen. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten ignorierten lange vor Ausbruch der Pandemie unzählige Appelle zivilgesellschaftlicher Organisationen nach humanitärem Schutz und Aufnahme, doch die Corona-Krise verdeutlicht die Dringlichkeit der Evakuierung auf katastrophale Weise. Das Lager Moria auf Lesvos ist ein einziger Albtraum: Ende Januar 2020 kommt im Inneren des Hotspots auf 200 Menschen eine Dusche und eine Toilette. Außerhalb des Hotspots sind es bis zu 500 Menschen pro Dusche. Bei Essensausgaben müssen Menschen Stunden in langen Warteschlangen verharren. Die Situation hat sich kaum verbessert. Simple Präventionsmaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen können nicht eingehalten werden. Risikogruppen, etwa ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, können sich zum Schutz nicht selbst isolieren.

„Es ist unerträglich, dass Familien getrennt sind, während Länder und Bund sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Wir fordern deshalb gemeinsam ad-hoc-Maßnahmen zur Aufnahme durch die Bundesländer,“ so Tareq Alaows, Seebrücke.

Auch auf dem Festland ist die Situation angespannt. Dies dokumentierte die PRO ASYL-Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) z.B. beim Geflüchtetenlager Malakasa. Das Lager wurde Anfang April unter Quarantäne gestellt. Viele Schutzsuchende leben hier in Provisorien und teilen sich die sanitären Anlagen. Abstandhalten? Kaum möglich. Sie fühlen sich wie „eine Maus in der Falle“ und fürchten die Ansteckung.

Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und die Seebrücken-Initiativen fordern:

1.) Die Lager in Deutschland müssen aufgelöst werden! Die Landesregierungen müssen jetzt schnell handeln und die langfristige und zukünftige Unterbringung in Wohnungen gewährleisten. Sie dürfen nicht weiter auf Massenunterkünfte setzen. Corona zeigt, der Richtungswechsel hin zu einer menschenwürdigen Unterbringung ist längst überfällig und mittlerweile überlebensnotwendig.

2.) Die Landesregierungen müssen jetzt Strukturen für eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten aus Elendslager aus dem Ausland schaffen! Es darf nicht mehr bei bloßen Willensbekundungen bleiben, sondern aufnahmewillige Städte und Kommunen (sog. „Sichere Häfen“) müssen in die Verhandlungen miteinbezogen und genutzt werden.

3.) Eine menschenwürdige Aufnahme bedeutet: Apartments, Ferienwohnungen, Hotels und weiterer Leerstand müssen genutzt werden, um das Ansteckungsrisiko zu senken.

4.) Gesundheitskarten sind für alle auszustellen. Das bedeutet, insbesondere für Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen und nicht krankenversichert sind, für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus sowie für erwerbslose EU-Bürger*innen. Auch sie müssen Zugang zum Gesundheitssystem haben.

5.) Alle Menschen, die sich nach wie vor in Abschiebehaft befinden, sind zu entlassen. In Deutschland befindliche Asylbewerber*innen müssen hier ihr Asylverfahren durchlaufen können.

#LeaveNoOneBehind


Roma-Büro Freiburg veröffentlicht Diskriminierungsbericht 2019

„Nur Betroffene spüren an Leib und Seele wie Diskriminierung wirkt“

Das Roma-Büro Freiburg hat für das Jahr 2019 einen Bericht über Diskriminierungserfahrungen von Roma und Sinti aus Freiburg und Umgebung veröffentlicht. Der Bericht basiert auf erlebte Vorfälle der Betroffenen, die sie auch selber in Worte fassen. „Nur Betroffene spüren an Leib und Seele wie Diskriminierung wirkt“, heißt es in der Einleitung.


Webinare Übersicht 1. Halbjahr 2020

Aufgrund der aktuellen Situation bieten wir in den nächsten Wochen – zusätzlich zu den bereits geplanten – weitere Webinare an. Eine Übersicht finden Sie hier:

Die Teilnahme an den Webinaren erfolgt am PC. Sie benötigen dazu einen gängigen Browser (eine aktive Teilnahme ist mit Google Chrome oder Mozilla Firefox möglich), eine stabile Internetverbindung und einen Kopfhörer bzw. Lautsprecher.


Quarantäneanordnungen in Zeiten der Corona-Pandemie

Kurzüberblick zur Rechtslage

Da in vielen Bundesländern, wie auch in Baden-Württemberg, nicht nur Einzelpersonen, sondern teilweise ganze Gemeinschaftsunterkünfte bzw. all ihre Bewohnenden unter (Zwangs)Quarantäne gestellt wurden, sind Fragen der Rechtmäßigkeit und Rechtsgrundlagen dieser Anordnungen vielerorts aufgetaucht. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat einen hilfreichen Kurzüberblick zu Quarantäneanordnungen in Zeiten der Corona-Pandemie erstellt. 


Petition: Infektionsschutz muss für alle gelten! Massenunterkunft LEA Ellwangen schließen!

Angesichts der dramatischen Ausbreitung des Coronavirus in der LEA Ellwangen hat die Geflüchteten-Selbstorganisation „Refugees4Refugees“ eine Petition gestartet, mit der das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart aufgefordert wird, das Lager zu schließen und die Geflüchteten auf einer Art und Weise unterzubringen, die die Einhaltung der Vorschriften und Empfehlungen zum Infektionsschutz ermöglicht.


Gerichte ordnen Entlassung aus Erstaufnahmeeinrichtung an

Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte am 22.04.20 bereits einem Eilantrag auf Verlegung stattgegeben, genauso wie das Verwaltungsgericht am 24.04.20. Die Gerichte ordneten die Verlegung an und stellen fest, dass es „auf der Hand [liegt], dass Antragsteller durch eine Verpflichtung zum Wohnen in der EAE einem erhöhten Infektionsrisiko … ausgesetzt sind“ und „die Beendigung der Wohnverpflichtung des Antragstellers nicht nur zur Seuchenprävention (a.), sondern insbesondere zum Schutz des Antragstellers selbst vor Ansteckung mit dem Sars-CoV-2 geboten (b.) [ist].“ Diese Entscheidungen sind hilfreiche Grundlagen für Betroffene in Baden-Württemberg, die ebenfalls den Klageweg bestreiten möchten um aus Erstaufnahmeeinrichtungen oder womöglich engen Gemeinschaftsunterkünften verlegt werden möchten.