BayLSG & SG Nürnberg: Überprüfungsantrag bei Regelbedarfstufe 2 (statt 1) im AsylbLG

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat am 26.10.2023 – S 17 AY 37/23 und das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat am 30.10.2023 – L 8 AY 33/23 zur Gewährung von Regelbedarfstufe 2 (statt 1) für Personen im Asylbewerberleistungsbezug entschieden. Hintergrund ist, dass Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften nur Regelbedarfstufe 2 statt 1 gewährt bekommen/bekamen. Dies ist verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2022, 1 BvL 3/21). Da das Bundesverfassungsgericht nur zu Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entschieden hatte, bekommen diese Personen seit der Entscheidung automatisch Leistungen nach der Stufe 1. Aber bei Grundleistungen nach § 3a AsylbLG hat der Gesetzgeber immer noch keine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Betroffene bekommen immer noch zu wenig Geld und müssen eigenständig dagegen vorgehen.

Dies kann nach den beiden bayerischen Gerichten im sog. Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X geschehen und Betroffene erhalten dann Nachzahlungen gemäß der Regelbedarfstufe 1 nach §§ 2, 3, 3a AsylbLG.

Das Bayerische LSG ist der Meinung, dass mit dem BVerfG-Urteil „keine Grundlage geschaffen worden [ist], um die Anwendbarkeit von § 44 SGB X auszuschließen… [bei] einer zu geringen Leistungsbewilligung [soll] eine Korrektur im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens möglich bleiben… überdies ergibt sich für den Senat aus der Entscheidung vom 19.10.2022 kein Anhaltspunkt dafür, dass das BVerfG dies hätte ausschließen wollen.“

Bitte: Gegen alle Bescheide für Alleinstehende in Sammelunterkünften nach §§ 2,3 AsylbLG, die seit dem 01.01.2022 keine Leistungen nach Regelbedarfstufe 1 gewähren, bis zum 31.12.2023 noch die Überprüfung nach § 44 SGB X beantragen!

Tipps für den Überprüfungsantrag finden Sie beim niedersächsischen Flüchtlingsrat und in der Arbeitshilfe „Handreichung zum Asylbewerberleistungsgesetz – Praxishilfe des Flüchtlingsrates Brandenburg für die Beratung von Geflüchteten„.

Es gibt kostenlose Hilfe von Anwält*innen. Es ist zwar kein*e Anwältin*Anwalt in Baden-Württemberg, aber das ist egal, weil man alles elektronisch zuschicken kann.

Ab dem 01.01.2024 können Nachzahlungen nur noch für Leistungszeiträume ab 01.01.2023 per Überprüfungsverfahren gewährt werden.


LSG Bayern: Ermessensausübung bei Leistungskürzungen § 1a AsylbLG

Das Bayerisches Landessozialgericht (LSG) hat mit Beschluss vom 30.10.2023 – L 8 AY 36/23 B ER entschieden, dass bei der Befristung von Bescheiden nach § 1a AsylbLG Ermessen auszuüben ist. Dies gilt insbesondere, wenn Betroffene bereits schonmal eine sechs monatige Leistungskürzung erhalten hatten. Will die Leistungsbehörde die Leistungskürzung verlängern, muss nach § 14 Abs. 2 AsylbLG zwingend Ermessen ausgeübt werden. Denn die gesetzliche Befristung einer Leistungskürzung soll verhindern, dass automatisch dauerhaft Leistungen gekürzt werden. Die Leistungsbehörden müssen stets im Einzelfall und gemäß des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes neu entscheiden, ob eine Kürzung fortgeführt werden darf. Daran fehlte es in dem konkreten Fall, da familiäre Gründe nicht beachtet wurden.


Erdoğan-Besuch: Schluss mit menschenunwürdigen Deals auf dem Rücken schutzsuchender Menschen

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Bundesländer warnen anlässlich des Treffens des türkischen Präsidenten Erdoğan mit Bundeskanzler Scholz am Freitag, den 17. November in Berlin, vor einer Neuauflage des menschenfeindlichen EU-Türkei-Deals und fordern eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik, insbesondere gegenüber der Türkei!

„Die derzeitige Politik der Abwehr und Abschottung setzt auf einen Kuschelkurs mit autoritären Regimen. Aber der Bundesregierung muss klar sein: Flüchtlingsdeals wie mit der Türkei führen zu immensem Leid von Schutzsuchenden, verletzen ihre Menschenrechte und funktionieren in der Praxis schlicht nicht. Die beschworene Partnerschaft zwischen beiden Ländern stabilisiert ein Regime in der Türkei, das selbst für immer mehr Flucht verantwortlich ist“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Der EU-Türkei-Deal war und ist rechtlich, humanitär und moralisch inakzeptabel. Die Folgen für Geflüchtete sind fatal: Menschen werden in der Türkei festgesetzt und immer wieder rechtswidrig und mit brutaler Gewalt über die Grenze zurück in die Kriegsgebiete nach Nordsyrien gezwungen oder an ihre Verfolger im Iran oder Afghanistan ausgeliefert. In Griechenland löste der Deal eine permanente humanitäre Krise aus. In den EU-finanzierten Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln werden Schutzsuchende ihrer Rechte beraubt und physisch und psychisch verletzt. In Griechenland stieg sowohl an der Landesgrenze als auch in der Ägäis die Zahl illegaler und tödlicher Zurückweisungen auf Rekordhöhen. Trotzdem wird laut Beschluss von Kanzler und Ministerpräsident*innen vom 6. November 2023 die Bundesregierung „die wirksame Fortsetzung und Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens weiterhin unterstützen“.

Das Regime von Erdoğan zwingt viele Menschen zur Flucht – außerhalb des eigenen Landes durch den Dauerbeschuss auf die Kurd*innen im Nordirak und Nordsyrien sowie aus dem eigenen Land. So ist die Türkei nach Syrien aktuell das Hauptherkunftsland von Schutzsuchenden in Deutschland, denn der türkische Staat verfolgt Kritiker*innen mit voller Härte und unterdrückt Minderheiten im eigenen Land.

Bis Oktober 2023 stellten über 45.000 türkische Staatsangehörige einen Asylerstantrag. Die sich verschärfende Menschenrechtslage in der Türkei spiegelt sich jedoch nicht in der Schutzquote von Asylantragstellenden aus der Türkei wider. Diese liegt aktuell bei nur 19 Prozent. Das bedeutet, dass nicht mal jeder fünfte Antrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfolgreich ist.

„Auch innenpolitisch muss sich Deutschland ehrlich machen und anerkennen, dass es sich bei der Türkei nicht länger um einen verlässlichen, demokratischen Partner handelt. Stattdessen unterstellt das BAMF weiterhin einen grundsätzlich rechtsstaatlichen Umgang mit Oppositionellen und lehnt in einer Vielzahl von Verfahren Schutzsuchende ab, die in der Türkei mit Berufsverboten belegt oder strafrechtlich verfolgt werden. Man muss sich fragen, ob hier im vorauseilenden Gehorsam gehandelt wird, um Erdoğan nicht zu verärgern“, kommentiert Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsens für die Landesflüchtlingsräte.

Es ist allseits anerkannt, dass die Türkei umfänglich auf konstruierte Terrorismusvorwürfe gegenüber unliebsamen Einzelpersonen oder Gruppierungen zurückgreift. Ihnen drohen rechtsstaatswidrige Verfahren und langjährige Haftstrafen. Erdoğan herrscht in der Türkei seit 20 Jahren und hat seither den Staat, seine Institutionen und das Justizwesen weitgehend seinem autokratischen Willen unterworfen. Nach dem Putschversuch von 2016 kam es zum weitgehenden Umbau der Justiz, um diese regierungskonform zu schalten.

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Bundesländer fordern, dass die Bundesregierung gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten konsequent menschenrechtliche Standards verteidigt – innenpolitisch, außenpolitisch und selbstverständlich auch flüchtlingspolitisch. Auch die umfängliche Überarbeitung der BAMF-Entscheidungspraxis zur Türkei ist längst überfällig.


Arbeitshilfe: Das Chancen-Aufenthaltsrecht in der Beratungspraxis

Seit Anfang 2023 gibt es das Chancen-Aufenthaltsrecht – eine einmalige und befristete Aufenthaltserlaubnis für am 31.10.2022 seit fünf Jahren in Deutschland lebende und geduldete Personen (§ 104c AufenthG). Für die Beratung dieser Personengruppe hat der Paritätische nun die Arbeitshilfe „Das Chancen-Aufenthaltsrecht in der Beratungspraxis“ veröffentlicht.

Die Arbeitshilfe ist bewusst praxisnah gestaltet mit zahlreichen Tipps und Hinweisen für die Beratungspraxis. Sie geht ausführlich auf die Erteilungsvoraussetzungen und die Antragstellung des § 104c AufenthG ein sowie auf die Voraussetzungen, Besonderheiten und Schwierigkeiten bei dem Übergang in die Bleiberechtsregelungen der Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 25a und 25b AufenthG.



Pro Asyl: Externalisierung von Asylverfahren weder umsetzbar noch menschenrechtskonform

Sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland werden wieder verstärkt Forderungen laut, Asylverfahren in Staaten außerhalb Europas auszulagern. Pro Asyl argumentiert in einem ausführlichen Bericht, dass das nicht realistisch umsetzbar ist und lediglich die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen erhöht. Das zeigen vergangene Versuche wie etwa der EU-Türkei-Deal.


Stuttgarter Vernetzungstreffen

Die EU verhandelt ein neues Asylsystem mit haftähnlichen Lagern an den Außengrenzen. Deutschlandweit diskutieren Politiker*innen aller Parteien darüber, wie man Abschiebungen erleichtern kann. Einige fordern sogar eine Obergrenze für die Aufnahme geflüchteter Menschen in Deutschland. Doch handelt es sich bei den aktuell diskutieren Vorschlägen tatsächlich um effiziente Lösungsansätze? Und für welches Problem überhaupt? Wie stellen wir uns eine humanitäre Asylpolitik vor, die Kommunen entlastet, aber Menschlichkeit wahrt?

Im Rahmen eines Stuttgarter Vernetzungstreffens wollen wir darüber mit Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, diskutieren. Die Diskussion soll Raum für Fragen und einen gemeinsamen Austausch zur europäischen und deutschen Asylpolitik sowie zur aktuellen gesamtgesellschaftlichen Stimmung rund um das Thema Flucht und Migration bieten.

Zu dem Vernetzungstreffen laden wir gemeinsam mit dem Legal Café Stuttgart alle Menschen aus dem Raum Stuttgart ein, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen!

Wann: Am 16.12.2023

Wo: In den Räumlichkeiten vom Legal Café Stuttgart, Bahnhofstr. 14/18, 70372 Stuttgart

Mit dem Treffen möchten wir allen Interessierten die Möglichkeit bieten, andere Angebote aus dem Raum Stuttgart kennenzulernen, sich zu unterschiedlichen Themen auszutauschen und ggf. gemeinsame Aktionen zu planen.

Wenn ihr eure Initiative oder ein aktuelles Angebot vorstellen wollt, könnt ihr das im untenstehenden Anmeldeformular an der entsprechenden Stelle vermerken.


Das Programm für den Tag sieht wie folgt aus:

11:00 – 11:30                   Begrüßung & Kennenlernen

11:30 – 12:00                   Überblick über Angebote im Raum Stuttgart

12:00 – 13:30                   Diskussionsrunde mit Tareq Alaows

13:30 – 14:30                   Mittagspause

14:30 – 16:00                   Austausch in Form von Arbeitsgruppen

Am Nachmittag wollen wir nach Bedarf zu unterschiedlichen Themen in Arbeitsgruppen mit euch diskutieren. Folgende Inhalte könnten dabei im Fokus stehen:

  • Planung einer gemeinsamen Aktion in Stuttgart
  • Umgang mit Rechtsruck/ rechter Gewalt in Stuttgart
  • Gewalt an geflüchteten Frauen
  • Aufenthaltsrechtliche Themen, wie bspw. Erfahrungen zum Chancenaufenthaltsrecht

Nutzt gerne das Anmeldeformular, um uns weitere Themenwünsche mitzuteilen, die dann bei der Planung der finalen Arbeitsgruppen berücksichtigt werden. 

16:00 – 16:30                   Gemeinsamer Abschluss


Das Vernetzungstreffen findet im Rahmen des Projektes „Perspektive durch Partizipation“ gefördert durch Aktion Mensch e.V. statt.

Bei Interesse an einer Teilnahme schicken Sie bitte eine E-Mail an info@fluechtlingsrat-bw.de


OVG Schleswig-Holstein: Krankheit als Abschiebungsverbot

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 26.07.2023 – 2 LA 31/20 entschieden, dass sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann, wenn eine medizinische Behandlung im Zielstaat zwar verfügbar ist aber aus finanziellen Gründen nicht erlangt werden kann. Es verweist auf die bereits bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts:

„Insofern ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich die Gefahr einer drohenden wesentlichen Verschlimmerung einer Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände alsbald nach der Rückkehr des Ausländers im Einzelfall auch daraus ergeben kann, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich beispielsweise aus finanziellen Gründen nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 1 B 85.18, 1 PKH 67.18 -, juris Rn. 5).“


Untersuchung: Gesetzesverschärfungen erwirken nicht mehr Abschiebungen

Seit 2015 gab es vier Gesetzesverschärfungen, deren Ziel es war, Abschiebungen zu erleichtern und somit höhere Abschiebezahlen zu ermöglichen. Nun plant die Bundesregierung eine weitere Verschärfung bei Abschiebungen und hat den Gesetzesentwurf „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ auf den Weg gebracht. Doch die Untersuchung des Mediendienstes Integration zeigen, dass die Gesetzesverschärfungen in der Vergangenheit nicht zu höheren Abschiebezahlen führten.

Wir müssen aktuell damit rechnen, dass eine weitere Gesetzesverschärfung durchgesetzt wird, die bereits jetzt schon Panik unter Geflüchteten schürt und vor allem rechte Wähler*innenstimmen bedienen möchte. Allerdings gibt es innerhalb der Bundesregierung unterschiedliche Ansichten, so verlautet das Bundesjustizministerium verfassungsrechtliche Bedenken.



Aufruf „Stop GEAS“: Gegen die Abschaffung des Asylrechts in Europa

Der Flüchtlingsrat BW zeichnet mit!

Anfang Dezember soll im EU-Parlament über eine Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) diskutiert werden. Das Parlament wird dabei über ein ganzes Bündel an Verordnungen abstimmen, welche das europäische Asylsystem grundlegend verschärfen sollen. In der Folge wird es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen kommen. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl droht.

► Wir fordern das EU-Parlament dazu auf, diesen historischen Einschnitten nicht zuzustimmen, sondern sich für die Einhaltung der Menschenrechte aller einzusetzen. Das individuelle Asylrecht muss das Fundament unseres Schutzsystems bleiben!

► Wir fordern die deutsche Bundesregierung dazu auf, ihren Wahlversprechen nachzukommen und sich für eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik einzusetzen.

► Wir laden die Zivilgesellschaft ein, mit uns auf die Straße zu gehen, gemeinsam gegen diese historischen Asylrechtsverschärfungen zu protestieren und ein Zeichen für ein offenes und solidarisches Europa zu setzen!

Was droht durch die Asylrechtsverschärfungen?

Die von der EU-Kommission und dem Rat der EU ausgearbeiteten Vorschläge zur „Reform“ des GEAS sehen verschiedene Verordnungen vor, welche menschenrechtswidrige Praktiken, wie willkürliche Inhaftierungen und Abschiebungen, legalisieren würden. Sollten diese geplanten Verordnungen durch das EU-Parlament bestätigt werden, wäre dies eine Zäsur für die europäische Migrationspolitik und das faktische Ende des Grundrechts auf Asyl.

Systematische Inhaftierungen nach der Ankunft

Durch sogenannte „Grenzverfahren“ soll die Identifikation von Menschen auf der Flucht zukünftig schon an der EU-Außengrenze stattfinden. Menschen sollen dafür in Lagern in Grenznähe untergebracht werden. Die Lager sollen sich zwar auf dem Boden der EU befinden, die Geflüchteten jedoch offiziell als „nicht eingereist“ gelten. Und das bis zu dem Zeitpunkt, bis über ihre jeweilige Aussicht auf Asyl entschieden wurde. Einreisen darf nur, wem eine Aussicht auf Asyl attestiert wird. Bis zum Abschluss dieser Prüfung werden die Menschen kaserniert – und das für bis zu 12 Wochen. Auch Kinder werden – entgegen der Versprechungen der Grünen von dieser Regelung nicht ausgenommen. Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder darauf hin, dass eine individuelle und rechtsstaatlich fundierte Prüfung der Asylgründe unter solchen Bedingungen nicht möglich ist. Darüber hinaus sollen alle Menschen, welche über einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ eingereist sind, ohne jegliche Prüfung unmittelbar nach ihrer Ankunft wieder abgeschoben werden.

Auslagerung von Verantwortung an Drittstaaten

Zeitgleich sollen die Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten stark aufgeweicht werden. Bisher mussten als „sicher“ klassifizierte Drittstaaten die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert, also unterschrieben und anerkannt haben. Dies ist nun nicht mehr der Fall – ein historischer Rückschritt! Und mehr noch: auch einzelne Regionen eines Landes können als „sicher“ gelten, auch wenn der Rest des Landes dies nicht tut. (Länder wie Tunesien sollen beispielsweise zukünftig als „sicher“ gelten.) Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auf ihrer Flucht Richtung Europa über eines dieser Länder kamen und damit ihren Asylanspruch in Europa verwirkt haben, ist groß.

Diese Politik reiht sich in eine Tendenz in der europäischen Migrationspolitik der letzten Jahre ein: die Externalisierung von Migrationskontrolle. Die EU schließt sogenannte „Migrations-Abkommen“ mit Anrainer-, also Nachbarstaaten, wie etwa der Türkei oder Libyen, aber auch mit Staaten ohne gemeinsame Grenze, wie etwa in der Sahel-Zone. Darin garantieren diese Staaten gegen Fluchtbewegungen vorzugehen oder der Abschiebung von Menschen aus Europa zuzustimmen, und erhalten im Gegenzug finanzielle Unterstützung durch die EU. So kauft sich die EU von ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung des Asylrechts frei. Sie unterstützt so nicht nur autoritäre Regime unmittelbar beim systematischen Bruch von Menschenrechten. Sie stiftet sie regelrecht dazu an. Schon jetzt ist die Situation für Geflüchtete in Libyen und Tunesien katastrophal.

Weitere Entsolidarisierung innerhalb der EU

Auch innerhalb der EU soll zu einer weiteren Entsolidarisierung kommen. Das seit vielen Jahren in der Kritik stehende Dublin-System soll verschärft werden. Durch die geplante Ausweitung der Überstellungsfristen, sind letzte Zufluchtsmöglichkeiten, wie Kirchenasyl als Schutz vor Abschiebungen, künftig kaum noch möglich. Auch die solidarische Verteilung von schutzsuchenden Menschen innerhalb der EU wird durch die geplanten Verordnungen nicht gewährleistet. Stattdessen können sich Mitgliedsstaaten durch Zahlung von geringen finanziellen Beträgen oder der Entsendung von Personal von der Verpflichtung zur Aufnahme freikaufen.

Und das ist noch nicht alles …

Als ob diese geplanten Verschärfungen des Asylrechts nicht schon schlimm genug wären, plant die EU aktuell einen Mechanismus, welcher die noch geltenden Schutzstandards für fliehende Menschen noch weiter absenken kann: die sogenannte „Krisenverordnung“. Diese würde greifen, wenn besonders viele Menschen an den Grenzen ankommen und muss im Europäischen Rat beschlossen werden. Wird der „Krisenfall“ ausgerufen, kann die Zeit in Haft zur Identitätsprüfung auf bis zu 20 Wochen verlängert werden. Auch der Kreis von Menschen, die inhaftiert werden können, kann im Zuge der Krisenverordnung erweitert werden.

MACHT MIT!

Markiert euch den 26.11. schon mal dick im Kalender, um gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen! Wenn ihr als Teil des Bündnisses mitarbeiten wollt, schreibt uns gern bei Twitter, Insta oder per Mail an stopgeas@posteo.de.
Ihr wollt unseren Aufruf mit unterzeichnen? Dann schreibt uns eine Mail an stopgeas@posteo.de. Wir freuen uns, wenn ihr den Aufruf verbreitet und so weitere Menschen darauf aufmerksam macht, welche Entrechtung von Menschen auf der Flucht in Gang ist!


Sozialportal.net: Suchmaschine für Beratung und Hilfe

Sozialportal.net ist eine neue Internetseite, auf der sich Rechtsanwält*innen, Beratungsstellen und Selbsthilfeinitiativen deutschlandweit finden lassen, die zu Sozialrecht, Mietrecht, Migration, Schulden, Gesundheit, Rente, Gewalt, Wohnungsnotfälle und so weiter beraten/helfen. So sollen Betroffene schneller Angebote in ihrer Umgebung finden.

Gegründet wurde Sozialportal.net von hat Tacheles e.V., da bisher Beratungsstellen und Hilfsangebote entweder nur über einzelne Träger oder auf bestimmte Themenfelder begrenzt findbar waren. Das Sozialportal bietet nun eine Übersicht über alle Hilfsstrukturen.

Wichtig: Beratungsstrukturen, Rechtsanwält*innen, Selbsthilfeinitiativen und andere Institutionen, die sich für die Rechtsmobilisierung ratsuchender Menschen einsetzen, sollen sich selbstständig in das Sozialportal eintragen.