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Keine Verlängerung des EU-Türkei-Deals!

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Am 18.03.2023 jährt sich die Unterzeichnung des sogenannten “EU-Türkei-Deals” zum siebten Mal. Nach sieben Jahren systematischer Menschenrechtsverletzungen läuft die Finanzierung dieses Deals aus. Damit stellt sich nun ganz konkret die Frage einer möglichen Anschlussfinanzierung. Anlässlich des Jahrestags des Deals fordern wir, ein breites Bündnis migrationspolitischer Organisationen, die Bundesregierung sowie die EU-Kommission auf, eine Kehrtwende in der Migrationspolitik einzuleiten. Es darf keine Neuauflage des schmutzigen EU-Türkei-Deals und der damit verbundenen institutionalisierten Menschenrechtsverletzungen geben. Die EU muss Verantwortung übernehmen, Migration als Tatsache anerkennen und sichere Fluchtwege schaffen!

Der Deal und die Situation für Geflüchtete in der Türkei

Am 18.03.2016 trat der so genannte EU-Türkei-Deal in Kraft. Unter anderem wurden mit ihm systematische Abschiebungen von EU-Territorium ohne Prüfung von Asylgründen zurück in die Türkei möglich. So sollte die Weiterreise gen EU für Flüchtende unmöglich gemacht werden. Seither sitzen tausende Menschen in der Türkei oder in den griechischen Lagern fest. Schaffen sie es weiter, so sehen sie sich mit illegalen Pushbacks und massiver Gewalt durch Grenzschutzbeamt*innen entlang der so genannten Balkanroute konfrontiert.

Die Türkei hat die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit “geographischem Vorbehalt” unterzeichnet – sie gilt nur für Geflüchtete aus Europa. Fliehende Menschen, die in Folge des EU-Türkei-Deals wieder dorthin zurückgeschoben werden, sind schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Berichte zeigen, dass immer wieder Menschen auch in das vom Krieg geplagte Syrien abgeschoben werden. Gerade in den kurdischen Gebieten entlang der türkisch-syrischen Grenze führt das türkische Regime seit Jahrzehnten einen erbitterten Kampf gegen die kurdische Bevölkerung, ist seit vielen Jahren in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt und verfolgt systematisch die dortige politische Opposition.

Verschärft wird die Situation nun nochmals durch die jüngsten Erdbeben in der Türkei, Kurdistan und Nordsyrien. Die ohnehin schon menschenunwürdigen Lebensbedingungen in den großen Lagern im türkisch-syrischen Grenzgebiet haben sich in dieser Folge nochmals drastisch verschärft.

Viele Menschen fliehen explizit vor der türkischen Gewalt in Richtung Europa. Menschen nun ausgerechnet dorthin abzuschieben und der Willkür des türkischen Regimes auszusetzen, ist menschenverachtend. Eine Zusammenarbeit mit eben jenem Erdoğan-Regime, das maßgeblich zu Fluchtursachen beiträgt, offenbart einmal mehr den heuchlerischen Umgang der EU-Staaten mit ihren sonst so oft beschworenen “Werten”. Dass sie somit gleichzeitig ein diktatorisches Regime unterstützen und weiter legitimieren, passt da nur ins Bild.

Folgen des Deals für die europäische Migrationspolitik:

Seit dem Abschluss des EU-Türkei-Deals sollten die vorher zentralen Fluchtwege über die westlichen Balkanstaaten oder die Ägäis faktisch verschlossen werden. In der Praxis machen sich trotz aller Hindernisse immer wieder Menschen auf den Weg. Dieser wird durch die Maßnahmen der Migrationskontrolle jedoch immer gefährlicher und schwerer. Mittels illegaler Push- und Pullbacks sichert die europäische Grenzschutzagentur Frontex gemeinsam mit nationalen Grenzpolizeien die europäischen Küsten und Landesgrenzen ab und nimmt dabei bewusst den Tod von fliehenden Menschen in Kauf.

Gleichzeitig dient der Deal als Blaupause für weitere Abkommen mit Staaten wie Kroatien, Bulgarien aber auch Libyen, um menschenrechtswidrige Praktiken, wie willkürliche Inhaftierungen, körperliche und psychische Gewalt und illegale Abschiebungen mit Billigung der EU zu ermöglichen. Die EU kauft sich damit unter dem Schlagwort der Externalisierung von jeder rechtsstaatlichen Verpflichtung frei und ignoriert somit systematisch ihr eigenes Recht.

Mit dem EU-Türkei-Deal hat sich die EU endgültig von einer menschenrechtsbasierten Migrationspolitik und von dem Versuch, eine solidarische europäische Migrationspolitik zu entwickeln, die das Leben jedes fliehenden Menschen schützt und den Zugang zu einem fairen und transparenten Asylverfahren ermöglicht. Stattdessen werden autokratische Regime von der EU mit Milliarden ausgestattet, um damit Krieg gegen die eigene Bevölkerung und fliehende Menschen zu führen. Die fliehenden Menschen selbst werden zu einer politischen Verschubmasse, ihre Gesundheit und Zukunft wertlos.

Wir fordern: Keine Milliarden für Menschenrechtsverletzungen. Stoppt die Abschiebungen in die Türkei und anderswo!

Seit Jahren weisen Migrationsforscher*innnen immer wieder darauf hin, dass diese repressive Migrationspolitik die grundsätzlichen Herausforderungen der globalen Flucht- und Migrationsbewegungen nicht ansatzweise lösen kann. Für einen kurzfristigen Rückgang der Grenzübertritte wird das Leid fliehender Menschen weiter verschärft und deren Tod wissentlich in Kauf genommen. Doch statt nach einer so dringend benötigten Lösung der unmenschlichen Situation an den europäischen Außengrenzen zu suchen, wird abermals nur für eine Verschiebung der Fluchtwege zu immer tödlicheren Routen gesorgt. Die sich aktuell abzeichnende Politik der EU forciert erneut eine Intensivierung von Abschiebungen, wie sich auf der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates Anfang Februar gezeigt hat. Eine fatale Tendenz, die das Leid und Sterben an den europäischen Außengrenzen weiter verstärken wird. Die EU-Kommission darf sich nicht länger von rechten Hetzer*innen treiben lassen und die selbst propagierten Ideale für eine menschenfeindliche Migrationspolitik verraten. Menschenrechte sind unverhandelbar!

Wir fordern die EU-Kommission daher auf, keine Neuauflage des EU-Türkei-Deals zu unterzeichnen.

Keine Milliarden mehr für Menschenrechtsverletzungen!

Stoppt die Abschiebungen in die Türkei und anderswo.

Unter dem Motto „No More EU Turkey Deal – Human Rights are Not For Sale“ rufen wir als Bündnis daher zu einem dezentralen Aktionstag auf. Gehen wir mit kreativem Protest auf die Straßen und kämpfen gemeinsam für einen Wandel!

Erstunterzeichner*innen:

Seebrücke

Balkanbrücke

SOS Balkanroute

frachcollective

Project ELPIDA e.V.

Borderline Europe

No Name Kitchen

klikAktiv

Europe Cares e.V.

Bleibewerk Bonn des Kölner Flüchtlingsrat e.V.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Sächsischer Flüchtlingsrat

Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V

Seebrücke Kiel

Seebrücke Braunschweig


*English Version**

No extension of the EU-Turkey Deal!

Stop the funding of human rights violations.

March 18, 2023 marks the seventh anniversary of the signing of the so-called “EU-Turkey Deal”. After seven years of systematic human rights violations, the funding of the deal is coming to an end. This now raises the very concrete question of possible follow-up funding. On the occasion of the anniversary of the deal we, a broad alliance of migration organizations, call on the German government and the EU Commission to initiate a turnaround in migration policy. There must be no new edition of the dirty EU-Turkey Deal and the associated institutionalized human rights violations. The EU must take responsibility, recognize migration as a fact and create safe flight routes!

The deal and the situation for refugees in Turkey

On 18.03.2016, the so-called EU-Turkey deal came into force. Among other things, it enabled systematic deportations from EU territory back to Turkey without examining asylum grounds. This was intended to make it impossible for people to continue their journey to the EU. Since then, thousands of people have been stuck in Turkey or in Greek camps. If they make it further, they face illegal pushbacks and massive violence by border guards along the so-called Balkan route.

Turkey has signed the Geneva Refugee Convention only with a „geographical reservation“ – it applies only to refugees from Europe. Fleeing people who are deported back there as a result of the EU-Turkey deal are exposed to severe human rights violations. Reports show that people are also repeatedly deported and pushed back to war-torn Syria. Especially in the Kurdish areas along the Turkish-Syrian border, the Turkish regime has been waging a bitter struggle against the Kurdish population for decades, has been involved in the Syrian civil war for many years and systematically persecutes the political opposition.

The situation is now further aggravated by the recent earthquakes in Turkey, Kurdistan and northern Syria. As a result, the already inhumane living conditions in the large camps in the Turkish-Syrian border region have once again drastically worsened.

Many people are fleeing explicitly from the Turkish violence in the direction of Europe. Deporting people there of all places and exposing them to the arbitrariness of the Turkish regime is inhumane. Cooperation with the Erdoğan regime, which contributes significantly to the causes of flight, once again reveals the hypocritical way in which the EU states deal with their otherwise often invoked „values”. The fact that they support and further legitimize a dictatorial regime only fits into the picture.

Consequences of the deal for European migration policy

Since the conclusion of the EU-Turkey deal, the previously central escape routes via the Western Balkans or the Aegean Sea were supposed to be de facto closed. In practice, people continue to make their way despite all obstacles. However, the migration control measures are making this journey increasingly dangerous and difficult. By means of illegal push and pullbacks, the European border protection agency Frontex, together with national border police forces, secures European coasts and national borders, deliberately accepting the death of fleeing people.

At the same time, the deal serves as a blueprint for further agreements with states such as Croatia, Bulgaria, but also Libya to enable practices that violate human rights, such as arbitrary detentions, physical and psychological violence and illegal deportations with the approval of the EU. The EU thus buys itself free of any rule of law obligation under the slogan of externalization and thus systematically ignores its own law.

With the EU-Turkey deal, the EU has not only finally abandoned a human rights-based migration policy, but also fundamentally abandoned any attempt to develop a European migration policy based on solidarity that protects the lives of every fleeing person and provides access to a fair and transparent asylum procedure. Instead, autocratic regimes are provided with billions by the EU to wage war against their own population and fleeing people. The fleeing people themselves become a political displacement mass, their health and future worthless.

We demand: No billions for human rights violations. Stop the deportations to Turkey and elsewhere!

For years, migration researchers have repeatedly pointed out that this repressive migration policy cannot begin to solve the fundamental challenges of global flight and migration movements. In order to reduce border crossings in the short term, the suffering of fleeing people is further exacerbated and their deaths are knowingly accepted. But instead of looking for a much-needed solution to the inhumane situation at Europe’s external borders, once again only a shift of escape routes to ever more deadly routes is being ensured. The currently emerging policy of the EU is once again forcing an intensification of deportations, as was shown at the extraordinary meeting of the European Council in early February. A fatal tendency, which will further increase the suffering and death at the European external borders. The EU Commission must no longer allow itself to be driven by right-wing agitators and betray the ideals it has propagated for an anti-human migration policy. Human rights are non-negotiable!

We therefore call on the EU Commission not to sign a new version of the EU-Turkey deal.

No more billions for human rights violations!

Stop the deportations to Turkey and elsewhere.

Under the slogan „No More EU Turkey Deal – Human Rights are Not For Sale“ we as an alliance therefore call for a decentralized day of action. Let’s take our protest to the streets with creativity and fight together for change!

First signatories:

Seebrücke

Balkanbrücke

SOS Balkanroute

frachcollective

Project ELPIDA e.V.

Borderline Europe

No Name Kitchen

klikAktiv

Europe Cares e.V.

Bleibewerk Bonn des Kölner Flüchtlingsrat e.V.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Sächsischer Flüchtlingsrat

Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V

Seebrücke Kiel

Seebrücke Braunschweig


Projekt: Starthilfe Deutsch

Begabte junge Geflüchtete sollen in kurzer Zeit die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache bis Sprachniveau B1 vermittelt bekommen. Zusätzlich sollen Teilnehmer*innen auf Anschlussmaßnahmen wie Stipendien oder Begabtenförderprogramme vorbereitet werden.

Zielgruppe des Projekts sind junge Geflüchtete (bis ca. 30 Jahre) im Raum Stuttgart, die in Deutschland ein Studium aufnehmen oder fortsetzen möchten. Diese müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um nach erfolgreichem Abschluss der Kursstufe Deutsch B1 in die Förderung nach den Richtlinien Garantiefonds Hochschule (RL-GF-H)/Otto-Benecke-Stipendium, ins Integra-Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes oder eine vergleichbare Begabtenförderung aufgenommen zu werden.

Ansprechpartner*innen für interessierte Geflüchtete sind das Sprachkursbüro des Deutschkollegs Stuttgart, die Beraterinnen der AWO oder von In Via.

Die Teilnahme an den Deutschkursen ist für die Teilnehmer*innen kostenlos.

Weitere Informationen und die einzelnen Kurstermine finden Sie im Flyer des Deutschkollegs Stuttgart.



Kinotour mit Panel-Diskussion: Sara Mardini – Gegen den Strom

Sara Mardini und ihre jüngere Schwester Yusra stammen aus einer Familie von Hochleistungssportler:innen in Syrien. Der Krieg im Land unterbricht den Traum, olympische Schwimmerin zu werden, und zwingt die Schwestern 2015 zur Flucht. Als auf der Flucht über das Mittelmeer von der Türkei nach Griechenland der Motor des überfüllten Schlauchbootes versagt, springen die Schwestern ins Wasser und helfen bei der Rettung aller Geflüchteten indem sie das Boot drei Stunden auf Kurs halten bis sie das rettende Ufer von Lesbos erreichen und damit alle Geflüchteten an Bord retten.

Die Geschichte macht auf der ganzen Welt Schlagzeilen. Mit 20 ist Sara berühmt. Danach trennen sich die Wege der Schwestern: Yusra schwimmt bei den Olympischen Spielen, während Sara nach Lesbos zurückkehrt, um sich ehrenamtlich zu engagieren und anderen Geflüchteten zu helfen. Im Jahr 2018 aber wird sie verhaftet und einer Reihe von schweren Straftaten beschuldigt – darunter Beihilfe zur illegalen Einreise (Schleusung), Geldwäsche, Betrug und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Nach über drei Monaten in einem Hochsicherheitsgefängnis in Griechenland wird Sara auf Kaution freigelassen und wartet seitdem auf ihre Verhandlung – ihr drohen 20 Jahre Haft.

Über vier Jahre hat die Filmemacherin Charly Wai Feldman Saras Kampf um Gerechtigkeit und um eine neue Zukunft in Berlin begleitet.

Im Anschluss an den Film findet eine Panel-Diskussion mit den Protagonist*innen Sara Mardini und Seán Binder, sowie der Producerin Charly Feldman statt.

In Kooperation mit den Tour-Partner*innen Amnesty International Deutschland e.V. und der Seebrücke Deutschland sowie der SARAH (Search and Rescue for All Humans) Seenotrettung, dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und der Rosa Luxemburg Stiftung.

Veranstaltungsort: Cinema, Bolzstr. 4, 70173 Stuttgart

Hier gibt es Karten im Vorverkauf

Weitere Termine und Informationen finden Sie hier: Sara Mardini – Gegen den Strom


Stuttgart: Workshop „Im Iran kämpfen sie für Freiheit. In Deutschland um Asyl.“

Seit Herbst 2022 protestieren die Menschen im Iran für Menschenrechte und erleben Verfolgung, Inhaftierungen, Vergewaltigungen, Folter und Hinrichtungen. Insbesondere Frauen sind in ihrem Kampf um Freiheit davon betroffen. In der Arbeitsgruppe berichtet Farnaz Schaefer über die aktuelle Lage im Iran aus Sicht der Frauen und wirft einen Blick in Vergangenheit und Gegenwart. Anschließend geht es um die Entscheidungspraxis des BAMF und die Rechtsprechung der Gerichte zur Schutzgewährung von Iraner*innen in Deutschland. Rechtsanwältin Laura Noethe analysiert die behördliche und gerichtliche Bewertung der Ereignisse im Iran. Es wird Raum für Fragen und Austausch geben.

Referentinnen: Farnaz Schaefer (psychologische Beraterin und Aktivistin aus Schwäbisch Hall) und Laura Noethe (Rechtsanwältin aus Mannheim)

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Der Workshop wird im Rahmen der Frühjahrstagung am 1. April angeboten. Zwischen 13:45 und 15:15 Uhr finden zeitgleich vier Workshops statt. Wir bitten um Anmeldung über den untenstehenden Link.

Das gesamte Programm der Frühjahrstagung sowie Informationen zu den Workshops und der Anmeldung finden Sie unter Frühjahrstagung 2023.


Stuttgart: Workshop „Von der Duldung in die Aufenthaltserlaubnis“

Geflüchtete mit einer Duldung leben mit einer großen Unsicherheit und in ständiger Angst vor Abschiebung. Es gibt einige Bleiberechtsoptionen für Geduldete mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung ebnen zum Beispiel den Weg in eine Aufenthaltserlaubnis. Oder die Aufenthaltserlaubnisse § 25a und § 25b AufenthG sollen nachhaltige Integration belohnen. Ganz neu gibt es seit 2023 das Chancen-Aufenthaltsrecht. Ein Härtefallantrag kann als letzte Möglichkeit ein Bleiberecht erwirken. Für manche kommt aber auch ein § 25 Abs. 5 AufenthG in Frage. Durch den Dschungel der Bleiberechtsoptionen führt die Anwältin Maria Kalin. Die Arbeitsgruppe gibt einen Überblick über alle Möglichkeiten und bietet Raum für Nachfragen und Austausch.

Referentin: Maria Kalin (Rechtsanwältin, Ulm)

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Der Workshop wird im Rahmen der Frühjahrstagung am 1. April angeboten. Zwischen 13:45 und 15:15 Uhr finden zeitgleich vier Workshops statt. Wir bitten um Anmeldung über den untenstehenden Link.

Das gesamte Programm der Frühjahrstagung sowie Informationen zu den Workshops und der Anmeldung finden Sie unter Frühjahrstagung 2023.


Stuttgart: Workshop „Empowerment für People of Color”

People of Color erleben auch in flüchtlingssolidarischen Netzwerken Rassismus. Der Workshop bietet Raum für Austausch, Vernetzung und Stärkung untereinander. Der Workshop soll einen sicheren Rahmen bieten, sich über Rassismuserfahrungen austauschen zu können und ist daher ausschließlich für Menschen mit Rassismuserfahrungen.

Referentin: Prof. Dr. Nivedita Prasad (Professorin für Handlungsmethoden und genderspezifische Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin)

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos und richtet sich an People of Color und Menschen mit Rassismuserfahrungen.

Der Workshop wird im Rahmen der Frühjahrstagung am 1. April angeboten. Zwischen 13:45 und 15:15 Uhr finden zeitgleich vier Workshops statt. Wir bitten um Anmeldung über den untenstehenden Link.

Das gesamte Programm der Frühjahrstagung sowie Informationen zu den Workshops und der Anmeldung finden Sie unter Frühjahrstagung 2023.


Stuttgart: Vortrag „Ich kann doch nicht rassistisch sein; ich unterstütze Flüchtlinge seit 30 Jahren“ oder?

Können Menschen, die solidarisch mit und für Geflüchtete arbeiten rassistisch sein/handeln? Diese Frage beschäftigt in den letzten Jahren viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen individuell aber auch als Organisationen. Im Rahmen des Vortrages wird diese Frage aus einer rassismuskritischen menschenrechtlichen Position erörtert.

Referentin: Prof. Dr. Nivedita Prasad (Professorin für Handlungsmethoden und genderspezifische Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin)

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Im Rahmen der Frühjahrstagung am 1. April finden ein Vortrag und vier verschiedene Workshops statt. Diese sind kostenlos und richten sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Das gesamte Programm der Frühjahrstagung sowie Informationen zu den Workshops und der Anmeldung finden Sie unter Frühjahrstagung 2023.


Zusammenführung jesidischer Familien – jetzt!

Über 5.000 Unterzeichner*innen fordern das baden-württembergische Justiz- und das Staatsministerium dazu auf, 18 jesidischen Frauen den Nachzug ihrer Ehegatten zu ermöglichen. Am 8. und 10. März übergibt der Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche Freiburg, Fairburg e.V., dem Ezidische Kultur e.V. Freiburg und der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte eine entsprechende Petition an die Landesministerien.

„Wenn mein Mann bei uns wohnen würde, wäre es natürlich viel besser für mich und meine Kinder. Wir werden unsere verlorenen Menschen nie vergessen, aber es wäre besser zu ertragen, wenn ich nicht alleine wäre. Es wäre auch einfacher für die Kinder, wenn der Vater bei ihnen sein könnte“, erzählt Munifa J. Sie ist eine der Frauen, die den Völkermord an den Jesid*innen im nordirakischen Sindschar überlebt hat und im Rahmen des baden-württembergischen Landesaufnahmeprogramms im Jahr 2015 nach Deutschland kam. Nachdem die Terrormiliz des selbst ernannten „Islamischen Staates“ 2014 tausende jesidische Frauen und Kinder verschleppt und Männer systematisch ermordet hatte, beschloss die baden-württembergische Landesregierung 1.000 Frauen und Kinder aufzunehmen. Hier sollten sie psychotherapeutische Unterstützung erhalten, um die Gräueltaten und traumatischen Erlebnisse verarbeiten zu können.

Das damalige Landesaufnahmeprogramm wurde in erster Linie für alleinstehende Frauen und ihre minderjährigen Kinder konzipiert. Es wurden jedoch auch einige verheiratete Frauen Teil des Sonderkontingentes. Sie gingen damals fest davon aus, dass ihre Ehemänner zeitnah nachkommen könnten. Heute leben noch mindestens 18 dieser Frauen mit ihren Kindern in Baden-Württemberg. Seit Jahren bemühen sie sich gemeinsam mit vielen Organisationen und Unterstützer*innen darum, ihre Familien zu vereinen“, berichtet Elias Darwish vom Ezdisiche Kultur e.V. Freiburg. Die Trennung von ihren Ehemännern erschwert den Frauen die Verarbeitung ihrer Gewalterfahrungen und ihr Ankommen in Deutschland. „Ich bin hier wie gelähmt und meinem Mann geht es ähnlich. Er kann vor lauter Sehnsucht nach uns auch nichts machen“, erzählt Zainap M. „Um Schrecken und die Traumatisierung zu überwinden brauchen sich die Familienmitglieder gegenseitig, besonders dann, wenn in der Familie eine Behinderung vorliegt. Erst mit einer Familienzusammenführung kann den Betroffenen ein Neuanfang gelingen“, merkt Maria Stehle Vorstandsmitglied bei Fairburg e.V. an.

Eine Rückkehr in den Nordirak kommt für die Familien aufgrund der prekären und perspektivlosen Lage vor Ort nicht in Frage. Die einzige humane Option, die Familien zu vereinen, besteht daher in einem Nachzug der Ehemänner zu ihren Frauen und Kindern. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch. „Daher fordern wir die Landesregierung Baden-Württemberg dazu auf, eine humanitäre Lösung zu finden und die Familien in Deutschland wieder zu vereinen. Der Nachzug der Ehemänner ist rechtlich umsetzbar, wenn ein entsprechender politischer Wille vorhanden ist“, so Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Die Forderung nach der Zusammenführung der Familien kann sogar ohne Gesetzesänderungen und ohne Zutun der Bundesregierung erfüllt werden. Die Landesregierung plant derzeit das im Koalitionsvertrag angekündigte zweite Landesaufnahmeprogramm für schutzbedürftige Personen aus dem Nordirak. Bei diesem neuen Aufnahmekontingent sollten die Familienangehörigen bereits in Deutschland lebender Personen mitgedacht werden. Es steht dem Land frei, auch ganze Familien aufzunehmen. „Es ist an der Zeit, Humanität, Menschenwürde, Menschenrechte, die UN-Behindertenrechtskonvention, nicht nur zu proklamieren, sondern auch zu leben“, betont Christina Schmieg, ehrenamtliche Engagierte beim ABC Freiburg.


Frühjahrstagung 2023

Die Anmeldung ist geschlossen.

Informationen auf Englisch | Informationen auf Farsi

Herzliche Einladung zur diesjährigen Frühjahrstagung am Samstag, den 01. April 2023, in Stuttgart. Wir haben ein äußerst spannendes und vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Der Hauptvortrag geht der Fragen nach, inwieweit Menschen, die solidarisch mit und für Geflüchtete arbeiten rassistisch sein/handeln können. In den Arbeitsgruppen können Sie wählen zwischen den Themen Empowerment für PoC, Bleiberechtsoptionen, Arbeit der Ausländerbehörden und Iran. Dazwischen wird es ausreichend Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch geben. Am Nachmittag schließt sich die Mitgliederversammlung, einschließlich der Wahlen der Vorsitzenden und des erweiterten Vorstands an.

Die Tagung ist kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Die Tagung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Integration“ statt, unterstützt durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat. Eine Koförderung besteht durch die UNO-Flüchtlingshilfe und Deutsche Postcode Lotterie.

PROGRAMM

09:30 Uhr: Anmeldung und Ankommen

10:00 Uhr: Begrüßung

10:30 Uhr: Vorstellung der Kampagne „30 Jahre sind genug – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“

10:45 Uhr: Hauptvortrag: „Ich kann doch nicht rassistisch sein; ich unterstütze Flüchtlinge seit 30 Jahren“ oder?

Können Menschen, die solidarisch mit und für Geflüchtete arbeiten rassistisch sein/handeln? Diese Frage beschäftigt in den letzten Jahren viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen individuell aber auch als Organisationen. Im Rahmen des Vortrages wird diese Frage aus einer rassismuskritischen menschenrechtlichen Position erörtert.

Referentin: Prof. Dr. Nivedita Prasad (Professorin für Handlungsmethoden und genderspezifische Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin)

12.15 – 13.45 Uhr: Mittagessen, Ausstellung und Anstoßen

Der Flüchtlingsrat wird 35 Jahre alt. Wir laden Sie zu einem kleinen Umtrunk in der Mittagspause ein neben Musik, Mittagessen und der Ausstellung „Herz ohne Kammer“ von Hasan Malla.

13:45 15:15 Uhr: Arbeitsgruppen-Phase

Wählen Sie eine Arbeitsgruppe aus den vier folgenden aus.

Arbeitsgruppe 1: Empowermentworkshop für People of Color

People of Color erleben auch in flüchtlingssolidarischen Netzwerken Rassismus. Der Workshop bietet Raum für Austausch, Vernetzung und Stärkung untereinander. Der Workshop soll einen sicheren Rahmen bieten, sich über Rassismuserfahrungen austauschen zu können und ist daher ausschließlich für Menschen mit Rassismuserfahrungen.

Referentin: Prof. Dr. Nivedita Prasad (Professorin für Handlungsmethoden und genderspezifische Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin)

Arbeitsgruppe 2: Von der Duldung in die Aufenthaltserlaubnis

Geflüchtete mit einer Duldung leben mit einer großen Unsicherheit und in ständiger Angst vor Abschiebung. Es gibt einige Bleiberechtsoptionen für Geduldete mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung ebnen zum Beispiel den Weg in eine Aufenthaltserlaubnis. Oder die Aufenthaltserlaubnisse § 25a und § 25b AufenthG sollen nachhaltige Integration belohnen. Ganz neu gibt es seit 2023 das Chancen-Aufenthaltsrecht. Ein Härtefallantrag kann als letzte Möglichkeit ein Bleiberecht erwirken. Für manche kommt aber auch ein § 25 Abs. 5 AufenthG in Frage. Durch den Dschungel der Bleiberechtsoptionen führt die Anwältin Maria Kalin. Die Arbeitsgruppe gibt einen Überblick über alle Möglichkeiten und bietet Raum für Nachfragen und Austausch.

Referentin: Maria Kalin (Rechtsanwältin, Ulm)

Arbeitsgruppe 3: Black Box Ausländerbehörde

Ausländerbehörden sind als untere Verwaltungsbehörde für Aufenthaltstitel aller Art, Aufenthaltsgestattungen und Duldungen (im Auftrag für das Regierungspräsidium Karlsruhe) zuständig. Sie kümmern sich um die Einhaltung der Passpflicht und dem Feststellen der Unmöglichkeit der Passbeschaffung und der damit einhergehenden Ausstellung von Passersatzpapieren. Darüber hinaus geht es aber auch um die Ablehnung der oben genannten Verwaltungsakte, um die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, sowie die Feststellung des Erlöschens der Aufenthaltstitel bei längerem Aufenthalt im Ausland. In der Arbeitsgruppe wird es um die Arbeit der Ausländerbehörden gehen, ihre Strukturen, Entscheidungsspielräume und Handlungskompetenzen. Es wird ausreichend Zeit für Fragen und Austausch geben.

Referentin: Dr. Maria Smolin (Geschäftsteilleiterin Ausländer- und Staatsangehörigkeitswesen im Landratsamt Ludwigsburg)

Arbeitsgruppe 4: Im Iran kämpfen sie für Freiheit. In Deutschland um Asyl.

Seit Herbst 2022 protestieren die Menschen im Iran für Menschenrechte und erleben Verfolgung, Inhaftierungen, Vergewaltigungen, Folter und Hinrichtungen. Insbesondere Frauen sind in ihrem Kampf um Freiheit davon betroffen. In der Arbeitsgruppe berichtet Farnaz Schaefer über die aktuelle Lage im Iran aus Sicht der Frauen und wirft einen Blick in Vergangenheit und Gegenwart. Anschließend geht es um die Entscheidungspraxis des BAMF und die Rechtsprechung der Gerichte zur Schutzgewährung von Iraner*innen in Deutschland. Rechtsanwältin Laura Noethe analysiert die behördliche und gerichtliche Bewertung der Ereignisse im Iran. Es wird Raum für Fragen und Austausch geben.

Referentinnen: Farnaz Schaefer (psychologische Beraterin und Aktivistin aus Schwäbisch Hall) und Laura Noethe (Rechtsanwältin aus Mannheim)

15:15 – 15:30: Pause

15:30 17:30 Uhr: Mitgliederversammlung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg e.V.

Herzliche Einladung an alle Mitglieder, Fördermitglieder und Interessierte an der Mitgliederversammlung teilzunehmen. Dieses Jahr stehen wieder die Wahlen der Vorsitzenden und des erweiterten Vorstands an. Auch Sie können kandidieren!


Wohnsitzauflage

Im Asyl- und Aufenthaltsrecht gibt es verschiedene Arten von Wohnsitzauflagen, je nachdem, ob die betroffene Person eine Auf­enthaltsgestattung, Duldung oder Aufenthaltserlaubnis besitzt. In diesem Beitrag geht es ausschließlich um die Wohnsitzauflage von Personen, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis oder eine familiäre Aufenthaltserlaubnis haben. Informationen zur Wohnsitzauflage für Geduldete und Gestattete finden Sie unter >> Unterbringung und Wohnen. Die Wohnsitzauflage ist nicht zu verwechseln mit der räumlichen Beschränkung, die umgangssprachlich auch „Residenzpflicht“ genannt wird. Wer einer räumlichen Beschränkung unterliegt, darf sich nur innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches (in der Regel der Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde) bewegen. Personen mit Aufenthaltserlaubnis sind in aller Regel von der „Residenzpflicht“ nicht betroffen.

I. Allgemeines
II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG
III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung
IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage
V. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Allgemeines

Die Wohnsitzauflage für Personen, die im Asylverfahren Schutz erhalten haben (also eine Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, den subsidiären Schutz oder eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 25 Absatz 3 AufenthG) richtet sich nach § 12a AufenthG. Der § 12a AufenthG umfasst darüber hinaus auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 (humanitäre Aufnahme im Einzelfall), § 23 AufenthG (Kontingent- und Resettlementflüchtlinge) oder § 24 AufenthG (vorübergehender Schutz aufgrund eines EU-Beschlusses nach der „Massenzustromsrichtlinie“). Die Wohnsitzauflage muss dabei einen anderen Zweck verfolgen als die Wohnsitzauflage für Gestattete und Geduldete: Während für Gestattete und Geduldete die Wohnsitzauflage verhängt wird, um die Sozialleistungskosten angemessen auf die Kommunen zu ver­teilen, sollen Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG die Integration der betroffenen Personen fördern. Das Recht auf freie Wohnsitzwahl darf dabei jedoch für maximal drei Jahre eingeschränkt werden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt bei Asylberechtigten, Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigten mit der Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und nicht etwa erst mit der – häufig erst mehrere Monate später – durch die Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltserlaubnis. Bei allen anderen Personen beginnt die Frist mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Die Wohnsitzauflage wird in der Aufenthaltserlaubnis oder einem Zusatzblatt vermerkt. Reisen Familienangehörige über den Familiennachzug ein, erhalten sie ebenfalls eine Wohnsitzauflage, welche der Wohnsitzauflage der bereits in Deutschland lebenden Person entspricht.

Für Menschen mit einer Anerkennung gilt folgendes: Personen, die ihre Anerkennung in einer vorläufigen Unterbringung (VU) erhalten, bekommen eine Wohnsitzauflage auf die Gemeinde, in welcher sie im Anschluss an die VU wohnen sollen – die sogenannte „Anschlussunterbringung“ (AU). Bei Personen, die sich bei Anerkennung bereits in der AU befinden, wird die Wohnsitzauflage für die Gemeinde verhängt, in der die Unterkunft liegt. Dies ist allerdings nicht zulässig, wenn die Personen bereits B1-Deutschkenntnisse haben oder sie bereits in einer eigenen Wohnung leben (siehe VG Stuttgart, Beschluss vom 27.6.2019 – 8 K 2485/19).

Bevor die Wohnsitzverpflichtung auf einen bestimmten Ort verhängt wird, erhalten die Betroffenen die Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Hier sollten alle Gründe und Interessen vorgetragen werden, die gegen eine Wohnsitzauflage an dem geplanten Ort sprechen.

Auch anerkannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete bekommen mit Eintritt in die Volljährigkeit eine Wohnsitzauflage (§ 12a Absatz 1a AufenthG). Die Zeit von der Anerkennung im minderjährigen Alter bis zur Volljährigkeit wird aber auf die Dreijahresfrist angerechnet und verkürzt sich entsprechend.


Hinweis: Die Wohnsitzauflage bestimmt auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträger (§ 36 Absatz 2 Satz 1 SGB II). In der Praxis werden Leistungen, die bei einem anderen Leistungsträger geltend gemacht werden, deshalb regelmäßig unter Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verweigert. Verstöße gegen die Wohnsitzauflage können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden (§ 98 Absatz 3 Nr. 2a und 2b AufenthG). 

II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG

Über den § 24 AufenthG kann zum vorübergehenden Schutz eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wie es in jüngster Vergangenheit bei Geflüchteten aus der Ukraine der Fall war. Auch hier greift die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG, wenn die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Antragstellende Personen haben jedoch auch schon vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Wohnsitzauflage: Diese ergibt sich aus § 24 Absatz 5 Satz 2 AufenthG wenn Personen auf ein Bundesland verteilt und einem bestimmten Ort zugewiesen worden sind. Das Länderschreiben des Bundesinnenministeriums legt zudem fest, dass sobald aus der Ukraine geflohene Menschen bei einer Ausländerbehörde vorsprechen und um Unterstützung bitten, dies automatisch als Verteilung auf ein Bundesland gewertet wird und eine Wohnsitzauflage für das jeweilige Bundesland entsteht. Die Wohnsitzauflage für einen bestimmten Ort regelt in Baden-Württemberg die Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom Mai 2022. So erhalten folgende Personen eine Wohnsitzauflage, sobald sie erstmalig eine Vorsprachebescheinigung, Fiktionsbescheinigung oder Anlaufbescheinigung bekommen haben:

  1. Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine lebten.
  2. International Schutzberechtigte (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) oder Personen mit einem gleichwertigen ukrainischen Schutz.
  3. Familienangehörige der unter a) und b) genannten Personen.
  4. Drittstaatsangehörige mit einer ukrainischen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren können.
  5. Aus der Ukraine geflohene Personen aus Afghanistan, Eritrea oder Syrien.

Bei allen anderen Personen entsteht eine Wohnsitzauflage auf einen bestimmten Ort in Rahmen einer Zuweisungsentscheidung im Einzelfall.

Wohnsitzauflagen sind immer nur auf dem Zusatzblatt zur Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG vermerkt.

III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung

In manchen Konstellationen entsteht überhaupt erst keine Wohnsitzauflage. Dies ist dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Anerkennung bzw. Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis bei einem Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährigem Kind oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, eine der folgenden Situationen besteht (§ 12a Absatz 1 Satz 2 AufenthG):

  • Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2025: 1.170,67 € netto),
  • geplante Aufnahme einer Berufsausbildung,
  • Person studiert oder ist in Ausbildung oder

wenn eine Person an dem derzeitigen Wohnort

  • einen Integrationskurs,
  • einen Berufssprachkurs,
  • eine mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
  • eine Weiterbildungsmaßnahme

aufnimmt, aufgenommen oder abgeschlossen hat, sofern der Kurs oder die Maßnahme am Ort der Wohnsitzauflage nicht ohne Verzögerung durchgeführt oder fortgesetzt werden kann.

Hintergrund der Befreiung einer Wohnsitzauflage ist die Überlegung, dass sich die genannten Tätigkeiten regelmäßig positiv auf die Integration auswirken.

IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage

Gilt für eine Person eine Wohnsitzauflage und möchte sie umziehen, so muss sie zuvor einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage stellen. Dieser wird oft Umverteilungsantrag genannt. Der Begriff klingt so, als ginge es um eine Änderung der Wohnsitzauflage. Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG sind jedoch aufzuheben und nicht abzuändern wenn die Voraussetzungen vorliegen. Insofern ist der Begriff „Umverteilungsantrag“ nicht ganz korrekt.

Liegt der neue Wohnort ebenfalls in Baden-Württemberg, entscheidet über den Antrag die Ausländerbehörde des Zuzugsorts (§ 3 Absatz 1 Satz 3 AAZuVO BW). Soll der Umzug in ein anderes Bundesland stattfinden, so entscheidet über die Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage die Ausländerbehörde des derzeitigen Wohnsitzes. Die Ausländerbehörde am Zuzugsort muss dem Umzug allerdings zustimmen. Hierzu hat sie vier Wochen Zeit. Liegt einer der gesetzlichen Aufhebungsgründe vor, muss sie die Zustimmung erteilen. Äußert sie sich nicht innerhalb der Vierwochenfrist, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 72 Absatz 3a AufenthG). Verweigert sie die Zustimmung, muss sie dies begründen; die Behörde des aktuellen Aufenthaltsorts muss der betroffenen Person die Gründe für die Ablehnung mitteilen.

Mögliche Gründe für eine Aufhebung bzw. Änderung sind in § 12a Absatz 5 AufenthG aufgeführt. Ein Anspruch auf Aufhebung entsteht, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Angehörige, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, einen Nachweis über eine der folgenden Tätigkeiten an einem anderen Ort vorlegt:

  • eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2024: 1.047,80 € netto),
  • Einkommen, mit dem der Lebensunterhalt überwiegend (also zu mehr als 50 Prozent) gesichert werden kann,
  • ein Angebot für einen Ausbildungs- oder Studienplatz,
  • ein Angebot für einen zeitnahen Integrationskurs,
  • ein Angebot für einen zeitnahen Berufssprachkurs,
  • ein Angebot für eine zeitnahe mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
  • ein Angebot für eine zeitnahe Weiterbildungsmaßnahme.

Ein Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage besteht ferner, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zuvor zusammenlebten, an einem anderen Ort wohnt.

Eine Wohnsitzauflage muss außerdem zur Vermeidung einer Härte aufgehoben werden. Dies ist der Fall, wenn Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe an einem anderen Ort in Anspruch genommen werden und die ganze Familie aufgrund der langen Anfahrtswege an diesen Ort umziehen muss. Die Wohnsitzauflage ist auch aufzuheben, wenn ein anderes Bundesland einer Aufnahme zugestimmt hat. Die Wohnsitzauflage muss außerdem immer aufgehoben werden, wenn ansonsten unzumutbare Einschränkungen bestünden, etwa weil eine Person am Ort der Wohnsitzauflage Gewalt ausgesetzt ist oder andernorts ein Betreuungsbedarf von Angehörigen mit einer Behinderung besteht (§ 12a Absatz 5 Nummer 2c) AufenthG).

Wurde die Wohnsitzauflage aufgehoben und entfallen nach drei Monaten die Gründe, die zur Aufhebung geführt haben, so muss die Wohnsitzauflage erneut verhängt werden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kürzlich aufgenommene Arbeitsstelle wieder gekündigt wird. Ist die Person bereits umgezogen, so wird die Wohnsitzauflage für den Ort erlassen, an den der Wohnsitz verlegt wurde.

V. Weiterführende Arbeitshilfen