Beiträge

Dänemarks Asylpolitik ist kein Vorbild: Syrien ist nicht sicher!

Dänemarks Migrationsbehörde hat mittlerweile über 100 syrischen Geflüchteten den Schutztitel entzogen. Grundlage ist die falsche Behauptung, die Region Damaskus sei sicher. Dänische Recherchen offenbaren jetzt, dass die dänischen Lageberichte, die diese Behauptung stützen sollten, auf Manipulationen oder Fehlinterpretationen beruhen. Zeitgleich zeigen Berichte der ZEIT und der WELT, dass auch die Bundesregierung auf dubiosen Wegen Abschiebungen syrischer Staatsangehöriger vorbereitet.

Vor dem Hintergrund warnen die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, medico international, die Kampagne #SyriaNotSafe und Adopt a Revolution eindringlich vor Abschiebungen nach Syrien. Wie alle Lageberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre betonen, gibt es keine sicheren Gebiete in Syrien: Landesweit kommt es zu willkürlichen Inhaftierungen, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen. Ob Dänemark oder Deutschland: Es gilt die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie verbietet Abschiebungen in Staaten, in denen Folter oder entwürdigende Behandlung droht.

Dänemark: Manipulierte oder fehlinterpretierte Lageberichte
Dänemarks Regierung begründet den Entzug der Schutztitel mit zwei Syrien-Lageberichten von Februar 2019 und Oktober 2020. Mittlerweile haben sich alle der darin namentlich als Quellen angeführten unabhängigen Syrien-Analyst*innen von den Schlussfolgerungen distanziert, die die Behörden aus den Berichten ziehen. Acht der Analyst*innen haben sich mit einer öffentlichen Erklärung an die dänischen Behörden gewandt und fordern die Regierung auf, ihre Entscheidung zu revidieren. Auch der Dänische Flüchtlingsrat, der einen der Berichte mitverantwortet, kritisiert die Entscheidung der Regierung.
Nach Angaben des dänischen Flüchtlingsrats droht aktuell 250 syrischen Geflüchteten der Entzug ihres Aufenthaltstitels. Die Betroffenen sollen durch die Unterbringung in Ausreisezentren sowie Arbeits- und Ausbildungsverbote zur Ausreise genötigt werden. Die Maßnahme trennt Familien und zwingt bereits integrierte Geflüchtete, ihre Arbeit, ihr Studium oder ihre Schulausbildung aufzugeben. Von Abschiebungen sehen die dänischen Behörden ab, da Dänemark davor zurückschreckt, die nötigen Kontakte zum Assad-Regime aufzunehmen.

Deutschland: Dubiose Abschiebepläne des Innenministeriums

Nach Berichten der ZEIT und der WELT prüft das Bundesinnenministerium aktuell Möglichkeiten, syrische Staatsangehörige abzuschieben oder zur Ausreise zu drängen. Auch wenn bislang nur von Abschiebungen von Straftätern oder sogenannten „Gefährdern“ die Rede ist, drohen schwere Menschenrechtsverletzungen sowie ein intendierter Tabubruch: Nach Abschiebungen von Straftätern oder „Gefährdern“ drohen mittel- oder langfristig auch Abschiebungen anderer Gruppen.

Nach Recherchen der ZEIT plant die Bundesregierung derzeit keine Abschiebungen in vom Assad-Regime kontrollierte Regionen oder in den von dschihadistischen Milizen dominierten Nordwesten. Es gebe jedoch Sondierungen von Abschiebungen in den kurdisch geprägten Nordosten. Auch die „kurdischen Gebiete im Nordirak und in der Türkei“ würden in Betracht gezogen.

Die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, medico international, die Kampagne #SyriaNotSafe und Adopt a Revolution kritisieren das Vorgehen scharf. Offensichtlich drohen weitere, dem Wahlkampf geschuldete dubiose Deals mit Akteuren wie der Türkei, die in Syrien völkerrechtswidrig agiert  – und möglicherweise auch mit der kurdischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien, die jedoch bislang von der Bundesregierung überhaupt nicht anerkannt wird. Bei Abschiebungen in von ihr kontrollierte Gebiete müsste die Bundesregierung mit ihr zusammenarbeiten. Statt solcher rechtlich und außenpolitisch fragwürdigen Bemühungen müssen die  Behörden mit syrischen Straftätern und „Gefährdern“ in Deutschland auf der Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien verfahren.
Wie sehr das populistische Ziel, unbedingt nach Syrien abzuschieben, zu Lasten rechtsstaatlicher Prinzipien geht, zeigt auch der Sachverhalt, dass das Bundesinnenministerium laut dem Bericht der WELT plant, syrische Häftlinge mit dem Versprechen einer Haftzeitverkürzung zur Ausreise zu bewegen.
Statt schmutzige Rücknahmedeals einzufädeln, muss die Bundesregierung endlich akzeptieren, dass Syrien-Abschiebungen bis auf Weiteres nicht möglich sind. Erst im März hat das Europäische Parlament die EU-Mitgliedstaaten in einer Resolution daran erinnert, „dass Syrien kein sicheres Land für eine Rückkehr ist“ und alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, „von einer Verlagerung der nationalen Politik in Richtung der Aberkennung des Schutzstatus für bestimmte Kategorien von Syrern abzusehen und diesen Trend umzukehren, wenn sie eine solche Politik bereits verfolgt haben.“


OVG Niedersachsen: Keine Überstellung von Anerkannten nach Griechenland

Geflüchtete, die in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft bekommen haben, dürfen nicht rücküberstellt werden. Dort drohe ihnen ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh, weil sie unter menschenrechtwidrigen Bedingungen leben müssten. So seien sie von Obdachlosigkeit bedroht und erhielten keinen Zugang zu elementaren Leistungen sowie zu anderweitiger Unterstützung. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen. Das Urteil liegt noch nicht vor, so geht es aber aus der Pressemitteilung hervor.

Zuletzt hatte auch das OVG Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass Anerkannten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen. Deshalb sollten sich auch Asylsuchende in Baden-Württemberg mit einer Anerkennung in Griechenland gut beraten lassen und sich trotz aller Unsicherheiten versuchen, zu integrieren. Übrigens entscheidet das BAMF bereits seit über einem Jahr nicht mehr über Asylanträge von dieser Gruppe von Geflüchteten.


Gutachten belegt Kindeswohlgefährdung nach rechtswidriger Abschiebung

Neue Entwicklungen im Fall Dana und Edi: Niemand ist sorgeberechtigt, kein Schulbesuch möglich

Im Fall der beiden im Dezember aus einer Jugendhilfeeinrichtung im Landkreis Böblingen nach Albanien abgeschobenen Kinder Dana und Edi liegt nun ein Gutachten vor, welches das Ausmaß der entstandenen Kindeswohlgefährdung deutlich macht. Eine Sozialarbeiterin und Juristin von der Organisation International Social Service hat die Kinder besucht, um sich über ihre Situation zu informieren.

Die Gutachterin bestätigt, dass Edi kein Albanisch spricht, und sich nur mit ihr verständigen konnte, weil seine Schwester gedolmetscht hat. Dana kann zwar albanisch sprechen, aber nicht schreiben. Ein Schulbesuch ist für beide Kinder daher aktuell unmöglich. Die vorhandenen Verwandten sind nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern, da sie selbst für ihren Lebensunterhalt auf die Unterstützung von im Ausland lebenden Verwandten angewiesen sind. Die Großeltern der Kinder sind zudem gesundheitlich zu sehr angeschlagen, um sich dauerhaft um die Kinder zu kümmern. Aktuell leben die Kinder in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, zusammen mit ihrem 24-jährigen Halbbruder und dessen hochschwangere Frau.

Die Gutachterin erläutert, dass aktuell niemand das Sorgerecht für die Kinder innehat, so dass es keine Möglichkeit gibt, in ihrem Namen irgendwelche Rechtsgeschäfte wie etwa die Beantragung von Sozialleistungen zu tätigen. Eine staatliche Inobhutnahme, die nach albanischen Recht in solchen Fällen vorgesehen ist, würde zu einer Trennung der Kinder führen, da sie in unterschiedliche Heime kommen würden. Dies wäre nach Überzeugung der Gutachterin keine geeignete Lösung, denn nach allem, was die beiden in den letzten Jahren durchgemacht haben, ist für beide das jeweils andere Geschwisterteil die einzige wirkliche Bezugsperson, die sie haben.
Zusammenfassend bezeichnet die Gutachterin die Situation als „problematisch“ – die Kinder seien durch die Abschiebung traumatisiert, fühlen sich in ihrer aktuellen Umgebung fremd und können ihr Recht auf Bildung nicht in Anspruch nehmen, zudem ist keine sorgeberechtigte Person in der Nähe.

Die Verantwortlichen in der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus, wo die Kinder bis zur Abschiebung gelebt haben, nehmen diese neuen Information tief besorgt zur Kenntnis: „Wir machen uns weiterhin große Sorgen um Dana und Edi. Je länger die beiden in dieser unsicheren Situation sind, desto größer die negativen Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Beispielsweise fehlt beiden nun schon vier Monate Schulbildung. Wir alle, auch die Jugendlichen in den Wohngruppen, hoffen weiterhin darauf, dass Dana und Edi zurück kehren können“, so Cordula Breining, Koordinatorin für unbegleitete Minderjährige im Waldhaus.

Im Februar hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eilantrag auf Rückholung der Kinder abgelehnt, obwohl die Abschiebung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ rechtswidrig war. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die eingetretene Kindeswohlgefährdung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. „Dieses Gutachten bestätigt die wesentlichen Umstände, die die Kinder bereits seit ihrer Abschiebung geschildert haben. Es wird deutlich, dass durch das rechtswidrige Verhalten von Behörden des Landes Baden-Württemberg eines Kindeswohlgefährdung eingetreten ist und fortbesteht“, stellt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fest. Er fordert die neue Landesregierung auf, sich um eine Rückholung der Kinder zu kümmern, die Umstände der rechtswidrigen Abschiebung aufzuklären und Maßnahmen dafür zu treffen, dass sich ein solcher Fall nie wiederholen kann.

Die Petition zur Rückholung der Kinder hat mittlerweile über 8000 Unterschriften und kann noch unterschrieben werden:
https://www.openpetition.de/petition/unterzeichner/herr-strobl-holen-sie-die-beiden-elternlosen-abgeschobenen-kinder-nach-leonberg-zurueck


Studie: Arbeitsfelder der Ankunft

In Deutschland arbeiten viele Migrant*innen in den Bereichen Gastrononomie, Hotel, Haushalts- und Gebäudereinigung sowie in zunehmendem Maße auch in der Pflege.

Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Forschungsprojekt „Arbeitsfelder der Ankunft. Kompetenzentwicklung in durch Migration geprägten Arbeitsfeldern“ der Universität Kassel beschäftigt sich mit der Frage, wie Migrant*innen die Arbeit in Deutschland erleben und wie sie diese Arbeit darüber hinaus mitgestalten.

Ziel des Forschungsprojektes ist ein besseres Verständnis, wie sich sowohl die Kompetenzen als auch die Teilhabemöglichkeiten der in diesen Arbeitsbereichen beschäftigten Migrant*innen entwickeln.

Zu diesem Zwecke werden Interviewpartner*innen mit Beschäftigten aus diesen Bereichen gesucht.

Interviews können auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Arabisch und Türkisch durchgeführt werden.

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier.


Dialog-Sprachhilfen für den Alltag

Im Rahmen eines  Semesterprojekts im Studiengang Kommunikationsdesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sind die Dialog [Sprachhilfen für den Alltag] entstanden. Es handelt sich dabei um Karten mit alltäglichen Vokabeln und Sätzen in den Sprachen Deutsch, Arabisch und Englisch. Es gibt Karten für unterschiedliche Situation, wie zum Beispiel in der Bank, im Obst- und Gemüsegeschäft oder in der Apotheke. Die Kartensets können online bestellt werden:

Dialog [Sprachhilfen für den Alltag]


Auftakt zur Rettungskette für Menschenrechte

Das Sterben im Mittelmeer geht weiter – auch wenn es in Zeiten der Pandemie in Vergessenheit gerät. Deshalb soll am Samstag, 24. April, in lokalen Aktionen an das Elend der Menschen auf der Flucht erinnert werden. Der Aktionstag steht in Zusammenhang mit der für den 18. September geplanten symbolischen „Rettungskette“ quer durch Deutschland, Österreich und Italien bis zum Mittelmeer. In Baden-Württemberg sind Aktionen in Heidelberg, Esslingen und Stuttgart geplant:

HEIDELBERG: Kundgebung mit Fahrraddemo, 13:00-15:00 am Universitätsplatz:
ESSLINGEN: Sternmarsch ab 11 Uhr mit Kundgebung ab 11:45 an der Agnesbrücke; Organisator: Caritas-Zentrum Esslingen; weitere Infos HIER
STUTTGART: Kundgebung um 16 Uhr auf dem Kronprinzenplatz; weitere Infos HIER


Erkennungsdienstliche Behandlung nun schon ab sechs Jahren

Zum 1. April 2021 sind Änderungen des Aufenthaltsgesetzes sowie des Asylgesetzes in Kraft getreten, die die Abnahme der Fingerabdrücke von neu eingereisten Kindern bereits ab dem sechsten Lebensjahr ermöglichen. Bislang hatte die Altersgrenze hierfür bei 14 Jahren gelegen. Da EU-Recht weiterhin eine Altersgrenze von 14 Jahren vorsieht, stellt sich die Frage, ob die Neuregelung europarechtskonform ist.


244 Abschiebungen im ersten Quartal 2021

Im ersten Quartal des Jahres wurden insgesamt 244 Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Das häufigste Zielland war dabei Georgien, wohin 37 Abschiebungen durchgeführt wurden. Nach Gambia wurden 18 Personen abgeschoben, nach Afghanistan acht. Im Vergleich zum ersten Quartal 2020, wo es insgesamt 514 Abschiebungen gab, wurden 270 Personen weniger abgeschoben. 

Abschiebungen nach Zielland

Afghanistan8
Albanien14
Armenien2
Bosnien-Herzegowina11
Bulgarien2
Chile1
Frankreich13
Gambia18
Georgien37
Ghana3
Guinea2
Iran1
Italien11
Kolumbien2
Kosovo24
Kroatien1
Lettland1
Litauen3
Luxemburg1
Moldawien1
Montenegro1
Niederlande2
Nordmazedonien15
Pakistan11
Polen9
Rumänien10
Russische Föderation2
Schweden2
Schweiz6
Senegal1
Serbien9
Spanien1
Sri Lanka1
Tunesien4
Türkei9
Ukraine3
Ungarn2
Gesamtergebnis244

Abschiebungen nach Herkunftsland

Afghanistan9
Albanien14
Algerien4
Armenien2
Bosnien-Herzegowina11
Bulgarien1
Chile1
China1
Eritrea2
Frankreich6
Gambia19
Georgien41
Ghana3
Guinea2
Irak1
Iran1
Italien4
Kolumbien2
Kosovo24
Kroatien1
Litauen3
Moldawien1
Montenegro1
Niederlande1
Nigeria2
Nordmazedonien15
Pakistan11
Polen5
Rumänien11
Russische Föderation6
Schweden1
Senegal1
Serbien9
Somalia1
Spanien1
Sri Lanka2
Syrien3
Togo1
Tunesien5
Türkei11
Ukraine3
Ungarn1
Gesamtergebnis244

Protest gegen Massenunterkünfte in Freiburg

Anlässlich der anstehenden Evaluation der LEA Freiburg im Migrationsausschuss der Stadt findet am Samstag, 24. April, um 14 Uhr auf dem Platz der alten Synagoge in Freiburg eine Kundgebung unter dem Motto „Keine Lager – keine LEA – Ja zu selbstbestimmtem Wohnen!“ statt. Auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg wird mit einem Redebeitrag bei der Kundgebung vertreten sein.

Weitere Informationen


Gutachten: Dokumentenbeschaffung Eritrea

Das Gutachten analysiert die Möglichkeiten der Dokumentenbeschaffung eritreischer Geflüchteter im Rahmen des Familiennachzugs. Es klärt über das Dokumentensystem Eritreas auf und beleuchtet speziell die Probleme, die Eritreer*innen im Ausland haben, nachträglich Dokumente zu beschaffen. Hürden bei der Beschaffung sind nicht nur die Diaspora-Steuer und die Unterzeichnung der Reueerklärung, sondern auch häufige Weigerungen eritreischer Auslandsvertretungen Dokumente auszustellen. Das Gutachten widerspricht der Ansicht deutscher Behörden, dass es möglich und zumutbar ist, eritreische Dokumente vorzulegen.

In Auftrag gegeben wurde das Gutachten von den Organisationen Equal Rights Beyond Borders und International Refugee Assistance Project (IRAP).