Duldung

Personen, die ausreisepflichtig sind, ihre Ausreisepflicht aber nicht freiwillig erfüllen, erhalten häufig eine Duldung. Oft geht es dabei um abgelehnte Asylbewerber*innen; eine Voraussetzung ist ein abgelehnter Asylantrag aber nicht. Dem Namen und Zweck nach soll die Duldung eigentlich keine dauerhafte Aufenthaltsperspektive eröffnen. Fakt ist aber, dass Menschen – aus unterschiedlichen Gründen – teilweise Jahre mit einer Duldung in Deutschland leben. Für die Betroffenen ist dies eine sehr unangenehme Zeit, weil sie in einem permanenten Zustand der Unsicherheit leben und die Duldung – im Vergleich zu einer Aufenthaltserlaubnis – viel weniger Rechte vermittelt. Fakt ist aber auch, dass in dieser Zeit die Grundlage dafür gelegt werden kann, schlussendlich doch ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, ohne zuvor Deutschland verlassen zu müssen.

Duldung nach § 60a AufenthG

Die „normale“ Form der Duldung ist in § 60a AufenthG geregelt. Duldung bedeutet die „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ (§ 60a AufenthG). Der Staat „duldet“ die Betroffenen entweder deshalb, weil ihre Abschiebung derzeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Hierzu zählen Gründe, wie beispielsweise eine Reiseunfähigkeit oder ein fehlender Pass, wenn der (vermeintliche) Herkunftsstaat diesen verlangt. Es gibt auch die Situation, dass der deutsche Staat aus sonstigen Gründen (vorläufig) auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht mit Zwangsmitteln verzichtet. Die betroffene Person hat solange einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung und ein Dokument, das diesen Zustand bescheinigt (§ 60a Absatz 4 AufenthG). Die Duldung erkennt man an einem grünen Falt-Papier, das mit einem roten Querbalken versehen ist. Sobald das Abschiebehindernis, also der Duldungsgrund entfällt, muss mit einer Abschiebung gerechnet werden, auch wenn das auf der Duldungsbescheinigung vermerkte Gültigkeitsdatum noch nicht erreicht ist. Besonders gefährdet sind Personen mit dem Zusatz „erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins“ in ihrer Duldungsbescheinigung.

Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) und Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG) sind Sonderformen der Duldung nach § 60a AufenthG. Da sie perspektivisch den Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis ermöglichen sollen, sind sie unter >>Bleiberechtsoptionen dargestellt.

Weitere Informationen:

Die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG)

Mit dem Inkrafttreten des „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ am 21.8.2019 wurde eine neue „Spezialduldung“ geschaffen (§ 60b AufenthG). Diese ist daran erkennbar, dass sie den Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ enthält. Oft wird sie umgangssprachlich als „Duldung light“ bezeichnet. Diese Duldung gilt für vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die nicht abgeschoben werden können, weil sie entweder über ihre Identität getäuscht haben oder falsche Angaben gemacht haben oder sich nicht in zumutbarer Weise um einen Pass bemühen. Im Gegensatz zu sonstigen Duldungen beinhaltet diese Duldung automatische Sanktionen, etwa ein Verbot der Erwerbstätigkeit oder eine Wohnsitzauflage. Die Aufenthaltszeiten mit dieser Duldung werden außerdem nicht als „Vorduldungszeiten“ angerechnet, die man für andere Bleiberechtsoptionen, etwa § 25a und § 25b AufenthG, oder für die Ausbildungs- oder auch die Beschäftigungsduldung benötigt.

Ausstellung der Duldung nach § 60b AufenthG

Eine Duldung nach § 60b AufenthG darf nur ausgestellt werden, wenn die Abschiebung aus selbst zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt werden kann (Identitätstäuschung, falsche Angaben, fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung). Liegen zusätzlich andere Gründe vor, die eine Abschiebung unmöglich machen (z.B. Krankheit), ist die Erteilung einer Duldung nach der ganz überwiegenden Meinung ausgeschlossen. Nach Auffassung des für das Thema Aufenthaltsrecht in Baden-Württemberg zuständigen Justizministeriums soll eine „Duldung light“ aber auch in diesen Fällen erteilt werden dürfen. Im Zweifel muss man die Frage durch ein Gericht klären lassen. Eine weitere Voraussetzung für die Duldung nach § 60b AufenthG ist, dass die Ausländerbehörden die Betroffenen zuvor über ihre „besondere Passbeschaffungspflicht“ belehrt haben müssen. Die Erteilung einer „Duldung light“ kommt erst in Betracht, wenn eine bestehende Duldung verlängert oder eine Duldung aus einem anderen Grund erteilt wird (§ 105 Absatz 1 AufenthG). Anders ausgedrückt: Die erste Duldung, die eine Person erhält, darf keine „Duldung light“ sein. Nicht erteilt werden, darf die „Duldung light“ in folgenden Fällen:

  • Ausreisepflichtige Personen, die eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung besitzen oder diese beantragt haben und die Voraussetzungen dafür erfüllen (§ 105 Absatz 3 AufenthG)
  • Ausreisepflichtige Personen, die sich noch in einem Asylverfahren befinden
  • Minderjährige, da sie rechtlich nicht verfahrensfähig sind

Gegen die rechtswidrige Erteilung kann man sich vor Gericht wehren; die Einschaltung eines*einer Anwalts*Anwältin ist dafür nicht notwendig, häufig aber sinnvoll. Es spricht viel dafür, dass die „Duldung light“ begründet werden muss. Die Erteilung einer „normalen“ Duldung bedarf zwar keiner Begründung (§ 77 AufenthG), weil diese für die betroffene Person nur positiv ist, da ihre Abschiebung ausgesetzt wird. Bei der „Duldung light“ ist das aufgrund der damit automatisch verbundenen Nachteile aber anders. Fehlt eine Begründung, sollte diese eingefordert werden.

Aufhebung der Duldung nach § 60b AufenthG

Unter bestimmten Bedingungen muss die „Duldung light“ aufgehoben, also wieder in eine „normale“ Duldung umgewandelt werden. Praktisch geschieht dies durch Streichung des Zusatzes „Duldung für Person mit ungeklärter Identität“. Wurde die Duldung wegen Verletzung der Passbeschaffungspflicht erteilt, ist dieser Verstoß geheilt, wenn die erforderlichen Passbeschaffungshandlungen vorgenommen werden, also nicht erst wenn der Pass tatsächlich vorliegt. Im Ermessen können die Ausländerbehörden eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung verlangen, wenn sie die Nachweise der Bemühungen nicht für ausreichend halten. Bevor man eine solche Versicherung abgibt, sollte man sich über strafrechtliche Konsequenzen von unvollständigen oder unrichtigen eidesstattlichen Versicherungen informieren und sich von einem*r Anwält*in oder Beratungsstelle beraten lassen.

Wurde die „Duldung light“ wegen einer Falschangabe oder Täuschung erteilt, reicht die Berichtigung der Angaben nicht für eine Heilung, weil dadurch eine Abschiebung nicht automatisch möglich wird. In diesen Fällen muss der Zusatz erst gestrichen werden, wenn die Abschiebung auch tatsächlich durchgeführt werden kann. Auch hier gilt aber richtigerweise, dass die „Duldung light“ aufzuheben ist, wenn die Abschiebung unabhängig von der Täuschung oder Falschangabe scheitert.

Weitere Informationen:


Familiennachzug

Eine der drängendsten Fragen geflüchteter Menschen ist häufig, ob sie ihre Familienangehörigen „nachholen“ können. Solange das Asylverfahren noch läuft, ist ein Familiennachzug aus dem Ausland grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme stellt die Familienzusammenführung über die Dublin-III-Verordnung dar. Dafür müssen sich die Familienangehörigen aber bereits innerhalb des „Dublin-Raums“, z.B. in Griechenland, befinden und selbst einen Asylantrag gestellt haben (>> Das Dublin-Verfahren).

Ansonsten ist ein Familiennachzug erst nach einer positiven Entscheidung über den Asylantrag möglich. Die typische Konstellation ist dabei die, dass sich die nachzugswilligen Familienangehörigen außerhalb Deutschlands, meist sogar außerhalb Europas, aufhalten. Diese haben die Möglichkeit, von der „stammberechtigten“ Person – das ist diejenige Person, die sich schon in Deutschland aufhält – ein Aufenthaltsrecht, genauer gesagt ein Visum, abzuleiten.

Ob die Möglichkeit eines Familiennachzugs besteht, hängt davon ab, wie erfolgreich das Asylverfahren ausgegangen ist. Sehr gut sind die Chancen von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. Allerdings ist auch der Verwandtschaftsgrad maßgeblich dafür, ob ein Familiennachzug möglich ist. Gute Chancen haben Angehörige der sog. Kernfamilie (Ehepartner*in, minderjährige ledige Kinder und Eltern von unbegleiteten Minderjährigen).

Allgemeine Voraussetzungen für den Familiennachzug

Damit Angehörige von Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, müssen zunächst einige allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Lebensunterhalt muss für die Person mit Schutzstatus und ihre Angehörigen gesichert sein. Das ist dann der Fall, wenn der Regelbedarf inklusive Krankenversicherung ohne öffentliche Mittel gesichert ist. Unschädlich ist gemäß § 2 Absatz 3 Satz 2 sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Bezug folgender Leistungen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungsgeld, Elterngeld, Leistungen der Ausbildungsförderung nach SGB III, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Wohngeld.
  • Es muss ausreichender Wohnraum für die stammberechtigte Person und die Angehörigen bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn für jedes Familienmitglied über sechs Jahren 12 m² und für jedes Familienmitglied unter sechs Jahren 10 m² zur Verfügung stehen werden (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, Nummer 2.4).
  • Die nachzugswilligen Angehörigen müssen einen Pass haben und ihre Identität muss geklärt sein. In einigen seltenen Ausnahmefällen werden deutsche Passersatzpapiere für die Einreise ausgestellt.
  • Bzgl. der stammberechtigten Person darf kein Ausweisungsinteresse bestehen, z.B. wegen einer Straftat (siehe § 53 und § 54 AufenthG).
  • Die nachzugswillige Person muss mit einem Visum zum Familiennachzug eingereist sein und im Visumsverfahren die notwendigen Angaben gemacht haben.

In einigen Fällen bestimmen die Regelungen zum Familiennachzug Ausnahmen von einzelnen Voraussetzungen. Je nachdem, welches Familienmitglied nachziehen möchte und welchen Schutzstatus die stammberechtigte Person hat, gelten weitere Voraussetzungen.

Ehegatt*innennachzug von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung

Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch auf Nachzug ihres*ihrer Ehegatt*in. Dabei gelten die Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung in der Regel nicht, wenn der Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Asylberechtigung bzw. der Flüchtlingseigenschaft beantragt wurde (§ 29 Absatz 2 AufenthG). Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt des Zugangs des positiven BAMF-Bescheids, nicht etwa der (viel) spätere Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis.

Achtung: Mit dem Antrag ist der Visumsantrag gemeint. Eine wirksame Antragstellung liegt laut Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 19.1.2022 (Aktenzeichen: 3 M 185/20) nur vor, wenn innerhalb der Dreimonatsfrist ein Visumsantrag bei der Auslandsvertretung gestellt wurde, der alle erforderlichen Angaben enthält. Weder die Abgabe einer fristwahrenden Anzeige über das Internetportal des Auswärtigen Amtes noch die Anzeige bei der Ausländerbehörde sind folglich ausreichend. In der Praxis sollte direkt bei der Auslandsvertretung ein Visumsantrag (idealerweise per Fax) gestellt werden. Zusätzlich dazu kann die fristwahrende Anzeige über das Online-Portal als PDF ausgegeben, gespeichert und den nachzugswilligen Angehörigen für den Vorsprachetermin übermittelt werden.

Wird der Antrag auf Familiennachzug erst nach Ablauf der Drei-Monatsfrist gestellt, steht es im Ermessen der zuständigen Behörden, ob von den Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung befreit wird. Darauf sollte man es nicht ankommen lassen.

Weitere bei Asylberechtigten und Personen mit Flüchtlingseigenschaft geltende Voraussetzungen für den Ehegatt*innennachzug sind u.a. gemäß § 30 AufenthG:

  • Die Ehe muss am Ort der Eheschließung rechtsgültig geschlossen worden sein. Eine religiös geschlossene Ehe muss nach dem Recht des Heimatlandes staatlich anerkannt sein, um einen Nachzugsanspruch zu begründen.
  • Beide Ehegatt*innen müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben. Bei Vorliegen einer besonderen Härte kann von dieser Voraussetzung abgesehen werden.
  • Wenn die Ehe im Herkunftsland noch nicht bestanden hat, muss der*die nachzugswillige Ehepartner*in Deutschsprachkenntnisse auf dem Niveau A1 vorweisen.

Kindernachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung

Für ein minderjähriges (d.h. unter 18-jähriges) und unverheiratetes Kind, besteht ein Nachzugsanspruch, wenn beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben (§ 32 AufenthG).

Voraussetzung für die Erteilung eines Visums zum Kindernachzug ist außerdem, dass der Elternteil zu dem der Nachzug angestrebt wird, im Besitz des (alleinigen) Sorgerechts ist. Hat der andere Elternteil, der im Heimatland verbleibt, nach dortiger Rechtslage ebenfalls die elterliche Sorge inne, muss dieser Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes in Deutschland geben bzw. es muss eine rechtsverbindliche Entscheidung der zuständigen Stelle vorgelegt werden (§ 32 Absatz 4 AufenthG).

Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das Kind minderjährig ist. Die deutsche Rechtspraxis stellte hier lange Zeit auf den Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung ab, der erfolgreich erst nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an die Eltern bzw. ein Elternteil gestellt werden kann. Kinder, die während des Asylverfahrens ihrer Eltern volljährig wurden, verloren nach dieser Rechtsauffassung also ihren Anspruch auf ein Visum nach § 32 AufenthG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in seiner Entscheidung vom 1.8.2022 (C-279/20) allerdings klar, dass ein Kind auch dann als minderjährig zu behandeln ist, wenn es zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils minderjährig war, aber vor dessen Anerkennung volljährig geworden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachzugsantrag des Kindes innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anerkennung des Elternteils als Flüchtling gestellt wird (siehe Informationen zur fristwahrenden Antragstellung oben). Das EuGH-Urteil bezieht sich nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine analoge Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.

Eltern- und Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung

Unbegleitete minderjährige Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch darauf, dass ihren Eltern ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird (§ 36 Absatz 1 AufenthG).

Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das in Deutschland lebende unbegleitete Kind minderjährig ist. Der EuGH hat hier gleich mehrfach entschieden (C-273/20, C-355/20), dass es auch beim Elternnachzug zum anerkannten minderjährigen Flüchtling drauf ankommt, dass das Kind bei seiner Asylantragstellung in Deutschland minderjährig war. Bei einer danach eintretenden Volljährigkeit geht das Recht auf Elternnachzug also nicht verloren; rechtlich bleibt die Person also minderjährig. Nur so werde verhindert, dass äußere Umstände, die die betreffenden Personen selbst nicht in der Hand haben, wie etwa langwierige Asyl- oder Visumsverfahren, zum Verlust des Nachzugsrechts führen. Die EuGH-Urteile beziehen sich nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine analoge Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.

Auch hier besteht der Nachzugsanspruch aber nur, wenn das Visum auf Elternnachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt wird. Diese Voraussetzung lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen, sondern ist vom EuGH „erfunden“ worden, damit das Elternnachzugsrecht nicht „ewig“ geltend gemacht werden kann, der Aufnahmestaat also eine gewisse Planungssicherheit hat.

Auf Nachweise zur Lebensunterhaltssicherung und zum ausreichenden Wohnraum verzichtet das Gesetz beim Elternnachzug zum unbegleiteten minderjährigen Flüchtling vollständig.

Ist der Nachzug beider Elternteile gewünscht, sollten die Eltern das Visum zusammen beantragen. Beantragt der eine Elternteil das Visum nämlich erst später, nachdem der andere personenberechtigte Elternteil bereits eingereist ist, ist der*die Minderjährige nicht mehr unbegleitet, wenn über das Visum des zurückgelassenen Elternteils entschieden wird.

Außerdem sollte vorsorglich auch für andere nachzugswillige minderjährige Kinder, also die Geschwister des*der unbegleiteten Minderjährigen, ein Visumsantrag gestellt werden. Diese haben zwar eigentlich keinen Anspruch auf ein Visum, da sie im Verhältnis zum*zur unbegleiteten Minderjährigen weder „Eltern“ noch „Ehegatten“ sind und die Eltern selbst (zunächst) nur über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. Da es aber durchaus die rechtlich gut begründbare Möglichkeit eines Visums auch für die Geschwister der unbegleiteten minderjährigen Person gibt, sollte man in jedem Fall – notfalls gerichtlich beim Verwaltungsgericht (VG) in Berlin – versuchen, ein Visum zu erhalten. In der Praxis werden die Anträge auf Geschwisternachzug häufig wegen mangelnder Lebensunterhaltssicherung und fehlendem Wohnraum abgelehnt. Ist dies der Fall, kann ein schrittweiser Nachzug der Angehörigen (sog. Kaskadennachzug) erwogen werden. Dies bedeutet, dass zunächst nur ein Elternteil zur unbegleiteten, minderjährigen Person nach Deutschland reist, dieser hier im Rahmen eines eigenen Asylverfahrens ein den Familiennachzug ermöglichendes Aufenthaltsrecht erwirbt und die im Ausland verbliebenen Angehörigen nachholt.

Familiennachzug bei subsidiärem Schutz

Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf den Familiennachzug von Ehegatt*innen, minderjährigen ledigen Kinder und Eltern (bei unbegleiteten Minderjährigen). Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten kann gemäß § 36a AufenthG aber im Ermessenswege zugelassen werden. Monatlich können bis zu 1000 Visa für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden. Ausgewählt werden diese Personen in einem internen Prozess vom Bundesverwaltungsamt. Der Familiennachzug wird aber auch hier bei den Auslandsvertretungen beantragt.

Eine Dreimonatsfrist für den Visumsantrag sieht das Gesetz nicht vor. Bei bevorstehender Volljährigkeit eines Kindes gilt allerdings Folgendes:

  • Beim Kindernachzug muss die Minderjährigkeit bei Beantragung des Visums bei der zuständigen Auslandsvertretung bestehen. Daher sollte bereits vor Eintritt der Volljährigkeit ein formloser Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs bei der zuständigen Auslandsvertretung gestellt werden (z.B. per Fax). Denn nur so geht die später eintretende Volljährigkeit, die z.B. der Wartezeit auf einen Termin zur Vorsprache in der Auslandsvertretung geschuldet ist, nicht zu Lasten der antragstellenden Person.
  • Beim Elternnachzug kommt es darauf an, dass das subsidiär schutzberechtigte Kind noch minderjährig ist, wenn seinen Eltern das Visum erteilt wird. Steht die Volljährigkeit der*des unbegleiteten Minderjährigen bevor, sollte daher bei der Beantragung eines Termins bei der zuständigen Auslandsvertretung auf die bald eintretende Volljährigkeit hingewiesen werden. Außerdem wird in solchen Fällen häufig ein Eilantrag beim für Visumsangelegenheiten stets zuständigen Verwaltungsgericht Berlin gestellt werden müssen. Dazu ist regelmäßig versierter anwaltlicher Beistand erforderlich.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag sind in erster Linie humanitäre Gründe. Einige Beispiele für solche humanitären Gründe benennt § 36a Absatz 2 AufenthG:

  • Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ist seit langer Zeit nicht möglich.
  • Ein minderjähriges lediges Kind ist betroffen.
  • Leib, Leben oder Freiheit des Familienangehörigen sind im Aufenthaltsstaat gefährdet.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte oder der*die Familienangehörige ist schwerwiegend erkrankt, pflegebedürftig oder schwer behindert.

Auch wenn ein humanitärer Grund vorliegt, wird ein Visum in der Regel nicht erteilt, wenn einer der in § 36a Absatz 3 AufenthG genannten folgenden Ausschlussgründe vorliegt:

  • Die Ehe wurde erst nach der Flucht geschlossen.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte wurde in Deutschland rechtskräftig wegen einer bestimmten vorsätzlichen Straftat (siehe § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG) verurteilt.
  • Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels an den*die subsidiär Schutzberechtigte*n ist nicht zu erwarten.
  • Der*die subsidiär Schutzberechtigte hat eine Grenzübertrittsbescheinigung beantragt.

Liegt ein humanitärer Grund vor und greift kein Ausschlussgrund, sind zusätzlich Integrationskriterien zu berücksichtigen (§ 36a Absatz 2 Satz 4 AufenthG). Dabei werden sowohl Integrationsleistungen auf Seiten der nachzugswilligen Familienangehörigen als auch auf Seiten der Person in Deutschland berücksichtigt. Bei den Familienangehörigen sind zum Beispiel Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Bei der subsidiär schutzberechtigten Person kommen in Betracht:

  • die eigenständige Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnraum auch für den nachziehenden Familienangehörigen,
  • besondere Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache,
  • gesellschaftliches Engagement,
  • ehrenamtliche Tätigkeit,
  • das nachhaltige Bemühen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder
  • die Absolvierung einer Berufsausbildung.

Tendenziell negativ zu Buche schlagen strafrechtliche Verurteilungen unterhalb der in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Schwellen. Gemäß § 79 Absatz 3 AufenthG wird die Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis ausgesetzt, wenn gegen den Stammberechtigten ein Strafverfahren wegen einer oder mehrerer in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Straftaten eingeleitet wurde.

Dokumente, die humanitäre Kriterien und Integrationsleistungen belegen, sollten bei subsidiär Schutzberechtigten gemeinsam mit anderen notwendigen Unterlagen (z.B. Pass oder Personenstandsurkunden) beim Botschaftstermin vorgelegt werden. Aspekte, die die nachzugswilligen Personen betreffen, werden von der Botschaft selbst geprüft, die für die subsidiär schutzberechtigte Person zuständige Ausländerbehörde prüft dann die sog. inlandsbezogenen Sachverhalte. Beim Bundesverwaltungsamt laufen die Informationen dann zusammen, das eine Gewichtung der Kriterien vornimmt und die Personen auswählt, die in diesem Monat das Visum erhalten sollen. Entsprechend der Auswahlentscheidung weist es die Botschaft(en) an, Visa zu erteilen. Wer nicht ausgewählt wurde, erhält keine ablehnende Entscheidung, sondern muss hoffen, im nächsten, übernächsten oder überübernächsten Monat berücksichtigt zu werden.

Nachzug von Angehörigen außerhalb der sog. Kernfamilie

Andere Familienangehörige (z.B. Geschwister, Großeltern, Eltern von volljährigen Personen) können unter engen Voraussetzungen ein Visum zum Familiennachzug erhalten, nämlich dann, wenn es zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich ist (§ 36 Absatz 2 AufenthG). Voraussetzung ist ein besonderes Angewiesensein auf familiäre Hilfe. Hiervon können Fälle erfasst sein, in denen ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds durch die Herstellung der familiären Gemeinschaft zwingend angewiesen ist und die Lebenshilfe zumutbar nur im Bundesgebiet erbracht werden kann.

Härtefallbegründende Umstände müssen sich stets aus den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ergeben (z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, psychische Probleme). Umstände die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland ergeben, werden regelmäßig nicht zur Begründung einer außergewöhnlichen Härte akzeptiert.

Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 2 AufenthG müssen der Lebensunterhalt für die in Deutschland lebende Person und die nachzugswilligen Menschen gesichert sein und ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden.

Familiennachzugsverfahren

Für den Familiennachzug ist die persönliche Vorsprache bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung erforderlich. Die Terminvereinbarung ist von Botschaft zu Botschaft unterschiedlich. Im Einzelfall sollte man sich deshalb die aktuellen Informationen und Hinweise auf der Homepage der jeweils zuständigen Auslandsvertretung ansehen. Die Wartezeiten auf den Termin zur persönlichen Vorsprache sind teilweise sehr lang.

Bei der persönlichen Vorsprache müssen die Familienangehörigen alle erforderlichen Unterlagen, wie z.B. den Nachweis über die Wahrung der Drei-Monatsfrist (falls erforderlich), die Aufenthaltserlaubnis der stammberechtigten Person, die ausgefüllten Visumsantragsformulare, Nachweise über die familiäre Beziehung (z.B. Heiratsurkunde, Familienstammbuch) und einen Reisepass, in den das Visum eingetragen werden kann, vorlegen. Teilweise ist es sehr schwer, diese Unterlagen zu beschaffen.

Die Erteilung des Visums zum Familiennachzug bedarf der Zustimmung der deutschen Ausländerbehörde am beabsichtigten Aufenthaltsort. Zu diesem Zweck übermittelt die Auslandsvertretung dazu die ihr vorliegenden Angaben zur antragstellenden Person sowie ihrer in Deutschland lebenden Bezugsperson an die Ausländerbehörde am Wohnort des in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigten Familienmitglieds und bittet unter Nennung des beantragten Aufenthaltszwecks um Stellungnahme. Die Ausländerbehörde prüft dann, ob aus ihrer Sicht die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und gibt eine Rückmeldung an die Auslandsvertretung. Hierbei handelt es sich um ein verwaltungsinternes Verfahren.

Die abschließende Entscheidung über den Visumantrag teilt allein die Auslandsvertretung der antragstellenden Person in Form eines Bescheids mit.

Gegen eine ablehnende Entscheidung kann bei der Auslandsvertretung remonstriert werden. Die Remonstration ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich auf die Möglichkeit der Klage verweist. In diesem Fall muss direkt Klage beim VG Berlin erhoben werden.

Ergeht der Ablehnungsbescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Frist für die Remonstration ein Jahr nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides. Ist der Ablehnungsbescheid dagegen mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht ausschließlich auf die Möglichkeit einer Klage hinweist, beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides.

Wurde remonstriert und kommt die Auslandsvertretung nach erneuter Prüfung zum Ergebnis, dass das Visum nicht erteilt werden kann, erlässt sie einen sog. Remonstrationsbescheid. Gegen diesen Bescheid kann die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Zustellung des Remonstrationsbescheids Klage beim VG Berlin erheben.

Ist die Entscheidung der Auslandsvertretung positiv, wird den nachzugswilligen Personen das Visum erteilt. Die Kosten für die Flugbuchung sind von den Familienangehörigen zu tragen.

Nach der Einreise sollten die Personen sich zügig bei der Ausländerbehörde melden und einen Antrag auf „Verlängerung“ des – in der Regel nur für drei Monate erteilten – Visums stellen. Außerdem sollten sie sich baldmöglichst beraten lassen, ob für sie eine Asylantragstellung sinnvoll ist (>> Familienasyl).

Weitere Informationen


Ablehnungsformen

Nach der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müssen Geflüchtete teilweise recht lange warten, bis ihnen die Entscheidung des BAMF über ihren Antrag mitgeteilt wird. Diese Entscheidung wird immer schriftlich mitgeteilt. So wie es unterschiedliche Anerkennungsformen gibt, gibt es auch unterschiedliche Ablehnungsformen. Je nach Ablehnungsform müssen unterschiedliche Fristen und Vorgehensweisen beachtet werden. Grundsätzlich besteht bei einer Ablehnung immer die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Behörde vor einem Verwaltungsgericht zu klagen.

Welche Ablehnungsformen gibt es?

Ablehnungsform als unbegründet: Der Antrag kann als „unbegründet“ abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel unter Ziffer 1 „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird abgelehnt.“ Häufig wird hier von einer „einfachen“ Ablehnung gesprochen. Gegen den Bescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage erhoben werden (§ 74 Absatz 1 AsylG). Für die Begründung der Klage hat man jedoch einen Monat Zeit (§ 74 Absatz 2 Satz 1 AsylG). Die Klage hat aufschiebende Wirkung (§ 75 Absatz 1 AsylG). Das bedeutet unter anderem, dass die betroffene Person ihre Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG, § 67 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 AsylG) behält und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens vor Abschiebung geschützt ist. Bis das Verwaltungsgericht (in der Regel auf Grundlage einer mündlichen Verhandlung) über die Klage entscheidet, vergehen in der Regel Monate, nicht selten auch Jahre. Wird ein Asylantrag als „unbegründet“ abgelehnt, besteht außerdem die Möglichkeit zur „freiwilligen Ausreise“ innerhalb eines Monats. Die Ausreisefrist beginnt erst, wenn die Entscheidung des BAMF unanfechtbar ist, wenn Klage erhoben wurde also mit dem endgültigen Abschluss des Gerichtsverfahren (§ 38 Absatz 1 Satz 2 AsylG).

Ablehnungsform als offensichtlich unbegründet: Der Antrag kann als „offensichtlich unbegründet“ (§ 29a, § 30 AsylG) abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel unter Ziffer 1 „Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.“ Häufig wird hier von einer „o.u.-Ablehnung“ gesprochen. Zum einen lehnt das BAMF Asylanträge in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ ab, wenn die betroffene Person Staatsangehöriger eines sogenannten sicheren Herkunftsstaats ist. Die „o.u.“-Ablehnung beruht in diesem Fall auf § 29a AsylG. Welche Herkunftsstaaten als sicher gelten, ergibt sich abschließend aus dem Gesetz (§ 29a AsylG in Verbindung mit Anlage II). Derzeit werden als sicher eingestuft: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Ghana und Senegal. Entsprechend können Staaten, die nicht im Gesetz aufgeführt werden, keine sicheren Herkunftsstaaten sein, wie beispielsweise Afghanistan, Tunesien, Marokko und Algerien.

Darüber hinaus kann das BAMF aber auch Asylanträge von Personen, die nicht aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, als „offensichtlich unbegründet“ ablehnen. Die Gründe hierfür finden sich in § 30 Absatz 2 bis 4 AsylG. So kann ein ohnehin unbegründeter Asylantrag etwa als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn eine Person offensichtlich nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen ist (§ 30 Absatz 2 AsylG), im Asylverfahren über ihre Identität täuscht oder diesbezügliche Angaben verweigert (§ 30 Absatz 3 Nr. 2 AsylG) oder wegen einer schwerwiegenden strafrechtlichen Verurteilung von der Zuerkennung von Schutz ausgeschlossen ist (§ 30 Absatz 4 AsylG). Ob ein Asylantrag auf Grundlage von § 29a AsylG oder § 30 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, ergibt sich aus der Begründung der Ablehnung.

Achtung: Bei einer „o.u.-Ablehnung“ beträgt die Klagefrist nur eine Woche, außerdem hat die Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Absatz 1 AsylG). Entsprechend kann die Person abgeschoben werden, bevor über die Klage entschieden wurde. Es besteht jedoch die Möglichkeit, mit einem zusätzlich zur Klage eingelegten Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung anordnen zu lassen. Auch für diesen Eilantrag hat man nur eine Woche ab Zustellung des Bescheids Zeit. Wurde der Eilantrag fristgerecht gestellt, ist eine Abschiebung kraft Gesetzes bis zur Entscheidung des Gerichts verboten (§ 36 Absatz 3 Satz 8 AsylG).

Wird ein Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, besteht die Möglichkeit zur „freiwilligen Ausreise“ lediglich innerhalb der Frist von einer Woche, die spätestens mit einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts über einen gestellten Eilantrag beginnt.

Ablehnungsform als unzulässig (Dublinfall): Der Antrag kann als „unzulässig“ (§ 29 AsylG) abgelehnt werden, im Ablehnungsbescheid steht dann in der Regel „Der Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt.“ Ein Asylantrag kann aus unterschiedlichen Gründen als unzulässig abgelehnt werden. Praktisch häufig ist die Ablehnung als unzulässig, weil ein sogenannter Dublin-Fall vorliegt, also ein anderer Staat, der die Dublin-III-Verordnung anwendet, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Ablehnung bedeutet also nicht, dass der Person nicht grundsätzlich ein Schutzstatus erteilt werden kann, sondern dass die inhaltliche Prüfung des Asylantrags einem anderen Staat obliegt, an den die Person zuständigkeitshalber überstellt wird. Dies hat im Regelfall auch zur Folge, dass Deutschland nicht die Abschiebung in das Herkunftsland der antragstellenden Person anordnen darf, sondern nur in den zuständigen „Dublin-Staat“.

Die Frist für eine Klage gegen einen solchen „Dublin-Bescheid“ beträgt eine Woche, außerdem hat die Klage keine aufschiebende Wirkung, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung – wie im Regelfall – mit einer Abschiebungsanordnung verbunden ist. Entsprechend kann die Person abgeschoben werden, bevor über die Klage entschieden wurde. Wie bei der „o.u.-Ablehnung kann aber ein bei Gericht ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage eingereicht werden. Auch für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche (§ 34a Absatz 2 Satz 1 AsylG). Achtung: Ein Eilantrag sollte nur nach sachkundiger Beratung gestellt werden, weil dieser in Dublin-Fällen bewirkt, dass die Überstellungsfrist von sechs Monaten neu zu laufen beginnt, wenn der Eilantrag abgelehnt wird. Mehr dazu findet sich beim Punkt >>Das Dublin-Verfahren. Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise haben Dublin-Fälle grundsätzlich nicht; das Gesetz sieht hier stets eine Abschiebung in den zuständigen Staat vor. Allenfalls in Ausnahmefällen kann in Absprache mit dem BAMF und dem Regierungspräsidium Karlsruhe eine freiwillige Ausreise vereinbart werden, um die bei einer Abschiebung stets verhängte Wiedereinreisesperre (§ 11 AufenthG) zu vermeiden.

Ablehnungsform als unzulässig (Anerkanntenfall): Außerdem kann ein in Deutschland gestellter Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt werden, wenn die Person in einem anderen EU-Staat bereits einen Schutzstatus, also die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutz, erhalten hat. Dahinter steht der Gedanke, dass Deutschland die bereits anerkannte Person nicht noch einmal anerkennen kann. Aufgrund der Unzulässigkeitsentscheidung ist Deutschland allerdings nur berechtigt, die Person zurück in den Staat abzuschieben, der den Schutz gewährt hat; eine Abschiebung in das Herkunftsland ist dagegen aufgrund des durch den anderen EU-Staat gewährten Schutzstatus grundsätzlich nicht möglich. Anders sieht es aus, wenn die Person in dem anderen EU-Staat unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müsste, denn dann ist die Rückkehr dorthin letztlich genauso unzumutbar wie eine Rückkehr ins Herkunftsland. In einem solchen Fall darf Deutschland nach der Rechtsprechung des EuGH den Asylantrag nicht als unzulässig ablehnen, sondern muss ein neues Asylverfahren durchführen. Das BAMF sieht sich dann aber auch nicht an die Entscheidung aus dem anderen EU-Staat gebunden mit der Folge, dass es im Einzelfall auch einen schlechteren Schutzstatus oder gar keinen Schutzstatus gewährt; im letztgenannten Fall droht es dann auch die Abschiebung in das Herkunftsland an. Ob diese Praxis des BAMF rechtmäßig ist, wird in den kommenden Jahren vom EuGH entschieden werden, dem diese Frage vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.

Lehnt das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, kann auch gegen diese Entscheidung geklagt werden. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss für wirksamen Abschiebungsschutz ggf. zusätzlich ein Eilantrag gestellt werden. Für beide gilt eine Frist von einer Woche (§ 36 Absatz 3 Satz 1, § 74 Absatz 1 AsylG). Lehnt das BAMF den Asylantrag dagegen ausnahmsweise als unbegründet ab, gilt das oben zur „Ablehnung als unbegründet“ Gesagte.

Wie wird eine Klage eingereicht?

Wird ein Asylantrag abgelehnt, besteht immer die Möglichkeit, die behördliche Entscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht in Form einer Klage überprüfen zu lassen. In Baden-Württemberg gibt es in der ersten Instanz vier Verwaltungsgerichte (Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen, Stuttgart). Welches Gericht zuständig ist, ergibt sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auch noch in zweiter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) vorgehen, der seinen Sitz in Mannheim hat.

Ob der Gang vor Gericht sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls und in erster Linie eine Entscheidung der antragstellenden Person. Rechtsanwält*innen oder kompetente Geflüchtetenberatungsstellen können bei dieser Entscheidung unterstützen. Um wirksam Klage einzureichen, braucht man grundsätzlich keinen Rechtsbeistand, die Klage muss jedoch in Schriftform (notfalls per Fax) eingereicht werden (§ 81 Absatz 1 VwGO). Wenn die Zeit drängt, kann die Klage also auch alleine eingereicht werden, um die Frist einzuhalten. Wichtig: Da die asylantragstellende Person Kläger*in ist, muss die Klage ihre*seine Unterschrift tragen. Die Klage muss nicht sofort begründet werden. Muster für die Klage gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen. Alternativ kann die Klage auch am Sitz des zuständigen Verwaltungsgerichts zu Protokoll erhoben werden. Die Verwaltungsgerichte haben hierfür Rechtsantragsstellen eingerichtet. Die antragstellende Person sollte hierfür mindestens den BAMF-Bescheid mitbringen, gegen den sie vorgehen will. Nähere Informationen finden Sie auf den Webseiten der jeweiligen Verwaltungsgerichte (KarlsruheSigmaringenStuttgartFreiburg).

Wie wird ein Eilantrag eingereicht?

Da die Klage bei als „offensichtlich unbegründet“ und „unzulässig“ abgelehnten Asylanträgen im Regelfall keine aufschiebende Wirkung hat und somit nicht vor Abschiebung schützt, ist stets zu überlegen, ob zusätzlich ein Eilantrag bei Gericht zu stellen ist. Für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche ab Zustellung des negativen Bescheids, wie sich auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt. Über den Eilantrag entscheidet das Gericht üblicherweise innerhalb weniger Wochen. Der Eilantrag muss deshalb sogleich umfassend begründet werden. Die Entscheidung über den Eilantrag wird auf Grundlage der Akten durch die/den Richter*in getroffen. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Bis eine Entscheidung über den Eilantrag getroffen wird besteht Abschiebungsschutz. Hat der Eilantrag Erfolg, ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung an. Die antragstellende Person ist dann bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Klage vor Abschiebung geschützt. Wird der Eilantrag abgelehnt, kann diese Entscheidung nicht mit weiteren Rechtsmitteln angegriffen werden, sie ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Die Abschiebung der betroffenen Person darf dann grundsätzlich vollzogen werden. Treten allerdings nach der gerichtlichen Entscheidung neue Umstände ein (Krankheit, neues Attest, Schwangerschaft etc.), die einer Abschiebung nunmehr unzulässig machen würden, kann bei Gericht ein Antrag auf Abänderung der im Eilverfahren getroffenen Entscheidung gemäß § 80 Absatz 7 VwGO gestellt werden; ist dieser erfolgreich, ordnet das Gericht doch noch die aufschiebende Wirkung der Klage an. Muster für den Eilantrag gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen.

Achtung: Das Stellen eines Eilantrags führt bei Dublin-Fällen in der Regel dazu, dass die Überstellungsfrist von sechs Monaten neu zu laufen beginnt. Daher sollte der Eilantrag in diesen Fällen nicht leichtfertig und nur von Asylrechtsspezialist*innen gestellt werden. Mehr dazu findet sich beim Punkt >>Das Dublin-Verfahren.

Wer muss die Kosten eines Verfahrens bezahlen?

Wird ein*e Rechtsanwalt*anwältin beauftragt, trägt die Kosten hierfür (zunächst) die geflüchtete Person, da sie den Auftrag erteilt. Grundlage ist der zwischen Anwalt*Anwältin und geflüchteter Person geschlossene Beratungsvertrag, der unterschiedlich ausgestaltet sein kann. In der Regel wird eine Vorschusszahlung vereinbart. Häufig wird hinsichtlich des Restbetrags eine Vereinbarung getroffen, dass dieser in Raten abbezahlt werden kann. Hat die Klage Erfolg, werden der geflüchteten Person die Verfahrenskosten, wozu auch die Rechtsanwalts*anwältinnenkosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren zählen, von der Gegenseite, also dem BAMF erstattet. Es gilt der Grundsatz, dass die unterlegene Partei zahlt. Außerdem besteht die Möglichkeit, beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Voraussetzung ist neben der finanziellen Bedürftigkeit der Klägerin*des Klägers, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Unter Umständen kann der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg auch einen Antrag auf Bezuschussung der Rechtsanwalts*anwältinnenkosten beim Rechtshilfefonds von PRO ASYL einreichen.

Weitere Informationen:

Wichtig: Fristen und Adresswechsel

Da die Rechtsbehelfsfristen im Asylverfahren sehr knapp bemessen sind, ist nach Erhalt des BAMF-Bescheids Eile geboten. Wie viel Zeit für eine Klage (und einen eventuellen Eilantrag) zur Verfügung steht, hängt von der Art der Ablehnung ab. Die einzuhaltende Frist ergibt sich ebenso wie das zuständige Verwaltungsgericht aus der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids. Die Frist beginnt mit ordnungsgemäßer Zustellung.

Wichtig: Asylbewerber*innen sind während des gesamten Asylverfahrens dazu verpflichtet, den zuständigen Behörden ihre aktuelle Anschrift mitzuteilen (§ 10 Absatz 1 AsylG). Ändert sich also während des Asylverfahrens die Adresse, muss die neue Anschrift unverzüglich dem BAMF, der Ausländerbehörde und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch dem Gericht mitgeteilt werden. Unverzüglich ist die Mitteilung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn der Anschriftenwechsel den im Gesetz genannten Stellen binnen zwei Wochen, gerechnet ab dem tatsächlichen Umzugstag, angezeigt wird. Man kann und darf sich hier nicht darauf verlassen, dass die Behörden die neue Anschrift untereinander austauschen, selbst wenn der Umzug z.B. von der Ausländerbehörde veranlasst wurde. Wird etwa der ablehnende Bescheid an die alte Adresse verschickt, weil die neue Adresse dem BAMF nicht unverzüglich mitgeteilt wurde, läuft man Gefahr, die Klagefrist zu versäumen. Denn die Frist beginnt nach ordnungsgemäßer Zustellung an die dem BAMF bekannte Adresse. Die Mitteilung der neuen Anschrift sollte, wenn möglich per Fax oder E-Mail erfolgen und stets das Aktenzeichen des BAMF enthalten. Auf diese Weise hat man einen Nachweis, dass die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde. Ein Muster für die Mitteilung der neuen Adresse gibt es auf der Website des Flüchtlingsrats Thüringen unter „Asylverfahren“.


Anerkennungsformen

Nach der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommen Geflüchtete einen Brief vom BAMF, den sogenannten Bescheid, der in einem gelben Umschlag zugestellt wird, in dem ihnen die Entscheidung über den Asylantrag mitgeteilt wird. Auf diese Entscheidung muss manchmal länger gewartet werden. Sowohl bei positiven als auch bei negativen Entscheidungen gibt es verschiedene Varianten, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen haben.

Positive Entscheidung – Anerkennung

Bei einer positiven Entscheidung im Asylverfahren wird eine von vier verschiedenen Schutzformen zuerkannt. Alle Schutzformen beruhen auf einer der Person in ihrem Herkunftsland drohenden schwerwiegenden Gefahr; allerdings ist die Ursache der Gefahr jeweils eine andere.

1. Asylberechtigung (Artikel 16a GG) und Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG)

Die erste Variante einer positiven Entscheidung ist die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Grundgesetz und / oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG). In diesen Fällen hat das BAMF festgestellt, dass die asylsuchende Person deshalb gefährdet ist, weil ihr in ihrem Herkunftsland Verfolgung droht. Dabei sind die Hürden für die Asylberechtigung höher als für die Flüchtlingseigenschaft: Die Asylberechtigung setzt zum einen Verfolgung durch den Staat voraus, zum anderen ist sie ausgeschlossen, wenn die Einreise nach Deutschland über einen sogenannten sicheren Drittstaat erfolgt ist. Da das Gesetz alle Anrainerstaaten Deutschlands als sichere Drittstaaten einstuft, ist die Anerkennung als Asylberechtigter bei einer Einreise auf dem Landweg in aller Regel ausgeschlossen. Demgegenüber kann die Flüchtlingseigenschaft auch aufgrund von Verfolgung durch eine*n nichtstaatliche*n Akteur*in und auch bei Einreise über einen sicheren Drittstaat gewährt werden. Voraussetzung sowohl der Asylberechtigung als auch der Flüchtlingseigenschaft ist, dass der Person die Verfolgung wegen ihrer „Rasse“ – diesen problematischen Begriff verwendet das Gesetz aus historischen Gründen –, wegen ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht. Es muss sich also um diskriminierende Verfolgung handeln, die das Wesensmerkmal von Flüchtlingsschutz und Asylberechtigung ist. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen sowohl der Asylberechtigung als auch des Flüchtlingsschutzes vor, erhält die Person beide Schutzstatus.

2. Subsidiärer Schutz (§ 4 AsylG)

Liegen die Voraussetzungen für Flüchtlingsschutz und Asylberechtigung nicht vor, prüft das BAMF den subsidiären Schutz nach Maßgabe von § 4 AsylG. Der subsidiäre Schutz ist Bestandteil des Asylantrags, muss also nicht gesondert beantragt werden. Subsidiär ist dieser Schutz, weil er nur hilfsweise für den Fall gewährt wird, dass die Voraussetzungen des „besseren“ Schutzstatus nicht vorliegen. Der subsidiäre Schutz hat gewissermaßen eine Auffangfunktion und soll Schutzlücken schließen, die etwa in Fällen bestehen, in denen zwar keine diskriminierende Verfolgung besteht, im Herkunftsland aber gleichwohl eine unmittelbare Gefahr besteht, die vom Staat oder privaten Akteur*innen ausgeht. Diese Gefahr beschreibt das Gesetz mit dem Begriff des „ernstlichen Schadens“, der der Person im Herkunftsland drohen muss. Mit der „Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe“, „Folter oder unmenschlicher/erniedrigender Behandlung“ und der „Bedrohung des Lebens durch Krieg oder Bürgerkrieg“ zählt § 4 Absatz 1 AsylG die verschiedenen Konstellationen abschließend auf.

3. Nationaler zielstaatsbezogener Abschiebungsschutz (§ 60 Absatz 5, 7 AufenthG)

Wird auch kein subsidiärer Schutz gewährt, prüft das BAMF von Amts wegen stets auch noch, ob ein sogenanntes nationales Abschiebeverbot gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Dieses ist nicht Bestandteil des Asylantrags, sondern wird nur anlässlich des Asylantrags geprüft, weil sich das BAMF ohnehin mit der Situation im Herkunftsland beschäftigen muss. Bei einem nationalen Abschiebungsverbot wird geprüft, ob der betroffenen Person eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Es handelt sich hierbei um sogenannte zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote.

So darf nach §60 Absatz 5 AufenthG eine Person nicht abgeschoben werden, wenn ihr dadurch die Gefahr einer Verletzung der in Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechte droht. BAMF und Gerichte gehen teilweise von einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus, wenn die Lebensbedingungen für einzelne Schutzsuchende aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen im Herkunftsland einer Verletzung von Art. 3 EMRK gleichkommen. Unter solchen Umständen könnte dann aber vom vorrangigen subsidiären Schutz auszugehen sein, wobei die Abgrenzung umstritten ist.

Eine Person darf auch nicht abgeschoben werden, wenn ihr im Falle einer Abschiebung erhebliche Gesundheitsgefahren drohen (§ 60 Abs. 7 AufenthG). Dies gilt jedoch nur für lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheiten, die sich durch die Abschiebung akut zu verschlechtern drohen.

Weitere Informationen:

  • Informationsverbund Asyl und Migration, Oktober 2022: Schutzformen

Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis

Spricht das BAMF im Asylverfahren Schutz zu, wird der antragstellenden Person dies in einem Bescheid, der ihr in der Regel zugestellt wird, mitgeteilt. Der Bescheid mit der positiven Entscheidung des BAMF ist noch nicht die Aufenthaltserlaubnis, sondern nur Voraussetzung dafür, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen darf. Zwar gilt der Aufenthalt der anerkannten Person häufig schon mit dem positiven Bescheid als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG), jedoch vergehen regelmäßig Wochen oder Monate, bis man die Aufenthaltserlaubnis in den Händen hält. Die Entscheidung des BAMF und die anschließend erteilte Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde – dies ist das Landratsamt bzw. in den Stadtkreisen und großen Kreisstädten die Stadtverwaltung – sind unbedingt auseinander zu halten. Die Unterscheidung ist insbesondere beim (privilegierten) Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen oder Asylberechtigten wichtig. Die dort einzuhaltende Drei-Monatsfrist (§ 29 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) wird nämlich durch die Bekanntgabe des BAMF-Bescheids, mit dem die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, in Gang gesetzt – und eben nicht erst durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis!

Immer wieder kommt es vor, dass Personen mit Schutzstatus die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verwehrt wird, weil sie die Passpflicht nicht erfüllen. Da Personen mit Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung Anspruch auf einen blauen Flüchtlingspass haben, betrifft dieses Problem vor allem Personen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot. Von ihnen wird in der Regel erwartet, dass sie die Passpflicht durch die Beschaffung eines Reisepasses ihres Herkunftslandes erfüllen. Allerdings darf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht abhängig gemacht werden. Das geht aus dem Wortlaut des § 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG hervor, wonach bei Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 24 (Schutz nach der Massenzustromrichtlinie) oder § 25 Absatz 1 bis 3 von den in § 5 Absatz 1 und Absatz 2 formulierten Regelerteilungsvoraussetzungen (zu denen die Passpflicht gehört) zwingend abzusehen ist. Diese Ausnahme ist unabhängig von dem konkret gewährten Schutz einschlägig, denn Asylberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1, anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 und Personen mit (nationalem) Abschiebungsverbot eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG. Diese Ausnahme greift wegen § 8 Absatz 1 AufenthG auch bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Rechte und Pflichten nach der Anerkennung

Welche Rechte und Pflichten im Anschluss an das Asylverfahren bestehen, hängt von dem Schutzstatus ab, den das BAMF gewährt hat.

Asylberechtigung (Art. 16a GG) und Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG)

Mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung sind grundsätzlich identische Rechte und Pflichten verbunden. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen der Asylberechtigung vor, sollte die Person vorsorglich dennoch darauf achten, dass in dem Bescheid zusätzlich auch die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, deren Voraussetzungen dann ebenfalls erfüllt sein werden. Während die Asylberechtigung nämlich auf nationales, also deutsches Recht zurückgeht, ist für die Flüchtlingseigenschaft europäisches Recht maßgeblich, über dessen Auslegung der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entscheidet. Um von einer etwaigen günstigen Entscheidung des EuGHs für Flüchtlinge profitieren zu können, muss man aber anerkannter Flüchtling sein. Ein aktuelles Beispiel liefert die – überaus geflüchtetenfreundliche – Rechtsprechung des EuGH zum Familiennachzug zum anerkannten Flüchtling (Näheres dazu im Kapitel „Familiennachzug) . Es erscheint zweifelhaft, ob sich auf diese Rechtsprechung auch eine „nur“ als Asylberechtigte anerkannte Person berufen kann. Darauf kommt es nicht an, wenn man beide Schutzstatus besitzt.

Sowohl Asylberechtigung als auch Flüchtlingseigenschaft vermitteln einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 1 AufenthG: „ist zu erteilen“), die für drei Jahre wird (§ 26 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).

Wie bereits erwähnt, liegt zwischen der Anerkennung durch das BAMF und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis häufig ein relativ langer Zeitraum. Der Aufenthalt gilt aber kraft Gesetzes bereits ab der Anerkennung als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG). Personen sind also bereits mit der Anerkennung so zu behandeln, als hätten Sie die Aufenthaltserlaubnis schon in den Händen. In der Praxis wird für diesen Übergangszeitraum meist eine Bescheinigung über die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis oder eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

Nach Ablauf der drei Jahre wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere drei Jahre verlängert (§ 8 Absatz 1 AufenthG), sofern der Schutzstatus weiterhin besteht und nichtschon die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis erfüllt sind. Dabei muss die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – und das gilt für jeden anderen Aufenthaltstitel auch – immer rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch gilt, bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gilt der Aufenthaltstitel und damit verbundene Rechte, etwa die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, als fortbestehend (§ 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Es besteht ein Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über diese Wirkung, einer sog. Fiktionsbescheinigung (§ 81 Absatz 5 AufenthG).

Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, d.h. sowohl zu einer abhängigen Beschäftigung als auch zu einer selbstständigen Tätigkeit (§ 25 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 Satz 2 und § 2 Absatz 2 AufenthG). Es besteht ein Anspruch – und häufig auch die Pflicht – zur Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 1 Nr. 1 c, § 44a Absatz 1 AufenthG). Der Teilnahmeanspruch erlischt – sofern man keine „Entschuldigungsgründe“ hat – ein Jahr nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (§ 44 Absatz 2 AufenthG).

Sozialrechtlich sind anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt. Sie scheiden mit rechtskräftiger Anerkennung aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes aus (§ 1 Absatz 3 AsylbLG, § 25 Absatz 1 Satz 3 AufenthG, § 67 Absatz 1 Nr. 6 AsylG) und fallen in die „normalen“ sozialrechtlichen Sicherungssysteme. Kann der Lebensunterhalt also nicht (vollständig) aus eigener Kraft gesichert werden, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Absatz 1 SGB II), bei Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII. Für einen nahtlosen Leistungsbezug sollte nach der Anerkennung unverzüglich ein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden (Jobcenter/Sozialamt). Es besteht ebenfalls Zugang zu BAföG und Leistungen der Berufs- und Ausbildungsförderung, wenn die persönlichen Voraussetzungen (z.B. Altersgrenze) erfüllt sind.

Anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten steht das Recht auf Familiennachzug uneingeschränkt zu (>> Familiennachzug).

Als Flüchtling und Asylberechtigte/r besteht der Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge, den sogen. „blauen Pass“ (Art. 28 Genfer Flüchtlingskonvention = GFK, § 2 Absatz 1 AsylG). Dieser ermöglicht das Reisen nach Maßgabe der jeweiligen Visabestimmungen der Ziel- und Durchreisestaaten. Eine Reise in den Herkunftsstaat ist aber nicht zulässig, was auch ausdrücklich im Reiseausweis vermerkt wird. Reisen in das Herkunftsland (= das „Verfolgerland“) gefährden den Status als Flüchtling oder Asylberechtigte/r. Hiervon ist also dringend abzuraten. Aus demselben Grund ist Vorsicht bei der Nutzung und Verlängerung des eigenen Nationalpasses geboten, der der/dem Besitzer*in spätestens nach der Anerkennung wieder auszuhändigen ist.

2. Subsidiärer Schutz (§ 4 AsylG)

Die Rechte und Pflichten beim subsidiären Schutz entsprechen in vielerlei Hinsicht denen bei der Flüchtlingsanerkennung oder Asylberechtigung. In einigen Punkten sind die Rechtspositionen beim subsidiären Schutz aber deutlich schwächer. Dies ist ein Grund, warum eine Klage gegen die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung sinnvoll sein kann.

So besteht ebenfalls ein strikter Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG: „ist zu erteilen“), die ebenfalls automatisch, d.h. ohne gesonderte Erlaubnis durch die Ausländerbehörde, zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Allerdings wird die Aufenthaltserlaubnis bei erstmaliger Erteilung nur für ein Jahr, bei Verlängerung dann für zwei weitere Jahre erteilt (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat auch, wer gegen den BAMF-Bescheid mit dem Ziel, die weitergehende Flüchtlingseigenschaft zu erhalten, Klage – in der Praxis fälschlicherweise häufig auch als „Widerspruch“ bezeichnet – erhebt (sogen. Aufstockungsklage). Die Ausländerbehörde darf die Aufenthaltserlaubnis nicht – wie dies bisweilen in der Praxis zu beobachten ist – unter Hinweis auf das teilweise noch bei Gericht anhängige Asylverfahren verweigern. Das ergibt sich u.a. aus § 10 Absatz 1 AufenthG, denn der subsidiäre Schutzstatus wird bestandskräftig, sodass ein Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG besteht. Der subsidiäre Schutzstatus kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht wieder verloren gehen; dort kann man sich also nur „verbessern“.

Ebenso wenig darf die Ausländerbehörde die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für eine Person mit subsidiärem Schutz verweigern mit der Begründung, dass kein Pass vorliegt. Subsidiär Schutzberechtigte sind zwar möglicherweise verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden. Denn § 5 Absatz 3 Satz 1 regelt unmissverständlich, dass bei der der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 25 Absatz 1 – 3 AufenthG von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Absatz 1 und Absatz 2 abgesehen wird. Zu diesen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gehörtauch die Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Absatz 1 Nr. 4 AufenthG). Damit sich die Personen nicht wegen passlosen Aufenthalts strafbar machen (vgl. § 95 Absatz 1 Nr. 1 AufenthG), ist der Aufenthaltstitel zwingend als Ausweisersatz auszustellen (§ 48 Absatz 4 AufenthG), mit dem die Passpflicht für den Aufenthalt in Deutschland erfüllt wird (§ 3 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).

Einer der gravierendsten Nachteile gegenüber anerkannten Flüchtlingen/Asylberechtigten besteht derzeit noch beim Familiennachzug. Dieser ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich, und zwar für maximal 1000 Personen im Monat (>> Familiennachzug).

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Deutschland subsidiär Schutzberechtigten nicht automatisch ein Reisedokument ausstellt. Sie werden grundsätzlich darauf verwiesen, bei ihrer „Heimatbotschaft“ die Verlängerung bzw. Ausstellung des Reisepasses zu beantragen. Nur wenn sie dort keinen Nationalpass erhalten können, z.B. weil ihnen die Beantragung nicht zumutbar ist, wird ein „Reiseausweis für Ausländer“, der umgangssprachlich „grauer Pass“ genannt wird, ausgestellt (§ 5 und § 6 AufenthV sowie Art. 25 Absatz 2 der Qualifikationsrichtlinie). Für eritreische Staatsangehörige hat das Bundesverwaltungsgericht am 11.10.22 entschieden, dass sie Anspruch auf einen Reiseausweis für Ausländer haben, weil es ihnen nicht zumutbar ist, eine „Reueerklärung“ zu unterzeichnen (Az. 1 C 9.21). Die Ausstellung des Reiseausweises dürfe dem Urteil entsprechend nicht mit der Begründung verweigert werden, die Person könne einen Pass ihres Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat (hier: Eritrea) die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer „Reueerklärung“ knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und die betroffene Person plausibel darlegt, dass sie die Erklärung nicht abgeben will.

Schließlich sind die Voraussetzungen, unter denen subsidiär Schutzberechtigte eine Niederlassungserlaubnis erhalten, strenger als bei anerkannten Flüchtlingen/Asylberechtigten (>> Aufenthaltsverfestigung).

3. Nationaler zielstaatsbezogener Abschiebungsschutz (§ 60 Absatz 5, 7 AufenthG)

Der schwächste Schutz, der im Asylverfahren gewährt werden kann, ist das nationale zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot. Mit ihm gehen die wenigsten Rechte einher. Zwar wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn das BAMF ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot feststellt. Es besteht aber kein strikter Rechtsanspruch, denn das Gesetz sagt nicht, dass die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen „ist“, sondern dass sie erteilt werden „soll“ (vgl. § 25 Absatz 3 Satz 1 AufenthG) und zwar mindestens für ein Jahr (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Nach einer Gesetzesänderung vor einiger Zeit berechtigt auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG inzwischen kraft Gesetzes zu jeder Form der Erwerbstätigkeit (§ 4a Absatz 1 AufenthG), es bedarf also keiner Erlaubnis durch die Ausländerbehörde (mehr). Ein Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs besteht für Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG aber nach wie vor nicht. Sie können im Rahmen verfügbarer Kapazitäten vom BAMF auf Antrag aber im Ermessenswege zugelassen werden (§ 44 Absatz 4 Satz 1 AufenthG) und sind bei der Auswahl vorrangig zu berücksichtigen (§ 5 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 Integrationskursverordnung). Auch in anderen Bereichen, etwa beim Zugang zu BAföG, bestehen im Detail Nachteile gegenüber den zuvor genannten Gruppen.

Wie bei subsidiär Schutzberechtigten darf die Ausländerbehörde auch die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nicht mit der Begründung verweigern, dass kein Pass vorliegt. Menschen mit Abschiebungsverbot sind zwar in der Regel verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden, weil auch hier § 5 Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass die Erfüllung der Passpflicht keine Erteilungs-/Verlängerungsvoraussetzung ist. Zur Vermeidung einer Strafbarkeit wegen passlosen Aufenthalts in Deutschland sieht das Gesetz auch hier die obligatorische Ausstellung eines Ausweisersatzes vor (§ 48 Absatz 4 AufenthG).



Familienasyl

Nach der Einreise von Familienangehörigen, z.B. im Rahmen des Familiennachzugs, zu Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten oder auch nach Geburt eines Kindes von Schutzberechtigten stellt sich regelmäßig die Frage, ob ein Asylantrag für die neu eingereiste(n) bzw. neugeborene(n) Person(en) sinnvoll ist. Ein solcher Asylantrag führt unter bestimmten Umständen dazu, dass Familienasyl gemäß § 26 AsylG gewährt wird. Familienasyl bedeutet, dass der Schutzstatus eines Mitglieds der Kernfamilie auf die neu eingereiste(n) bzw. neugeborene(n) Familienangehörigen „übertragen“ wird. Dieser wird – und das ist das Besondere am sog. Familienasyl – unabhängig von einer eigenen Gefährdung erteilt.

Gemäß § 26 AsylG kann unter bestimmten Voraussetzungen folgenden Angehörigen einer in Deutschland schutzberechtigten Person Familienasyl gewährt werden:

  • Ehegatt*innen
  • eingetragenen Lebenspartner*innen (bis einschließlich September 2017 für gleichgeschlechtliche Paare wählbare Beziehungsform)
  • Eltern eines minderjährigen, unverheirateten Kindes
  • minderjährigen, unverheirateten Kindern und
  • minderjährigen, ledigen Geschwistern einer minderjährigen schutzberechtigten Person.

Familienasyl beantragen – ja oder nein?

Es gibt keinen gesonderten Antrag auf Familienasyl. Um den Schutzstatus von einem*einer Familienangehörigen abzuleiten, muss folglich ein „normaler“ Asylantrag gestellt werden. Wenn die Voraussetzungen des § 26 AsylG vorliegen, wird ein Schutzstatus gewährt. Grundsätzlich kommt bei Angehörigen von Schutzberechtigten auch die Erteilung eines Status infrage, der besser ist als der Status des*der Familienangehörigen. Relevant ist dies insbesondere dann, wenn der*die Familienangehörige subsidiären Schutz hat. Bei Vorliegen individueller Verfolgung besteht in diesen Konstellationen ein Anspruch auf Prüfung der Flüchtlingseigenschaft in einem individuellen Asylverfahren.

Die Entscheidung, ob Angehörige von Schutzberechtigten einen Asylantrag stellen sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, weshalb in der Regel die Hinzuziehung einer Beratungsstelle bzw. eines*einer Rechtsanwalts*Rechtsanwältin notwendig ist. 

Zu bedenken sind ganz generell folgende Faktoren:

  • Welchen Schutzstatus hat der*die Angehörige?
    Diese Frage ist zum einen deshalb wichtig, weil eine Statusübertragung über das Familienasyl nur bei der Asylberechtigung, der Flüchtlingseigenschaft oder dem subsidiären Schutz in Betracht kommt. Beim nationalen Abschiebungsverbot (§ 60 Absatz 5, 7 AufenthG) ist das nicht möglich. Zum anderen gehen mit den unterschiedlichen Status unterschiedliche Rechtsfolgen einher. Beispielsweise erhalten nur Personen mit Flüchtlingseigenschaft einen Reiseausweis für Flüchtlinge (sog. blauer Pass), subsidiär Schutzberechtigte erhalten nicht standardmäßig ein Passersatzpapier von Deutschland. Aber auch bei subsidiär Schutzberechtigten darf die Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis allerdings nicht von der Passvorlage abhängig gemacht werden (§ 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG), wodurch sich auch bei subsidiär Schutzberechtigten durch die Schutzgewährung Vorteile gegenüber einem familiären Aufenthaltstitel ergeben. Je nach Schutzstatus des*der Stammberechtigten bietet der mit dem Familienasyl verliehene Schutzstatus gegenüber der familiären Aufenthaltserlaubnis Vorteile, bspw. in den Bereichen Aufenthaltsverfestigung und Ausweisungsschutz.
  • Droht bei der schutzberechtigten Person ein Widerruf des Schutzstatus?
    Der Antrag auf Familienasyl kann dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Anlass geben, ein Widerrufsverfahren gemäß § 73, § 73b oder § 73c AsylG für die stammberechtigte Person einzuleiten (>> Widerruf und Rücknahme des Schutzstatus).
  • Ist ein Nachzug von weiteren Angehörigen der Kernfamilie erwünscht?
    Diese Konstellation ist insbesondere bei unbegleiteten Minderjährigen mit Flüchtlingseigenschaft relevant. Diese haben gemäß § 36 Absatz 1 AufenthG einen Anspruch auf Nachzug der Eltern, der allerdings die minderjährigen Geschwister nicht miteinbezieht. Häufig wird in der Praxis deshalb ein sog. „Kaskadennachzug“ angestrebt, d.h. die Eltern oder ein Elternteil reist zum*zur unbegleiteten Minderjährigen nach, stellt dann unverzüglich (Begriffsklärung siehe unten) nach der Einreise einen Asylantrag, erhält im Wege des Familienasyls denselben Status wie der*die ehemals Unbegleitete und holt dann den Rest der Familie im Wege des Ehegatt*innen- bzw. Kindernachzugs nach Deutschland.

Voraussetzungen für Familienasyl

Eine grundlegende Voraussetzung ist, dass die Anerkennung der stammberechtigten Person unanfechtbar, also endgültig ist. Außerdem dürfen kein Widerruf und keine Rücknahme des Schutzstatus des Stammberechtigen erfolgt sein. Die weiteren Voraussetzungen unterscheiden sich je nach Verwandtschaftsverhältnis.

Familienasyl des*der Ehepartner*in (§ 26 Absatz 1 AsylG)

Um den Schutzstatus von dem*der Ehepartner*in abzuleiten, muss die Ehe schon im Herkunftsstaat bestanden haben und der*die Ehepartner*in muss vor der Anerkennung der stammberechtigten Person eingereist oder den Asylantrag unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“) nach der Einreise gestellt haben. Bei Familienmitgliedern, die mit einem Visum zum Familiennachzug einreisen, bedeutet dies laut Dienstanweisung Asyl des BAMF, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Einreise gestellt werden muss. In anderen Fällen geht man von einer Zweiwochenfrist aus. Wird die Frist unverschuldet überschritten, kann im Einzelfall ein längerer Zeitraum auch noch als unverzüglich gelten. In jedem Fall sollte aber rasch nach der Einreise geprüft werden, ob ein Asylantrag sinnvoll ist, um – falls dies bejaht wird – die Frist noch einhalten zu können.

Familienasyl des Kindes (§ 26 Absatz 2 AsylG)

Damit ein minderjähriges lediges Kind den Status von der stammberechtigten Person ableiten kann, ist es nicht nötig, unverzüglich nach der Einreise den Asylantrag zu stellen. Zum Zeitpunkt des Asylantrags muss das Kind allerdings noch minderjährig sein.

Familienasyl der Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Kindes (§ 26 Absatz 3 AsylG)

Die Eltern einer unbegleiteten minderjährigen Person können im Rahmen des Familienasyls denselben Status wie ihr Kind erhalten, wenn die Familie schon im Herkunftsland bestanden hat, und sie vor der Anerkennung der stammberechtigten Person eingereist oder den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (siehe oben). Die Eltern müssen die Personensorge für das Kind innehaben. Dies ist meist unproblematisch, wenn die Eltern wirksam miteinander verheiratet sind. Rechtlich strittig ist aktuell, ob Familienasyl auch in Fällen möglich ist, in denen das den Schutzstatus innehabende Kind erst in Deutschland geboren wurde. Auch minderjährige ledige Geschwister des*der minderjährigen schutzberechtigten Person können Familienasyl erhalten.

Ablauf des Familienasylverfahrens

Wenn man als Familienangehörige*r einer schutzberechtigten Person einen Asylantrag stellen möchte, muss man unterschiedlich vorgehen, je nachdem welche Konstellation zutrifft:

  • Wenn der*die Familienangehörige, der*die einen Asylantrag stellen möchte, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von sechs Monaten oder weniger hat, muss der Asylantrag gemäß § 14 Absatz 1 AsylG persönlich in einer Außenstelle des Bundesamtes gestellt werden. Dann entsteht gemäß § 47 Absatz 1 AsylG für eine bestimmte Zeit die Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen.
  • Wenn die Familienangehörigen, die einen Asylantrag mit dem Ziel, Familienasyl zu erhalten, stellen möchten, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besitzen, ist der Asylantrag gemäß  § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 AsylG Zentrale des BAMF in Nürnberg zu stellen und zwar schriftlich. Hierfür kann ein Formular vom BAMF genutzt werden. In diesem Fall besteht keine Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen.
  • Wenn allein einreisende minderjährige Kinder einer schutzberechtigten Person einen Asylantrag stellen wollen, können sie diesen gemäß § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 AsylG mittels des oben erwähnten Formulars schriftlich bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg einreichen. Wohnen dürfen sie ab Einreise bei ihren Eltern.

Insbesondere bei über den Familiennachzug eingereisten Ehepartner*innen bzw. Eltern von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die unverzüglich nach der Einreise (d.h. innerhalb von drei Monaten) einen Asylantrag stellen müssen, ist es wichtig, schnellstmöglich nach Einreise einen Antrag auf Ausstellung einer familiären Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Dies hat damit zu tun, dass die Visa zum Familiennachzug in der Regel nur für eine Dauer von drei Monaten erteilt werden. Die Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann ggf. dadurch umgangen werden, dass die Ausländerbehörden vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums eine Aufenthaltserlaubnis oder Fiktionsbescheinigung mit Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten ausstellen. Dann entsteht keine Verpflichtung zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung und Familien werden nicht mehr für die Dauer des Asylverfahrens getrennt. Sollte das nicht gelingen, müssen die Familienangehörigen leider zunächst in einer Erstaufnahmestelle wohnen.

Bei Familienasylfällen kann das BAMF auf eine Anhörung verzichten, wenn es den Familienangehörigen über § 26 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen will (EU-Verfahrensrichtlinie Art. 14 Absatz 2). Auch § 24 Absatz 1 Satz 5 AsylG sieht einen Verzicht auf die Anhörung vor, wenn das BAMF einem auf internationalen Schutz beschränkten Asylantrag stattgeben möchte. In allen anderen Fällen muss eine Anhörung durchgeführt werden. Um sicherzugehen, dass der Anspruch auf Familienasyl gewahrt wird, sollte man bei der Asylantragstellung auf Familienasyl verweisen und den Anerkennungsbescheid der stammberechtigten Person vorlegen. Bei der Anhörung sollten auch stets die individuellen Fluchtgründe und befürchteten Gefahren im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgebracht werden, damit ggf. aufgrund einer individuell vorgetragenen Verfolgungsgefahr Schutz gewährt werden kann. Vor der Asylantragstellung sollte man sich bei einer Beratungsstelle bzw. einem*einer Anwalt*Anwältin beraten lassen.

Wird Familienasyl gewährt, erteilt die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 AufenthG, abhängig vom Schutzstatus der stammberechtigten Person. Diese muss unabhängig von der Erfüllung der Passpflicht erteilt (und verlängert) werden (§ 5 Absatz 3 Satz 1, § 8 Absatz 1 AufenthG). Hat die stammberechtigte Person die Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung, so erhält der*die Angehörige nach Gewährung des Familienasyls ebenfalls einen Reiseausweis für Flüchtlinge.

Familienasyl bei Geburt eines Kindes im Bundesgebiet

Wird ein Kind in Deutschland geboren und die Eltern(-teile) sind anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte, kommt im Falle einer Asylantragstellung Familienasyl in der Form des „Kinderasyls“ in Betracht. Die Entscheidung, ob ein Asylantrag gestellt werden soll, hängt auch hier von vielen Faktoren (u.a. potenzielles Widerrufsverfahren des jeweiligen Elternteils) ab, weshalb unbedingt eine Beratung in Anspruch genommen werden sollte. Hier gibt es keine Frist für die Stellung des Asylantrags.

Unabhängig von der Frage, ob ein Asylantrag für das neugeborene Kind gestellt werden soll, besteht die Option auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis wird von Amts wegen erteilt, wenn beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben. Wenn nur ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis hat, steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde.

Weitere informationen


Begleitung im Asylverfahren

Das Asylverfahren ist sehr komplex und stellt geflüchtete Menschen oft vor große Herausforderungen. Ehrenamtliche Helfer*innen können die betroffenen Menschen in diesem Prozess begleiten. Wo können sie Asylsuchende unterstützen und wo macht es Sinn, sich an Beratungsstellen oder Jurist*innen zu wenden?

Allgemeines

Voraussetzung für die Hilfestellung bzw. Begleitung im Asylverfahren ist grundsätzlich die Zustimmung der betroffenen Person. Auch ist die Abstimmung mit Expert*innen wie Sozialarbeiter*innen, Beratungsstellen und spezialisierten Rechtsanwält*innen – natürlich nach Rücksprache mit dem*der Asylsuchenden – wichtig. Bei der Begleitung von geflüchteten Menschen sollten ehrenamtliche Unterstützer*innen— idealerweise gemeinsam mit hauptamtlichen Kräften — überlegen, welche Aufgaben sie übernehmen können und wollen und welche sie besser hauptamtlichen Kräften überlassen.

Um alle entscheidenden Unterlagen für das Asylverfahren und mögliche weitere Schritte beisammen zu haben, kann es hilfreich sein, gemeinsam mit der geflüchteten Person, alle Unterlagen (z.B. Niederschrift über den Asylantrag, Ladung zur Anhörung, Anhörungsprotokoll) in einem Ordner abzuheften. Die asylsuchende Person sollte regelmäßig ihre Post empfangen und öffnen, damit etwaige Fristen eingehalten werden können. Hierauf können ehrenamtliche Unterstützer*innen hinweisen – ebenso darauf, dass ein Adresswechsel immer dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und – wenn ein asylrechtliches Gerichtsverfahren läuft – dem zuständigen Verwaltungsgericht mitgeteilt werden muss (§ 10 Absatz 1 AsylG). Eine solche Mitteilung erfolgt nicht automatisch durch Anmeldung am neuen Wohnort und Aufsuchen der dortigen Ausländerbehörde, sondern die aktive Meldung der aktuellen Adresse an das BAMF ist eine der wichtigsten Mitwirkungspflichten einer asylsuchenden Person. Das gilt auch und gerade bei einem behördlich veranlassten Umzug.

Unterstützung im Dublin-Verfahren

Es gibt eine EU-Zuständigkeitsregelung, welche die Überstellung von Personen in einen anderen Staat des Dublin-Raums ermöglicht, wenn dieser für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (>>Das Dublin-Verfahren). Hat die asylsuchende Person ihre Zustimmung zur Begleitung durch die ehrenamtliche Person gegeben, sollte möglichst rasch geklärt werden, ob ihr möglicherweise ein „Dublin-Verfahren“ droht. Hierzu kann man erfragen, auf welchem Weg die Person nach Deutschland gekommen ist und ob sie bereits in einem sog. „Dublin-Staat“ registriert wurde. Möchte die Person nicht in den sog. „Ersteinreisestaat“ zurück, können Gründe gesammelt und – in Absprache mit Sozialarbeiter*innen und Rechtsanwält*innen – gegenüber den beteiligten Stellen vorgebracht werden, die gegen eine Abschiebung in den jeweiligen Dublin-Staat sprechen. Diese könnten z.B. in der Reisewegsbefragung über den Asylantrag vorgebracht werden. Relevant können negative Erfahrungen sein, die der*die Betroffene im jeweiligen Dublin-Staat gemacht hat. Auch Krankheiten, die in dem anderen Land nicht oder nur unzureichend versorgt werden können, können gegen eine Abschiebung in dieses Land sprechen. In diesem Fall braucht es aussagekräftige ärztliche Gutachten sowie rechtsanwaltliche Unterstützung.

Andererseits kann über das Dublin-Verfahren auch eine Familienzusammenführung stattfinden, wenn sich Familienangehörige in einem anderen Dublin-Staat aufhalten. Zu diesem Zweck sollte erfragt werden, ob die Person Familienangehörige hat, die schon vorher in Deutschland waren. Hier laufen Fristen, weshalb eine kompetente Beratungsstelle oder ein*e Rechtsanwalt*anwältin aufgesucht werden sollten.

Sollte der Asylantrag eines geflüchteten Menschen aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaats als „unzulässig“ abgelehnt werden, muss zunächst Folgendes geklärt werden:

  • Was will die betroffene Person? Will sie überhaupt in Deutschland bleiben oder ist sie zur Rückkehr in den zuständigen Staat bereit? Gibt es dort eventuell Familienangehörige, Verwandte oder Bekannte?
  • Unter Umständen möchte der*die Betroffene freiwillig in den zuständigen Staat zurückkehren, um eine mögliche Abschiebung zu verhindern. Das deutsche Asylgesetz sieht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht vor, in bestimmten Konstellationen sind aber Ausnahmen möglich. Dazu bedarf es intensiver Kommunikation mit den beteiligten Behörden, insbesondere dem BAMF und dem Regierungspräsidium Karlsruhe.
  • In bestimmten Fällen ist es auch sinnvoll, mit den Betroffenen zu klären, ob ein Abwarten der Überstellungsfrist (>>Das Dublin-Verfahren) die erfolgversprechendste Möglichkeit ist, die Chance auf ein Asylverfahren in Deutschland zu erhalten. Dazu muss man wissen, wann genau die Frist beginnt und abläuft.

Achtung: Das Dublin Verfahren gilt nicht für Personen mit einem internationalen Schutzstatus in einem Dublin-Staat.

Weitere Informationen:

Unterstützung in Bezug auf die Anhörung beim BAMF

Der mit Abstand wichtigste Bestandteil des Asylverfahrens ist die Anhörung beim BAMF (>>Das Asylverfahren). Zur Anhörung wird die asylsuchende Person schriftlich geladen. Kann der Termin aus triftigen Gründen nicht wahrgenommen werden, kann um eine Verlegung gebeten werden.

In der Anhörung bekommen Asylbewerber*innen die Gelegenheit, die Gründe für ihre Flucht ausführlich und detailliert darzulegen. Das Vorbringen in der Anhörung stellt häufig die einzige Grundlage für die Entscheidung des Bundesamts dar, wobei (Übersetzungs-)Fehler und Missverständnisse im Nachhinein schwer korrigierbar sind und bis in ein mögliches Gerichtsverfahren fortwirken können. Das Vorbringen der asylsuchenden Person muss glaubhaft sein; daher kommt es darauf an, das Erlebte möglichst detailreich und authentisch zu schildern. Sehr zu warnen ist vor vermeintlich erfolgreichen erdachten Fluchtgeschichten, die in Geflüchtetenkreisen manchmal kursieren. Selbst kleine Unstimmigkeiten oder Widersprüche können nämlich dazu führen, dass dem gesamten Vortrag des geflüchteten Menschen kein Glauben geschenkt wird und somit eine Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ – die „schlimmste“ Form der Ablehnung – ergeht (>>Ablehnungsformen).

Für Geflüchtete stellt die Anhörung oftmals eine Extremsituation dar – nicht nur aufgrund des Wissens um die Bedeutung für das eigene Asylverfahren. Häufig haben die Menschen auch schlechte Erfahrungen im Umgang mit Behörden gemacht und verhalten sich deshalb zurückhaltend oder ängstlich während der Anhörung. Dies kann dazu führen, dass auf Fragen nur sehr knapp geantwortet wird und möglichem Drängen des*der Anhörer*in auf einen schnellen Abschluss der Anhörung nachgegeben wird. Dies ist jedoch alles andere als zielführend, da ja gerade in der Anhörung alle wesentlichen Fluchtgründe vorgebracht werden. Auch stellt die Situation, über traumatische Erlebnisse sprechen zu müssen, für viele Menschen eine hohe Hürde dar.

Ehrenamtlich Engagierte können geflüchtete Menschen bei der Vorbereitung auf die Anhörung auf verschiedenen Ebenen unterstützen. Sie können informieren über den Ablauf und die Besonderheiten des Asylverfahrens und der Anhörung. Sie können außerdem dazu anregen, die eigene Geschichte selbst aufzuschreiben und somit die Erlebnisse strukturiert wiederzugeben.

Manchen Menschen mit Fluchtbiografie hilft es, im Vorfeld der Anhörung die eigene Fluchtgeschichte mit einer anderen Person durchzusprechen. Das kann der*die zuständige Sozialarbeiter*in, eine unabhängige Beratungsstelle oder der*die Anwalt*Anwältin sein. Ehrenamtliche Unterstützer*innen, die es sich inhaltlich und emotional zutrauen, können der geflüchteten Person auch anbieten, mit ihr gemeinsam diese Vorbereitung zu leisten. Wenn die betroffene Person ihre Zustimmung dazu gibt, sich gemeinsam mit dem*der Unterstützer*in n der demauf die Anhörung vorzubereiten, gilt es zunächst, die bereits existierenden BAMF-Dokumente (z.B. Niederschrift über den Asylantrag, Befragung zur Zulässigkeit des Asylantrags) zu sichten. Dies ist wichtig, um sicherzugehen, dass im Vortrag der geflüchteten Person keine Widersprüche zu bereits Gesagtem enthalten sind, die im Asylverfahren häufig (nicht selten zu Unrecht) als Indiz für die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens gewertet werden. Dann kann in Form eines Rollenspiels (die ehrenamtliche Person nimmt dabei die Rolle des*der Anhörer*in ein) die Anhörungssituation nachgestellt werden. Der*die Unterstützer*in kann dem betroffenen Menschen dann, wenn gewünscht, spiegeln, welche Elemente des Vortrags aus seiner*ihrer Sicht widersprüchlich oder nicht detailliert genug sind.

Ehrenamtliche Unterstützer*innen können den geflüchteten Menschen auf die Möglichkeit der Begleitung zur Anhörung hinweisen und fragen, ob er dies wünscht und falls ja, durch wen die Begleitung erfolgen soll. Rechtsanwält*innen können der Anhörung ihrer*ihres Mandant*in ohne vorherige Anmeldung beiwohnen. Gemäß § 14 Absatz 4 VerwVfG hat darüber hinaus jede*r Verfahrensbeteiligte in behördlichen Gesprächen das Recht, mit einem Beistand zu erscheinen. Dies gilt auch für Asylsuchende, z.B. in ihrer Anhörung im Asylverfahren. Dementsprechend können auch ehrenamtliche Begleiter*innen der Anhörung beiwohnen, wenn dies von der betroffenen Person gewünscht wird. Laut Dienstanweisung Asyl gibt auch hierfür keine Anmeldepflicht, eine vorherige Anmeldung bei der Leitung der BAMF-Außenstelle kann allerdings ggf. den Zugang zu den Räumlichkeiten vereinfachen. Falls die Teilnahme an der Anhörung verwehrt wird, sollte dies nach Möglichkeit in der Anhörung zu Protokoll gegeben werden.

Ehrenamtliche Begleitpersonen haben grundsätzlich eine passive Rolle bei der Anhörung. Unter Umständen können die Unterstützer*innen nach Zustimmung des*der Anhörer*in, ergänzende Fragen an die geflüchtete Person richten; ob dies gewünscht ist, sollte im Vorfeld mit ihr abgesprochen worden sein. Zudem können Ehrenamtliche auf die genaue und vollständige Protokollierung achten. Allein die Anwesenheit einer Begleitperson kann die Anhörungssituation positiv beeinflussen, wenn die Person sich sensibel und der Situation angemessen verhält.

Unabhängig davon, ob die ehrenamtliche Person den geflüchteten Menschen zur Anhörung begleitet oder nicht, kann sie die Person auf ihre Rechte bei der Anhörung hinweisen. Je nach Anhörer*in kann es durchaus dazu kommen, dass Geflüchtete nicht ausreichend über ihre Rechte belehrt werden bzw. ihnen nahegelegt wird, auf diese zu verzichten (geeignete Dolmetscher*innen, detaillierte Rückübersetzung des Protokolls, usw.). Auf keinen Fall sollte die asylsuchende Person auf die Rückübersetzung des Protokolls verzichten, da dies die Möglichkeit eröffnet, Fehler im Protokoll noch während der Anhörung zu korrigieren. Allgemein gilt: Das Protokoll sollte nicht unterschrieben werden, wenn es fehlerhafte Angaben enthält.

Neben dem*der vom BAMF gestellten Dolmetscher*in können Asylantragsteller*innen die Anwesenheit eines*r eigenen Dolmetscher*in beim BAMF beantragen. Diese*r kann unter Umständen auf Übersetzungsfehler hinweisen und/oder die Übersetzer*innen des BAMF unterstützen. Auch hat der*die Asylsuchende das Recht, eine*n andere*n Dolmetscher*in zu verlangen, wenn die Verständigung nicht ausreichend gut möglich ist.

In einigen Fällen kommt es vor, dass geflüchtete Menschen gehemmt sind, die von ihnen erfahrene Verfolgung detailliert zu schildern. Grund hierfür kann die Angst sein, Angehörige im Heimatland könnten durch die eigene Aussage zu Schaden kommen. Ehrenamtliche Unterstützer*innen können darauf hinweisen, dass die beim BAMF zu Protokoll gegebenen Informationen nicht herausgegeben werden dürfen. Sollten die Befürchtungen weiterhin bestehen, so sollten sie im Interview zumindest geäußert und ins Protokoll aufgenommen werden.

In vielen Fällen sind geflüchtete Menschen traumatisiert und haben deshalb Schwierigkeiten, das Erlebte systematisch darzustellen. Zudem ist es Menschen, die geschlechtsspezifische Verfolgung erlitten haben, oftmals nicht möglich, das Erlebte gegenüber Vertreter*innen des anderen Geschlechts zu erzählen. In solchen Fällen können beim BAMF speziell geschulte Anhörer*innen (sog. Sonderbeauftragte) und ggf. weibliche oder männliche Dolmetscher*innen beantragt werden. Die Anhörung kann im Notfall jederzeit unterbrochen oder abgebrochen und an einem anderen Tag fortgeführt werden.

Weitere Informationen:

Nach der Anhörung

Wie in allen Stadien des Asylverfahrens sollten die Betroffenen im Anschluss an das Interview die eigene Post im Auge behalten. Aufgrund der teilweise äußerst kurzen (Klage-) Fristen (>>Ablehnungsformen) ist es entscheidend, rechtzeitig auf den Bescheid vom BAMF zu reagieren. Sollte der*die Geflüchtete also seinen*ihren Wohnort für mehrere Tage verlassen, so sollte er*sie eine Vertrauensperson beauftragen, die eigene Post im Auge zu haben und gegebenenfalls zeitnah zu reagieren. Im Falle einer Ablehnung und einer möglichen Klage sollte ein*e Rechtsanwalt*Rechtsanwältin zu Rate gezogen werden.

WEITERE INFORMATIONEN


Das Dublin-Verfahren

Bei jeder Person, die in Deutschland einen Asylantrag stellt, wird zunächst geprüft, ob Deutschland überhaupt für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Hintergrund dafür ist, dass es eine europäische Verordnung gibt, die regelt, welcher Mitgliedstaat des sog. „Dublin-Raums“ für einen Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist: die sog. Dublin III-Verordnung (VO).

Grundsätzliches

Die Dublin-III-VO gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zusätzlich haben Norwegen, die Schweiz, Liechtenstein und Island die Verordnung unterzeichnet. Insgesamt gibt es also 31 Länder, in denen die Dublin III-Verordnung angewendet wird. In Großbritannien gilt die Dublin III-Verordnung nach dessen Austritt 2020 aus der Europäischen Union nicht mehr.

Die wichtigste Zielsetzung der Dublin III-VO ist, dass jeder Antrag auf internationalen Schutz (= Asylantrag, siehe oben) im Gebiet der Dublin-Staaten geprüft wird, die Betroffenen also nicht von Staat zu Staat weiterverwiesen werden („no refugees in orbit“). Der Asylantrag einer Person soll dabei nur einmal inhaltlich geprüft werden, selbst wenn in mehreren Ländern des Dublin-Raums Asylanträge gestellt werden („one chance only“).

Die Dublin III-VO ist anwendbar, sobald in irgendeinem Dublin-Staat ein Asylantrag gestellt wurde. Das muss kein förmlicher Asylantrag gewesen sein; auch ein nicht-förmliches Asylgesuch aktiviert die Dublin-III-VO. Um einen Dublin-Fall handelt es sich auch, wenn ein Asylantrag in einem anderen Land abgelehnt oder zurückgenommen wurde und die Personen dann in einem anderen Dublin-Staat einen weiteren Asylantrag stellen.

Die Dublin III-VO gilt dagegen nicht für Personen, die in einem anderen Staat bereits internationalen Schutz, also die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz, erhalten haben und dann in einen anderen „Dublin-Staat“ weitergewandert sind und dort einen Asylantrag gestellt haben. Die beiden Konstellationen sind gar nicht so leicht auseinanderzuhalten, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag in beiden Fällen grundsätzlich als „unzulässig“ ablehnt. Hier muss man den Bescheid genau lesen, um in Erfahrung zu bringen, ob es ein „Dublin-Fall“ oder ein sog. Anerkannten-Fall ist.

Verfahrensrechte und -garantien

Die Dublin-VO räumt Asylsuchenden bestimmte Verfahrensrechte und -garantien ein.

Artikel 4 Dublin-III-VO enthält das Recht, über das Dublin-Verfahren und die eigenen Rechte informiert zu werden (Recht auf Information). Diese Information muss bei der Asylantragstellung schriftlich in der Muttersprache oder einer Sprache, deren Verständnis vorausgesetzt werden kann, ergehen. Hierfür wird in der Regel ein Merkblatt verwendet. Wenn nötig, müssen die Informationen auch mündlich übermittelt werden, zum Beispiel im persönlichen Gespräch gemäß Artikel 5 Dublin III-VO.

In Artikel 5 Dublin-III-VO ist das Recht auf ein persönliches Gespräch in einer Sprache, die die Person ausreichend versteht, festgehalten. Dieses Gespräch soll die Bestimmung des zuständigen Staates erleichtern und das Verständnis der antragstellenden Person über die Inhalte des in Artikel 4 Dublin-III-VO beschriebenen Merkblattes sichern. Dieses Gespräch soll möglichst früh im Verfahren geführt werden, in jedem Fall aber bevor über die Überstellung der asylsuchenden Person entschieden wird. Der*die Asylsuchende*r sollte das persönliche Gespräch auch dazu nutzen, alle Gründe geltend zu machen, die gegen eine Überstellung in den anderen Staat sprechen. In bestimmten Fällen kann auf das persönliche Gespräch verzichtet werden, z.B. wenn bereits zuvor alle wesentlichen Angaben zur Bestimmung des zuständigen Staates gemacht wurden. In Deutschland ist die Praxis laut Dienstanweisung des BAMF folgendermaßen: Bereits bei der erkennungsdienstlichen Behandlung (z.B. Erfassung von Personendaten, Anfertigung von Fingerabdrücken und Lichtbildern) erfolgt die Erstbefragung zur Zulässigkeit (umgangssprachlich auch Reisewegsbefragung genannt). Danach findet die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags statt. Vorsorglich findet häufig im Anschluss eine Befragung zu den Fluchtgründen (sog. Anhörung zur Begründetheit) statt.

Dem Kindeswohl soll im Dublin-Verfahren besonders Rechnung getragen werden. Für Minderjährige formuliert Artikel 6 Dublin-III-VO folglich besondere Garantien. Unbegleiteten Minderjährigen müssen die Mitgliedstaaten demnach eine*n qualifizierte*n gesetzliche*n Vertreter*in zur Seite stellen. Darüber hinaus ist eine Zusammenführung des*der unbegleiteten Minderjährigen mit Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten möglich und soll aktiv von den Mitgliedstaaten gefördert werden. Auch andere Aspekte des Kindeswohls (z.B. soziale Entwicklung, Sicherheitserwägungen) sollen im Dublin-Verfahren berücksichtigt werden.

Ablauf des Dublin-Verfahrens in Deutschland

Stellt eine Person in Deutschland einen Asylantrag, prüft das BAMF zunächst im Rahmen eines Dublin-Verfahrens, ob Deutschland für den Asylantrag zuständig ist. Hierbei wird zunächst anhand der Zuständigkeitskriterien (siehe unten unter „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Staates“) geprüft, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Auch wird geprüft, ob die Zuständigkeit wegen Fristablaufs nicht ohnehin schon auf Deutschland übergegangen ist.  

Steht die Zuständigkeit eines anderen Staates fest, wird der für zuständig befundende Staat angefragt, ob dieser die asylsuchende Person (wieder) aufnimmt. Bei dieser Anfrage handelt es sich entweder um ein Wiederaufnahmeersuchen, wenn die betreffende Person bereits in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat, oder um ein Aufnahmeersuchen, wenn dies nicht der Fall ist. Für diese Anfrage gilt eine Frist, deren Länge u.a. davon abhängig ist, ob ein „Eurodac-Treffer“ vorliegt oder nicht. Hält das BAMF die jeweils geltende Frist nicht ein, geht die Zuständigkeit auf Deutschland über.

Für den um (Wieder-)Aufnahme ersuchten Staat gilt ebenfalls eine bestimmte Frist, auf die Anfrage zu antworten. Reagiert der ersuchte Staat innerhalb dieser Frist nicht, gilt die Zustimmung zur (Wieder-)Aufnahme als erteilt (Zustimmungsfiktion).

Liegt die Zustimmung bzw. Zustimmungsfiktion eines anderen Dublin-Staates vor, wird der Asylantrag der jeweiligen Person wegen Unzuständigkeit Deutschlands als unzulässig abgelehnt (>>Ablehnungsformen). Es ergeht dann ein sog. „Dublin-Bescheid“, der häufig so oder so ähnlich formuliert ist:

  1. Der Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt.
  2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor
  3. Die Abschiebung nach [= zuständiger Staat] wird angeordnet.

Manchmal, wenn die Abschiebung derzeit noch nicht durchgeführt werden kann, wird die Abschiebung nicht angeordnet, sondern „angedroht“. Verlässlich erkennt man einen Dublin-Bescheid daran, dass in der Begründung des Ablehnungsschreibens an mehreren Stellen auf die Dublin III-VO hingewiesen wird.

Der Dublin-Bescheid muss der betroffenen Person zugestellt werden (§ 31 Absatz 1 Satz 5 AsylG).

Sobald die Zustimmung bzw. die Zustimmungsfiktion des anderen Mitgliedstaats vorliegt, hat Deutschland in der Regel sechs Monate Zeit für die Überstellung der Person in den anderen Staat. Ist die Person „flüchtig“, verlängert das BAMF die Frist in der Regel auf 18 Monate, bei Haft beträgt sie zwölf Monate. Personen, die sich im Kirchenasyl befinden, sind nicht „flüchtig“, solange der Aufenthaltsort der Person den Behörden mitgeteilt wurde (offenes Kirchenasyl). Erfolgt innerhalb der jeweils geltenden Frist keine Überstellung in den zuständigen Staat, geht die Zuständigkeit auf Deutschland über. In der Folge wird das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt, der Asylantrag also inhaltlich geprüft.

Quelle: Informationsverbund Asyl & Migration

Das deutsche Recht sieht bei Dublin-Fällen grundsätzlich die Überstellung per Abschiebung vor. Die Dublin III-VO dagegen schließt eine selbstständige Einreise in den zuständigen Staat mithilfe eines sog. „Laissez-passer“ nicht aus (Artikel 19 Dublin III-VO). § 34a AsylG bestimmt, dass Überstellungen von Deutschland aus in andere Dublin-Staaten in Form der Abschiebung (kontrollierte Ausreise beziehungsweise begleitete Überstellung) erfolgen sollen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2015 (Aktenzeichen 1 C 27.14) sieht jedoch vor, dass auf Initiative der asylsuchenden Person die für den Vollzug von Dublin-Überstellungen zuständigen Behörden aus Gründen der Verhältnismäßigkeit prüfen müssen, ob der Person ausnahmsweise anstelle einer Abschiebung auch die Möglichkeit der selbstorganisierten Überstellung eingeräumt werden kann. Nur in absoluten Ausnahmefällen wird die selbstorganisierte Überstellung genehmigt. Personen, die dies probieren möchten, sind auf intensive Kommunikation mit BAMF und Regierungspräsidium Karlsruhe (RP KA) angewiesen.

Weitere Informationen:

Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Staates

Das Dublin-Verfahren basiert auf dem allgemeinen Grundsatz, dass der Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der anhand von Zuständigkeitskriterien ermittelt wird (Artikel 3 Absatz 1 Dublin-III-VO). Wenn der zuständige Mitgliedstaat anhand dieser Kriterien nicht ermittelt werden kann, ist derjenige Staat zuständig, in dem der erste Asylantrag gestellt wurde (Artikel 3 Absatz 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Staat sog. systemische Mängel, wird die Zuständigkeitsprüfung fortgesetzt (Artikel 3 Absatz 3 Dublin III-VO). Systemische Mängel werden insbesondere dann angenommen, wenn Asylsuchende im betreffenden Mitgliedstaat – systembedingt – unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind (Artikel 4 EU-Grundrechtecharta). Die Hürden hierfür liegen jedoch hoch. Zwischen 2011 und 2017 wurden systemische Mängel für Griechenland angenommen. Bezüglich anderer Staaten (z.B. Italien, Bulgarien, Ungarn) hat sich noch keine einheitliche Rechtsprechung bezüglich des Vorliegens systemischer Mängel herausgebildet. Auch wenn keine systemischen – und somit alle Asylsuchenden potenziell gleichermaßen betreffenden –  Mängel im Asylsystem des jeweiligen Mitgliedstaates identifiziert werden, kann die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Einzelfall oder für bestimmte Personengruppen bestehen. Der Europäische Gerichtshof hat 2019 (Aktenzeichen: C-163/17) festgestellt, dass diese Gefahr auch dann gegeben ist, wenn eine schutzsuchende Person im Erstaufnahmeland aufgrund außergewöhnlicher materieller Not ihre Grundbedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) nicht befriedigen kann. 

Die Artikel 8 bis 15 Dublin-III-VO regeln die Zuständigkeit im Detail. Die Kriterien sind streng der Reihe nach zu prüfen. Dies bedeutet, dass Artikel 8 als erstes geprüft wird, ist dieser nicht einschlägig, wird Artikel 9 geprüft usw. Artikel 8 bis 11 Dublin-III-VO enthalten familienbezogene Zuständigkeitskriterien, Artikel 8 bis 15 einreisebezogene Zuständigkeitskriterien. Auf das Land der Ersteinreise kommt es deshalb nur an, wenn kein familienbezogenes Zuständigkeitskriterium greift.

Artikel 8: Minderjährige:

Der Staat ist zuständig, in dem sich Familienangehörige (Vater, Mutter oder sonstige verantwortliche Person) oder Geschwister einer unbegleiteten minderjährigen Person rechtmäßig aufhalten, wenn eine Zusammenführung dem Wohl des*der Minderjährigen dient. Auch zu sonstigen sich rechtmäßig in einem anderen Staat aufhaltenden Verwandten (Onkel, Tante, Großelternteil), kann der*die Minderjährige zusammengeführt werden, wenn es dem Wohl des*der Minderjährigen dient und der*die Verwandte für ihn*sie sorgen kann. Ansonsten ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der*die Minderjährige den (letzten!) Asylantrag gestellt hat.

Artikel 9: Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind:

Hat die antragstellende Personen eine*n Familienangehörige*n (Ehepartner*in und/oder minderjährige Kinder), der*die bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz) erhalten hat, ist dieser Staat für die Prüfung des Antrages zuständig. Voraussetzung ist, dass beide Seiten ihren Wunsch auf Zusammenführung schriftlich kundtun. Es ist hierfür nicht ausschlaggebend, ob die Familie schon im Herkunftsland bestanden hat.

Artikel 10: Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben:

Hat die antragstellende Person eine*n Familienangehörige*n (Ehepartner*in und/oder minderjährige Kinder), dessen Antrag auf internationalen Schutz noch bearbeitet wird, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig. Es ist umstritten, ob die Zuständigkeit mit Entscheidung des BAMF endet oder eine bestandskräftige Entscheidung gemeint ist. Voraussetzung ist auch hier wieder, dass beide Seiten ihren Wunsch auf Zusammenführung schriftlich kundtun.

Artikel 11: Familienverfahren:

Stellen mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister gleichzeitig in demselben Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz und könnte die Anwendung der Kriterien eine Trennung der Personen zur Folge haben, ist der Staat zuständig, in dem sich die meisten Familienmitglieder aufhalten oder der Staat, in dem sich die älteste Person aufhält.

Artikel 12: Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa:

Besitzt die antragstellende Person einen gültigen Aufenthaltstitel oder ein gültiges Visum eines Mitgliedstaates, ist dieser für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Ist der Aufenthaltstitel weniger als zwei Jahre bzw. das Visum weniger als sechs Monate vor Antragstellung abgelaufen, ist der den Aufenthaltstitel bzw. das Visum ausstellende Staat zuständig, solange das Dublin-Gebiet nicht verlassen wurde. Ist der Aufenthaltstitel bzw. das Visum bereits länger ungültig, wird die Zuständigkeitsprüfung fortgesetzt.

Artikel 13: Einreise und/oder Aufenthalt:

Hat die antragstellende Person erwiesenermaßen die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten, ist dieser Staat zuständig. Die Zuständigkeit nach Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin-III-VO endet, wenn der erste Asylantrag erst zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts gestellt wird.

Artikel 14: Visumsfreie Einreise:

Reist eine Person visumsfrei in einen Mitgliedstaat ein, weil für sie kein Visumszwang besteht, ist dieser Staat zuständig.

Artikel 15: Antrag im Transitbereich eines Flughafens:

Stellt eine Person im internationalen Transferbereich eines Flughafens eines Mitgliedstaates einen Antrag auf internationalen Schutz, ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig.

Artikel 16 und Artikel 17: Abhängige Personen und Ermessensklauseln

Abweichend von den hierarchisch durchzuprüfenden Zuständigkeitskriterien gibt es zwei Möglichkeiten, die Zuständigkeit anderweitig zu bestimmen:

  • So kann gemäß Artikel 16 bei besonderer Hilfebedürftigkeit (z.B. Schwangerschaft, Krankheit, Behinderung) eine Familienzusammenführung außerhalb der Kernfamilie durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass beide Seiten ihren Wunsch auf Zusammenführung schriftlich kundtun.
  • Jeder Staat hat das Recht gemäß Artikel 17 Dublin-III-VO das sog. „Selbsteintrittsrecht“ auszuüben, also sich abweichend von den Zuständigkeitskriterien für zuständig zu erklären.

Familienzusammenführung gemäß der Dublin III- VO

Die wichtigsten Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO stellen auf das Kindeswohl und die Familieneinheit ab (siehe oben unter „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Staates“). Dementsprechend ermöglicht die Dublin-III-VO die Zusammenführung von Familienmitgliedern.

Bei erwachsenen Menschen ist die Familienzusammenführung nur zu Mitgliedern der sog. „Kernfamilie“ möglich. Dies sind: Ehepartner/in sowie minderjährige Kinder.

Bei unbegleiteten Minderjährigen ist die Familienzusammenführung zu den Eltern und Geschwistern und auch zu weiteren Verwandten (Onkel, Tante, Großelternteil) möglich.

Die Familienangehörigen müssen sich bereits im „Dublin-Raum“ aufhalten. Die Person, die zuständigkeitshalber zu einem Familienmitglied überstellt werden, also mit ihm zusammengeführt werden möchte, muss außerdem einen Asylantrag gestellt haben, um die Dublin-III-VO zu aktivieren. 

In der Regel müssen die Familienangehörigen ihren Wunsch auf Zusammenführung schriftlich kundtun. Bei unbegleiteten Minderjährigen ist dies zwar rechtlich nicht erforderlich, aber sehr empfehlenswert. Besteht ein Wunsch auf Familienzusammenführung, sollte dieser so früh wie möglich, d.h. idealerweise schon bei der Asylantragstellung, geäußert werden. Soweit vorhanden, sollten auch Nachweise über das Verwandtschaftsverhältnis bei der Behörde eingereicht werden.

Weitere Informationen:

Rechtsmittel gegen den Dublin-Bescheid

Dem Dublin-Bescheid ist in aller Regel eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Darin ist bestimmt, bei welchem Gericht und in welcher Frist Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelegt werden können.

In sehr seltenen Fällen enthält der Dublin-Bescheid eine Abschiebungsandrohung. Dann beträgt die Klagefrist zwei Wochen und die Klage hat aufschiebende Wirkung, schützt also vor Abschiebung.

In aller Regel ergeht im Dublin-Bescheid jedoch eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylG. Dann muss innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids Klage erhoben werden. Allerdings hindert eine fristgerecht eingereichte Klage die deutschen Behörden nicht an einer Abschiebung der antragstellenden Person, da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat.

Einen (zumindest vorläufigen) Abschiebungsschutz kann man nur durch einen zusätzlichen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (sog. Eilantrag) erzielen. Auch für den Eilantrag gilt eine Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG). Der Eilantrag sollte unbedingt von einer*einem asylrechtserfahrenen Rechtsanwalt*Rechtsanwältin gestellt werden. Der Eilantrag führt nämlich immer dazu, dass die Überstellungsfrist wieder „auf Null“ gesetzt wird. Das ist dann besonders ärgerlich, wenn ein Großteil der Frist bereits abgelaufen, ein Zuständigkeitsübergang wegen Fristablaufs also in greifbarer Nähe war.

Hat der Eilantrag Erfolg, ordnet das Verwaltungsgericht also die aufschiebende Wirkung der Klage an, ist die betroffene Person jedenfalls bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Klage vor einer Abschiebung sicher. In der Praxis führt ein erfolgreicher Eilantrag häufig dazu, dass das BAMF den Dublin-Bescheid aufhebt und die Person somit ein inhaltliches Asylverfahren durchläuft. Wird der Dublin-Bescheid nicht aufgehoben und die Klage scheitert im Hauptsacheverfahren, bleibt der Dublin-Bescheid in Kraft und die Überstellungsfrist beginnt ab Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung neu zu laufen.

Wird der Eilantrag abgelehnt, beginnt die sechsmonatige Überstellungsfrist am Tag der Ablehnung durch das Gericht neu zu laufen. Daran sieht man, dass die Stellung eines Eilantrags nicht in jedem Fall im Sinne des geflüchteten Menschen ist. Daher sei noch einmal daran erinnert, dass ein Eilantrag nicht leichtfertig und nur von einem im Asyl- und Ausländerrecht kundigen Rechtsbeistand gestellt werden. In vielen Fällen ist es nicht zielführend, einen Eilantrag zu stellen.

Weitere Informationen:


Das Asylverfahren

Mit der Registrierung und der Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung ist der Asylantrag noch nicht gestellt worden. Dies muss bei einem separaten Termin gemacht werden. Danach – und auch hier sind Wartezeiten von mehreren Monaten nicht unüblich – wird die antragstellende Person zu einer persönlichen Anhörung eingeladen. Die dort gemachten Angaben sind entscheidend für den Ausgang des Asylverfahrens. Das oft viele Monate dauernde Verfahren und die damit Tag für Tag existierende Unsicherheit, stellt eine enorme psychische Belastung dar, die auf Dauer nur schwer auszuhalten ist.

Das Asylgesuch

Der erste Schritt im Asylverfahren ist das sog. „Asylgesuch“. Das ist kein formeller Akt, sondern lediglich die Aussage, dass man Asyl beantragen will. Dieses kann bei einer Polizeidienststelle, Grenzbehörde, Ausländerbehörde oder am besten direkt in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende gestellt werden. Nach Stellen des Asylgesuchs in einer Erstaufnahmeeinrichtung erhält man ein erstes Dokument. In der Regel sollte dies der sog. „Ankunftsnachweis“ (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender)“ sein. (§ 63a AsylG). Wenn man sich nicht zum Stellen des Asylgesuchs ohnehin bereits in einer Erstaufnahmestelle für Asylsuchende aufgehalten hat, muss man sich unverzüglich, d.h. i. d. R. binnen einer Woche, in eine solche begeben.

Die Asylantragstellung

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für Asylanträge zuständig. Der Antrag wird in der Regel in einer BAMF-Außenstelle in der Erstaufnahmeeinrichtung gestellt (§ 14 AsylG). Nach der Registrierung bzw. dem Asylgesuch erhält die Person, die einen Asylantrag stellen möchte, einen Termin bei der Außenstelle des BAMF, um dies zu tun. Beim Termin zur Antragsstellung werden die Geflüchteten mit Hilfe von Dolmetscher*innen über ihre Rechte und Mitwirkungspflichten im Asylverfahren informiert. Die wichtigste Mitwirkungspflicht ist die Bekanntgabe der jeweils aktuellen Adresse an das BAMF. Falls noch nicht zuvor geschehen, werden bei der Asylantragstellung die persönlichen Daten der Asylsuchenden erhoben, sie werden fotografiert und von Personen ab 14 Jahren werden auch Fingerabdrücke genommen. Sie werden auch gefragt, auf welchem Weg bzw. auf welcher Route sie nach Deutschland gekommen sind. Dies tut man, um herauszufinden, ob ein anderes europäisches Land im Rahmen der Dublin-Verordnung für den*die Asylsuchende*n zuständig ist (>>Das Dublin-Verfahren).

Nach der Asylantragstellung erhält der*die Asylsuchende die sog. Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG). Das ist ein Dokument, das besagt, dass die Person sich rechtmäßig in Deutschland aufhält zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens. Diesen Status hat die betroffene Person unabhängig davon, ob sie das Dokument besitzt oder nicht. Das ist wichtig, weil das Dokument manchmal erst einige Zeit nach der Antragsstellung ausgehändigt wird.

Für unverheiratete Kinder unter 18 Jahren wird automatisch ein Asylverfahren eingeleitet, wenn die Eltern einen Asylantrag stellen und sie mit ihren Eltern gemeinsam einreisen oder sich bereits ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten.

Auch für Kinder unter 18 Jahren, die später nachkommen, oder für Kinder, die in Deutschland geboren werden, wird automatisch ein Asylverfahren eingeleitet. Dies geschieht auch dann, wenn die Eltern im Asylverfahren bereits abgelehnt wurden. Es besteht die Möglichkeit, auf die Durchführung eines Asylverfahrens für die Kinder zu verzichten.

Nachdem der Asylantrag gestellt worden ist, prüft das BAMF im Rahmen des Dublin-Verfahrens, ob ein anderer Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Ausführliche Informationen hierzu sind unter >>Das Dublin-Verfahren zu finden.

Die Anhörung

Wenn Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist, erhalten die Antragstellenden einen Termin zur persönlichen Anhörung (§ 25 AsylG). Diese Anhörung ist von zentraler Bedeutung für das Asylverfahren, weshalb es sehr wichtig ist, sich gut darauf vorzubereiten und sich am besten auch im Vorfeld beraten zu lassen. Über die >> Begleitung im Asylverfahren informiert ein separater Beitrag. Den Anhörungstermin müssen die Antragstellenden unbedingt wahrnehmen oder rechtzeitig schriftlich mitteilen, warum ihnen das Erscheinen (z. B. aus gesundheitlichen Gründen) nicht möglich ist. Falls dies nicht erfolgt, wird der Asylantrag abgelehnt oder das Verfahren eingestellt.

Die Anhörungen sind meist auf 8 Uhr morgens terminiert. Wenn es aus wichtigen Gründen nicht möglich ist, so früh vor Ort zu sein, sollte man versuchen, mit dem BAMF einen späteren Termin auszumachen. Der Asylsuchende muss pünktlich sein, es kann aber sein, dass man lange auf die Anhörung warten muss. Daher sollte man ausreichend Essen und Trinken mitbringen.

Die Anhörungen sind nicht öffentlich. Es können aber ein*e Rechtsanwalt*anwältin sowie ein*e Vertreter*in des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und bei unbegleiteten Minderjährigen deren Vormund teilnehmen. Eine weitere Vertrauensperson — z.B. ein*e ehrenamtliche*r Helfer*innen — als sogenannte „Beistand“ (§ 14 VerwVfG) kann teilnehmen, dies sollte aber vorher beim BAMF schriftlich beantragt und genehmigt werden (für genauere Informationen >> Begleitung im Asylverfahren).

Die Anhörung findet in der Muttersprache des Antragsstellenden statt oder in einer anderen Sprache, die die Person beherrscht. Das BAMF stellt dann eine*n Dolmetscher*innen für die entsprechende Sprache. Bei Vorbehalten in Bezug auf die*den Dolmetscher*innen oder bei Verständnisproblemen (z.B. weil die*der Dolmetscher*innen einen anderen Dialekt spricht), sollte der*die Antragsteller*innen seine*ihre Einwände zu Protokoll geben und eine*n andere*n Dolmetscher*innen verlangen. Zur Not muss die Anhörung vertagt werden.

Bei der Anhörung werden in der Regel Fragen zur Person, zum Herkunftsland und zum Fluchtweg gestellt. Anschließend wird die Person aufgefordert, ihre individuellen Fluchtgründe zu schildern und zu erläutern, was ihr im Falle einer Rückkehr ins Heimatland drohen würde. Hier steht das eigene Fluchtschicksal im Vordergrund. Die Erlebnisse von Angehörigen oder die allgemeine politische Situation im Heimatland können zur Erläuterung herangezogen werden, dabei sollte jedoch beschrieben werden, inwiefern dies in Zusammenhang mit dem Asylsuchenden steht.

Der*die Antragsteller*in hat das Recht, alles vorzutragen, was ihm*ihr relevant erscheint. Der*die Anhörer*in oder der*die Dolmetscher*in dürfen nicht darauf drängen, sich auf kurze Antworten zu beschränken oder Fragen nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten.

Die Schilderungen werden ins Deutsche übersetzt und protokolliert. Die antragstellende Person hat das Recht, sich das Protokoll am Ende der Anhörung in die eigene Sprache rückübersetzen zu lassen.  Die geflüchtete Person bekommt so Gelegenheit, das Gesagte zu ergänzen oder richtigzustellen. Da dies die einzige Möglichkeit darstellt, Fehldarstellungen zu korrigieren, sollte sie nicht darauf verzichten. Schließlich wird ihr das Protokoll zur Genehmigung durch die Unterschrift vorgelegt. Wenn weiterhin Fehler darin enthalten sind und keine Änderung erfolgt, sollte das Protokoll nicht unterzeichnet werden.

Weitere Informationen:

Exkurs: Folgeantrag

Hat man bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt, der entweder zurückgenommen oder unanfechtbar abgelehnt worden ist, so ist jeder weitere Asylantrag ein so genannter Folgeantrag (§ 71 AsylG). In diesem Fall prüft das BAMF zunächst, ob es Gründe gibt, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigen (>> Asylfolgeantrag).

Die Entscheidung

Auf Basis der bei der Anhörung gemachten Angaben und der vorliegenden Dokumente und Beweismittel, entscheidet das Bundesamt über den Asylantrag. Dabei gilt das Einzelschicksal als maßgeblich. Die Entscheidung wird schriftlich begründet und den Beteiligten, dem*der Antragsteller*in oder Verfahrensbevollmächtigten sowie den zuständigen Ausländerbehörden mitgeteilt. Im Falle einer Ablehnung im Asylverfahren, sind die Rechtsmittelfristen sehr kurz, daher sei an dieser Stelle nochmals auf die Pflicht des*der Asylsuchenden, dem BAMF die jeweils aktuelle Adresse mitzuteilen, verwiesen.

Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Nur wenn keine dieser Schutzformen in Frage kommt, wird der Antrag abgelehnt und eine Abschiebung angedroht.

Unterschieden wird zwischen einer „einfachen“ Ablehnung und einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“.

Über die Anerkennung oder Ablehnung eines Asylantrages und die sich daraus ergebenen Konsequenzen informieren die Beiträge >>Ablehnungsformen und >>Anerkennungsformen.

Weitere Informationen:


Behördenstruktur in Deutschland und Baden-Württemberg

An der Bearbeitung von Asylanträgen und weiteren aufenthaltsrechtlichen Fragen sind unterschiedliche staatliche Stellen beteiligt. Oftmals fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten bzw. die richtige Stelle für die Bearbeitung eines Anliegens zu identifizieren. Aus diesem Grund sollen die wesentlichen staatlichen Stellen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Bundesverwaltung

Das Auswärtige Amt
Das Auswärtige Amt (Außenministerium) ist eins von insgesamt 15 Bundesministerien. Dem Auswärtigen Amt sind u.a. insgesamt weit über 200 deutsche Auslandsvertretungen untergeordnet. Diese Auslandsvertretungen spielen beispielsweise bei der Beantragung von Visa (z.B. beim Familiennachzug) eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus sammelt und veröffentlicht das Auswärtige Amt Informationen zur Situation in allen Ländern der Welt. Auf diese Berichte greifen das weiter unten noch näher behandelte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Verwaltungsgerichte zum Teil bei ihren Asylentscheidungen zurück.

Das Bundesministerium des Inneren
Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) ist eins von derzeit insgesamt 15 Bundesministerien. Im Ministerium werden vielfältige Aufgaben gebündelt. Das Spektrum reicht vom Bevölkerungsschutz über Integration und Sportförderung bis hin zu Sicherheitsaufgaben, z.B. der Steuerung und Koordination der Bundespolizei. Das BMI ist wesentlich für die Gestaltung der Migrationspolitik auf europäischer und deutscher Ebene verantwortlich. Es ist dem BAMF übergeordnet und leitet und beaufsichtigt dieses.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Das BAMF ist eine dem Bundesministerium des Inneren (BMI) untergeordnete (obere) Bundesbehörde. Als solche ist das BAMF in den Bereichen Asyl, Migration und Integration tätig. Neben der Durchführung von Asylverfahren bzw. dem (Über)Prüfen von Schutzbegehren übernimmt das BAMF Aufgaben im Bereich der Integration, z.B. durch Sprach- und Integrationskurse sowie die Jugendmigrationsdienste (JMD) und Migrationsberatung für Erwachsene (MBE). Daneben analysiert und erforscht das BAMF Migrationsprozesse. Es hat seinen Hauptsitz in Nürnberg und verfügt über zahlreiche dezentrale Standorte, die sog. Außenstellen sowie Ankunfts- und Entscheidungszentren. Eine Übersicht der Standorte des BAMF finden Sie auf der Homepage des Bundesamts.

Weitere Informationen:

Die Ausländerbehörden

Das Aufenthaltsrecht und auch das Asylrecht, wird – soweit nicht das BAMF zuständig ist –, von den Ausländerbehörden durchgeführt. Welche Ausländerbehörde für welche Aufgabe zuständig ist, wird in Baden-Württemberg in der „Verordnung der Landesregierung und des Justizministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz“ (AAZuVO) geregelt.

Die oberste Ausländerbehörde: das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg

Das Ministerium der Justiz und für Migration (Justizministerium oder JM) ist eins von derzeit insgesamt elf Fachministerien der Landesregierung Baden-Württemberg. Zusätzlich zu den Fachministerien gibt es noch das Staatsministerium als Behörde des Ministerpräsidenten. Das JM ist die oberste Ausländerbehörde. Die Ausländer- und Flüchtlingspolitik des Landes Baden-Württemberg ist beim JM im Themengebiet „Migration“ angesiedelt. Das JM strukturiert über auf seiner Homepage veröffentlichte Verwaltungsvorschriften, Erlasse oder Dienstanweisungen das Verwaltungshandeln der untergeordneten Ausländerbehörden. Daneben entscheidet es etwa über die Erteilung von Aufenthaltstiteln, die im Rahmen eines Härtefallverfahrens der Härtefallkommission erlangt werden können (§ 23a AufenthG), über die Aufnahme oder Neuansiedlung von Schutzsuchenden im Rahmen sog. Landeskontingente nach § 23 Absatz 1 AufenthG oder die generelle Aussetzung von Abschiebungen in bestimmte Länder nach § 60a Absatz 1 AufenthG (sog. Abschiebestopp).

Hinweis: Das JM ist nicht nur oberste Ausländerbehörde, sondern auch oberste Aufnahmebehörde im Sinne des baden-württembergischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes und kann als solche etwa auch Vorgaben hinsichtlich des Vollzugs des Asylbewerberleistungsgesetzes an die nachgeordneten Behörden machen.

Die höhere Ausländerbehörde: die vier Regierungspräsidien
Die Regierungspräsidien haben jeweils die Rechts- und Fachaufsicht über die unteren Ausländerbehörden in den Regierungsbezirken. Sie bearbeiten Widersprüche gegen Entscheidungen der unteren Ausländerbehörden und beraten diese in fachlichen und rechtlichen Fragen.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe nimmt eine besondere Stellung ein, denn es ist u.a. landesweit für folgende Maßnahmen zuständig:

  • Förderung und Organisation von freiwilligen Ausreisen („Rückkehrmanagement“)
  • Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (Abschiebung)
  • Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
  • Vollzug der Abschiebungshaft
  • Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen für Geduldete

In vielen Fällen sind die Regierungspräsidien auch für die Entscheidung über Ausweisungen von straffällig gewordenen ausländischen Personen oder auch über die Entfristung eines Aufenthalts- oder Einreiseverbots zuständig. Weitere Informationen zu den Aufgaben der Regierungspräsidien findet sich auf der Homepage der Regierungspräsidien Baden-Württemberg.

Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen die Regierungspräsidien der Entscheidung einer nachgeordneten Ausländerbehörde zustimmen müssen. Diese Fälle sind zum einen in der oben erwähnten AAZuVO, zum anderen in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Eine Zustimmung ist danach etwa erforderlich

  • bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG
  • beim Familiennachzug zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte (§ 36 Absatz 2 AufenthG)
  • bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn von der Nachholung des Visumsverfahrens wegen Unzumutbarkeit abgesehen werden soll (§ 5 Absatz 2 Satz 2 AufenthG)
  • bei der erstmaligen Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose,

um einige besonders praxisrelevante Fälle zu nennen.

Die untere Ausländerbehörde: Landratsamt oder Stadtverwaltung
Untere Ausländerbehörden sind in Baden-Württemberg in den Landkreisen die Landratsämter bzw. die Gemeindeverwaltungen in den kreisangehörigen und kreisfreien Städten. Wenn in der Praxis von „der Ausländerbehörde“ die Rede ist, sind meist diese Ausländerbehörden gemeint, weil dies die Behörden sind, mit denen die betroffenen Personen vor Ort in (persönlichen) Kontakt treten und Termine vereinbaren, z.B. zur Beantragung, Verlängerung oder Abholung von Dokumenten. Allerdings sollte man sich klarmachen, dass es manchmal so aussieht, als sei die untere Ausländerbehörde zuständig. So holt man sich als geduldete Person die Duldungsbescheinigung oder eine Beschäftigungserlaubnis zwar bei der unteren Ausländerbehörde ab. Die Entscheidung über die Erteilung der Duldung oder Beschäftigungserlaubnis ist aber zuvor vom Regierungspräsidium Karlsruhe getroffen worden, das die Ausländerbehörde lediglich in den „Aushändigungsprozess“ der Entscheidung einbindet. Will man eine Entscheidung zu seinen Gunsten beeinflussen und deshalb mit der zuständigen Behörde vorab Kontakt aufnehmen, müsste man sich im Beispielsfall direkt an das Regierungspräsidium Karlsruhe wenden.

Die Ausländerbehörden entscheiden über eine Vielzahl aufenthaltsrechtlicher Anträge selbst. Wenn nicht zuvor bereits ein Asylantrag gestellt worden ist, werden auch Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG von der Ausländerbehörde geprüft. Die Ausländerbehörden entscheiden zum Teil über die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen (bei Menschen mit sog. Duldung entscheidet allerdings das Regierungspräsidium Karlsruhe). Aufenthaltspapiere werden in den Ausländerbehörden ausgestellt bzw. verlängert.
Die Aufgaben und Bezeichnungen der unteren Ausländerbehörden (z.B. auch Amt für Ausländerwesen, Ausländeramt-Amt für Zuwanderung) können örtlich variieren. Jede untere Ausländerbehörde hat einen Internetauftritt, über den Aufgaben, Öffnungszeiten usw. eingesehen werden können.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Verwaltungsgerichte
In Baden-Württemberg gibt es vier erstinstanzliche Verwaltungsgerichte (VG) und zwar in Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg und Sigmaringen.
Vereinfacht dargestellt sind die Verwaltungsgerichte für Streitigkeiten zwischen Bürger*innen und dem Staat, d.h. in der Regel staatlichen Behörden, zuständig. Dies beinhaltet neben dem Asyl- und Ausländerrecht beispielsweise auch Streitigkeiten im öffentlichen Baurecht, im Gewerbe und Gaststättenrecht, Jugendhilferecht, Polizeirecht oder Straßenrecht. Gegen jede behördliche Entscheidung, die einen belastet, steht der Rechtsweg zu den Gerichten offen, der innerhalb bestimmter Fristen beschritten werden muss. In asylrechtlichen Streitigkeiten ergeben sich diese aus dem AsylG, in aufenthaltsrechtlichen Streitigkeiten aus der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In der Praxis ergibt sich die einzuhaltende Frist und das zuständige Gericht aus der Rechtsbehelfsbelehrung, die (negativen) Bescheiden angehängt sein sollte; fehlt sie beträgt die Frist in der Regel ein Jahr ab Kenntnis von der Entscheidung.

Verwaltungsgerichtshof
Den Verwaltungsgerichten ist in Baden-Württemberg der sog. Verwaltungsgerichtshof (VGH) übergeordnet, der seinen Sitz in Mannheim hat. Der VGH ist das höchste Verwaltungsgericht des Landes Baden-Württemberg. Dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sowie den Obergerichten der anderen Bundesländer, die dort manchmal Oberverwaltungsgerichte (OVG) heißen, ist das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) übergeordnet. Der VGH ist unter anderem für Berufungen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte zuständig, die in asylrechtlichen Streitigkeiten aber stets erst mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung „erkämpft“ werden muss. Da der VGH die Berufung nur aus ganz bestimmten Gründen zulassen darf, findet eine inhaltliche Kontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung in asylrechtlichen Streitigkeiten häufig nicht statt, auch wenn größte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des VG bestehen.


Zahlen und Fakten

Im Jahr 2021 waren insgesamt 16,1 Millionen Menschen (2020: 11,2 Millionen) neu dazu gezwungen, ihre Heimat aufgrund von gewaltvollen Konflikten, Kriegen, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Krisen, die die öffentliche Ordnung bedrohten, zu verlassen. Diese Zahl umfasst neben Menschen, die zum ersten Mal flüchten mussten, auch diejenigen, die erneut zur Flucht gezwungen wurden. Das bedeutet: 2021 begaben sich im Durchschnitt jeden Tag 44.109 Menschen auf die Flucht – mehr als alle zwei Sekunden eine Person (UNHCR Global Trends Report 2021).

Aber nur ein kleiner Bruchteil der weltweit insgesamt 89,3 Millionen flüchtenden Menschen flieht nach Europa. In Deutschland stellten 2021 beispielweise nur 190.816 Menschen einen Asylantrag (BAMF 2022: Asylzahlen).

Diese Zahlen liefern eine gute Möglichkeit, sich ein Bild über die gegenwärtigen Fluchtbewegungen zu machen. Trotzdem ist hier kritisches Mitdenken von Nöten: Es ist grundsätzlich sinnvoll, zu fragen, wer welche Daten auf welcher Grundlage erhebt. Das UNHCR weist beispielsweise explizit daraufhin, dass die Daten, die in den jährlichen Global Trends Reports veröffentlicht werden, auf verschiedenen Angaben von Regierungen, NGOs und eigenen Erhebungen basieren und behält sich darüber hinaus mögliche Änderungen vor. Eine Frage, die sich daraus ergibt, ist, welche Personengruppen (z.B. nur vom UNHCR registrierte Schutzsuchende) erfasst werden und welche nicht und wie genau die vorliegenden Zahlen vor diesem Hintergrund interpretiert werden müssen. Hilfreich ist also stets, verschiedene Quellen zu Rate zu ziehen und miteinander abzugleichen.

Geflüchtete weltweit

Im Jahr 2021 waren weltweit insgesamt 89,3 Millionen Menschen auf Grund von Verfolgung, gewaltsamen Konflikten oder anderweitigen Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht (2020: 82,4 Millionen; 2019: 79,5 Millionen). Mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung befindet sich folglich auf der Flucht, das sind mehr Menschen als je zuvor. Außerdem begaben sich 2021 auch mehr Menschen auf die Flucht als im Jahr zuvor (2021: 16,1 Millionen; 2020: 11,2 Millionen). Auch die Zahl der Asylanträge beim UNHCR oder bei einem Nationalstaat sind um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2021: 1,7 Millionen; 2020: 1,3 Millionen). Dennoch bleibt die Zahl der Anträge noch immer hinter dem Niveau vor der Corona-Pandemie zurück (2019: 2,2 Millionen; 2018: 2,1 Millionen). Die meisten der insgesamt 89,4 Millionen Geflüchteten im Jahr 2021 flüchteten allerdings nicht ins Ausland: Mehr als 51,3 Millionen Menschen (2020: 48 Millionen) suchten eine Zuflucht innerhalb des eigenen Landes (sogenannte Binnenvertriebene).

Mehr als zwei Drittel aller Geflüchteten (ca. 68 Prozent), die außerhalb ihres Landes Schutz suchten, kommen aus nur fünf Staaten: Syrien (6,8 Millionen), Venezuela (4,6 Millionen), Afghanistan (2,7 Millionen), Südsudan (2,4 Millionen) und Myanmar (1,2 Millionen) (UNHCR Global Trends Report 2021). Diese Zahlen sind zwischen 2012 und 2015 insbesondere wegen des Konflikts in Syrien immens gestiegen. Auch zehn Jahre nach Kriegsbeginn kommt der größte Anteil der weltweit geflüchteten Menschen aus Syrien. Aber auch die Situation in Venezuela spielt eine große Rolle (>> Fluchtursachen, siehe Abschnitt „Krieg und Gewalt“). Weiterhin relevant für die Zusammensetzung der aktuellen Zahlen ist die Flucht muslimischer Rohingya, die aufgrund von Verfolgung und Unterdrückung von Myanmar nach Bangladesch und Malaysia fliehen: Ende 2021 belief sich die Zahl auf rund 1,2 Millionen Personen.

Allgemein erweist sich die globale Verteilung von Geflüchteten auf andere Länder – gemessen am Einkommensniveau der Aufnahmeländer – als extrem ungleich. Nur 16 Prozent der Geflüchteten lebten 2021 in wirtschaftlich stark entwickelten Ländern (sogenannte „high-income countries“). Knapp ein Viertel (22 Prozent) lebte in den am wenigsten entwickelten Ländern („low-income countries“). Die große Mehrheit aller Geflüchteten (61 Prozent) lebte in sog. „middle-income countries“ (UNHCR Global Trends Report 2021).

Besonders dramatisch ist die Situation für Kinder: Allein 42 Prozent der 89,3 Millionen Flüchtenden sind minderjährig. Das UNHCR schätzt, dass von 2018 bis 2021 mehr als 1,5 Million Kinder auf der Flucht geboren wurden. Diese Kinder sind ganz besonders gefährdet, denn sie werden häufiger als Kindersoldat*innen rekrutiert, müssen Kinderarbeit leisten oder werden Opfer von Kinderhandel (ECPAT 2022). Lange Jahre der Flucht verhindern außerdem grundsätzliche Schulbildung und verstärken das Risiko auf lebenslange Armut (UNHCR 2022: Flüchtlingskinder).

2021 kehrten 429.300 Geflüchtete freiwillig mit Hilfe des UNHCR oder eigenständig in ihre Heimatländer zurück. Die Zahl der rückgekehrten Geflüchteten ist im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen (2020: 251.000) und befindet sich wieder auf dem Niveau der Zeit vor der Corona-Pandemie.

Die zehn größten Aufnahmeländer von Geflüchteten werden in der nachfolgenden Grafik dargestellt:

(Quelle: UNHCR Global Trends Report 2021)

Nützliche Links:

Die Fluchtwege

Flucht ist ein gefährliches und teures Unterfangen, da es nur selten Visa für Flüchtende gibt und sie somit zu illegalen Grenzüberschreitungen gezwungen werden. Die meisten Vertriebenen bleiben daher, wenn möglich, in ihrem Land oder in den angrenzenden Staaten. Die allerwenigsten begeben sich auf den Weg nach Europa. Wurden 2015 laut FRONTEX, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, mehr als 1,8 Millionen irreguläre Grenzüberschreitungen gezählt, waren es 2021 nur noch 199.900.

Insgesamt sind im Jahr 2021 weltweit mindestens 5.914 Menschen auf der Flucht gestorben oder wurden vermisst gemeldet, die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt (Missing Migrants Project 2022). In Afrika allein wurden 2021 1.599 Todesfälle registriert. Die Zahl der nicht registrierten Fälle dürfte auch hier um ein Vielfaches höher liegen. Ein großes Risiko stellt insbesondere die sogenannte Sahelroute dar, die durch die Sahara verläuft: viele Menschen verdursten in der Wüste auf dem Weg aus ihren Heimatländern (bspw. Mali, Sudan oder Tschad) in Zielländer wie Libyen, Südafrika und die Golfstaaten (UNO Fluchtroute Sahelzone).

Zu den häufigsten Fluchtrouten zählt nach wie vor der Weg über das Mittelmeer. Aus westafrikanischen Ländern flüchten Schutzsuchende über Niger und Mali nach Algerien oder Marokko, um über die westliche Mittelmeerroute nach Spanien zu gelangen. Die zentrale Mittelmeerroute, die Flüchtende aus Ländern wie Somalia, Eritrea oder dem Sudan nutzen, führt über Libyen nach Italien oder Malta. Insbesondere der Weg durch Libyen ist gefährlich, denn dort werden Schutzsuchende häufig Opfer von Sklaverei, Inhaftierung, Folter und gezielter Gewalt.

Die Mittelmeerroute wird als „tödlichste Seeroute der Welt“ bezeichnet. Im Jahr 2021 sind rund 123.318 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen, mindestens 3.231 Menschen starben bei der Überquerung oder werden noch vermisst. 2021 sind diese Zahlen wieder leicht angestiegen, nachdem sie in den letzten Jahren durch Corona deutlich geringer waren als in den Jahren zuvor (2020: 95.774 Ankünfte und 1.881 Todesfälle, 2019: 123.663 Ankünfte und 1.335 Todesfälle, UNHCR: Operational Data Portal). Die europäische Politik vermeidet weiterhin eine flächendeckende, institutionalisierte Seenotrettung. Stattdessen häufen sich völkerrechtswidrige und gewaltsame „Push-Backs“ (Zurückdrängung) von Flüchtenden an den Außengrenzen (Bericht Monitor). Als Antwort auf die vielen Sterbenden im Mittelmeer gründeten sich private Initiativen wie die internationale Bewegung „Seebrücke“, die diese Lücke zu schließen versuchen, zunehmend aber behindert und kriminalisiert werden (UNHCR: FAQ Seenotrettung).

Wie sich die Zahlen der Menschen, die übers Mittelmeer nach Europa kamen, in den letzten Jahren entwickelt haben, ist in der folgenden Grafik zu sehen:

(Quelle: UNHCR: Operational Data Portal)

Nützliche Links:

  • Watch the med – Online Mapping Plattform, die Todesfälle und Menschenrechtsverletzungen an Migrant*innen an den Außengrenzen der EU nachverfolgt
  • Alarmphone – ein selbstorganisiertes Call-Center für Geflüchtete, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten
  • Seebrücke – Initiative, die sich für sichere Fluchtwege, Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter einsetzt

Geflüchtete in Europa

Im Jahr 2021 wurden in der EU 630.500 Asylanträge gestellt. 535.000 Anträge davon waren Erstanträge, das bedeutet einen Anstieg um 33 Prozent zu 2020, doch einen 10 Pozent geringeren Anstieg als 2019, vor der COVID-19-Pandemie. 183.600 Asylsuchende waren noch minderjährig, davon fast 13 Prozent unbegleitet. Insgesamt wurden etwa 257.000 Asylsuchende innerhalb der EU als schutzberechtigt anerkannt. Die meisten Erstasylanträge wurden von Personen aus Syrien gestellt (18,3 Prozent), gefolgt von Afghanistan (15,7 Prozent) und Irak (4,7 Prozent). Der größte Rückgang der Asylerstanträge wird für Staatsangehörige Kolumbiens verzeichnet: Verglichen mit dem Vorjahr ging die Anzahl der Erstanträge um 54,8 Prozent zurück.

Die Anerkennungsquoten innerhalb der EU unterscheiden sich stark: Beispielsweise lag die Schutzquote für Menschen aus Afghanistan zwischen 9 Prozent in Bulgarien und 100 Prozent in Spanien und Portugal. Insgesamt warteten Ende 2020 noch 758.700 Menschen auf eine Entscheidung bezüglich ihres Asylantrages (Eurostat 2022; EU 2022).

In der EU richten sich Asylverfahren nach dem „Gemeinsamen Europäische Asylsystem“ (GEAS), u.a. bestehend aus der Asylverfahrens-, Aufnahme- und der Qualifikations-Richtlinie sowie der Dublin-III-Verordnung. Diese Richtlinien müssen von den EU-Staaten umgesetzt werden. Die Dublin-Verordnung schreibt fest, dass Geflüchtete in nur einem EU-Staat einen Asylantrag stellen dürfen. Zudem können sich Geflüchtete grundsätzlich nicht aussuchen, in welchem Staat das Verfahren durchgeführt wird. Gleichzeitig sollen die Richtlinien bewirken, dass EU-weit einheitliche Schutzstatus (Qualifikationsrichtlinie) sowie bestimmte Rechte und Aufnahmestandards während des Asylverfahrens gewährleistet sind (Asylverfahrens- und Aufnahmerichtlinie). Seit 2016 wird in der EU über mögliche Reformen des GEAS verhandelt. Eine „gerechte Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten“ wird gefordert und Sekundärmigration soll unterbunden werden. Die Verhandlungen stocken immer wieder. Im September 2020 hat die Europäische Kommission einen vorschlag für ein neues Migrations- und Asylsystem eingebracht (Europäische Kommission: 2020, Europäischer Rat: Reform des EU-Asylsystems), der weiterhin in der Schwebe ist.

Geflüchtete in Deutschland

2022 stellten 252.422 Personen einen Asylantrag in Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr (190.816 Asylanträge) bedeutet dies einen Anstieg um 27,9 Prozent. Von den 217.774 Erstanträgen entfallen 24.791 auf Anträge, die für in Deutschland geborene Kinder gestellt wurden. Tatsächlich sind also nur ca. 227.600 Menschen im vergangenen Jahr neu eingereist (BAMF 2022: Asylzahlen). Die meisten Menschen, die 2022 in Deutschland Erstanträge stellten, kamen aus Syrien (32,6 Prozent), Afghanistan (16,7 Prozent) und der Türkei (11 Prozent).

Auch wenn die Zahlen im Vergleich zum letzten Jahr deutlich angestiegen sind, liegen sie immer noch deutlich hinter den von 2015 und 2016 (2015: 476.469, 2016: 745.545). Die vergleichsweise niedrigen Zahlen haben u.a. mit der europäischen Abschottungspolitik zu tun: Im Mittelmeer ertrinken tausende Menschen, die griechisch-türkische Landgrenze ist geschlossen und die ungarischen und kroatischen Grenzen sind ebenfalls hermetisch abgeriegelt.

2021 wurden 3.249 Asylerstanträge von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten gestellt. 44,6 Prozent dieser Personen kamen aus Afghanistan, 28,5 Prozent aus Syrien. Unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind Personen unter 18, die ohne Begleitung eines für sie verantwortlichen Erwachsenen einreisen. Damit sind sie besonders vulnerabel (BAMF – Bundesamt in Zahlen 2021).

Die folgende Grafik schlüsselt alle Asylerstanträge aus dem Jahr 2021 nach den Staatsangehörigkeiten der Antragsteller*innen auf:

(Quelle: BAMF 2022: Asylzahlen)

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat 2022 über insgesamt 228.673 Asylanträge (Erst- und Folgeanträge) entschieden (2021: 149.954). Dabei lag die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigkeiten (Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiärer Schutz gemäß § 4 Absatz 1 AsylG und Abschiebungsverbot gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG) bei 56,2 Prozent (128.463  positive Entscheidungen von insgesamt 228.673). Im Vergleich zum Vorjahreswert (39,9 Prozent) stieg die Gesamtschutzquote um 16,3 Prozentpunkte.

Im Vergleich zum Vorjahreswert (43,1 Prozent) sank die Gesamtschutzquote 2021 um 3,2 Prozentpunkte. Personen aus Syrien (99,9 Prozent) und Afghanistan (58 Prozent) bekamen deutlich häufiger einen Schutzstatus. Gegen ablehnende Entscheidungen klagten 87,2 Prozent der Geflüchteten (BAMF – Bundesamt in Zahlen 2022).

Insgesamt wurden 2021 11.982 Menschen und damit deutlich mehr Menschen als im Vorjahr (2020: 10.800 Menschen) aus Deutschland abgeschoben (Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drs.: 20/890).

Geflüchtete in Baden-Württemberg

Jedes Bundesland ist dazu verpflichtet, einen bestimmten Prozentanteil der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, aufzunehmen. Dieser Anteil wird jedes Jahr durch den Königsteiner Schlüssel berechnet, der sich zu 2/3 aus den Steuereinnahmen und zu 1/3 aus der Bevölkerungszahl ergibt. Dementsprechend musste Baden-Württemberg im Jahr 2021 13,04% der registrierten Geflüchteten aufnehmen (BAMF 2021: Erstverteilung der Asylsuchenden).

In Baden-Württemberg werden die Geflüchteten zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, die über das ganze Land verteilt sind. Mehr dazu unter >> Unterbringung und Wohnen.