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Corona-Krise: Hinweise zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung

Die Hinweise des Bundesinnenministeriums greifen Fragen der Kurzarbeit, des Kurzarbeitergelds und über Beendigungen von Beschäftigungsverhältnissen von Personen mit Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung auf. Demnach soll Kurzarbeit keine Auswirkungen auf Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldungen haben und Kurzarbeitergeld sei nicht „schädlich“ für die selbständige Sicherung des Lebensunterhalts. Falls Personen mit Beschäftigungsduldung aufgrund der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben, soll eine kurzfristige Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses von bis zu sechs Monaten unberücksichtigt bleiben. D.h. die Beschäftigungsduldung bleibt bei einer Arbeitslosigkeit von bis zu sechs Monaten weiter bestehen.


Das Mahnmal der ermordeten Sinti und Roma Europas muss bleiben!

Das zentrale Mahnmal der im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist durch Pläne der Deutschen Bahn bedroht. Eine Strecke der Berliner S-Bahn soll unter dem Mahnmal durchführen. Der Gedenkort soll (teilweise) entfernt und über viele Jahre gar nicht mehr zugänglich sein. Über 60 Jahre mussten Roma und Sinti um dieses Mahnmal und die mit ihm verbundene Anerkennung ihres Leids kämpfen. Hunderte von Organisationen und Persönlichkeiten aus ganz Europa, darunter auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, haben einen vom Bundes-Roma-Verband gestarteten Aufruf für den Erhalt des Mahnmal unterschrieben.


Studie: Menschenrechtsverletzungen bei Rückkehrprogrammen

In der Studie von Brot für die Welt und medico international werden die Auswirkungen von Rückkehrprogrammen untersucht, mithilfe derer Flüchtende in Dritt- bzw. Transitländern bewegt werden, „freiwillig“ in ihre Heimatländer zurückzukehren. Ausführendes Organ ist die Internationale Organisation für Migration (IOM), beauftragt wird sie von der Europäischer Union, der Afrikanischer Union und den Vereinten Nationen. Die interviewten Rückkehrer*innen gaben an, dass sie oft unfreiwillig an dem Programm teilgenommen hatten und teilweise psychischer und physischer Druck auf sie ausgeübt wurde.


Geflüchtete aus Eritrea protestieren gegen Verhinderung des Familiennachzugs

Angehörige der eritreischen Communities in ganz Deutschland haben einen Brief zu den Problemen des Familiennachzugs verfasst und machen ihre Forderungen an Bundes- und Landesbehörden deutlich. Es geht hierbei um die Beschaffung der von Deutschland geforderten Dokumente für den Familiennachzug. Am Montag, 13. Juli, werden die Forderung im Rahmen einer Demonstration in Berlin auf die Straße getragen. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist eine der zahlreichen Organisationen, die den Aufruf unterstützen.

„Die Familientrennung macht uns so kaputt, dass wir als Dauerpatient*innen in der Psychotherapie enden. Viele von uns leiden unter Depression, Ehen gehen in die Brüche. Das kann doch nicht wirklich von einem Schutz gewährenden Staat gewollt sein!“ sagt Hanan Mohamed Abdel Kader.

In ihrem Brief heißt es:

„Die Beschaffung der genannten Dokumente aus Eritrea ist für uns eine unzumutbare Handlung, weil wir von den deutschen Behörden gezwungen werden zu den Vertreter*innen der gleichen Regierung zu gehen, vor der wir geflohen sind.

Es kann nicht sein, dass uns der uns Schutz gewährende deutsche Staat auffordert, unseren Verfolgerstaat zu kontaktieren, ihm erlauben, uns zu demütigen und zuzulassen, dass wir gezwungen werden, diese Diktatur auch noch finanziell zu unterstützen.“

Unter anderem fordern sie „die zuständigen deutschen Behörden (Botschaften, Auswärtiges Amt, Ausländerbehörden) auf, die Unzumutbarkeit der Dokumentenbeschaffung in Eritrea anzuerkennen und stattdessen bereits im regulären Visumverfahren individuelle Nachweise der Familienzusammengehörigkeit (vorhandene kirchliche/islamische Urkunden, Familienfotos, DNA-Tests u.a.) zu akzeptieren.“

Aufruf

Auch Geflüchtete haben ein Recht auf Familie!

Wir sind ca. 1200 anerkannte schutzberechtigte Menschen aus Eritrea und haben einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Trotzdem müssen unsere Kinder und Ehepartner*innen jahrelang in politisch instabilen Drittstaaten wie dem Sudan und Äthiopien auf den Familiennachzug warten und unsere Familien sind seit vielen Jahren schmerzhaft getrennt.

Denn die deutsche Bürokratie legt uns unüberwindbarer Hürden in den Weg:

Für ein Visum zum Familiennachzug sollen wir bei den deutschen Botschaften Dokumente einreichen, die wir nicht haben und nur unter unzumutbaren Bedingungen besorgen können.
Die deutschen Behörden verlangen von uns, dass alle Dokumente in Eritrea staatlich geprüft werden müssen. Dafür müssen wir jemand in Eritrea bevollmächtigen, diese Vollmacht muss bei der eritreischen Botschaft erledigt werden. Dort müssen wir eine Reueerklärung unterschreiben, in der wir erklären, dass es uns Leid tut, unser Land verraten zu haben, indem wir geflüchtet sind. Gleichzeitig akzeptieren wir durch die Erklärung jegliche Strafe, die der eritreische Staat für angemessen hält. Außerdem zwingt die Botschaft uns, die sogenannte Aufbausteuer (monatlich 2% des eigenen Nettoeinkommens) an den eritreischen Staat zu bezahlen.
Das alles ist dem Auswärtigen Amt, die den Botschaften übergeordnete Behörde, auch bekannt. Trotzdem behauptet das Auswärtige Amt, die Unzumutbarkeit dieses Verfahrens sei nur in einer „Einzelfallprüfung“ festzustellen. Das nennen wir Behördenwillkür: Bis 2017 haben die Botschaften auch religiöse Eheurkunden oder andere Beweise für die familiäre Bindung akzeptiert. Mittlerweile werden individuelle Beweise der Familienzusammengehörigkeit erst im Klage- oder Remonstrationsverfahren überprüft.

So zwingen uns deutsche Behörden zu den Vertreter*innen der gleichen Regierung zu gehen, vor der wir geflohen sind. Sie erlauben dem eritreischen Verfolgerstaat, uns zu demütigen und uns zu zwingen, diese Diktatur auch noch finanziell zu unterstützen.

Dagegen wehren wir uns!

Wir fordern die zuständigen deutschen Behörden auf, die Unzumutbarkeit der Dokumentenbeschaffung aus Eritrea anzuerkennen und stattdessen individuelle Nachweise der Familienzusammengehörigkeit (zum Beispiel vorhandene kirchliche/islamische Urkunden oder Familienfotos) zu akzeptieren.

Wir fordern die Botschaften und die Ausländerbehörden auf, die Anträge auf Familiennachzug prioritär zu behandeln. Die langen Warte- und Bearbeitungszeiten müssen sich verkürzen.

Diese Forderungen tragen wir auf die Straße und werden sie bei unserer Abschlusskundgebung dem Auswärtigen Amt übergeben.

Dieser Brief wird unterstützt von:
Eritreische Gemeinschaft Berlin und Umgebung EGBU
Eritrean Voices in Germany e.V.: UEVG e.V.
We’ll Come United Berlin Brandenburg
Initiative „Familienleben für Alle!“
PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Hessischer Flüchtlingsrat e.V.
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Flüchtlingshilfe Schönkirchen e.V.
Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.
Cafe Exil Hamburg

Demonstration in Berlin am Montag, 13. Juli 2020
Auftakt: 11:00 Uhr am Tränenpalast, S-Bahnhof Friedrichstraße
Zwischenkundgebungen: ca 12:15 Uhr vor dem Deutschen Bundestag, ca 13:15 Uhr vor dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Glinkastraße 24, 10117 Berlin
Abschlusskundgebung: ca 14:00-15:00 Uhr vor dem Auswärtiges Amt, Werderscher Markt 1, 10117 Berlin

Für die Teilnahme an der Demonstration ist das Einhalten von Abstandsregeln und das Tragen von Atemschutzmasken zwingende Voraussetzung.


Jetzt Bildungsteilhabe von Geflüchteten sichern!

Geflüchtete Kinder und Jugendliche seien von den Beschränkungen während der Coronakrise besonders hart getroffen worden, erklärten der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V., die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL am Freitag in Berlin. Mit Blick auf die schrittweise Wiederaufnahme des Regelunterrichts an Schulen fordern die Organisationen von den Landesregierungen sofortige Maßnahmen zur Unterstützung von geflüchteten Schüler*innen, um ihre Bildungsteilhabe zu gewährleisten. Sie warnten davor, dass sich die ohnehin bestehenden Bildungsungerechtigkeiten im Zuge der Corona-Pandemie verschärften. Strukturellen Benachteiligungen müsse dringend entgegenwirkt werden.

Den Kindern und Jugendlichen in Sammelunterkünften fehlten wesentliche Grundvoraussetzungen, um am digitalen Fernunterricht teilzunehmen und es gäbe keine verlässlichen Unterstützungsstrukturen, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. So etwa sei in den Unterkünften für Geflüchtete in der Regel kein WLAN im Wohnbereich verfügbar, Laptops oder Computer und Drucker seien selten vorhanden, Internetkontingente auf Handys nach wenigen Tagen verbraucht. Zudem lebten Familien häufig auf engstem Raum, was Kindern und Jugendlichen das Lernen grundsätzlich erschwere. Angesichts pandemiebedingt verschlossener Gemeinschaftsbereiche existierten meist keinerlei Rückzugsmöglichkeiten mehr. Ehrenamtliche Unterstützungsangebote, wie z.B. zur Hausaufgabenhilfe, wurden stark eingeschränkt und Eltern seien wegen fehlender Deutsch-Kenntnisse überfordert, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen.

Auch unbegleitete Minderjährige und junge alleinstehende Volljährige in Jugendhilfeeinrichtungen litten aufgrund der Corona-Beschränkungen verstärkt unter mangelnder Betreuung und Unterstützung durch Ehrenamtliche. Ihnen fehlten in besonderem Maße die sozialen Kontakte außerhalb der Einrichtungen – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Lernmotivation und ‑erfolge.

Vor diesem Hintergrund mahnten Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, BumF e.V. und GEW die verantwortlichen Akteure in den Ländern, schnell zu handeln. Es gelte, sowohl die digitale Infrastruktur in den Unterkünften auszubauen als auch geeignete Lernräume sowie multiprofessionelle Unterstützungsangebote zur Verbesserung der Bildungsteilhabe zu schaffen. „Bildung darf nicht warten“ – erinnerte GEW-Vorsitzende Tepe in diesem Zusammenhang. Es dürfe keine weitere Zeit verloren werden, um geflüchteten Schüler*innen den Anschluss im neuen Schuljahr zu ermöglichen. Daher müssten in den Sommerferien nicht nur eine adäquate technische Ausstattung zur Verfügung gestellt und Vorkehrungen für einen eventuellen erneuten Lockdown getroffen werden. Ebenso wichtig seien zusätzliche, außerschulische Förder- und Lernangebote, welche das digitale Lernen in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen sowie den Übergang in Regelklassen erleichtern.


Zur Voraussetzung der 12-monatigen Vorduldungszeit für die Beschäftigungsduldung

Die Landesregierung hatte im April 2020 eine Initiative zur Änderungen des Aufenthaltsgesetz bezüglich der Voraussetzung der 12-monatigen Vorduldungszeit für die Beschäftigungsduldung in den Bundesrat eingebracht. Der Änderungsvorschlag beinhaltet, dass Geflüchteten, die vor dem 29.02.2016 eingereist sind, Zeiten in Aufenthaltsgestattung auf die 12-monatige Vorduldungszeit angerechnet werden.

Am 03.07.2020 hat der Bundesrat der Initiative zugestimmt und bittet mit dieser Entschließung die Bundesregierung, eine Änderung in § 60d AufenthG (Beschäftigungsduldung) vorzunehmen. Der Flüchtlingsrat begrüßt die Entschließung und gibt gleichzeitig zu bedenken, dass mit einem weiteren Stichtag (29.02.2016) einer Vielzahl von Betroffenen in der Praxis nicht nachhaltig weitergeholfen wird. Selbst wenn die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesänderung vornimmt, werden viele Geduldete, welche die 12-monatige Vorduldungszeit noch nicht erfüllen, sich weiterhin an die Härtefallkommission wenden müssen.


655 Abschiebungen im ersten Halbjahr 2020

655 Personen wurden im ersten Halbjahr 2020 aus Baden-Württemberg abgeschoben. Häufigstes Zielland war dabei Albanien mit 75 Abschiebungen, gefolgt von Italien mit 70 Abschiebungen, die allerdings allesamt im ersten Quartal stattfanden – bevor die Dublin-Überstellungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt wurden. Insgesamt ist – vor allem bedingt durch die Coronavirus-Situation, die Anzahl der Abschiebungen im Vergleich zum ersten Quartal deutlich gesunken. Von den 141 Abschiebungen, die im zweiten Quartal stattfanden, entfiel die Mehrheit auf die Sammelabschiebungen nach Georgien (27. Mai, 29 Personen), Serbien und Nordmazedonien (28 Mai, 23 Personen), Albanien (17. Juni, 26 Personen) und in den Kosovo (29. Juni, 28 Personen).

Abschiebungen nach Zielstaat

Albanien 75
Italien 70
Kosovo 50
Serbien 45
Georgien 36
Bosnien-Herzegowina 30
Pakistan 27
Frankreich 26
Nordmazedonien 24
Algerien 21
Nigeria 16
Rumänien 16
Afghanistan 15
Tunesien 15
Russische Föderation 14
Türkei 14
Kroatien 13
Österreich 13
Polen 12
Gambia 11
Portugal 11
Schweiz 11
Spanien 11
Bulgarien 7
Kamerun 7
Bulgarien 6
Litauen 5
Malta 5
Marokko 5
Schweden 5
Niederlande 4
Griechenland 3
Iran 3
Slowakische Republik 3
Slowenien 3
Ungarn 3
Armenien 2
Indien 2
Ukraine 2
Vietnam 2
Benin 1
Brasilien 1
China 1
Finnland 1
Ghana 1
Großbritannien 1
Kenia 1
Luxemburg 1
Moldawien 1
Thailand 1
Tschechische Republik 1
USA 1

Gesamt: 655

Abschiebungen nach Staatsangehörigkeit

Albanien 75
Nigeria 56
Kosovo 50
Serbien 45
Georgien 36
Afghanistan 30
Bosnien-Herzegowina 30
Pakistan 27
Irak 25
Algerien 24
Gambia 24
Nordmazedonien 24
Russische Föderation 23
Tunesien 23
Türkei 22
Guinea 16
Rumänien 14
Kamerun 12
Somalia 9
Syrien 9
Bulgarien 7
China 6
Polen 6
Eritrea 5
Litauen 5
Marokko 5
Italien 4
Kroatien 4
Togo 4
Frankreich 3
Indien 3
Portugal 3
Slowakische Republik 3
Ungarn 3
Armenien 2
Ghana 2
Griechenland 2
Ukraine 2
Vietnam 2
Benin 1
Brasilien 1
Großbritannien 1
Kenia 1
Moldawien 1
Niederlande 1
Senegal 1
Sierra Leone 1
Thailand 1
USA 1

Gesamt: 655


Fünf Jahre nach dem Sommer der Flucht – #offengeht

Zivilgesellschaftliche Organisationen ziehen in einer von PRO ASYL, der Diakonie Hessen und dem Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz initiierten Erklärung eine Bilanz der Aufnahme von Geflüchteten seit 2015. Unterzeichnet haben die Erklärung unter anderen der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Neuen Deutschen Medienmacher, landesweite Flüchtlingsräte sowie zahlreiche weitere Organisationen der Asyl- und Integrationsarbeit auf Bundes- und Landesebene.

„Menschen sind gekommen und das war gut so!“

Menschen sind gekommen, weil sie vor Bomben und Kugeln, vor Terror und politischer Verfolgung, vor Folter und Misshandlung fliehen mussten. Und Menschen haben sie aufgenommen! Der lange Sommer der Flucht im Jahr 2015 traf auf eine lebendige Humanität, Empathie und die Idee der Menschenrechte verwirklichende Zivilgesellschaft. Schon das allein ist eine Erfolgsgeschichte.

Aus Flüchtlingen sind seitdem Kolleg*innen, Nachbar*innen und Freund*innen geworden, die Deutschland vielfältiger und offener machen. Die Angsterzählungen von Rechtspopulist*innen und die Politik der Abschreckung, Ausgrenzung und Entrechtung von Flüchtlingen, die dem »Sommer des Willkommens« unmittelbar folgte, haben zu diesem Erfolg nichts beigetragen.

„Während die Politik debattierte, machten sich Zehntausende in Deutschland buchstäblich über Nacht auf, um gravierende Leerstellen in der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten zu füllen“, heißt es in der Erklärung. An vielen Stellen hat die Politik sich gegen das neue zivilgesellschaftliche Engagement gewendet. Rechtliche Hürden wurden aufeinandergetürmt. Wohnsitzauflagen verhindern noch größere Erfolge bei der Integration. Die Angst vor vielen Familienangehörigen auf der Flucht und vor allem die Angst vor Rassist*innen und Rechtsextremen in den Parlamenten bestimmte große Teile der Gesetzgebung. Statt die Bereitschaft der Vielen, aktiv und kreativ an der Bewältigung neuer Herausforderungen mitzuarbeiten, positiv zu würdigen und für die Weiterentwicklung dieser Gesellschaft zu nutzen, wurde ihr Engagement an vielen Stellen behindert, zermürbt und ausgebremst.

Aber die Erfahrungen seit 2015 zeigen: #offengeht!

Die Unterzeichnenden fordern:

#offengeht: Der Zugang zum Asylrecht muss an Europas Grenzen gewährleistet sein. Menschenrechtswidrige Push-Backs, direkte Abschiebungen ohne Prüfung eines Asylantrages – durch Griechenland oder andere EU-Mitgliedstaaten – müssen aufhören.

#offengeht: Wir können und wir sollten eine erhebliche Zahl von Geflüchteten aufnehmen, die heute in Elendslagern auf den griechischen Inseln und an anderen Orten an der europäischen Außengrenze verzweifeln.

#offengeht: Viele Flüchtlingsunterkünfte in den Kommunen stehen zurzeit leer. Andere können kurzfristig reaktiviert werden. Es gibt hinreichend Ressourcen, Kapazitäten und Kompetenzen in Deutschland, um weitere Flüchtlinge aufzunehmen und unserer internationalen Verantwortung für den Flüchtlingsschutz nachzukommen.

#offengeht: Die Situation in den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen wird in absehbarer Zeit nicht besser werden, weder in Syrien noch im Irak, Afghanistan, Eritrea, Somalia oder der Türkei. Darum sollte nicht auf Abschiebungen gesetzt werden, sondern auf Integration vom ersten Tag an.

#offengeht: Asylsuchende müssen so schnell wie möglich in die Kommunen verteilt werden, um ihre Unterstützung und Integration zu fördern.

#offengeht: Die Vielfaltsfähigkeit zentraler Institutionen und Einrichtungen muss gezielt gefördert werden, nicht nur im Blick auf neu ankommende Geflüchtete, sondern für alle in einer heterogener werdenden Migrationsgesellschaft.

#offengeht: Unterschiedliche Rechtsstatus hier lebender Menschen müssen möglichst zügig angeglichen werden. Statt neue und noch schlechtere Duldungsstatus einzuführen, sollte jede*r spätestens nach fünf Jahren Aufenthalt den »Langheimischen« rechtlich gleichgestellt werden.

#offengeht: Damit alle gleichberechtigt an der Gestaltung der Lebensverhältnisse im Gemeinwesen teilnehmen können, sollten demokratische Rechte nicht an der Staatsangehörigkeit, sondern am Wohnort anknüpfen. Eine »Wohnbürgerschaft« bedeutet unter anderem, dass jede*r ein bedingungsloses Wahlrecht hat an dem Ort, an dem sie*er lebt.

#offengeht: Das hat die Gesellschaft in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt bewiesen, während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren zum Beispiel, als Deutschland hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat, nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 und bei der Aufnahme von mehr als 12 Millionen Geflüchteter nach dem Zweiten Weltkrieg. In einer viel wohlhabenderen Gesellschaft als damals bekräftigen wir: #offengeht auch heute!

Die Diakonie Hessen, der Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz und PRO ASYL rufen dazu auf, vor Ort in Veranstaltungen die gesellschaftlichen Entwicklungen seit 2015 zu bilanzieren und auf dieser Grundlage Zukunftsperspektiven und Forderungen zu entwickeln. Eine gute Gelegenheit hierfür ist der Tag des Flüchtlings, der im Rahmen der Interkulturellen Woche begangen wird und dieses Jahr am 2. Oktober stattfindet.